Epidemiologisches Bulletin 42 2021 - RKI
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AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH 42 Epidemiologisches 2021 Bulletin 21. Oktober 2021 Legionärskrankheit in Deutschland 2010 bis 2020
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 2 Inhalt Epidemiologie der Legionärskrankheit in Deutschland – Entwicklungen in den Jahren 2010 bis 2020 3 Bei der Legionärskrankheit handelt es sich um eine schwere Lungenentzündung, die durch Umweltbakte- rien der Gattung Legionella ausgelöst wird. Epidemiologisch werden im privaten bzw. beruflichen Umfeld erworbene Erkrankungen von reiseassoziierten, in Krankenhäusern und in Pflegeeinrichtungen erworbenen Erkrankungen unterschieden. Die vorliegende Auswertung beschreibt u. a. die Inzidenzverläufe der Legio- närskrankheit von 2010 bis 2020 unter Berücksichtigung der verschiedenen Expositionskategorien und mit besonderem Augenmerk auf den Einfluss der COVID-19-Pandemie. Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 41. Woche 2021 18 Impressum Herausgeber Allgemeine Hinweise/Nachdruck Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung: Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull Telefon 030 18754 – 0 Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise Redaktion die Meinung des Robert Koch-Instituts wider. Dr. med. Jamela Seedat Dr. med. Maren Winkler (Vertretung) Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Telefon: 030 18754 – 23 24 Namensnennung 4.0 International Lizenz. E-Mail: SeedatJ@rki.de Nadja Harendt (Redaktionsassistenz) Telefon: 030 18754 – 24 55 Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung) ISSN 2569-5266 E-Mail: EpiBull@rki.de Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 3 Epidemiologie der Legionärskrankheit in Deutschland – Entwicklungen in den Jahren 2010 bis 2020 Zusammenfassung nen Angaben zur Untersuchungspflicht der häus Ziel der vorliegenden Auswertung ist die Beschrei- lichen TWI nach Trinkwasserverordnung (TrinkwV) bung der Epidemiologie der Legionärskrankheit von vorlagen, waren 139 (70%) nicht untersuchungs- 2010 bis 2020, einschließlich des Einflusses der pflichtig (vor allem Einfamilienhäuser) und 59 (30%) Coronavirus Disease 2019 (COVID-19)-Pandemie. untersuchungspflichtig. Von Interesse sind Ableitungen für die Prävention der Legionärskrankheit. Grundlage sind die von den Nach Auftreten eines Falles scheint eine intensive Gesundheitsämtern an das Robert Koch-Institut Begutachtung der TWI bei allen Expositionskatego- (RKI) übermittelten Daten. rien ein hohes präventives Potential zur Vermei- dung von u. U. tödlichen Folgeinfektionen zu ha- Im Jahr 2020 sank die Inzidenz der Legionärs- ben. Warum nicht untersuchungspflichtige TWI ge- krankheit im Vergleich zum Vorjahr von 1,9 auf 1,5 nauso zu Fällen von Legionärskrankheit führen wie pro 100.000 Einwohner deutlich, v. a. aufgrund ei- untersuchungspflichtige TWI, sollte zukünftig näher nes COVID-19-bedingten starken Abfalls der reise untersucht werden. assoziierten Erkrankungen um mehr als 50 %. Aber auch die Zahl der Fälle mit privatem/beruflichem Hintergrund sank leicht. Der langfristige Trend für Einleitung/Hintergrund die pflegeheimassoziierte Legionärskrankheit stieg Bei der Legionärskrankheit handelt es sich um eine leicht an und erreichte 2020 einen Anteil von 3 % schwere Lungenentzündung, die durch Umwelt- aller Fälle. Jährlich sind etwa 5 % der Fälle Teil klei- bakterien der Gattung Legionella ausgelöst wird.1 Die nerer Cluster von etwa 2 – 5 Fällen (d. h. mit Assozia größte Bedeutung für menschliche Erkrankungen tion zur selben Infektionsquelle oder Trinkwasser- besitzt Legionella pneumophila der Serogruppe 1 Installation (TWI)). Zwischen 2010 und 2020 wur- (Lp1), insbesondere dann, wenn sie der monoklona- den nur wenige große Ausbrüche registriert, das len Antikörpergruppe (MAb) 3/1 angehört.2 – 4 Gute Gros bestand aus sporadischen Fällen. Die Inzidenz Vermehrungsbedingungen finden Legionellen in zwischen den Bundesländern schwankte zwischen Wassersystemen bei einer Wassertemperatur zwi- 0,7/100.000 (Schleswig-Holstein) und 3,2/100.000 schen 25°C und 45°C. Legionellen vermehren sich (Berlin). Die Verteilung nach Expositionskategorie nicht frei im Wasser, sondern vielmehr Biofilm- war in dem Zeitraum relativ stabil: etwa 75 % der assoziiert in einzelligen Protozoen. Eine Anste- Fälle hatten eine Exposition im privaten/beruflichen ckung erfolgt in der Regel durch die Inhalation bak- Umfeld, 20 % waren reiseassoziiert und weniger als terienhaltiger Aerosole oder – in selteneren Fällen – 10 % hatten eine Krankenhaus- oder Pflegeheim auch durch die Aspiration von kontaminiertem assoziation. Der Anstieg des Altersmedian bei Wasser. Epidemiologisch werden im privaten bzw. pflegeheimassoziierten Fällen von 70 auf etwa beruflichen Umfeld erworbene Erkrankungen von 82 Jahre reflektiert u. a. auch den demografischen reiseassoziierten, in Krankenhäusern und in Pflege- Wandel. Die kumulative Letalität war je nach Expo- einrichtungen erworbenen Erkrankungen unter- sitionskategorie unterschiedlich hoch und betrug in schieden. Große Ausbrüche kommen selten vor und der Kategorie „reiseassoziiert“ 3 %, „privates/beruf- sind in erster Linie mit Verdunstungskühlanlagen liches Umfeld“ 5 %, „Pflegeeinrichtung“ 9 % und in assoziiert.5 – 8 Etwas häufiger sind kleine Cluster der krankenhausassoziierten Expositionskategorie oder Herde mit Assoziation zur selben Infektions- 11 %. Unter den 198 Fällen, die 2020 im privaten/ quelle oder TWI, deren zugehörige Fälle auch mit beruflichen Umfeld erworben wurden und bei de- monatelangem Zeitabstand auftreten können. Die
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 4 überwiegende Anzahl der Infektionen wird jedoch oder Ausland statt, zählen diese Fälle als reiseasso- als sporadische Einzelfälle erfasst. Im privaten bzw. ziiert. Erkrankungsfälle, die nicht einer dieser Kate- beruflichen Umfeld erworbene Erkrankungen wer- gorien zugeordnet werden können, werden als im den vermutlich zum größten Teil durch häusliches privaten oder beruflichen Umfeld erworben ange- Trinkwasser verursacht, gefolgt von außerhalb des nommen. Für die Analysen wurden die Fälle aus häuslichen Umfelds erworbenen Erkrankungen, den Jahren 2010 bis 2020 eingeschlossen, die dem wie z. B. durch Duschen im Schwimmbad oder im RKI bis zum Stichtag 01.03.2021 vorlagen. Die Ge- beruflichen Umfeld.4 Zu den Risikofaktoren gehö- samtzahlen und die Darstellung nach Expositions- ren u. a. höheres Alter, männliches Geschlecht, be- kategorien im Jahresverlauf werden – sofern nicht stimmte Vorerkrankungen, eine eingeschränkte anders angegeben – nach Meldemonat angezeigt. Immunabwehr und vor allem Rauchen. Seit Einfüh- Um saisonale Verläufe der verschiedenen Exposi rung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr tionskategorien besser vergleichen zu können, wur- 2001 besteht für den labordiagnostischen Nachweis de auch eine relative Darstellungsform gewählt, wo- der