Entwicklung und Bau einer Lichtquelle f ur das Gain Monitoring System eines
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Entwicklung und Bau einer Lichtquelle für das Gain Monitoring System eines Hermes-Detektors aus szintillierenden Fasern Diplomarbeit im Fach Physik von Julia Streit-Lehmann aus Göttingen II. Physikalisches Institut Justus-Liebig-Universität Gießen 13. Februar 2006
”Kreativität? Überschätzt! Kreativität besteht zu einem Prozent aus Inspira- tion und zu 99 Prozent aus Transpiration.” (Thomas Alva Edison)
Zusammenfassung Das Hermes-Experiment am Deutschen Elektronensynchrotron (DESY) in Hamburg soll Aufschluss über die Spinverteilung im Proton liefern. Hinweise auf die Spins der Partonen liefert die tief virtuelle Comptonstreuung (deeply virtual Compton scattering, DVCS). Mit dem Hermes-Rückstoßdetektor ist es möglich, die Kinematik des Rückstoßprotons zu messen; dies erlaubt eine sicherere Auswahl der tatsächlichen DVCS-Reaktionsprozesse aus der Gesamtheit der experimentellen Daten. Eine der drei aktiven Kompo- nenten des Rückstoßdetektors ist der Scintillating Fibre Tracker (SFT), ein Detektor aus szintillierenden Fasern, der die Spur von Protonen und Pionen rekonstruiert. Für den SFT soll ein Gain Monitoring System (GMS) entwickelt werden, welches die Effizienz des SFT überwacht. Die vorliegende Diplomarbeit behandelt zwei Themenschwerpunkte: erstens wird das Design der Lichtquelle vorgestellt, die im GMS für den Spur- rekonstruktionsdetektor SFT im Hermes-Experiment eingesetzt werden soll. Zweitens werden Untersuchungen zu lichtleitenden Fasern beschrieben, da diese die mit der Lichtquelle erzeugten Signale in den Detektor einkoppeln. Das Design der GMS-Lichtquelle basiert auf LEDs. Diese sind auf einen kleinen Raumbereich gerichtet, in welchem die Enden der 19 Lichtleiter fixiert sind, die das Licht von der Lichtquelle zum Detektor transportieren. In die Entwicklung dieser Lichtquelle sind die Erfahrungen eingeflossen, die mit Hilfe eines Vorläufermodells gewonnen wurden. Desweiteren wird eine kleinere Lichtquelle vorgestellt, mit der die Komponententests durchgeführt worden sind. Sie wird mit einer einzelnen LED betrieben und bietet neben der Kopplung an die zu messende Faser die Möglichkeit, an ein Referenzsys- tem angeschlossen zu werden, welches die Helligkeit der verwendeten LED überwacht. Zu den Eigenschaften der Lichtleiter wurden umfangreiche Experimente durchgeführt, unter anderem zu den mechanischen und funktionellen Re- aktionen auf ionisierende Strahlung, wie sie in der Nähe eines Beschleuniger- ringes auftritt. Die Bestrahlung mit Energiedosen von mehreren 100 Gy geht mit erheblichem Transmissionsverlust einher.
Inhaltsverzeichnis 1 Das Hermes-Experiment 3 1.1 Der Spurrekonstruktionsdetektor . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.2 Prinzip des Gain Monitoring System . . . . . . . . . . . . . . 8 2 Design der GMS-Lichtquelle 10 2.1 Das Vorläufermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.2 Die Lichtquelle für die Komponententests . . . . . . . . . . . . 15 2.3 Die Hermes-Focus-Box . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3 Lichtleitertests 21 3.1 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.2 Auswahl des Fasertyps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.3 Signaltransport in Lichtleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.4 Abschwächlängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.5 Signalverlust durch Strahlenschäden . . . . . . . . . . . . . . . 42 4 Test der GMS-Lichtquelle 51 4.1 Räumliche Intensitätsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.2 Abstandsbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5 Fazit und Ausblick 57 5.1 Einbau der GMS-Lichtquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 5.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Anhang 62 A Messdaten 63 B Datenblätter 67 Literaturverzeichnis 70 1
Kapitel 1 Das Hermes-Experiment Das Hauptziel des Hermes-Experiments ist das Verständnis des halbzahligen Protonenspins im Rahmen des Quark-Parton-Modells. Im naiven Quarkmo- dell bilden zwei u-Quarks und ein d-Quark im so genannten Confinement- Zustand ein Proton. Die Vorstellung, dass sich die z-Komponenten der Spins dieser drei Valenzquarks vektoriell zu 12 addieren, ist nicht zutreffend. Es müssen noch weitere Partonen des Protons in der Spinverteilung berücksich- tigt werden, die Seequarks und die Gluonen, so wie mögliche Beiträge ∆L aus dem Bahndrehimpuls aller Partonen. Hiermit setzt sich die z-Komponente des Protonenspins wie folgt zusammen: 1 Sz = ∆G + ∆L + ∆Σ, (1.1) 2 wobei ∆G den Spinanteil des Gluonen bezeichnet, ∆L den zu berücksichti- genden Bahndrehimpuls und ∆Σ den Spinanteil der Quarks mit ∆Σ = ∆uV alenz + ∆dV alenz + ∆qSee . (1.2) Hierbei sei der Spinanteil der Seequarks unter ∆qSee zusammengefasst. Der theoretisch erwartete Wert für ∆Σ kann mit der Summenregel von Ellis und Jaffe berechnet werden und beträgt ∆Σ = 0.57 [1]. Die Ergebnisse des 1987 am CERN durchgeführten EMC-Experiments haben eine Verletzung dieser Summenregel gezeigt [2]. Zur Lösung dieses als das Spin-Rätsel benannten Widerspruchs wird an der Hadronen-Elektronen-Ring-Anlage (Hera) am DESY in Hamburg das Hermes1 -Experiment durchgeführt [3]. Ziel ist es, mittels tief inelastischer Streuung (deep inelastic scattering, DIS) von Elektronen an Protonen zu messen, welchen Anteil am Protonenspin die Partonen des Protons tragen. Dies soll unter verschiedenen kinematischen 1 kurz für: HERA Measurement of Spin 3
4 KAPITEL 1. DAS HERMES-EXPERIMENT Bedingungen untersucht werden. Bei einer inklusiven Messung wird lediglich das gestreute Elektron detektiert (siehe Abbildung 1.1). Hieraus kann nur ∆Σ bestimmt werden, nicht dessen einzelne Summanden. Um die Beiträge der einzelnen Quarkflavours zu messen, muss neben dem gestreuten Elektron auch das Hadron, das wahr- scheinlich das gestreute Quark enthält, identifiziert werden (semi-inklusive Messung). Die meisten Informationen stehen bei der exklusiven Messung zur Verfügung: hier wird neben dem Elektron der gesamte hadronische Endzustand detektiert. Dies schließt das rückgestreute Proton mit ein, welches im bisherigen Hermes-Aufbau nicht direkt nachgewiesen werden konnte. Zu diesem Zweck wurde der Rückstoßdetektor konzipiert; sein Einbau in das Hermes-Experiment wurde im Januar 2006 abgeschlossen. Abbildung 1.1: Skizze des tief inelastischen Streuprozesses. Bei der inklusi- ven Messung wird nur das gestreute Elektron, bei der exklusiven Messung zusätzlich der gesamte hadronische Endzustand detektiert. Unter den exklusiven Streuprozessen ist besonders die tief virtuelle Compton- Streuung (deep virtual Compton Scattering, DVCS) interessant, da hieraus unter definierten kinematischen Bedingungen Informationen über die gene- ralisierten Parton-Verteilungen (generalized parton distributions, GPDs) er- halten werden können [4]. Die GPDs stellen eine Verbindung zwischen Form- faktoren (den Fouriertransformierten der auf die Gesamtladung normierten Ladungsverteilungen) und bisherigen Parton-Verteilungen her und ermögli- chen einen Zugang zur Berechnung der totalen Drehimpulse der Quarks. Beim DVCS-Prozess wird von einem Elektron ein virtuelles Photon emit- tiert, welches an ein Proton koppelt. Dieses emittiert daraufhin ein reelles Photon (γ ∗ + p −→ γ + p) und bleibt intakt. Im Rahmen der Quanten-
