Erdgeschichte erleben - Blaues Wunder Xylolarimar - Geologie der Azoren
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Ausgabe Januar|Februar 39. Jahrgang · 20497 · € 12,95 1| 2022 Erdgeschichte erleben www.fossilien-journal.de Blaues Wunder Xylolarimar Geologie der Großforaminiferen Adneter Jura- Azoren als Kalkproduzenten „Marmor“
4 Geologische Streifzüge auf den Azoren T Matthias Geyer Geologische Streifzüge auf den Azoren: Einführung und Santa Maria 4 L Helmut Keupp Großforaminiferen: Einzellige Weltmeister der Kalkproduktion 18 A Günter Schweigert Das Urweltmuseum Bodman 26 H Gero Moosleitner Eine einzigartige Dasycladacee aus dem Barmsteinkalk des Postalmgebiets N (Salzburg) 30 I 18 Großforaminiferen 26 Das Urweltmuseum Bodman
30 Alge im Barmsteinkalk 33 Der Adneter Jura-„Marmor“ Rüdiger Henrich Der Adneter Jura-„Marmor“ 33 Peter C. Huber Xylolarimar – ein blaues Wunder aus der Dominikanischen Republik 49 Wissenswertes 61 Rezensionen 62 Impressum 65 FOSSILIEN-Artikel sind einzeln als PDF- Download auf fossilien-journal.de erhältlich – jetzt auch zahlbar mit Titelbild Hintergrund: Larimarholz (Detailaufnahme). Vordergrund: Schrumpfungsprozess in versteinertem Holz (Blue Forest). Sammlung: Peter C. Huber, Wien. FOSSILIEN Erdgeschichte erleben 39. Jahrgang, Heft 1, Januar/Februar 2022 ISSN 0175-5021
Günter Schweigert Das Urweltmuseum Bodman Die Bodensee-Region hat eine neue Attraktion zu bieten: das Urweltmuseum Bodman, eine Dependance des bekannten Urweltmuseums Hauff in Holzmaden. In einem historischen Gebäude, dem „Torkel“ (1), fanden fossile Schätze vom Fuß der Schwäbischen Alb eine neue Heimat. 1 D ie allermeisten Museen, dies gilt sowohl für öffent- liche als auch für private jeder 1: Der „Torkel“ in Ludwigshafen-Bodman beherbergt jetzt das Art, haben das Manko, dass sie Urweltmuseum Bodman. nur einen kleinen Bruchteil ihrer Bestände der Öffentlichkeit präsen- tieren können. Der Rest schlummert Blüte standen, aber die fachkundige Präparation ist in den Archiven und wird höchstens eben äußerst arbeitszeit- und damit kostenintensiv. zu Sonderausstellungen für kurze Zeit Neu entwickelte Techniken, wie die Sandstrahltech- ans Licht geholt und dann gleich wieder eingelagert. nik, führten allerdings dazu, dass jetzt vieles schnel- Aber was macht man, wenn kaum geeignete Flä- ler und trotzdem zugleich auch gründlicher vonstat- chen für Sonderausstellungen zur Verfügung stehen? ten geht. Deswegen wird heute so mancher grob mit Dann kann man bestenfalls versuchen, das eine oder Meißeln und Sticheln geschundene Fischsaurier mit andere Objekt bei besonderen Anlässen vorzustel- der neuen Technik fachgerecht überarbeitet oder von len. Dies alles ist zwar verständlich, aber irgendwie der noch im Originalgestein befindlichen Rückseite dennoch nicht befriedigend. Auch im privat geführ- her freigelegt. So sind die in jüngster Zeit präparier- ten Urweltmuseum Hauff in Holzmaden, neben dem ten Stücke aus wissenschaftlicher Sicht viel wertvol- Stuttgarter Naturkundemuseum, dem Paläontologi- ler als die „alten“ Objekte und lassen oft zusätzliche schen Museum der Universität Tübingen und dem anatomische oder taphonomische Details erkennen. Werkforum der Firma HOLCIM in Dotternhausen bei Was den Wissenschaftler jubeln lässt, bringt einen Balingen die erste Adresse in Sachen Fossilien aus privaten Museumsbetreiber jedoch in Nöte. Ein als dem unterjurassischen Posidonienschiefer, haben Kulturgut eingestuftes Objekt lässt sich nicht mehr sich im Laufe von Jahrzehnten bedeutende Funde so einfach verkaufen, vorausgesetzt, man fände angehäuft. Die Rohstücke wurden zumeist schon vor einen finanzkräftigen Interessenten. Lohnt es sich langer Zeit gefunden, als viele Schieferbrüche noch in dann überhaupt noch, in die Präparation der Fossi- 26 · Fossilien · 1 · 2022