Legionärskrankheit eine Meldepflicht in bei die absoluten Fallzahlen im monatlichen Jahres- Deutschland. verlauf in Relation zum Januar als Referenzmonat gesetzt wurden. Zur Berechnung der Inzidenzen Ziel der vorliegenden Auswertung ist die Beschrei- wurde als aktuellste und hinreichend differenzierte bung der Epidemiologie der Legionärskrankheit im Datenquelle die Bevölkerungsstatistik der Statisti- 11-Jahresintervall von 2010 bis 2020, einschließlich schen Landesämter vom 31.12.2019 verwendet. des Einflusses der COVID-19-Pandemie. Es soll im Besonderen auf die Epidemiologie der Expositions- kategorien und auf erste Erkenntnisse aus den ver- Ergebnisse/Bewertungen fügbaren Variablen zur Untersuchungspflicht nach TrinkwV und den Wasseruntersuchungen vor und Gesamtinzidenz in Deutschland und im nach Auftreten des jeweiligen Falles eingegangen Vergleich mit anderen europäischen Ländern sowie Konsequenzen für die Prävention abgeleitet Für das Jahr 2020 wurden dem RKI im Rahmen der werden. Meldepflicht insgesamt 1.281 Fälle von Legionärs- krankheit übermittelt, was einer Melde-Inzidenz (von hier ab „Inzidenz“ genannt) von 1,5 Erkrankun- Datengrundlage/Methoden gen pro 100.000 Einwohner entspricht. Im Ver- Datengrundlage der Analysen sind die Fälle von gleich zum Vorjahr (1.548 Fälle, Inzidenz 1,9) wur- Legionärskrankheit gemäß Falldefinition des RKI,9 den 267 Erkrankungen weniger erfasst, was einem die im Rahmen der allgemeinen Meldepflicht von Rückgang der Fallzahlen um 17 % entspricht. Seit den Gesundheitsämtern über die Landesstellen an Beginn der Meldepflicht im Jahr 2001 ist es damit das RKI übermittelt werden. Zu jedem Erkran- erstmalig zu einem so deutlichen Absinken der Fall- kungsfall werden eine Reihe verschiedener mikro- zahlen gekommen (s. Abb. 1). Hier besteht ein Zu- biologisch und epidemiologisch relevanter Parame- sammenhang mit der COVID-19-Pandemie, der ter erfasst. Neben allgemeinen Angaben wie Alter weiter unten bei den Auswertungen zur Exposi und Geschlecht, Erkrankungsbeginn, Symptomatik, tionskategorie näher untersucht wird. In den Jahren Nachweismethode etc. werden unter anderem auch zuvor hatte sich die Inzidenz von 0,8 (692 Fälle) im die Expositionsorte im Zeitraum der wahrschein Jahr 2010 auf 1,9 (1.548 Fälle) im Jahr 2019 mehr als lichen Infektion – den 2 bis 10 Tagen vor Erkran- verdoppelt. Für den Anstieg kommen sowohl eine kungsbeginn – erhoben. Ein im wahrscheinlichen erhöhte Sensibilität bei medizinischem Personal Infektionszeitraum erfolgter Aufenthalt in einem (häufigere Diagnostik), aber auch tatsächlich höhere Krankenhaus wird als krankenhausassoziiert einge- Fallzahlen in Frage. Grundsätzlich wird von einer stuft, Erkrankungen bei Bewohnern in Senioren- etwa 15 – 30-fachen Untererfassung ausgegangen.10,11 oder Pflegeheimen gelten als pflegeheimassoziiert. Fand im wahrscheinlichen Infektionszeitraum eine Die im Rahmen von Clustern bzw. Ausbrüchen re- Reise im Zusammenhang mit Unterkünften im In- gistrierten Fallzahlen machten in den meisten Jah-
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 5 ren nur einen relativ kleinen Teil der jährlichen Ge- (EEA) eine stetige Zunahme der gemeldeten Er- samtzahlen aus (etwa 5 % aller Meldungen). Bei krankungen feststellbar: Laut dem aktuellen Sur- Clustern haben mindestens zwei Fälle von Legio- veillance-Bericht des Europäischen Zentrums für närskrankheit, die im Abstand von höchstens zwei die Kontrolle und Prävention von Infektionskrank- Jahren auftraten, einen gemeinsamen Expositions- heiten (ECDC) wurden für die Jahre 2018 und 2019 ort bzw. werden im häuslichen Bereich von dersel- die höchsten jemals beobachteten Fallzahlen (11.403 ben TWI versorgt. Über die Hälfte (54%) der über- bzw. 11.298) berichtet. So stieg die Inzidenz inner- mittelten Herde umfasst dabei nur 2 Fälle, während halb Europas von durchschnittlich 1,2 Erkrankun- größere Häufungen mit mehr als 5 assoziierten Fäl- gen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2010 auf len vergleichsweise selten vorkommen. Die bislang 2,2 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner im Jahr größten übermittelten Ausbrüche waren jeweils ein 2019 an.12,13 Die Inzidenz in den europäischen Län- mit einer Verdunstungskühlanlage assoziierter dern schwankte 2019 zwischen einer und neun Er- Ausbruch in Ulm mit rund 60 Fällen im Jahr 20106 krankungen pro 100.000 Einwohner. bzw. 2013 ein Ausbruch in Warstein mit mehr als 160 Fällen.8 Geografische Verteilung Wie in Deutschland war in den vergangenen Jahren Die höchste Inzidenz innerhalb Deutschlands wur- auch innerhalb der Staaten der Europäischen Union de im Jahr 2020 mit 3,2 Erkrankungen pro 100.000 (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraumes Einwohner in Berlin registriert, die niedrigste mit 0,7 Erkrankungen je 100.000 Einwohner in Schles- wig-Holstein. In fast allen Bundesländern war die Inzidenz 2020 weitgehend unverändert oder nied- riger als im Vorjahr (s. Abb. 2). Auffällig ist die ge- Anzahl der Fälle Inzidenz (Erkrankungen/100.000 Einwohner) genüber dem Vorjahr um 70 % angestiegene Inzi- denz in Mecklenburg-Vorpommern. So wurden aus 1.6001.600 1.600 3,0 3,0 3,0 diesem Bundesland im Jahr 2020 insgesamt 1.600 3,0 Anzahl Anzahl der der Fälle Fälle 28 Fälle übermittelt – 12 mehr als im Vorjahr. Die- Inzidenz (Erkrankungen/100.000 Einwohner) 1.4001.400 Inzidenz (Erkrankungen/100.000 Einwohner) 1.400 Anzahl der Fälle ser Anstieg ist dabei vor allem auf die Meldungen Inzidenz Inzidenz (Erkrankungen/100.000 Einwohner) 1.400 2,5 2,5 2,5 Inzidenz Inzidenz in einem Landkreis zurückzuführen. Eine epide- 2,5 1.2001.200 1.200 miologische Häufung lag nach den an das RKI 1.200 übermittelten Angaben jedoch nicht vor. 2,0 2,0 2,0 1.0001.000 1.000 2,0 Anzahl der Fälle 1.000 Ähnlich wie in den Vorjahren war die bundesweite Anzahl der Fälle Anzahl der Fälle Inzidenz im Jahr 2020 in Stadtkreisen um 23 % 800800 800 1,5 1,5 1,5 höher als in Landkreisen. Der Grund für dieses seit 800 1,5 Jahren konstant zu beobachtende Phänomen ist un- 600600 600 klar. Dabei können sowohl die Wasserqualität in der 600 1,0 1,0 1,0 TWI, das Diagnoseverhalten der Ärzte und Ärztin- 1,0 400400 nen, die Häufigkeit von wirtsspezifischen Risikofak- 400 400 toren oder aber auch das Reiseverhalten der Bevöl- 0,5 0,5 kerung eine Rolle spielen. 0,5 200200 200 0,5 200 0 00 0,0 0,0 Saisonalität 0,0 0 2010 2010 2010 2011 2011 2012 2011 2012 2013 2012 2014 2013 2014 2015 20162013 2015 2016 2017 20182014 2017 2018 2019 20202015 2016 2019 2020 2017 2018 Die übermittelten 0,0 2019 2020 weisen jedes Erkrankungszahlen 2010 2011 2012 2013 2014 Meldejahr 2015Meldejahr 2016 Jahr 2017 2018 2019 2020 mit einem Maxi- Meldejahr einen saisonalen Rhythmus Abb. 1 | Anzahl und Inzidenz der an das RKI übermittelten Meldejahr mum in den Sommer- und Herbstmonaten auf. Auf Fälle von Legionärskrankheit nach Meldejahren 2010 – 2020, dieses Phänomen wird im Abschnitt „Analyse nach (Stichtag für alle Jahre: 01.03.2021). Expositionskategorie“ ausführlicher eingegangen.