1.1. DER SPURREKONSTRUKTIONSDETEKTOR 5 Abbildung 1.2: Feynmangraphen von DCVS (links) und zwei Bethe-Heitler- Prozessen. Die unterschiedlichen physikalischen Reaktionen führen zum glei- chen Endzustand. Dieser besteht aus einem Proton, das einen kleinen Im- pulsübertrag erhalten hat, einem reellen Photon und dem gestreuten Elek- tron. chromodynamik (QCD) kann gezeigt werden, dass unter bestimmten kine- matischen Voraussetzungen die Absorption und Emission des virtuellen und des reellen Photons an einem einzelnen Quark geschieht. Der Endzustand, der nun exklusiv detektiert werden kann, besteht aus dem Proton, das einen Impulsübertrag erfahren hat, dem gestreuten Elektron und dem vom Proton emittierten reellen Photon. Ein weiterer Reaktionsprozess hat den selben Endzustand: beim so genann- ten Bethe-Heitler-Prozess wird dem Proton ein Impuls übertragen, wenn ein Elektron in dessen Coulombfeld Bremsstrahlung emittiert (siehe Ab- bildung 1.2). Welcher dieser Prozesse mit der höheren Wahrscheinlichkeit stattfindet, hängt von der Energie der Kollisionspartner ab. Für den gesam- ten Wirkungsquerschnitt muss dementsprechend zu den Amplitudenquadra- ten der Wirkungsquerschnitte beider Prozesse ein Interferenzterm hinzuad- diert werden, der aus der quantenmechanischen Überlagerung der Einzel- prozesse resultiert. Die Winkelabhängigkeit des Interferenzterms enthält In- formationen über Real- und Imaginärteil der Streuamplitude, die darüber- hinaus von der Helizität des Strahls und der Ladung (Elektron oder Po- sitron) abhängt: Der Realteil ist mit einer Leptonenladungs-Asymmetrie ver- knüpft, der Imaginärteil mit einer Leptonenstrahlhelizitäts-Asymmetrie. Die- se können im Experiment als Funktion der kinematischen Variablen xBjørken , der Mandelstam-Invarianten t = (p0 − p)2 und der Schwerpunktsenergie W 2 bestimmt werden [5]. 1.1 Der Spurrekonstruktionsdetektor Den Hermes-Rückstoßdetektor bilden drei Einzeldetektoren: der Silizium- Detektor ganz innen nahe der Strahlachse, außen der Photondetektor und dazwischen ein Spurrekonstruktionsdetektor aus szintillierenden Fasern
6 KAPITEL 1. DAS HERMES-EXPERIMENT Abbildung 1.3: Der Hermes-Rückstoßdetektor. Der Magnet ist hier nicht gezeigt. (siehe Abbildung 1.3). Der Silizium-Detektor befindet sich innerhalb des Strahlrohres im Hochvakuum, da Materie zwischen Vertexpunkt und Silizium-Detektor die nachzuweisenden niederenergetischen Protonen sehr leicht absorbieren würde. Der Photondetektor besteht aus jeweils drei Schichten Wolfram und Szintillatormaterial2 . Er dient dazu, Untergrund- prozesse zu detektieren, indem er z.B. die Photonen die beim Zerfall der ∆-Resonanz durch den Prozess ∆+ → pπ 0 → pγγ entstehen, nachweist. Der Spurrekonstruktionsdetektor (Scintillating Fibre Tracker, SFT) besteht aus zwei ineinander angeordneten Zylindern, die ihrerseits aus insgesamt rund 7300 szintillierenden Fasern3 bestehen (siehe Abbildung 1.4). Je 64 Fasern sind mit Klebstoff4 zu einem doppellagigen Modul vergossen. Der innere Zy- linder (Durchmesser 216 mm) besteht aus 42 dieser Module und der äußere Zylinder (Durchmesser 366 mm) aus 72 Modulen. Jeder Zylinder ist eine 2 Bicron BC-408 3 Kuraray, Typ SCSF-78 M, 1.0 mm Durchmesser, Material: Polystyrol, PMMA und Szintillatordotierung 4 Polyurethan Ureol 6414
1.1. DER SPURREKONSTRUKTIONSDETEKTOR 7 Abbildung 1.4: Der Hermes-Rückstoßdetektor vor seinem Einbau. Zu er- kennen ist der Konnektorring, an den von vorne die Lichtleiter angeschlossen werden. Hinter dem Konnektorring ist der äußere Zylinder aus szintillieren- den Fasern zu sehen. selbsttragende Konstruktion aus zwei Schichten dieser Fasermodule, wobei bei beiden Zylindern die Fasern der inneren Schicht parallel zur Strahlachse orientiert sind (”Parallellagen”). Die Fasern, die die äußeren Schichten bilden (”Stereolagen”), sind um 10◦ gegenüber denen der inneren Schicht geneigt (siehe Abbildung 1.5). Diese Anordnung erlaubt die Spurrekonstruktion auch in Richtung der Strahlachse auf einer aktiven Länge von 265 mm. Die Fa- sern sind in spezielle Stecker eingefädelt, die ihrerseits den Anschluss an die Auslese-Lichtleiter bilden. Die Oberflächen am anderen Ende der Fasern sind poliert und verspiegelt, um hier Lichtverluste zu vermeiden. Die Signale werden mit ca. 4 m langen Lichtleitern von Kuraray, Typ CLEAR-PSMSJ vom SFT zu 64-fach-Photomultiplier Tubes (PMTs) von Ha- mamatsu, Typ 7546 B, geleitet und ausgelesen. Die 78 PMTs liefern analoge Signale, welche mit Gassiplex-Chips auf Frontend-Modulen zwischengespei- chert und über Viedeomultiplexer an 10-bit-ADCs5 weitergeleitet werden [6]. Die Auslese wird durch ein Hermes-Trigger-Signal gestartet. Der SFT ist in der Lage, Protonen und geladene Pionen in einem Impulsbe- reich von 0.3 GeV/c bis 1.6 GeV/c nachzuweisen [7]. 5 ADC kurz für: Analog Digital Converter
8 KAPITEL 1. DAS HERMES-EXPERIMENT Abbildung 1.5: Die Parallellagen und die Stereolagen am SFT-Detektor. Die um 10◦ gegenüber der Parallellagen verschobene Ausrichtung der Stereolagen erlaubt die Rekonstruktion der Teilchenspur. 1.2 Prinzip des Gain Monitoring System Mit dem Gain Monitoring System (GMS) ist es möglich, die Signalstabi- lität des Rückstoßdetektors zu überwachen. Hierzu wird Licht geeigneter Wellenlänge in den Detektor gebracht, welches neben den durch Teilchen im Experiment erzeugten Signalen ebenfalls ausgelesen und verarbeitet wird. Wesentlich für die Funktionsweise des hier beschriebenen GMS ist die Tatsache, dass es sich hierbei nicht um kalibrierte Lichtpulse im absoluten Sinne handelt, sondern dass mit der Überwachung der GMS-Signale lediglich Aussagen über das relative zeitliche Verhalten des Detektors möglich sind. Die GMS-Signale werden von einer Lichtquelle produziert, die schnelle und kurze Lichtpulse aussenden kann. Diese Pulse werden mit lichtleitenden Fasern in den SFT eingekoppelt; dazu sind Stecker an der Deckplatte (dem Konnektorring) des SFT vorgesehen. Desweiteren befinden sich innerhalb des SFT Fasern, deren Mantel (Cladding) angerauht wurden, so dass nicht nur am jeweiligen Faserende Licht austritt, sondern außerdem seitlich auf einer Länge von mehreren Zentimetern. Die angerauhten Fasern bilden insgesamt jeweils einen Ring um den äußeren und einen um den inneren Zylinder, so dass im Idealfall alle Fasermodule mit dem GMS-Licht beleuchtet werden.