lien zu investieren? Rolf Bernhard Hauff treibt diese Frage schon länger um. Die Lösung des Problems ist so genial wie einfach: die Stücke müssen gezeigt wer- den! Und sie müssen eben dorthin gebracht werden, wo möglichst viele Menschen davon begeistert wer- den können. Hier bietet sich die Region des Boden- sees geradezu an. Glückliche Umstände wollten es, dass zufällig auch noch ein geeignetes Gebäude zur Verfügung stand, für das schon länger eine sinnvolle 3: Die Ausstellung im Obergeschoss des Torkels. und nachhaltige Nutzung gesucht wurde: der histori- sche „Torkel“ in Bodman, einem Teilort der Gemeinde Ludwigshafen-Bodman am Untersee. Der Torkel Das stattliche und markante Fachwerkgebäude aus dem Jahr 1772 diente einst der Herstellung von Wein und der Lagerung von Getreide und befindet sich seit seiner Errichtung im Besitz der Grafen von Bodman. Unter einem „Torkel“ versteht man in der dortigen Gegend eine Weinpresse oder Kelter. Frü- her gab es in vielen Weinbaugemeinden entlang des Bodensees, solche historischen Weinpressen, aber nur wenige sind erhalten geblieben, etwa in Nonnenhorn. Der Torkel von Bodman sticht durch die Größe des Gebäudes und Besonderheiten in dessen Architektur hervor. Der stattliche „Torkel- baum“ selbst, vermutlich sogar noch älter als das Gebäude, dessen Hebelwirkung für den Pressvor- gang der Weintrauben ausgenutzt wurde, ist im Erd- geschoss des Gebäudes erhalten geblieben (2). Die ihrem Dornröschenschlaf entrissenen Fossilien fan- den nach entsprechendem Umbau des denkmalge- 2: Der mächtige „Torkelbaum“ der historischen Weinpresse. schützten und eigentlich schon seiner selbst Willen Fossilien · 1 · 2022 · 27
besuchenswerten Gebäudes für die neue Nutzung ein dauerhaftes Zuhause (3). Fossilienauswahl Auch wer das Urweltmuseum Hauff in Holzmaden schon besucht hat, wird mit Sicherheit von den hier in einem so ganz anderen Ambiente gezeigten Fossi- lien überrascht sein. Mit Ausnahme einiger weniger Abgüsse von Einzelobjekten aus Museen in Berlin, Stuttgart und Uppsala sind alles Originale aus dem Posidonienschiefer – und viele davon sind so einzig- artig und unverwechselbar, dass sie sich dem inte- 4: Die Seelilien der Art Seirocrinus subangularis mit ihrer filigranen ressierten Besucher sogleich einprägen. Die muse- Armkrone sind ein Markenzeichen des Posidonienschiefers. alen Charakterfossilien des Posidonienschiefers, darunter die an Treibholz angehefteten Seelilien (4), ein trächtiges Ichthyosaurier-Weibchen, gepanzerte Meereskrokodile, altertümliche Schmelz- schuppenfische (6), Tintenfische und Ammo- niten dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Während im Holzmadener Museum auch noch diverse andere Jura-Fossilien gezeigt werden, die zumeist beim Bau der Auto- bahntrasse hinauf auf die Schwäbische Alb gefunden wurden, fokussiert die neue Fossi- lienausstellung in Bodman – von zwei Groß- ammoniten abgesehen – ausschließlich auf solchen des Posidonienschiefers in der wei- teren Umgebung von Holzmaden. Unwillkürlich habe ich mich schon vor dem Besuch gefragt, ob es dort eventuell so etwas wie eine „Mona Lisa“ oder, um bei Fos- silien zu bleiben, eine Art „Archaeopteryx“ gibt, ein Objekt, das aus irgendeinem Grund 5: Das Meereskrokodil Steneosaurus bollensis („Big Sten“) ist ein aus den übrigen heraussticht und das man unbedingt Glanzstück der Ausstellung. gesehen haben muss. Das Museumslogo ist indes exakt dasselbe wie dasjenige des Urweltmuseums in Holzmaden: das markante Meereskrokodil der Art Steneosaurus bollensis, dessen Original sich aber kuri- 6: Ein bis auf den ergänzten Schwanz perfekt erhaltener oserweise weder hier noch dort befindet, sondern und ebenso präparierter Schmelzschuppen-Fisch Lepidotes im Paläontologischen