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 6 Schleswig‐Holstein Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein 2020 2020 Niedersachsen Niedersachsen Niedersachsen Brandenburg 2019 2019 Brandenburg Brandenburg HamburgHamburg Hamburg Saarland Saarland Saarland Bremen Bremen Bremen Sachsen‐Anhalt Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt Hessen Hessen Hessen Rheinland‐Pfalz Rheinland-Pfalz Rheinland-Pflaz SachsenSachsen Sachsen Nordrhein‐Westfalen Nordrhein-Wes�alen Nordrhein-Westfalen Baden‐Württemberg Baden-Wür�emberg Baden-Württemberg Mecklenburg‐Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern Thüringen Thüringen Thüringen BayernBayern Bayern Berlin Berlin Berlin 0,0 0,0 0,5 0,5 1,0 1,0 1,51,5 2,0 2,0 2,5 2,5 3,0 3,0 3,53,5 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 Erkrankungen/100.000 Einwohner Inzidenz/100.000Erkrankungen Inzidenz/100.000 Erkrankungen Abb. 2 | An das RKI übermittelte Fälle von Legionärskrankheit pro 100.000 Einwohner nach Bundesland, Deutschland 2020 (N = 1.281) im Vergleich zum Vorjahr (N = 1.548), sortiert nach Inzidenz im Jahr 2020. 8,0 Demografische Analyse 8,0 Erkrankungen/100.000 Einwohner Die Alters- und Geschlechterverteilung der für das 8,08 männlich 7,0 Jahr 2020 übermittelten Fälle von Legionärskrank- männlich männlich 7,0 weiblich weiblich heit zeigt, dass Erkrankungen vorwiegend bei Er- 7,07 weiblich Einwohner 6,0 wachsenen – insbesondere im höheren Alter – auf- Erkrankungen/100.000Einwohner 6,0 Erkrankungen/100.000 Einwohner traten, während Kinder und Erwachsene bis zu ei- 6,06 nem Alter von 39 Jahren nur geringfügig betroffen 5,0 waren (s. Abb. 3). 5,0 5,05 Erkrankungen/100.000 Die altersgruppenspezifische Inzidenz stieg bei 4,0 4,0 Männern mit zunehmendem Alter an und war in 4,04 der Altersgruppe ab 80 Jahren am höchsten (Inzi- 3,0 3,0 denz 7,3). Auch Frauen erkrankten – jedoch auf ins- 3,03 gesamt niedrigerem Niveau – mit zunehmendem 2,0 Alter häufiger. Das Maximum lag mit einer Inzidenz 2,0 2,02 von 2,1 in der Altersgruppe der 70 – 79-Jährigen (s. 1,0 Abb. 3). Der geschlechtsspezifische Unterschied, der1,0 ab einem Alter von etwa 20 Jahren auftritt, ist in den 1,01 letzten zehn Jahren je nach Altersgruppe mit einem 0,0 0,0 Faktor (m/w) zwischen 2,6 und 4,1 relativ stabil. Die 0,00
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 7 Da die Expositionen vermutlich kaum stark mit Erkrankungen/100.000 Einwohner dem Alter variieren, ist dies ein Hinweis darauf, 100% 100 % dass ein fortgeschrittenes Alter – möglicherweise in Verbindung mit bereits bestehenden Grunderkran- 90%% 90 kungen – einen Risikofaktor für die Legionärs- 80%% 80 krankheit darstellt. 70% Anteil Exposi�onsort 70 % Analyse nach Expositionskategorie 60%% 60 sons�ger Exposi�on Die Verteilung der übermittelten Fälle von Legio- 50%% 50 Pflegeeinrichtung närskrankheit nach Expositionskategorie ist von 2010 bis 2020 relativ konstant (s. Abb. 4). Bei etwa 40%% 40 Krankenhaus (noso drei Vierteln der Fälle wurde die Exposition dem pri- reiseassoziiert vaten/beruflichen Umfeld zugeordnet, etwa 20 % 30%% 30 sonstiger Expositionsort sons�ger Exposi�onsort privates/berufliche der Fälle waren reiseassoziiert, und weniger als 10 % 20%% 20 Pflegeeinrichtung Pflegeeinrichtung verteilten sich auf krankenhausassoziierte (3 – 8 %), Krankenhaus (nosokomial) Krankenhaus (nosokomial) pflegeheimassoziierte (2 – 5 %) und sonstige Fälle 10% 10 % reiseassoziiert reiseassoziiert privates/berufliches privates/berufliches Umfeld Umfeld (
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 8 85 85 von 9 übermittelten Fällen im Jahr 802010 auf 39 Fäl Altersmedian (Alter in Jahren) in Jahren) 80 le im Jahr 2020. Der Anteil dieser Expositionskate in Jahren) 85 85 75 gorie hat sich dabei von 1,3 % auf 3,0 % erhöht und Pflegeeinrichtung Pflegeeinrichtung (Alter 75 ist teilweise auf die zunehmende Anzahl von älteren Pflegeeinrichtung Krankenhaus (nosokomial) (nosokomial) (Alter 70 Krankenhaus Altersmedian Menschen (mit entsprechenden Vorerkrankungen) 70 80 80 Krankenhaus privates/berufl.(nosokomial) Umfeld Altersmedian zurückzuführen, die in Pflegeheimen 65 versorgt wer privates/berufliches privates/berufl. reiseassoziiert Umfeld Umfeld den.14 Der Anstieg wird durch den demografischen 65 Altersmedian (Alter in Jahren) reiseassoziiert reiseassoziiert 60 75 Wandel aber nur zum Teil erklärt und hat daher ver 75 60 mutlich auch noch weitere Gründe. 55 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 55 Unterschiede in den einzelnen Expositionskategori 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 70 2020 70 2017 2018 2019 Meldejahr en ergaben sich auch in der Altersentwicklung Meldejahr (s. Abb. 6). Während der Altersmedian in den ver 65 65 gangenen Jahren bei den im privaten/beruflichen Umfeld erworbenen Erkrankten sowie bei den reise assoziierten Erkrankungen um etwa 3 – 4 Jahre von 60 60 59 auf zuletzt 63 bzw. 62 Jahre anstieg, war beim Altersmedian der krankenhausassoziierten Fälle (um etwa 70 Jahre, Spannweite 65 bis 73 Jahre) kein 55 55 Trend zu beobachten. Dagegen war in der Kategorie 2010 2011 2010 2011 2012 2012 2013 2014 2015 2013 2014 2016 2017 2015 2016 2017 2018 2018 2019 2019 2020 2020 „Pflegeeinrichtung“ ein deutlicher linearer Anstieg Meldejahr von etwa 70 Jahren auf etwa 82 Jahre zu verzeich Meldejahr nen (s. Abb. 6). Abb. 6 | Altersmedian der Fälle von Legionärskrankheit nach Expositionskategorie, Meldejahre 2010 – 2020. Die gestrichel- ten Linien zeigen den jeweiligen linearen Trend an. Der sich in den Gesamtzahlen darstellende saisona le Verlauf im Jahr 2019 (s. Abb. 7A; schwarze Kurve) ist in den verschiedenen Expositionskategorien un terschiedlich stark ausgeprägt. Während der einzel von Legionellen in der Umwelt und im Kalt-Trink ne Gipfel der Gesamtzahlen im Sommer vor allem wasser begünstigen könnte. Ferner ergaben Model auf die im privaten bzw. beruflichen Umfeld erwor lierungsstudien aus England16 und den Niederlan benen Fälle zurückzuführen ist (s. Abb. 7A), ist die den17 Anhaltspunkte dafür, dass feuchtwarmes Wet relative Saisonalität bei den reiseassoziierten Fällen ter mit einem häufigeren Auftreten der Legionärs mit Abstand am ausgeprägtesten und zeigt darüber krankheit assoziiert ist. hinaus eine zweigipflige Verteilung mit einem ers ten Maximum im Juni sowie mit einem weiteren Im Jahr 2020 war der saisonale Verlauf der Fallzah Maximum im September/Oktober (s. Abb. 7B). Die len bei den im privaten/beruflichen