1.2. PRINZIP DES GAIN MONITORING SYSTEM 9 In der Praxis hat sich diese Methode der Lichteinkopplung als relativ ungleichmäßig herausgestellt [8]. Vermutlich werden auf diese Weise einige der szintillierenden Fasern hohen Amplituden ausgesetzt sein, während mit anderen Fasern möglicherweise kein GMS-Signal nachgewiesen werden kann. Die Ursache hierfür ist einerseits darin zu vermuten, dass die genaue Lage der angerauhten Fasern im SFT nicht kontrolliert werden kann. Andererseits geschieht die Einkopplung des Lichts von außen in eine szintillierende Faser über nicht definierte Streu- und Fluoreszensprozesse. Parallel zum Durchgang durch den Detektor werden Amplitude und Frequenz der Lichtpulse von einem unabhängigen PMT ausgelesen. Um eine Kalibrie- rung der Amplitude zu ermöglichen, wird vor den hierfür benutzten PMT zusätzlich eine radioaktive Quelle, die Alphastrahlung in einen Szintillator emittiert, platziert. Das GMS-Signal kann dann mit Hilfe des Signals der Al- phaquelle kalibriert werden, da diese als zeitliche stabile Lichtquelle dient [8]. Im Hermes-Experiment hat das GMS drei Funktionen: 1. Durch die Einkopplung von Licht in den SFT lässt sich die prinzipielle Funktionsfähigkeit aller 4500 Auslesekanäle kurzfristig überprüfen, so dass tote Kanäle identifiziert werden können. 2. Nach Kalbrierung des GMS-Signals mit Hilfe der Alphaquelle kann die zeitliche Veränderung der Lichtausbeute des SFT überwacht werden. Solche Veränderungen können beispielsweise durch Strahlenschäden an den Lichtleitern entstehen (Studien zu diesem Effekt werden in Ab- schnitt 3.5 vorgestellt). 3. Die PMTs lassen sich durch die Einstrahlung niedriger Intensitäten kalibirieren, da auf diese Weise die Lage des single photo electron peak eines jeden PMT bestimmt werden kann (siehe Abschnitt 5.1).
Kapitel 2 Design der GMS-Lichtquelle Dem Bau der endgültigen Version der GMS-Lichtquelle ging die Entwicklung zweier Lichtquellen voraus. Ein Vorläufermodell, die so genannte Hermes- Light-Box, wurde zuerst gebaut; während ihrer Entwicklung ließ sich ein erster Überblick über diese Art Lichtquellen gewinnen. Die zweite ist die Hermes-Mini-Box, eine kleinere Lichtquelle, die nicht für den Einsatz im GMS bestimmt ist, sondern als ein einfaches Modell für eingehendere Stu- dien zu den einzelnen Lichtquellenkomponenten benutzt werden kann. Als drittes wird dann die endgültige Version, die Hermes-Focus-Box vorgestellt, in deren Design die Erfahrungen, die mit den anderen beiden Lichtquellen gesammelt wurden, eingeflossen sind. 2.1 Das Vorläufermodell Dieser Abschnitt behandelt das erste Modell, das gebaut wurde. Die Vorga- ben für das Design der GMS-Lichtquelle sind im Wesentlichen: • hohe Signalstabilität, • Pulsfrequenz von mindestens 1000 Hz, • Pulsdauer in der Größenordnung weniger ns, • sollte wenn möglich mit einem im Experiment schon vorhandenen Fünfkanal-Pulser von CAEN Typ C 529 betrieben werden können, • möglichst wartungsfrei, • Abmessungen nicht größer als etwa 50 cm in jeder Richtung, 10
2.1. DAS VORLÄUFERMODELL 11 • alle Komponenten müssen PVC-frei1 und unmagnetisch2 sein, • kostengünstig. Außerdem muss das Licht der GMS-Lichtquelle wie in Abschnitt 1.1 beschrie- ben in den SFT eingekoppelt werden können. Diese Rahmenbedingungen waren deshalb gegeben, weil der Bau des Rückstoßdetektors schon fortge- schritten war, bevor mit dem Design der GMS-Lichtquelle begonnen wurde: der CAEN-Pulser ist bereits vorhanden, bietet sich daher zur Nutzung im GMS an, limitiert aber die Anzahl der einzelnen Betriebskanäle auf fünf und die Maximalspannung, mit der die Lichtquelle betrieben werden kann auf 18 - 20 V. Auch das Platzangebot in der Nähe des SFT war schon zu diesem Zeitpunkt begrenzt. Zu Beginn der Entwicklungsphase standen drei verschiedene Konzepte zur Auswahl: LEDs3 , Laser oder konventionelle Halogenlampen. Gegen die Verwendung letztgenannter Lampen spricht, dass diese sich nicht mit der gewünschten Genauigkeit im ns-Bereich triggern lassen. Laser erfüllen diese Anforderung, sind aber aufwendig zu betreiben und teuer - insbesondere wenn extern getriggerte Pulse der gewünschten Frequenz realisiert werden sollen. Für die LED-Variante sprechen vor allem geringe Materialkosten, leicht zu beschaffende Leuchtmittel in großer Auswahl und eine zu erwartende hohe Signalstabilität mit hoher Pulsrate, so dass diese Variante entwickelt wurde. Ein weiterer Vorteil ist, dass eine LED-basierte Lichtquelle leicht ohne magnetische Materialien gebaut werden kann. Eine handelsübliche LED wird meist, je nach Typ, mit 3 - 5 V betrieben. Die Farbe der LED ist wesentlich für ihren Einsatz in der GMS-Lichtquelle: die im Detektor verwendeten szintillierenden Fasern haben im Bereich um 450 nm ihre größte Emissionseffizienz, welche bei größeren Wellenlängen im grünen Bereich wie bei kleineren Wellenlängen (ca. 400 nm) stark abfällt [9]. Da in ihnen das GMS-Licht absorbiert werden soll, sollte die gewählte Wellenlänge kleiner als 450 nm sein. Bei den Lichtleitern muss für diese Wellenlängen eine hohe Transmissionseffizienz vorliegen, damit möglichst wenig Signalverlust zu erwarten ist. Violette und blaue LEDs kommen somit in Frage. Diese sind als ’ultrahelle’ LEDs mit Lichtstärken von etwa 1 - 3 Cd 1 Materialien, die PVC enthalten, sind im gesamten Hermes-Experiment aus Brand- schutzgründen verboten 2 Die Magnetfeldstärke des Hermes-Magneten ist in der Größenordnung von 1 T, und die GMS-Lichtquelle befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Magneten 3 LED kurz für: Light Emitting Diode