Umfeld erwor ser Doppelgipfel ist wahrscheinlich mit dem Reise benen Erkrankungen ähnlich wie im Jahr 2019. Bei verhalten der älteren Bevölkerung assoziiert, die die den reiseassoziierten Erkrankungen lagen die Fall Hauptferienzeit während der Schulsommerferien zahlen 2020 nach einem zunächst ähnlichen Ver durch Reisen in den umliegenden Monaten zu „um lauf wie im Vorjahr ab März über das ganze Jahr gehen“ versuchen.15 Krankenhaus- bzw. pflegeheim hinweg deutlich niedriger (s. Abb. 7C). Der som assoziierte Erkrankungen zeigen keine Saisonalität merliche Doppelgipfel blieb erhalten, aber auf ei (s. Abb. 7A). Neben dem Reiseverhalten und den da nem wesentlich geringeren Niveau im Vergleich zu mit verbundenen Infektionsrisiken (z. B. Hotel 2019 (s. Abb. 7B und D). Die Änderungen im Früh aufenthalte) sind – sowohl für reiseassoziierte als jahr gehen einher mit den damals geltenden Reise auch für im privaten/beruflichen Umfeld erworbe einschränkungen aufgrund der COVID-19-Pande ne Fälle von Legionärskrankheit – auch die allge mie, aber auch danach waren reiseassoziierte Fälle mein höheren Wassertemperaturen als möglicher von Legionärskrankheit deutlich reduziert. Der An beitragender Faktor zu nennen, der das Wachstum teil der reiseassoziierten Legionärskrankheit war ge
8 8 Epidemiologisches Bulletin 4287 | 2021 21. Oktober 2021 9 Januar 7 Januar 7 Januar 6 6 zu 6 zuzu Fälle 5 Fälle privates/berufliches Umfeld 5 Fälle privates/berufliches Umfeld 5 der privates/berufliches A 2019 Absolute FallzahlenUmfeld 4 privates/berufliches B 2019 Fallzahlen Umfeldzu Januar relativ Krankenhaus (nosokomial) privates/berufliches Umfeld der 250 250 privates/berufliches Umfeld Krankenhaus (nosokomial) 4 88 privates/berufliches Umfeld der Anzahl privates/berufliches Krankenhaus Umfeld Umfeld 4 (nosokomial) privates/berufliches privates/berufliches reiseassoziiert privates/beruflichesUmfeld Umfeld Pflegeeinrichtung Krankenhaus (nosokomial) 3 Anzahl Krankenhaus Krankenhaus (nosokomial) Pflegeeinrichtung (nosokomial) 3 reiseassoziiert reiseassoziiert Anzahl Krankenhaus (nosokomial) Pflegeeinrichtung reiseassoziiert Gesamtergebnis Gesamtergebnis reiseassoziiert Pflegeeinrichtung 3 77 relative Anzahl der Fälle zu Januar Pflegeeinrichtung Pflegeeinrichtung reiseassoziiert 2 Gesamtergebnis relative Pflegeeinrichtung reiseassoziiert reiseassoziiert 2 Gesamtergebnis 200 relative 200 sonstiger Expositionsort reiseassoziiert reiseassoziiert 2 relative sonstiger Expositionsort sonstiger Expositionsort reiseassoziiert sonstiger Expositionsort Gesamtergebnis 1 66 sonstiger Expositionsort Gesamtergebnis 1 sonstiger Expositionsort Gesamtergebnis 1 sonstiger Expositionsort Gesamtergebnis Anzahl der Fälle Gesamtergebnis 0 privates/berufliches Umfeld 150150 Gesamtergebnis Gesamtergebnis 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt 55Nov Dez 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez z Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Krankenhaus (nosokomial) Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez z z Apr Apr Mai Jun Jul Aug Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Sep Okt Nov Dez Meldemonat 44 privates/beru z Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Meldemonat Pflegeeinrichtung z Apr Mai Meldemonat Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Meldemonat z Apr Mai Meldemonat Jun Jul Aug Sep Okt100 Nov Dez 100 reiseassoziier Meldemonat 33 reiseassoziiert Meldemonat Meldemonat Gesamtergeb Meldemonat 22 sonstiger Expositionsort 50 50 Gesamtergebnis 11 8 8 00 8 00 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul 7 Aug Sep Okt Nov Dez Januar Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul 7 Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Sep Okt Nov Dez Januar 7 Januar 6 Meldemonat Meldemonat 6 Meldemonat Meldemonat zu 6 zuzu Fälle 5 Fälle privates/berufliches Umfeld 5 Fälle privates/berufliches C 2020 Absolute FallzahlenUmfeld 5 D 2020 Fallzahlen relativ zu Januar der privates/berufliches Umfeld Krankenhaus (nosokomial) 4 privates/berufliches Umfeld privates/berufliches Umfeld der 250 250 privates/berufliches Krankenhaus Umfeld (nosokomial) 4 88 privates/berufliches Umfeld der Anzahl privates/berufliches Krankenhaus Umfeld Umfeld 4 (nosokomial) privates/berufliches privates/berufliches reiseassoziiert privates/beruflichesUmfeld Umfeld Pflegeeinrichtung Krankenhaus (nosokomial) 3 Anzahl Krankenhaus (nosokomial) Pflegeeinrichtung Krankenhaus (nosokomial) reiseassoziiert reiseassoziiert 3 Anzahl Krankenhaus (nosokomial) Pflegeeinrichtung reiseassoziiert Gesamtergebnis Gesamtergebnis reiseassoziiert Pflegeeinrichtung Pflegeeinrichtung Pflegeeinrichtung 3 77 Gesamtergebnis reiseassoziiert 2 relative relative Anzahl der Fälle zu Januar Pflegeeinrichtung reiseassoziiert reiseassoziiert 2 Gesamtergebnis 200 relative 200 sonstiger Expositionsort reiseassoziiert reiseassoziiert sonstiger Expositionsort 2 relative sonstiger Expositionsort reiseassoziiert sonstiger Expositionsort 1 66 Gesamtergebnis sonstiger Expositionsort Gesamtergebnis 1 sonstiger Expositionsort Gesamtergebnis sonstiger Expositionsort Gesamtergebnis 1 Gesamtergebnis 0 5 privates/berufliches Umfeld 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt 5Nov Dez Anzahl der Fälle 150 150 Gesamtergebnis Gesamtergebnis 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez z Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Krankenhaus (nosokomial) Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt 44Nov Dez privates/berufl z z Apr Apr Mai Jun Jul Aug Mai Jun Jul Aug Sep Sep Okt Nov Dez Okt Nov Dez Meldemonat z Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Meldemonat Pflegeeinrichtung z Apr Mai Meldemonat Jun Jul Aug Sep Okt100 Nov Dez Meldemonat reiseassoziiert z Apr Mai Meldemonat Jun Jul Aug Sep Okt100 Nov Dez 33 Meldemonat Meldemonat reiseassoziiert Meldemonat Gesamtergebn Meldemonat 2 sonstiger Expositionsort 2 50 50 Gesamtergebnis 11 00 00 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Meldemonat Meldemonat Meldemonat Abb. 7 | Fälle von Legionärskrankheit nach Meldemonat und Expositionskategorie, Deutschland 2019 Meldemonat (N = 1.548 Fälle) im Vergleich zu 2020 (N = 1.281 Fälle). Darstellung linke Seite: absolute Fallzahlen (A/C); Darstellung rechte Seite: Fallzahlen relativ zum Monat Januar als Referenz (B/D). Relative Fallzahlen in (B) und (D): Expositionskategorie Krankenhaus, Pflegeeinrichtung und sonstiger Expositionsort nicht dargestellt.