12 KAPITEL 2. DESIGN DER GMS-LICHTQUELLE und mit verschiedenen Öffnungswinkeln4 erhältlich. Die GMS-Lichtquelle besteht aus drei Hauptkomponenten. Diese sind: 1. der eigentliche Lampenkörper, der sich im Wesentlichen aus dem Gehäuse, den Leuchtmitteln und den mechanischen Bauteilen ergibt, 2. die Spannungsversorgung und 3. das Lichtleitungssystem, welches die so erzeugten Lichtsignale zum De- tektor transportiert. Als Baustoffe wurden Aluminium, POM5 und Polyethylen (PE) gewählt. Die verwendeten Schrauben sind aus Messing. Als Leuchtmittel können handelsübliche 5mm-LEDs verwendet werden. Den schematischen Aufbau des Vorläufermodells zeigt Abbildung 2.1. Sie besteht aus einer Matrix aus 21 LEDs (Schnitt C-C), welche eine gegenüber- liegende Ebene beleuchten, in die 21 Lichtleiter einzeln angekoppelt werden können. Für das GMS werden 18 Lichtleiter benötigt, um mit der GMS- Lichtquelle alle Fasermodule im Detektor zu beleuchten (siehe Abschnitt 1.1); die weiteren drei Lichtleiter sind als Ersatz bzw. als Referenzfaser eingeplant. Sie werden mit einer Überwurfverschraubung an die Hermes-Light-Box an- geschlossen. Dazu werden die Lichtleiter am Faserende mit einer Kupplungs- buchse (Bauteil 14) versehen und mit einer Überwurfmutter (Bauteil 15) an der Vorderseite (Bauteil 1) befestigt. Die Spannungsversorgung, die mit dem oben genannten CAEN-Pulser zur Verfügung steht, erlaubt folgende LED-Anordnung: da der Pulser mit fünf Spannungskanälen ausgestattet ist, werden die LEDs in fünf Reihen angeordnet. Jede dieser Reihen wird paral- lel mit Spannung versorgt. Innerhalb einer Reihe sind drei bzw. fünf LEDs seriell geschaltet, so dass auf jede einzelne LED mindestens 3.5 V entfällt, was der empfohlenen Betriebsspannung der benutzen LED entspricht (siehe Datenblatt in Anhang B). Zwischen LED-Platine und Faseroberflächen kann bei Bedarf eine Milchglas- scheibe angebracht werden, die das LED-Licht diffundiert, so dass eine LED ihr Licht an möglichst viele Fasern abgibt. Außerdem können auf diese Weise herstellungsbedingte Intensitätsunterschiede der LEDs ausgeglichen werden, um eine möglichst homogene Ausleuchtung zu gewährleisten. Wesentlicher 4 Öffnungswinkel:= der Winkel unter dem die Intensität auf die Hälfte ihres Maximal- werts abgefallen ist, siehe Anhang B 5 POM kurz für: Polyoxymethylen/Polyacetal
2.1. DAS VORLÄUFERMODELL 13 Abbildung 2.1: Die Hermes-Light-Box. Links ist die Trägerplatte für die Graufilter zu sehen, in der Mitte ein Schnitt durch den Grundkörper, in dem man links die Schraubbohrungen für die Lichtleiter und rechts die LEMO- Stecker für die LEDs erkennt. Im rechten Bild ist die LED-Platine dargestellt. Vorteil bei der Verwendung mehrerer LEDs in einer solchen Lichtquelle ist, dass sich das Licht der LEDs überlagert und so auf mehrere Lichtleiter ver- teilt. Die Summe der Einzelbeiträge der LED-Intensitäten für einen bestimm- ten Raumbereich wird duch den Öffnungswinkel der LEDs bestimmt. Sollte eine einzelne LED ausfallen, wäre der gegenüberliegende Lichtleiter nicht gänzlich unbeleuchtet. Dieser positive Effekt wird durch die Verwendung von Milchglas noch verstärkt. Mit einem Spektralapparat6 wurde an einer Milchglasscheibe eine Transmis- sionsmessung durchgeführt. Dafür wurde das Tech Spec Ground Glass der Firma Edmund Optik verwendet. In Abbildung 2.2 ist zu sehen, dass diese Diffusion mit etwa 75% Helligkeitsverlust einhergeht. Dies ist problematisch, da dieser Helligkeitsverlust mit dem vorliegenden Design nicht durch 6 Specord 200 von Analytic Jena
14 KAPITEL 2. DESIGN DER GMS-LICHTQUELLE einfache Maßnahmen - wie etwa die Verwendung zusätzlicher LEDs oder der Betrieb bei einer höheren Versorgungsspannung - ausgeglichen wer- den kann: der zu verwendende CAEN-Pulser schließt diese Möglichkeiten aus. transmission (%) 25 20 15 10 5 0 200 300 400 500 600 700 wave length (nm) Abbildung 2.2: Transmission durch Tech Spec Ground Glass. Aufgetragen ist hier die prozentuale Transmissionsintensität gegen die Wellenlänge des transmittierten Lichts. Um in alle GMS-Fasern die gleiche Lichtmenge einzukoppeln, ohne dazu auf die Diffusion durch Milchglas zurückgreifen zu müssen, können die LEDs individuell mittels Graufilterfolien verschiedener Transmissionsstärken verdunkelt werden. Für die Folien (Bauteil 4) gibt es zwischen den LEDs und den Lichtleitern eine Haltevorrichtung (Schnitt B-B). Diese optionalen Graufilter sollen eventuelle Helligkeitsunterschiede ausgleichen, so dass alle Lichtleiter die selbe Intensität liefern (im schlechtesten Falle diejenige Hellig- keit, die sich aus der Kombination der schwächsten LED und des dunkelsten Lichtleiters ergibt). Aufgebracht sind die LEDs auf einer GFK-Platine, die mit LEMO-Kabeln angeschlossen wird. Jeder LEMO-Anschluss versorgt eine Reihe auf der Platine; zwei mal bilden drei LEDs eine Reihe, die drei weiteren Reihen werden je durch fünf LEDs formiert. Die Hermes-Light-Box hat sich jedoch im Praxistest als nicht hell genug erwiesen. Schwachpunkt dieses Designs ist die wenig effektive Ausnutzung
2.2. DIE LICHTQUELLE FÜR DIE KOMPONENTENTESTS 15 des produzierten Lichts. Da die Fasern in der Faserebene relativ weit aus- einander liegen, wird mit den LEDs (abhängig von deren Öffnungswinkel) hauptsächlich nicht genutzte Fläche beleuchtet. Eine einfache Abschätzung, in die die Querschnittsfläche der Fasern und die Fläche der Faserebene einge- hen, ergibt in Bezug auf die Flächenausleuchtung eine Lichtausnutzung von etwa 3%. Die Lichtverluste vor allem durch die Einkopplung in den Detek- tor und die eine-LED-pro-Faser -Zuordnung sind so groß, dass ihr Konzept überarbeitet werden musste. Da eine weitere einfache Abschätzung eine ma- ximale Helligkeit von ca. 0.02 Cd pro Faser ergibt, konnte auf ein effizienteres Ausnutzen der LEDs nicht verzichtet werden. 2.2 Die Lichtquelle für die Komponenten- tests Die Erfahrungen, die mit der Hermes-Light-Box gesammelt wurden, erga- ben, dass die einzelnen Komponenten erst ausführlicher untersucht werden müssen, bevor das Design der GMS-Lichtquelle überarbeitet wird. Hier ist eine kleinere Lichtquelle hilfreich, deren Betrieb mit einfachen Mitteln be- werkstelligt werden kann. Die Hermes-Mini-Box (siehe Abbildung 2.3) wird mit nur einer LED be- trieben. Sie besteht aus einem 16 cm langen Messing-Hohlzylinder mit 2 cm Durchmesser, an dessen einer Grundfläche die LED angebracht ist. Am an- deren Ende befinden sich zwei identische, symmetrisch zur Zylinderachse an- geordnete Anschlussbuchsen, in welche jeweils ein Lichtleiter eingeschraubt werden kann. Diese Anordnung erlaubt das Studium von Systemen beste- hend aus einem Lichtleiter und PMT bei gleichzeitiger Referenzmessung mit einer anderen Faser und PMT; denn sowohl die zu messende Faser als auch die Referenzfaser werden von ein und derselben LED beleuchtet. Durch die Refe- renzmessung kann berücksichtigt werden, wie sich das LED-Signal verändert, da die Amplituden gepulster LED-Signale in der Regel Schwankungen un- terworfen sind. Diese Information erlaubt dann eine Normierung des PMT- Signals auf die momentane Helligkeit der LED, was als die wesentliche Eigen- schaft dieser Lichtquelle bezeichnet werden kann. Auf diese Weise wurden die Komponententests (Lichtleiter und LEDs) mit der Hermes-Mini-Box durch- geführt, die in den Kapiteln 3 und 4 beschrieben sind.
16 KAPITEL 2. DESIGN DER GMS-LICHTQUELLE Abbildung 2.3: Die Hermes-Mini-Box. Links sind die zwei Anschlüsse für die Lichtleiter zu sehen, rechts die LED. 2.3 Die Hermes-Focus-Box In die endgültige Version sind alle bisherigen Erkenntnisse eingeflossen - kein Milchglass, alle LEDs sollten alle Fasern beleuchten und effiziente Flächen- ausnutzung. Diese Anforderungen führten zu den zwei wesentlichen Unter- schieden zwischen der Hermes-Focus-Box und der Hermes-Light-Box: 1. Die LEDs sind nicht plan, sondern auf einer sphärischen Konstruktion angeordnet, so dass ihre Maximalintensitäten einen gemeinsamen Fokus beleuchten. 2. Die Fasern sind in diesem Fokus auf ein kleines Raumgebiet zusam- mengeführt, in dem unter Berücksichtigung der Abstrahlcharakteristik der LEDs die höchste Intensität zu erwarten ist. Eine weitere Verbesserung hat die Reduzierung des Risikos von Faser- beschädigungen beim Ein- und Abbau zur Folge: die Lichtleiter müssen
2.3. DIE HERMES-FOCUS-BOX 17 nicht mehr mit Kupplungsbuchsen versehen werden, sondern werden mittels Andruckschrauben fixiert. Für die Hermes-Focus-Box werden 19 LEDs verwendet. Sie sind symme- trisch auf konzentrischen Kreisen um die Hauptachse der Lichtquelle auf der LED-Sphäre (Abbildung 2.5, Bauteil 5) angeordnet. Eine Detailansicht der LED-Sphäre liefert Abbildung 2.6. Die Sphäre ist mit einzeln justierbaren Distanzstäben (Bauteil 3) an der Trägerplatte (Bauteil 1) fixiert. Der Winkel zwischen einer beliebigen LED und ihrem nächsten Nachbarn beträgt etwa 11◦ . Die idealen Strahlachsen der LEDs treffen sich somit in einem sehr kleinen Raumbereich (im Fokus), der 6 cm von der Sphäreninnenseite ent- fernt ist. In diesem Bereich befindet sich das Ende eines Führungszylinders, dessen eine Seite von einem Plexiglas-Fenster begrenzt wird (Bauteil 9). In dem Führungszylinder werden die Lichtleiter platziert. Das Plexiglas stellt bei diesem Vorgang sicher, dass alle Fasern mit ihren Endflächen in einer definierten Ebene liegen. Sind die Fasern in dieser Position mittels Andruckschraube (Bauteil 13) im Deckel der Lichtquelle (Bauteil 11) fixiert, kann das Plexiglas entfernt werden, um unnötigen Lichtverlusten vorzubeugen. Mit einer Sicherungsschraube (Bauteil 10) kann der Grundkörper, in dem die Fasern liegen (Bauteil 8), gegenüber der Sphäre verschoben werden. Das hat den Vorteil, dass die Faserenden flexibel an der für alle Fasern günstigsten Stelle positioniert werden können. Im Fokus selbst ist zu erwarten, dass der Punkt auf der Symmetrieachse der Lichtquelle am hellsten ist, da sich hier die Intensitätsmaxima aller LEDs überlagern. Dies hat zur Folge, dass die Intensität abnimmt, je weiter man sich von der Symmetrieachse entfernt. Werden die Faserenden aber ein kleines Stück vor oder hinter den Fokus geschoben, divergieren die Intensitätsmaxima der einzelnen LEDs. Die Fläche, die die Lichtleiterenden bilden, hat - bei einem Faserdurchmesser von 1.1 mm - einen Durchmesser von etwa 7 mm. So ver- teilen sich auf ihr 19 Intensitätsmaxima, die dicht nebeneinander liegen; das bedeutet eine sehr helle und homogene Ausleuchtung der 19 GMS-Lichtleiter. Das gesamte Design ist ausgelegt auf LEDs mit einem schmalen Öffnungs- winkel von z.B. 5◦ oder 10◦ . Bei der Verwendung solcher LEDs liegt das Fenster, in dem die Fasern enden, innerhalb des Öffnungswinkels jeder LED, so dass alle LEDs zur Lichteinkopplung in jede beliebige Faser etwa gleich viel beitragen. Würden LEDs mit größerem Öffnungswinkel benutzt, wäre dieser Umstand ebenfalls erfüllt, aber die Lichtverluste wären vermutlich höher, da erhebliche Anteile des Lichts auf die Innenwand der Hermes-Focus-Box tref- fen würden anstatt direkt auf die Fasern. Durch die hohe Rotationssymmetrie
18 KAPITEL 2. DESIGN DER GMS-LICHTQUELLE Abbildung 2.4: Die Hermes-Focus-Box. In der Mitte des Bildes sind die LEDs auf der LED-Sphäre zu erkennen. Die Fasern sind hier noch nicht ein- gefädelt; sie wären ganz rechts im Deckel mit den Andruckschrauben fixiert und in dem Hohlraum zwischen Fokus und Deckel erkennbar. der LED-Anordnung auf der Sphäre wird erreicht, dass die Tatsache, wo ge- nau innerhalb des Führungszylinders eine bestimmte Faser zu liegen kommt, kaum ins Gewicht fällt. Die räumliche Lichtverteilung der Hermes-Focus- Box wird in Abschnitt 4.1 genauer diskutiert.
2.3. DIE HERMES-FOCUS-BOX 19 Abbildung 2.5: Die Hermes-Focus-Box. Oben ist eine Bauzeichnung mit Beschriftung der einzelnen Bauteile dargestellt, im unteren Bild sind die Lichtstrahlen in Richtung Fokus von drei LEDs und der Verlauf von drei Lichtleitern angedeutet.
20 KAPITEL 2. DESIGN DER GMS-LICHTQUELLE Abbildung 2.6: Die LED-Sphäre der Hermes-Focus-Box. In der oberen Skiz- ze der LED-Sphäre sind die Winkel der LED-Strahlachsen eingezeichnet, im unteren Bild ist die Vorderansicht der LED-Sphäre dargestellt.
Kapitel 3 Lichtleitertests Neben der Lichtquelle selbst kommt den im GMS verwendeten Lichtleitern eine bedeutende Rolle zu. Produktionsbedingte Qualitätsunterschiede zwi- schen verschiedenen Fasersorten können beträchtlich sein, und nicht jedes Material kommt für den Einbau in das Hermes-Experiment in Frage, weil z.B. bestimmte Anforderungen bezüglich der Strahlungshärte oder der Si- gnalstabilität erfüllt sein müssen. Daher werden in diesem Kapitel die Tests einiger Fasereigenschaften beschrieben, mit deren Hilfe ein tieferes Verständ- nis dafür gewonnen werden kann, worauf bei der Verwendung von Lichtleitern im GMS zu achten ist. 3.1 Versuchsaufbau Für die in den anschließenden Abschnitten beschriebenen Experimente wurde bis auf kleinere Variationen immer der folgende Versuchsaufbau verwendet: Wie in Abbildung 3.1 zu sehen, sind die wichtigsten Elemente des Aufbaus die Hermes-Mini-Box, zwei Photomultiplier Tubes (PMTs) der Firma Hamamatsu, ein Pulser (DESY Eigenbau), der die LED in der Hermes- Mini-Box betreibt und die Ausleseelektronik. Von der Hermes-Mini-Box kann ein Lichtleiter zu PMT 1 (Typ R 1828) geführt werden. Ein zweiter Lichtleiter diente als Referenzfaser; er führte von der Lichtquelle zum PMT 2 (Typ R 2059, Datenblatt siehe Anhang B). Die Lichtquelle, die Lichtleiter und die PMTs waren in einem lichtdichten Experimentierkasten1 (kurz: der Black Box), aufgebaut. Über den Deckel wird der Zugang zu den Aufbauten innerhalb der Black Box ermöglicht. Sämtliche Anschlüsse wie Hochspannungsversorgung und LEMO-Kabel können lichtdicht seitlich aus 1 Maße(LBH): (1.6 × 0.5 × 0.4)m3 21
22 KAPITEL 3. LICHTLEITERTESTS PMT 1 Lichtquelle PMT 2 Pulser Trigger adc Teststand Abbildung 3.1: Die prinzipielle Versuchaufbau. Als Lichtquelle wird für die Lichtleitertests die Hermes-Mini-Box eingesetzt. Dieser Aufbau wird auch für den Test der Hermes-Focus-Box verwendet. der Black Box herausgeführt werden. Jeder PMT wurde hinter einer Platte fixiert, die in der Mitte von einer kleinen Hülse durchbrochen war. Durch diese Hülse gesteckt, war die Faser eng am PMT angebracht; das Signal wurde mit optischem Fett aus der Faser aus- und in den PMT eingekoppelt. Die Ausleseelektronik besteht aus aus drei Komponenten: einem CAEN Modul Typ V 792, einem PCI to VME Interface mit Optolink-Verkabelung und dem Datenaufnahmeprogramm Teststand [10]. Hierbei wurde ein Kanal für das Referenzsignal reserviert (Kanal 3), ein weiterer (Kanal 6) für das eigentliche Signal. Die Breite des gate wurde so gewählt, dass beide PMT-Signale vollständig integriert werden; die zeitliche Abfolge des Triggersignals und der PMT-Signale innerhalb des gate wurde vor Beginn einer Messung mit einem digitalen Oszilloskop überprüft (siehe Abbildung 3.2). Das Referenzsystem, bestehend aus der Referenzfaser, PMT 2 und Auslesekanal 3, blieb im wesentlichen für alle Versuche unverändert, lediglich das optische Fett am PMT 2 wurde von Zeit zu Zeit je nach Bedarf erneuert.
3.1. VERSUCHSAUFBAU 23 Abbildung 3.2: Grafische Darstellung der Signale von PMT 1 und PMT 2 innerhalb des gate. Abbildung 3.3: Lichtleiter, mit einer Kupplungsbuchse versehen und po- liert. Mit der frei beweglichen Überwurfmutter kann er an die Lichtquelle geschraubt werden.