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 10 genüber dem Vorjahr um mehr als die Hälfte (von te Fälle aus den europäischen Teilnehmerstaaten 22,5 % auf 9,5 %) zurückgegangen. Darüber hinaus gemeldet, während es 2020 nur 552 Fälle waren – verlagerte sich die reiseassoziierte Legionärskrank- eine Abnahme von zwei Dritteln (–67%) gegenüber heit auf Fälle mit innerdeutschen Reisen bzw. Ur- dem Vorjahr (ELDSNet Meeting Juni 2021, nicht lauben (nicht abgebildet).18 publiziert). Im Krankenhaus oder in Pflegeeinrichtungen er- worbene Erkrankungen, die nur einen geringen An- Letalität teil der Fälle ausmachten, zeigten keine saisonalen Im Jahr 2020 verstarben 61 Patientinnen und Pati- Schwankungen (in der relativen Darstellung nicht enten (40 Männer, 21 Frauen) an den Folgen der Le- gezeigt). gionärskrankheit. Die Letalität, also der Anteil der an der Legionärskrankheit Verstorbenen unter den Eine weitgehend ähnliche Verteilung bezüglich der Erkrankten, betrug mit 4,8 % etwas weniger als im in Abbildung 5 genannten Expositionen findet man Jahr 2019 (5,4 %). auch im europäischen Vergleich.12 Der Rückgang an Fallmeldungen im Jahr 2020 war dabei nicht nur in In den Jahren 2010 bis 2020 wurden insgesamt Deutschland, sondern auch in anderen europä 555 Todesfälle aufgrund der Legionärskrankheit re- ischen Ländern zu beobachten. So wurden ELDSNet gistriert. Dies entspricht einer Letalität von durch- (European Legionnaires’ Disease Surveillance Net- schnittlich 5,0 %, die – mit Ausnahme von 2010 – work), dem europäischen Netzwerk zur Erfassung relativ stabil zwischen 4 % und 6 % lag (s. Abb. 8). reiseassoziierter Fälle von Legionärskrankheit am Damit liegt Deutschland unter dem europäischen ECDC im Jahr 2019 insgesamt 1.657 reiseassoziier- Durchschnitt, der 2019 bei 7 % lag.12 1.600 Anzahl der Erkrankungen Letalität 1.600 nicht an LK versorben 1.600 1.6001.600 nicht an LK versorben an LK verstorben 16,0% 1616,0% % 1.400 nicht nicht an LK verstorben an LK versorben an anLK LK verstorben verstorben Letalität Letalität 1.400 1.400 an LK verstorben Letalität 1.4001.400 14,0% 1414,0% % Letalität 1.200 1.200 Anzahl der Erkrankungen 1.200 1.200 1212,0% % 1.200 12,0% Anzahl der Erkrankungen 1.000 Anzahl der Erkrankungen Anzahl der Erkrankungen 1.000 1.000 1.000 1010,0% % 1.000 10,0% 800 Letalität 7,4 % 7,4% 800 800 800 88,0% % Letalität 7,4% 800 7,4% 8,0% 600 5,3% 600 600 5,3 % 5,1% 5,2% 5,4 % 66,0% % 5,0 % 600 5,1 % 5,2 % 5,0% 5,3% 4,8% 5,4% 4,5% 5,1% 5,2% 4,8 % 4,5 % 4,4% 4,8 % 600 4,45,0% % 5,3% 4,1 % 5,4% 4,8% 6,0% 4,5% 4,1% 5,1% 5,2% 4004,8% 4,4% 5,0% 4,1% 400 400 4,4% 4,5% 44,0% % 4,8% 400 4,1% 4,8% 400 4,0% 200 200 200 22,0% % 200 200 84 2,0% 65 00 51 32 33 48 33 65 48 36 36 6146 4647 00,0% % 0 525147 32 52 51 48 46 472019 522020 65 84 61 2010 2010 2011 2011 20120 2012 2013 2013 32 2014 2014 33 2015 2015 2016 2010 2016 36 2017 2011 2017 2018 2012 2018 2013 2014 2019 2015 2020 2016 2017 2018 84 0 51 32 33 48 Jahr47 2013 52 2014 65 2015 2010 36 2011 46 2012 2016 61 2017 0,0%2018 Jahr 2019 Jahr 2020 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Jahr (LK) sowie die Letalität, Abb. 8 | Anzahl der an das RKI übermittelten Erkrankungen und Todesfälle von Legionärskrankheit 2016 2017 2018 2019 2020 Deutschland, 2010 – 2020. Jahr
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 11 85 85 Median in Jahren) 80 AltersmedianMedian (Alter an LK 85 in Jahren) Altersmedianverstorben (Alter in Jahren) verstorben 80an LK in Jahren) Median Median weiblich 80 80 75 85 85 verstorben verstorben Median80an Median LKLK verstorben an Median Median verstorben weiblich in Jahren) Median gesamt weiblich (Alter 75 verstorben verstorben Median Median gesamt 70 gesamt Median Median verstorben gesamt gesamt weiblich (Alter 75 verstorben Median70gesamt Altersmedian Median Median nicht anan LK verstorben nicht Median Median verstorben männlich gesamt 65 80 (Alter LK verstorben 80 verstorben Median nicht an Altersmedian 75 75 70 LK verstorben Median männlich gesamt Median65nicht an verstorben Altersmedian 60 Median Altersmedian (Alter in Jahren) Altersmedian (Alter in Jahren) LK verstorben männlich 65 verstorben 60 55 männlich 75 75 60 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 15 2016 2017 2018 2019 2020 55 70 70 5 2016 2017 2018 2019 2020 dejahr 2010 2011 2012 2013 2014Meldejahr 2015 2016 2017 2018 2019 2020 55 5 2016 2017 2018 2019 2020 dejahr 2010 2011 2012 2013 2014Meldejahr 2015 2016 2017 2018 2019 2020 70 70 dejahr Meldejahr 65 65 65 65 60 60 60 60 55 55 55 55 2010 2011 2010 2012 2013 2011 2012 2013 2014 2014 2015 2016 2017 2015 2016 2017 2018 2018 2019 2019 2020 2020 2010 2010 2011 2011 2012 2012 2013 2013 2014 2014 2015 2015 2016 2016 2017 2017 2018 2018 2019 2019 2020 2020 Meldejahr Meldejahr Meldejahr Meldejahr Abb. 9 | Altersmedian der an der Legionärskrankheit (LK) Abb. 10 | Altersmedian der an der Legionärskrankheit verstorbenen Patientinnen und Patienten im Vergleich zu verstorbenen Patientinnen und Patienten nach Meldejahr den nicht verstorbenen Patientinnen und Patienten nach (2010 – 2020) und Geschlecht. Die gestrichelten Linien Meldejahr (2010 – 2020). Die gestrichelten Linien zeigen zeigen den jeweiligen linearen Trend an. den jeweiligen linearen Trend an. In Abbildung 9 wurde der Altersmedian der verstor- 2010 bis 2020 insgesamt um 10 Jahre von 66 auf benen Patientinnen und Patienten den nicht Ver- 76 Jahre angestiegen, dabei liegt der Altersmedian storbenen gegenübergestellt. Hier zeigt sich, dass der verstorbenen Frauen etwa 5 Jahre über dem der der Altersmedian der verstorbenen Patientinnen Männer (s. Abb. 10). und Patienten im Vergleich zu den nicht Verstorbe- nen im Jahr 2010 noch etwa 7Jahre höher war, aber aufgrund des unterschiedlich steilen Anstiegs der Letalität nach Expositionskategorie beiden Gruppen im Jahr 2020 auf etwa 12 Jahre an- Abbildung 11 zeigt die Letalität der Legionärskrank- wuchs. Das höhere Alter der verstorbenen Patientin- heit für die verschiedenen Expositionskategorien nen und Patienten ist vermutlich mit der zuneh- (gepoolte Daten 2010 bis 2020). Mit 11,1% (44/395 menden Wahrscheinlichkeit für Vorerkrankungen, Fällen mit entsprechenden Angaben) war die Letali- Multimorbidität sowie weiteren altersbedingten Ri- tät von krankenhausassoziierten Fällen am höchs- sikofaktoren assoziiert, die die Wahrscheinlichkeit ten, gefolgt von Erkrankungen in Pflegeeinrichtun- eines tödlichen Verlaufs mit dem Alter ansteigen gen mit 9,4% (19/203). Die Letalität der im privaten/ lassen. Der Altersanstieg bei den Verstorbenen re- beruflichen Umfeld erworbenen Erkrankungen lag flektiert vermutlich sowohl den demografischen bei 5,2% (435/8.412) und die der reiseassoziierten Wandel als auch die verbesserten medizinischen Erkrankungen bei 2,6% (54/2.100). Dabei sind die Möglichkeiten. Expositionskategorie-spezifischen Letalitäten zwi- schen 2010 und 2020 relativ stabil, allerdings deutet Bei den an der Legionärskrankheit verstorbenen Pa- sich bei den pflegeheimassoziierten Erkrankungen tientinnen und Patienten ist der Altersmedian von in den letzten Jahren ein ansteigender Trend an