24 KAPITEL 3. LICHTLEITERTESTS Alle in diesem Aufbau verwendeten Fasern mussten an einem Ende mit einer Kupplungsbuchse, einem speziellen Stecker für den Anschluss an die Hermes-Mini-Box, versehen und dann poliert werden (siehe Abbildung 3.3, an der Kupplungsbuchse sind Spuren der rötlich erscheinenden Polierpaste zu erkennen). Das andere Ende blieb unbehandelt, da es stets mittels optischen Fettes angekoppelt wurde. Das Fett hat einen ähnlichen Brechungsindex wie der Kern der Faser (siehe Abschnitt 3.3). Durch den vollständigen Kontakt der Schnittkante mit dem Fett wird vermieden, dass das Licht die umgebende Luft durchlaufen muss, was wegen der unterschiedlichen Brechzahlen von Fasermaterial und Luft zu unnötigen Lichtverlusten führen würde. Bei dieser Methode hat die Oberflächenbeschaffenheit der Faser kaum Auswirkung auf die Höhe der unvermeidlichen Lichtverluste. Tabelle 3.1: Standardeinstellungen im Versuchsaufbau Betriebsspannung 2.3 kV PMT 1 Stromstärke 1.53 mA Betriebsspannung 1.9 kV PMT 2 Stromstärke 1.56 mA gate length 100 ns delay time 25 ns Triggerfrequenz 3.2 kHz Schwelle 420 mV Pulsbreite 40 ns LED Pulshöhe 2.5 V Die Auswertung sämtlicher Messungen wurde mit Hilfe der Physics Ana- lysis Workstation-Software (kurz: PAW) vorgenommen [11]. Die Anzahl der Einzeldaten pro Datennahme war stets 10000. Die Rohdaten wur- den mit dem Programm Teststand extrahiert; währenddessen konnte die Messung mit PAW überwacht werden. Ist eine Messgröße zur Verringe- rung des statistischen Fehlers mehrfach gemessen worden (meist drei bis sechs mal), konnte ein gewichteter Mittelwert µ̂ errechnet werden, in den jede Einzelmessung xi individuell nach deren Fehler σi gewichtet eingeht [12]: xi /σi2 P µ̂ = P (3.1) 1/σi2
3.1. VERSUCHSAUFBAU 25 1 σ 2 (µ̂) = P . (3.2) 1/σi2 Zum Abschätzen des systematischen Fehlers müssen zuerst mögliche Fehler- quellen in Betracht gezogen werden. Die Effekte, die zu einem systematischen Fehler beitragen können, sind: • die erneute Ankopplung des Lichtleiters an der Hermes-Mini-Box, • die erneute Ankopplung des Lichtleiters an den PMT, • der Betrieb der PMTs, die (noch) nicht Betriebstemperatur hatten, • der Betrieb der PMTs, ohne nach dem Einschalten die recovery time abzuwarten [13], • mangelnde Lichtdichtigkeit des Versuchsaufbaus. Normalized Intensity (%) 100 99 98 97 PMT 1 96 PMT 2 95 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 Time (min) Abbildung 3.4: Zeitliches Verhalten beider PMTs beim Anschalten. Die Sätti- gung ist bei PMT 1 nach etwa 30 Minuten erreicht. PMT 2 erreicht die Sättigung nach etwa 15 Minuten.
26 KAPITEL 3. LICHTLEITERTESTS Die ersten beiden Effekte waren diejenigen, die sich im Gegensatz zu den anderen nicht weitgehend abschalten ließen: die Betriebstemperatur war nach Abwarten der recovery time in der Regel spätestens eine Stunde nach Einschalten erreicht. Die Zeitdauer, bis das Signal stabil bleibt, wird aus Abbildung 3.4 zu etwa einer halben Stunde bestimmt. Ursache für diese Wartezeit ist vermutlich die Tatsache, dass die Amplitude des PMT-Signals von dessen Temperatur abhängt [13]. Nach ca. 35 Minuten, stabilisiert sich die Temperatur und damit auch die Signalhöhe. Jedem Aus- und Einschalt- vorgang der PMTs folgte dementsprechend eine mindestens einstündige Wartezeit, ehe mit den Messungen begonnen wurde, die in der lichtdichten Black Box durchgeführt wurden. Relative Intensity Relative Intensity 1.4 1.4 1.2 1.2 1 1 0.8 0.8 0.6 0.6 0.4 0.4 0.2 0.2 0 0 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 Run Run Abbildung 3.5: Einfluss des Steckerqualität auf die Signalreproduktion. Links eine leichtgängige Verschraubung, rechts eine schwergängige. Die Signale sind in willkürlichen Einheiten auf deren gewichteten Mittelwert normiert. Die Reproduzierbarkeit der Kopplung an die Hermes-Mini-Box hängt stark von der benutzen Überwurfmutter ab, mit der der jeweilige Lichtleiter ver- sehen ist. Zur Untersuchung dieses Effekts wurde der Lichtleiter für jede der sechs Einzelmessungen neu an die Hermes-Mini-Box eingeschraubt, alle an- deren Einstellmöglichkeiten blieben unverändert. In Abbildung 3.5 sieht man links sechs reproduzierte Signale einer leichtgängigen Überwurfverschrau- bung, rechts die einer schwergängigen Verschraubung. Die Signalhöhen sind normiert auf deren Mittelwert µ̂, der über µ̂ über µ̂ = n1 ni=1 xi bestimmt P wurde.
3.1. VERSUCHSAUFBAU 27 Die Fehlerbalken stellen die Ungenauigkeit der Kopplung am PMT dar (siehe unten). Bei der schwergängigen Verschraubung tritt zwischen Kupplungs- buchse und Überwurf produktionsbedingt hohe Reibung auf, so dass sich die Faser bei erneutem Einschrauben nur schwer in die exakt gleich Position bringen lässt. Bei leichtgängigen Verschraubungen ist die Reproduzierbarkeit durchaus zufriedenstellend, so dass in Hinblick auf die Messungen in Ab- schnitt 3.5 auf qualitativ gute Verschraubungen an den Fasern zu achten war. Die Kopplung der Faser an den PMT mittels optischen Fettes ist vermutlich der größten Unsicherheit unterworfen. Um ihren Einfluss quantifizieren zu können, wurde ein Datensatz ausgewählt, bei dem vor jeder erneuten Mes- sung ausschließlich diese Kopplung erneuert wurde. Der statistische Fehler der einzelnen Messungen betrug weniger als ein Promille und konnte daher vernachlässigt werden. Berücksichtigt wurde lediglich mittels Referenzsys- tem, dass die Helligkeit der LED schwanken kann. Die Standardabweichung σ der n Einzelmessungen ließ sich dann berechnen: v n 1 X u u σ=t (xi − µ̂)2 . (3.3) n − 1 i=1 Die Standardabweichung betrug hier σ = 0.0486. Ein systematischer Fehler von 5% dürfte also als realistisch und somit als dominierende Fehlerquelle angesehen werden.
28 KAPITEL 3. LICHTLEITERTESTS 3.2 Auswahl des Fasertyps Zuerst musste festgelegt werden, welche Sorte Lichtleiter für das GMS verwendet werden sollte. Zur Auswahl standen Fasern des Herstellers Kura- ray (Durchmesser 1.1 mm), die bereits beim Bau des Detektors verwendet wurden und kostengünstigere Fasern der Firma Pol.Hi.Tec (Durchmesser 1.3 mm), die bei verschiedenen Tests während des Detektorbaus Verwendung fanden. Aus Zeitgründen wurde die Auswahl auf diese bereits vorhandenen Fasertypen beschränkt. Um die Eigenschaften der beiden Faserntypen miteinander zu verglei- chen, wurde die Hermes-Mini-Box benutzt. Für diesen Test ausgewählt wurden eine neue Kuraray-Faser, Typ CLEAR-PSMSJ, eine neue Faser der Firma Pol.Hi.Tec und die bereits als Referenzfaser benutzte Kuraray-Faser, letztere vor allem deswegen, um einen Eindruck davon zu bekommen, ob und wenn ja wie sich verschiedene Fasern des gleichen Typs unterscheiden können. Mit dem in Abschnitt 3.1 beschriebenen Aufbau wurden die Fasern an PMT 1 angekoppelt. Dabei wurde auf die Referenzmessung verzichtet, da eventuelle Schwankungen der LED-Intensität innerhalb der kurzen Messzeit nicht zu erwarten sind; außerdem wurden lediglich vergleichende Messungen durchgeführt, die keiner Normierung bedürfen. Für die Pol.Hi.Tec-Faser musste dazu noch eine neue Anschlusshülse am PMT gefertigt werden, da diese einen größeren Durchmesser hat als die Kuraray-Fasern. Die LED wurde für die erste Messung mit 2.4 V, für die zweite Messung mit 2.5 V betrieben. In der Abbildung 3.6 sind die Ergebnisse zu sehen - wie erwartet trans- portierte der neue Kuraray-Lichtleiter das Eingangssignal am besten, was die Entscheidung zur Folge hatte, Fasern dieses Typs im GMS einzuset- zen. Zu beachten ist hierbei auch der unterschiedliche Durchmesser der Kuraray- und der Pol.Hi.Tec-Faser: Da als Anschlussfasern am SFT ebenfalls 1.1 mm-Kurarayfasern verwendet werden, müssen die Verschraubungen der Kuraray-GMS-Lichtleiter extrem genau auf die Gegenstücke passen. Falls die Faserschnittkanten gegeneinander verschoben sind, geht Licht verloren. Dieses Problem könnte mit den Pol.Hi.Tec-Fasern umgangen werden, allerdings geht wegen des größeren Durchmessers in jedem Fall Licht verloren, abgesehen von den ohnehin schlechteren Lichtleitungseigenschaften dieses Fasertyps. Der Intensitätsunterschied zwischen der neuen und der Referenzfaser von Kuraray könnte, muss aber nicht mit dem Umstand zusammenhängen, dass die eine Faser neu ist und die andere nicht. Wie im Abschnitt 3.4 über Ab-
3.2. AUSWAHL DES FASERTYPS 29 Kanal (adc) Kanal (adc) 4000 4000 3500 3500 3000 3000 2500 2500 2000 2000 1500 1500 1000 1000 500 500 0 0 fib1 fib2 fib3 fib1 fib2 fib3 Abbildung 3.6: Faservergleiche bei zwei verschiedenen LED- Betriebsspannungen (links 2.4 V, rechts 2.5 V). Hierbei bezeichnen fib1 die neue Kurarayfaser, fib2 die Kuraray-Referenzfaser und fib3 die Faser von Pol.Hi.Tec. schwächlängen zu lesen ist, kann es durchaus unter mehreren, sämtlich unbe- nutzten Fasern der gleichen Charge teils erhebliche Intensitätsunterschiede geben. Alle folgenden Messungen wurden, nachdem feststand, dass im GMS Kuraray-Fasern eingesetzt werden würden, ausschließlich mit Fasern dieses Typs durchgeführt.