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 12 (nicht gezeigt). Während Patientinnen und Patien- Methode ist, dass der Test ausschließlich auf Legio ten, die sich während eines stationären Aufenthaltes nella pneumophila der Serogruppe 1 ausgerichtet ist. im Krankenhaus mit Legionellen infizieren, älter An zweiter Stelle steht der Nukleinsäure-Nachweis, sind (s. Abb. 6) und mit höherer Wahrscheinlichkeit der 2020 einen Anteil von 15% hatte und im Ver- Vorerkrankungen haben und deshalb anfälliger für gleich zum Jahr 2010 (11%) leicht an Bedeutung ge- schwerere Verläufe der Legionärskrankheit sind, wann. Der kulturelle Nachweis erfolgte in 5,6% der sind reiseassoziierte Fälle häufiger jünger (s. Abb. 6) Fälle und war in den letzten Jahren relativ konstant. und vermutlich gesünder und daher ist ein tödlicher Der Anteil an Fällen, bei denen eine Antikörper- Verlauf weniger wahrscheinlich. Serologie zur Diagnose führte, ist von 2010 mit 9,8% auf 0,4% im Jahr 2020 zurückgegangen. Mortalität Der kulturelle Nachweis von Legionellen aus respi- Die im Jahr 2020 registrierten 61 Todesfälle ent- ratorischen Materialien gilt als Goldstandard und ist sprachen einer Mortalität von 0,07 pro 100.000 zum Abgleich des Legionellen-Stammes (Sequenz- Einwohner (Vorjahr 0,10). Die geschlechtsspezifi- typ oder noch besser die genaue Genomsequenz des sche Mortalität war bei Männern doppelt so hoch Stammes) in der erkrankten Person mit entspre- (0,10; 40 Todesfälle) im Vergleich zu Frauen (0,05; chenden Umweltisolaten für die eindeutige Identi- 21 Todesfälle). fikation einer möglichen Infektionsquelle unab- dingbar. Der kulturelle Nachweis sollte daher – vor allem bei beatmeten Patientinnen und Patienten – Diagnostische Verfahren immer angestrebt werden. Bei nicht beatmeten Pa- Wie schon in den vergangenen Jahren war der tientinnen und Patienten kann versucht werden, Antigen-Nachweis aus Urin die am häufigsten ver- Sputum zu gewinnen, aus dem gelegentlich eben- wendete Untersuchungsmethode, im Jahr 2020 falls eine kulturelle Anzucht gelingt. machte diese Methode 79% aus. Nachteil dieser Letalität 16% 16 % 14% 14 % 12% 12 % 10% 10 % Letalität 8% 8% 6% 6% 11,1 % 4% 4% 9,4 % 5,2 % 2% 2% 2,6 % 0% 0% Krankenhaus (nosokomial) Pflegeeinrichtung privates/berufliches Umfeld reiseassoziiert Krankenhaus (nosokomial) (44/395) Pflegeeinrichtung (19/203) privates/berufliches (435/8.412) Umfeld reiseassoziiert (54/2.100) (44/395) (19/203) (435/8.412) (54/2.100) Abb. 11 | Letalität nach Expositionskategorie, Deutschland 2010 – 2020 (gepoolte Daten N = 11.110 Erkrankungsfälle mit Angaben zum Tod und zur Expositionskategorie).
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 13 Erregereigenschaften „Benidorm“ mit jeweils 3 Fällen. Bei weiteren 4 Fäl- Im Jahr 2020 wurden für 72 % der Erkrankungen len wurde nur die Angabe eines MAb 3/1 positiven konkrete Informationen zur Erregerspezies über- Ergebnisses übermittelt ohne weitere Details. Fer- mittelt. Dabei entfiel mit 99 % der Hauptteil der Er- ner wurde in einem Fall der MAb 3/1-negative Sub- krankungen (903 Fälle) auf die Spezies Legionella typ „OLDA“ angegeben. Bei den noch verbleibenden pneumophila, während andere Spezies nur vereinzelt 4 Fällen wurde bezüglich des MAb 3/1 Typ nur die genannt wurden. Für 28% (345 Fälle) wurde nur die Angabe „andere/sonstige“ übermittelt. Angabe „Legionella spp.“ übermittelt, ohne konkrete Informationen zur Erregerspezies oder der Sero- gruppe. Von den 903 Legionella pneumophila- Untersuchungspflicht von Erkrankungen lagen bei 48 % zusätzlich Angaben Trinkwasserinstallationen nach zur Serogruppe vor. Mit 94 % (408 von 434 Erkran- Trinkwasserverordnung kungen mit Serogruppenangabe) überwog dabei die Ebenso können seit 2019 auch Angaben zur Unter- Serogruppe 1. Andere Serogruppen spielten dage- suchungspflicht der häuslichen TWI übermittelt gen nur eine untergeordnete Rolle. werden sowie zu evtl. vorliegenden Wasseruntersu- chungen vor Auftreten des Erkrankungsfalls und zu Zusätzlich zur allgemeinen Bestimmung der Legio- Ergebnissen von anlassbezogenen Wasseruntersu- nellenspezies und Serogruppen, werden im Konsi- chungen, die aufgrund des aufgetretenen Falls liarlabor für Legionellen in Dresden – nach Abspra- durchgeführt wurden. Auch wenn die Ergebnisse che – auch Feintypisierungen durchgeführt, sowohl aus verschiedenen Gründen noch lückenhaft sind, aus Patientenisolaten (im Allgemeinen kostenfrei) soll hier über erste Auswertungen berichtet werden. als auch aus Umweltproben (im Allgemeinen kos- Von den 198 (19 %) der im Jahr 2020 im privaten/ tenpflichtig). Typisierungen sind im Einzelfall für beruflichen Umfeld erworbenen Erkrankungsfäl- die Eingrenzung einer Expositionsquelle als Infek- len, bei denen Angaben zur Untersuchungspflicht tionsursache von Bedeutung. Ohne zusätzliche Pro- der TWI gemäß TrinkwV vorlagen, war die TWI in ben aus einer Wasserquelle dienen Typisierungser- 70 % der Fälle nicht untersuchungspflichtig, weil gebnisse von Patientinnen und Patienten dem Kon- die Erkrankten meist in einem Einfamilienhaus siliarlabor zur Erstellung einer Übersicht überhaupt wohnten (58 %; s. Tab. 1). auftretender Sequenztypen und deren geographi- schen Vorkommen. Von den untersuchungspflichtigen TWI waren vor Auftreten des Falles 14% noch nie beprobt worden, Details zur Feintypisierung des Erregers (MAb-Sub- bei gut zwei Dritteln (68%) war zuletzt eine orientie- typ, Sequenztyp) können seit 2019 auch in der Mel- rende Untersuchung durchgeführt worden und bei desoftware erfasst und an das RKI übermittelt wer- 14% war – anscheinend aufgrund von einer Über- den. Diese Angaben liegen in der Regel jedoch nur schreitung des technischen Maßnahmenwertes (ge- vereinzelt vor. Für die Bestimmung des Sequenz- messene Legionellen-Konzentration von mehr als typs ist oftmals kein entsprechendes klinisches Ma- 100 KBE*/100 ml) – eine Gefährdungsanalyse ge- terial (tiefe Atemwegsprobe) von der erkrankten mäß TrinkwV vom zuständigen Gesundheitsamt Person vorhanden, mit dem eine Sequenztypisie- veranlasst worden (8% mit weitergehender Untersu- rung durchgeführt werden kann. chung, 6% mit Nachuntersuchung; s. Tab. 1). Bei 8 von 12 Fällen (67%), bei denen eine Untersuchung Von den im Jahr 2020 registrierten 408 Erkran- der TWI bereits vor Auftreten des Erkrankungsfalles kungsfällen mit Nachweis von Legionella pneumo durchgeführt wurde und eine Angabe zur Legionel- phila der Serogruppe 1, wurden in 21 Fällen (5,1 %) len-Konzentration übermittelt wurde, lag eine Über- zusätzliche Angaben zum monoklonalen Antikör- schreitung des technischen Maßnahmenwertes vor pertyp (MAb 3/1) übermittelt: Bei 16 Fällen wurde mit Werten zwischen 200 und 10.000 KBE*/100 ml. ein MAb 3/1-positiver MAb-Typ übermittelt, davon wurde mit 6 Fällen der MAb-Subtyp „Knoxville“ am * KBE: Kolonie Bildende Einheit (lebende, vermeh- häufigsten genannt, gefolgt von „Allentown“ und rungsfähige Legionellen)