30 KAPITEL 3. LICHTLEITERTESTS Abbildung 3.7: Totalreflexion an der Grenzfläche Glas - Luft. Da α2 kleiner als αG ist, findet Brechung unter dem Winkel α1 ≤ 90◦ statt (grün). Der Einfallswinkel αG führt zur Brechung unter 90◦ (rot), Strahlen unter noch größeren Einfallswinkeln (pink) werden total reflektiert. 3.3 Signaltransport in Lichtleitern Der für den Signaltransport in lichtleitenden Fasern verantwortliche Prozess ist die Totalreflexion an der Grenzschicht zweier Medien mit unterschiedli- chen Brechungsindizes n1 und n2 [14]. Treffen Lichtwellen unter einem Winkel α2 6= 0 auf ein optisch dünneres Medium mit Brechungsindex n1 , wird ein Teil des Lichtstrahls beim Eindringen in das dünnere Medium vom Lot un- ter dem Winkel α1 weggebrochen; ein anderer Teil wird an der Grenzfläche reflektiert. Vergrößert man den Einfallswinkel α2 auf den Grenzwinkel αG , wird der Lichtstrahl so stark gebrochen, dass er nur noch die Grenzfläche streift. Voraussetzung für Totalreflexion ist dann die Überschreitung dieses Grenzwinkels: Hier dringt (in der klassischen Beschreibung) kein Licht in das dünnere Medium ein, sondern der Lichtstrahl wird komplett reflektiert, wobei für den Reflexionswinkel gilt: αEinf all = αAusf all . Die Größe des Grenzwinkels αG hängt von den Brechungindizes ab: n1 sin αG = . (3.4) n2 Lichtleitende Fasern bestehen aus einem Kern und (mindestens) einer Cladding-Schicht, wobei der Brechungsindex des Kerns größer sein muss als der der Cladding-Schicht. Tritt Licht unter einem Winkel α ≥ αG in die Faser ein, wird es bei Auftreffen auf das Cladding total reflektiert
3.3. SIGNALTRANSPORT IN LICHTLEITERN 31 Abbildung 3.8: Schematischer Aufbau eines Kuraray Multiclad Lichtleiters. Dargestellt sind der Kern, das innere und das äußere Cladding. In der Skiz- ze ist der Vorteil des zweifachen Cladding zu erkennen: Licht, welches in das innere Cladding eintritt, wird nicht vollständig ausgekoppelt sondern ebenfalls transmittiert, falls die Totalreflexionsbedingung erfüllt ist. Nicht eingezeichnet ist diese Situation für das äußere Cladding mit der möglichen Totalreflexion an der Grenzfläche äußeres Cladding - Luft. und trifft auf die gegenüberliegende Cladding-Fläche, wo erneut Total- reflexion stattfindet. Auf diese Weise wird das Licht - theoretisch ohne Intensitätsverlust - durch die Faser transportiert (Die klassische Theorie des Lichts in Abgrenzung zur quantenmechanischen Beschreibung ist für die Erklärung der meisten der mit der Lichtleitung in Zusammenhang stehenden Effekte angemessen. Zwar wurde beobachtet, dass eine mögliche Ursache für crosstalk in Systemen aus mehreren Lichtleitern ein Tunneleffekt sein kann, bei dem Photonen aus einem Lichtleiter in einen angrenzenden zweiten Lichtleiter tunneln können. Dies ist jedoch bei Cladding-Dicken von meh- reren µm höchst unwahrscheinlich.). Tatsächlich wird jedoch ein gewisser Bruchteil des Lichts beim Durchgang durch das Fasermaterial absorbiert bzw. gestreut. Daraus resultiert eine endliche Abschwächlänge, die je nach Fasermaterial (Plastik, Quarzglas) stark variieren kann. Die Abschwächlänge der verwendeten Kuraray-Fasern wird ausführlich in Abschnitt 3.4 diskutiert. Die Einkopplung des Lichts am Faseranfang unterliegt geometrischen Be- schränkungen. So darf der maximale Einfallswinkel nicht beliebig groß sein. Diese Tatsache hat das grundsätzliche Design und insbesondere die Abmes- sungen der Hermes-Focus-Box bestimmt (siehe Abschnitt 2.3). Der maxi- male Eintrittswinkel ε hängt von αG ab und kennzeichnet die numerische Apertur sin ε: q sin ε = n22 − n21 . (3.5)
32 KAPITEL 3. LICHTLEITERTESTS Hat der Faserkern einen Durchmesser d von nur wenigen µm, wird die Anzahl NM ode der möglichen Moden, die übertragen werden können, beschränkt: !2 1 πd sin ε NM ode = , (3.6) 2 λ wobei λ die gemeinsame Wellenlänge der Moden und sin ε die numeri- sche Apertur der Faser bezeichnen. Dies wird bei so genannten single mode-Fasern ausgenutzt, da es für bestimmte technische Anwendungen wie etwa Datenübertragung in der Telekommunikation vorteilhaft ist, diejenigen Moden, die übertragen werden sollen, auswählen zu können. Bei den verwendeten Kuraray-Fasern unterliegt NM ode jedoch quasi keiner Beschränkung, da der Kerndurchmesser etwa 1 mm beträgt. Eine weitere Besonderheit ist die zweite Cladding-Schicht, welche einen noch geringeren Lichtverlust bewirkt, da wiederum an der Grenzfläche inneres Cladding - äußeres Cladding Totalreflexion stattfindet. Der Strahlengang im Cladding kann einen komplizierten Verlauf haben. So werden hier nicht nur zweidimensionale Totalreflexionen beobachtet (wie in Abbildung 3.8), die zum so genannten Cladding-Licht beitragen, sondern ebenfalls zirkulare Lichtverläufe, bei denen Licht spiralförmig im Cladding transportiert werden kann. Diese nichtlinearen Effekte sind nur kurzreichweitig und spielen für Anwendungen, bei denen es lediglich um den Transport hoher Intensitäten geht, keine Rolle. Jedoch kann es für andere Anwendungen vorteilhaft sein, das Cladding-Licht sicher auszublenden, z.B. um dessen Anteil an der Gesamtintensität zu bestimmen oder um sehr kleine Signale mit zufriedenstellender Stabilität reproduzieren zu können. Dafür sind verschiedene Realisierungen denkbar: da das Cladding in der Regel eine kleinere Abschwächlänge hat als der Kern, ist ab einer gewissen Faserlänge nicht mehr mit dem Auftreten von Cladding-Licht am Faserende zu rechnen. Dafür verantwortlich ist hauptsächlich Absorption bzw. Streuung (dabei wird das Licht unkontrolliert an Störstellen im Lichtleiter gestreut, wodurch die für Totalreflexion notwendigen Winkelbedingungen verletzt werden können). Desweiteren ist ein Auskoppeln des Lichts möglich, meist durch Materialunregelmäßigkeiten wie minimale Beschädigungen oder auch durch starkes Biegen der Faser, da hierbei der Grenzwinkel αG unterschritten werden kann. Für die Lichtleitung im Kern ist das Cladding theoretisch nicht notwendig; die umgebende Luft hätte einen geeigneten Brechungsindex, um Totalreflexion an der Grenzfläche Kern-Luft zu gewährleisten. Allerdings ist in der Praxis kaum zu realisieren, dass tatsächlich nichts außer Luft an die Faser angrenzt. Falls die Faser mit einem anderen Material als Luft in Kon-
3.3. SIGNALTRANSPORT IN LICHTLEITERN 33 takt käme (z.B mit einer Auflagefläche, Halterungen, Hautfettrückstände von Fingerabdrücken etc.), wäre die Totalreflexionsbedingung nicht mehr erfüllt, was eine Cladding-Schicht praktisch erforderlich macht. Desweiteren kommt dem Cladding eine mechanische Schutzfunktion zu, damit auf der Oberfläche des Kerns Unregelmäßigkeiten vermieden werden. Falls Licht doch ins Cladding gelangt, kann dieses dementsprechend durch Transmis- sion in ein das Cladding umgebende Medium mit einem Brechungsindex n ≥ nCladding ausgekoppelt werden. Um das Licht im Cladding möglichst vollständig auszublenden, muss der Lichtleiter also folgender Bedingung genügen: entweder ist der Lichtleiter so lang, dass ein Großteil dieses Lichts mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht transmittiert wird, oder ein anderer, externer Prozess ist für die Auskopplung verantwortlich, so dass die Länge des Lichtleiters keine Rolle mehr spielt. Letztere Variante ist realisiert, wenn sich die Faser wenigs- tens teilweise in einem optisch dichteren Medium befindet, so dass das Licht aus der Cladding-Schicht ausgekoppelt werden kann. Der lichtdichte Zweikomponenten-Kleber2 , mit dem die SFT-Lichtleiter in die Stecker vergossen wurden, hat diese Eigenschaft und eignet sich daher gut, um diesen Effekt zu untersuchen [7]. Abbildung 3.9: Foto der in die Hohlform eingefädelten Fasern. Es sind die ein- gefädelten Fasern zu erkennen; die Form ist bereits mit Klebstoff aufgefüllt. Dazu wurde eine kleine Hohlform entworfen, durch die fünf Fasern gefädelt werden können (Da die verwendeten Fasern Multiclad -Lichtleiter mit zwei 2 EPOXY BK von Voss Chemie, ein starker Klebstoff auf der Basis von Epoxyd-Harz, der für die Lichtdichtigkeit mit schwarzer Dispersionsfarbe gemischt wird
34 KAPITEL 3. LICHTLEITERTESTS Claddingschichten sind, kann hier nur das Licht betrachtet werden, welches im äußeren Cladding transportiert wird.). Ein Stück der Fasern befindet sich dann im Innern dieser Form, welche mit dem Klebstoff aufgefüllt werden kann. Vorher wurde jeweils ein vorher-Signal der fünf Fasern ermittelt; die Hohlform zeigt Bild 3.9. Nach dem Befüllen der Form und 24 Stunden Warte- zeit, die der Klebstoff zum Aushärten benötigt, konnten die entsprechenden nachher-Signale gemessen werden. In Abbildung 3.10 ist das Ergebnis dieser Messung dargestellt. Es konnte in diesem Versuch kein Einfluss des Klebstoffs auf die Intensität festegestellt werden. Dafür gibt es zwei mögliche Erklärun- gen: entweder die verwendete 4m-Faser ist von vornherein so lang, dass sich das Cladding-Licht verliert, oder der Klebstoff, mit dem der Stecker am Faseranfang eingegossen wurde (siehe Abbildung 3.3), absorbiert bereits alles Cladding-Licht. Da im GMS nur 4m lange Lichtleiter verwendet werden, ist es nicht bedeutsam, die Ursache genau zu kennen. Um ihr auf den Grund zu gehen, müsste man diesen Versuch mit deutlich kürzeren Fasern wiederholen. 1.1 Ratio (glued/not glued) 1.075 1.05 1.025 1 0.975 0.95 0.925 0.9 1 2 3 4 5 Fibre Number Abbildung 3.10: Einfluss des Klebstoffs auf die Intensität. Dargestellt ist hier für jede Faser das Verhältnis Signal nach Einkleben der Faser/Signal vorher. Der Mittelwert der Einzelmessungen wurde auf 1 skaliert. Alle Messwerte sind mit 1 verträglich.
3.3. SIGNALTRANSPORT IN LICHTLEITERN 35 Die Lichtleiter, die bei diesem Tests verwendet wurden, waren fünf neue Kuraray-Fasern. Trägt man nicht wie in Abbildung 3.10 das Verhältnis der Intensitäten mit und ohne Klebstoff auf, sondern die absoluten Intensitäten (lediglich normiert auf die Helligkeit der LED), zeigt sich eine relativ große Streuung bezüglich der Transmissionseigenschaften jeder einzelnen Faser (Abbildung 3.11). Die relative Helligkeit der dunkelsten Faser beträgt nur 60% der Helligkeit der hellsten (dieses Ergebnis wurde bei einer ähnlichen GMS-Testmessung am DESY bestätigt). In Hinblick auf eine spätere konkrete Faserauswahl für das GMS ist dementsprechend ein vorheriger Test der absoluten Transmissionsleistung der Lichtleiter empfehlenswert. 0.5 Relative Brightness not glued glued 0.45 0.4 0.35 0.3 0.25 1 2 3 4 5 Fibre Number Abbildung 3.11: Einfluss des Klebstoffs auf die Intensität. Die relative Hel- ligkeit in willkürlichen Einheiten bezeichnet die gemessene Signalintensität bezogen auf das Referenzsignal. In dieser Darstellung sind die absoluten Hel- ligkeitsunterschiede der Fasern zu erkennen. Die Helligkeit von Faser 5 be- trägt nur etwa 60% der Helligkeit von Faser 3. Der Umstand, ob ein Lichtleiter gerade oder gebogen verläuft, kann Ein- fluss auf die Lichtintensität der Faser haben [15]. Die besten Eigenschaften
36 KAPITEL 3. LICHTLEITERTESTS sind im ungebogenen Zustand zu erwarten. Da es sich im konkreten Einsatz dieser Komponenten im Hermes-Experiment jedoch nicht vermeiden lässt, die Fasern mehr oder weniger stark gebogen verlegen zu müssen, ist eine Untersuchung sinnvoll, ab welchem Krümmungsradius Lichtverluste zu er- warten sind. Dazu wurde ein 21 cm langes Kunststoffbrett mit 16 Löchern in jeweils 1 cm Abstand versehen (die Lochgröße ist auf den Durchmesser der Kuraray-Fasern abgestimmt). In diese Löcher kann eine Faser so eingespannt werden, dass sie eine nahezu kreisförmige Schlaufe mit festem Krümmungs- radius bildet (siehe Abbildung 3.12). Die untersuchte Faser wurde drei mal mit unterschiedlicher Länge gemessen. Abbildung 3.12: Fädelform für den Biegetest. Eine kurze Testfaser ist zur Anschauung mit einem Krümmungsradius von 2 cm eingefädelt worden. In Abbildung 3.13 ist zu sehen, dass die Intensität erst bei Radien unterhalb von 2 cm deutlich abnimmt. Bei mehr als 10 cm Durchmesser konnte keine Intensitätsverringerung gegenüber einer weitgehend ungebogenen Faser fest- gestellt werden. Grobes Behandeln der Fasern wie Zerren oder Quetschen führt leicht zu sichtbaren Beschädigungen am Cladding und sogar am Kern. Schon relativ kleine Scherkräfte reichen aus, um eine Faser abzubrechen. Das Entstehen von Kanten und Kratzspuren an der Cladding-Schicht, was zu er- heblichen Lichteinbußen führen kann, konnte durch ein äußerst vorsichtiges Umgehen mit den Fasern verringert oder sogar verhindert werden.
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