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 14 Anzahl %-Anteil kam. Dieser war vor allem darauf zurückzuführen, Informationen zur Untersuchungspflicht dass im Vergleich zu 2019 rund 60% weniger rei- der TWI vorhanden 198 19 % seassoziierte Erkrankungen übermittelt wurden. Nicht untersuchungspflichtige TWI 139 70 % Dieser Rückgang ist wiederum eng mit der davon mit Angabe zum Grund 125 90 % COVID-19-Pandemie verbunden, welche sich ab davon: Februar 2020 auch auf Deutschland auswirkte und Einfamilienhaus 72 58 % u. a. zu Reiseeinschränkungen führte. Allerdings Mehrfamilienhaus mit Durchlauferhitzer kam es auch nach deren Aufhebung zwar zu einem und Rohrvolumen < 3Liter 24 19 % erneuten Anstieg der reiseassoziierten Erkrankun- Zweifamilienhaus 18 14 % gen, diese erreichten jedoch in den Sommermona- andere 11 9% ten 2020 höchstens die Hälfte der Vorjahreswerte Gesamt 125 100 % und standen zu einem viel größeren Anteil als Untersuchungspflichtige TWI 59 30 % sonst mit innerdeutschen Reisezielen in Zusam- davon mit Angabe zu vorheriger Untersuchung 50 85 % menhang.18 davon: Orientierende Untersuchung 34 68 % Interessant ist aber unabhängig davon, dass die im Weitergehender Untersuchung privaten/beruflichen Umfeld erworbenen Erkran- (z. B. im Rahmen einer Gefährdungsanalyse) 4 8% kungen schon 2019 in deutlich geringerem Maße Nachuntersuchung 3 6% angestiegen waren als in den Vorjahren und 2020 Noch nie beprobt 7 14 % sogar leicht abfielen. Die Ursachen dafür sind unbe- andere 2 4% kannt. In Frage kommen positive Auswirkungen Gesamt 50 100 % der Umsetzung der TrinkwV, die pandemiebedingte Tab. 1 | Untersuchungspflicht der Trinkwasser-Installation Schließung vieler außerhäuslicher, potentieller In- (TWI) bei den 198 im privaten/beruflichen Umfeld erwor fektionsquellen (z. B. Schwimmbäder, Wellness- benen Fällen von Legionärskrankheit aus dem Jahr 2020, bei denen Angaben zur Untersuchungsplicht vorlagen. Center, etc.), Umwelteinflüsse, aber auch, dass die Aufmerksamkeitssteigerung bei ärztlichem Perso- nal in Bezug auf die Legionärskrankheit eine gewis- se Sättigung erreicht hat. In 119 Fällen erfolgten seitens des Gesundheitsamtes anlassbezogene Wasseruntersuchungen nachdem Ein weiterer auffälliger Trend war der Anstieg der ein Erkrankungsfall aufgetreten war. Für 45 Fälle pflegeheimassoziierten Fälle, der vermutlich zum wurde dabei angegeben, dass Legionellen in der einen auf die größer werdende Anzahl an exponier- TWI gefunden werden konnten. Für 34 dieser 45 Fäl- ten Personen in diesem Bereich zurückzuführen ist. le wurden dabei nähere Angaben zum Erreger in der Es ließe sich aber auch vermuten, dass der hygieni- Wasserprobe übermittelt, wobei in 19 der 34 Fällen schen Situation von TWI in Altenpflegeheimen – (56 %) Legionella pneumophila der Serogruppe 1 insbesondere vor dem Hintergrund der dortigen nachgewiesen wurde und in 4 dieser 19 Fälle lag ein vulnerablen Population – noch zu wenig Aufmerk- MAb 3/1-positiver Subtyp vor. Nur bei 2 dieser 4 Fäl- samkeit gewidmet wird. le lag auch der MAb-Subtyp für den betreffenden Patientenstamm vor, der beide Male mit dem MAb- In dieser Übersicht wurde noch auf weitere epide- Subtyp aus dem Wasser übereinstimmte (Benidorm miologische Besonderheiten der mit den verschie- bzw. Knoxville). denen Expositionskategorien assoziierten Fälle von Legionärskrankheit eingegangen. Dabei wurde u. a. gezeigt, wie der Altersmedian der Fälle zwar gene- Diskussion/Fazit rell anstieg, besonders aber bei Fällen, die mit Alten- Der erste auffällige Befund im Inzidenzverlauf von pflegeeinrichtungen assoziiert waren. Zusätzlich 2010 bis 2020 war, dass sich der bis 2019 anstei- stieg in dem betrachteten Zeitraum das Alter der an gende Trend nicht nur nicht fortsetzte, sondern es der Legionärskrankheit verstorbenen Patientinnen im Jahr 2020 sogar zu einem deutlichen Rückgang und Patienten an, und zwar schneller als das Alter
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 15 der nicht verstorbenen Fälle. Da die Letalität im be- besiedelten. Nach diesen ersten Ergebnissen sind trachteten Zeitraum insgesamt relativ stabil war, vermutlich vor allem Wasserquellen, die MAb kann man die epidemiologische Situation in etwa so 3/1-positive Legionellen beherbergen, mit einem be- beschreiben, dass ein erhöhtes Risiko aufgrund der sonders hohen Erkrankungsrisiko assoziiert. Zu- demographischen Entwicklung durch gleichzeitig dem erfassen orientierende Untersuchungen die verbesserte Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten hygienische Situation einer TWI nicht vollständig kompensiert wird. und geben nur begrenzt Hinweise auf technische Mängel der untersuchten Anlage, gerade letzteres Die umgehende intensive Begutachtung möglicher kann nur eine nach den allgemein anerkannten Infektionsquellen ist bei allen Expositionskatego Regeln der Technik durchgeführte Gefährdungs- rien wichtig. Eine zeitnahe Untersuchung ist insbe- analyse leisten. sondere bei pflegeheim- und krankenhausassoziier- ten Fällen von großer Bedeutung, da hier die betrof- Darüber hinaus gibt es auf Grundlage der im Jahr fenen Patientinnen und Patienten in der Regel be- 2020 erhobenen und dem RKI im Rahmen der all- sonders vulnerabel sind und eine höhere Letalität gemeinen Meldepflicht von den Gesundheitsäm- haben. Auch bei reiseassoziierten Fällen ist die Su- tern übermittelten Daten auch Hinweise aus der che nach der Infektionsquelle und die Einleitung Surveillance, dass zumindest einige der TWI vor entsprechender Maßnahmen wichtig, weil die lang- Auftreten eines Falles eine sehr hohe Legionellen- jährige internationale Surveillance gezeigt hat, dass Konzentration in den untersuchten Wasserproben hier häufiger internationale und auch größere Clus- aufwiesen. Bei vereinzelten Fällen wurden nach an- ter auftreten können. Aber auch bei im privaten/ lassbezogenen Untersuchungen (wegen des aufge- beruflichen Umfeld erworbenen Erkrankungen tretenen Falles) in der TWI MAb 3/1-positive Legio- kommen Cluster vor, insgesamt zwar relativ selten, nellen-Stämme gefunden, die mit einem erhöhten jedoch umfassen sie ca. 5 % aller Fälle, eine ähnliche Risiko für die Legionärskrankheit assoziiert sind. Größenordnung wie auch in den USA.19 Dieser All diese Befunde unterstützen noch einmal nach- Wert wird auch aus den Daten des LeTriWa-Projekts drücklich den schon 2009 formulierten Vorschlag („Legionellen in der Trinkwasser-Installation“) ge- des Umweltbundesamtes (UBA), nach jedem aufge- stützt.4 Dort wurde insbesondere beobachtet, dass tretenen Erkrankungsfall eine Gefährdungsanalyse zuweilen die Fälle eines Clusters sehr rasch (inner- durchzuführen.20 Diese sollte selbstverständlich halb weniger Wochen) aufeinander folgen können, auch ggf. entsprechende Sanierungsmaßnahmen so dass auch hier eine Begutachtung der TWI zügig nach sich ziehen. in die Wege geleitet werden sollte. Es spricht einiges dafür, dass das Risiko von Personen, die von TWI Der präventive Fokus auf untersuchungspflichtige versorgt werden, die schon einmal mit dem Auftre- TWI sollte aufgrund dieser ersten Ergebnisse aus ten eines Falles von Legionärskrankheit assoziiert der Surveillance noch einmal überdacht werden. waren, deutlich höher ist als das der Allgemeinbe- Mehr als 2/3 der im privaten oder beruflichen Um- völkerung. Dabei sollte es auch keinen Unterschied feld erworbenen Fälle (70 %) wurden von einer machen, ob schon Untersuchungsergebnisse vor nicht untersuchungspflichtigen TWI versorgt. Auch dem Auftreten des Falles vorlagen und unauffällig in der LeTriWa-Studie zeigte sich, dass ein beträcht- waren. Im Berliner LeTriWa-Projekt konnte gezeigt licher Anteil der im privat/beruflichen Umfeld er- werden, dass das Auftreten von Erkrankungsfällen worbenen Fälle von einer TWI versorgt wurde, die nicht mit in Haushaltsproben gemessenen Legio- nicht untersuchungspflichtig war (Ergebnisse der nellen-Konzentrationen assoziiert war bzw. kein Autorinnen und Autoren; noch nicht veröffentlicht). quantitativer Zusammenhang zwischen der Legio- So könnte erwogen werden, den Blick in Zukunft nellen-Konzentration und einem möglichen Infek- auch auf TWI zu erweitern, die bisher nicht unter- tionsrisiko abgeleitet werden konnte.4 Wichtiger war suchungspflichtig sind. in diesem Zusammenhang nicht so sehr die Höhe der Kontamination, sondern vielmehr die Anwesen- heit von MAb 3/1 positiven Legionellen, die die TWI
Epidemiologisches Bulletin 42 | 2021 21. Oktober 2021 16 Literatur und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim 1 Fields BS, Benson RF, Besser RE. Legionella and Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG). Verfüg- Legionnaires’ disease: 25 years of investigation. bar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/ Clinical microbiology reviews. 2002;15(3):506-26. IfSG/Falldefinition/Downloads/Falldefinitionen_ des_RKI_2019.pdf?__blob=publicationFile. 2019. 2 Lück PC, Steinert M. Pathogenese, Diagnostik und Therapie der Legionella-Infektion. [Pathogenesis, 10 von Baum H, Ewig S, Marre R, Suttorp N, diagnosis and therapy of Legionella infections]. Gonschior S, Welte T, et al. Community-Acquired Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Legionella Pneumonia: New Insights from the Gesundheitsschutz. 2006;49(5):439-49. German Competence Network for Community Acquired Pneumonia. Clinical Infectious Diseases. 3 Phin N, Parry-Ford F, Harrison T, Stagg HR, Zhang 2008;46(9):1356-64. N, Kumar K, et al. Epidemiology and clinical management of Legionnaires’ disease. The Lancet 11 Von Baum H LC. Ambulant erworbene Legionellen- Infectious diseases. 2014;14(10):1011-21. pneumonie. Aktuelle Daten aus dem CAPNETZ. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, 4 Buchholz U, Jahn HJ, Brodhun B, Lehfeld AS, Gesundheitsschutz. 2011;54(6):688-92.6. Lewandowsky MM, Reber F, et al. Source attribu tion of community-acquired cases of Legionnaires’ 12 ECDC. European Centre for Disease Prevention and disease-results from the German LeTriWa study; Control (ECDC) Surveillance report Legionnaires’ Berlin, 2016-2019. PLoS One. 2020;15(11):e0241724. disease Annual Epidemiological Report for 2019 (2021). Verfügbar unter: https://www.ecdc.europa. 5 Walser SM, Gerstner DG, Brenner B, Holler C, eu/sites/default/files/documents/AER-legionnai- Liebl B, Herr CE. Assessing the environmental res-2019.pdf Zugegriffen am 23.9.2021. health relevance of cooling towers – a systematic review of legionellosis outbreaks. International 13 ECDC. ECDC Surveillance Atlas. Verfügbar unter journal of hygiene and environmental health. https://atlas.ecdc.europa.eu/public/index.aspx. 2014;217(2-3):145-54. Zugegriffen am 30.08.2021. 6 von Baum H, Harter G, Essig A, Luck C, Gonser T, 14 Statista. Anzahl der zu Hause sowie in Heimen Embacher A, et al. Preliminary report: outbreak of versorgten Pflegebedürftigen in Deutschland in den Legionnaires disease in the cities of Ulm and Jahren 1999 bis 2019. Verfügbar unter https://de. Neu-Ulm in Germany, December 2009 – January statista.com/statistik/daten/studie/36438/umfra- 2010. Euro surveillance : bulletin Europeen sur les ge/anzahl-der-zu-hause-sowie-in-heimen-versorg- maladies transmissibles = European communicable ten-pflegebeduerftigen-seit-1999/. Zugegriffen am disease bulletin. 2010;15(4):19472. 31.08.2021. 7 Freudenmann M, Kurz S, von Baum H, Reick D, 15 Buchholz U, Altmann D, Brodhun B. Differential Schreff AM, Essig A, et al. [Interdisciplinary Seasonality of Legionnaires’ Disease by Exposure management of a large Legionella outbreak in Category. Int J Environ Res Public Health. Germany]. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheits- 2020;17(9). forschung, Gesundheitsschutz. 2011;54(11):1161-9. 16 Ricketts KD, Charlett A, Gelb D, Lane C, Lee JV, 8 Maisa A, Brockmann A, Renken F, Lück C, Pleischl Joseph CA. Weather patterns and Legionnaires’ S, Exner M, et al. Epidemiological investigation and disease: a meteorological study. Epidemiology and case-control study: a Legionnaires’ disease out infection. 2009;137(7):1003-12. break associated with cooling towers in Warstein, 17 Karagiannis I, Brandsema P, M VDS. Warm, wet Germany, August-September 2013. Euro surveillance: weather associated with increased Legionnaires’ bulletin Europeen sur les maladies transmissibles = disease incidence in The Netherlands. European communicable disease bulletin. Epidemiology and infection. 2009;137(2):181-7. 2015;20(46). 18 Brodhun B Buchholz U. Entwicklung der Fallzahlen 9 RKI. Falldefinitionen des Robert Koch-Instituts zur von Legionärskrankheit vor dem Hintergrund der Übermittlung von Erkrankungs- oder Todesfällen COVID-19-Pandemie, Januar bis Juli 2020. Epid und Nachweisen von Krankheitserregern Ausgabe Bull. 2020;44. 2019 gemäß § 11 Abs. 2 des Gesetzes zur Verhütung
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