Museum der Universität elvensis. Tübingen. „Corporate Design“ heißt das heutzu- tage auf Neudeutsch. Aber das Museum in Bod- man hat tatsächlich eine völlig artgleiche „Mona Lisa“ zu bieten. Mein persönlicher Favorit ist das Krokodil „Big Sten“ mit seiner beeindruckenden Gesamtlänge von 4,38 Metern (5). Gegenüber dem beeindruckenden Torkelbaum angebracht, wirkt er allerdings gar nicht mehr so riesig. Ganz am Rande bemerkt: Wer denkt, dass der Posidonienschiefer des Albvorlands und die Bodenseeregion rein gar nichts miteinan- der zu tun hätten, der irrt. Tief im Untergrund –
7: Moderne Medien kommen zum Einsatz und beleben die 8: Das Ausgrabungsfeld zieht Kinder magisch an. Alle Fotos: G. Schweigert. „stummen“ Fossilien. etwa 2 Kilometer unter der heutigen Erdoberfläche – getragen, wo zwar keine Fischsaurier, aber dafür ein reichte das Posidonienschiefermeer nämlich auch bis Plateosaurier-Skelett ausgebuddelt werden kann (8). in diese Gegend. Und der hohe Druck der auflasten- Am westlichen Bodensee ist nun neben den den Gesteinssäule sorgte dafür, dass das im Gestein UNESCO-Welterbestätten der jungsteinzeitlichen enthaltene organische Material (Kerogen) teilweise Pfahlbauten mit dem Urweltmuseum Bodman eine als Erdöl wieder mobilisiert wurde, aufstieg und in neue touristische Attraktion aus der Taufe gehoben poröse Speichergesteine eindrang. In der Gegend um worden. Ein kleines Manko, das aber im Hinblick auf Markdorf sah man früher noch etliche Förderpum- unsere hehren Klimaziele nicht ins Gewicht fallen pen. Richtig gelohnt hat sich die Gewinnung hier im dürfte, ist das Fehlen von PKW-Parkplätzen direkt südwestdeutschen Teil des nordalpinen Molassebe- am Museum. Sämtliche öffentlichen Parkplätze im ckens freilich kaum, dazu sind die Vorkommen im Ort, z. B. bei der Touristeninformation aber auch am überregionalen Vergleich viel zu unbedeutend. Als ziemlich weit entfernten Ortseingang, sind gebüh- erfreuliches Nebenprodukt bei der Ölsuche stieß man renpflichtig. Alternativ lässt sich der Museumsbesuch freilich öfters auf Thermalwasser, so beispielsweise in aber auch sehr gut mit einer Radtour entlang des Bad Saulgau. Bodensees oder einer Tour mit einem Bodenseeschiff verbinden. Und wenn man in der dortigen Bodensee- Digitales, Mediales und zum Anfassen region seinen Urlaub verbringt, kann auch der öffent- liche Busverkehr sinnvoll genutzt werden. Für Besucher mit weniger Fantasie, denen die Ver- steinerungen aus dem Jurameer trotz ihrer fantas- Öffnungszeiten & Kontakt: tischen Erhaltung lediglich stumme Zeugen einer Urweltmuseum Bodman, Am Torkel 4, längst vergangenen Erdepoche zu bleiben drohen, 78351 Bodman-Ludwigshafen bieten nach neuesten wissenschaftlichen Erkennt- 1. April – 31. Oktober: Donnerstag bis Sonntag, nissen gestaltete dreidimensionale Modelle und jeweils 10 bis 18 Uhr. zahlreiche moderne, benutzerfreundliche digitale Tel. +49(0)7773/9599830, E-Mail: hauff@urwelt- Medien die notwendige Unterstützung und Zusatz- museum-bodman.de informationen (7). Im Eingangsbereich des „Torkel- Eintrittspreise und zahlreiche weitere Ausflugstipps saals“ wird außerdem zur Einstimmung mittels einer in der Region: www.urweltmuseum-bodman.de interaktiven Computeranimation die regionale Erd- geschichte thematisiert, die Entwicklung des Boden- Dr. Günter Schweigert, Jahrgang 1964, ist am Staatlichen Museum für Naturkunde Stutt- sees von der Würmeiszeit bis in die nähere Zukunft, gart für die Sammlungen der Invertebraten aus realisiert mit tatkräftiger Unterstützung von Prof. Jura und Kreide sowie der Mikropaläontologie Michael Bauer von der Hochschule Aalen. zuständig. Seit 2009 ist er einer der beiden Her- ausgeber der Zeitschrift FOSSILIEN. Dem Tatendrang von Kindern wird mit einem mit Feinkies gefüllten „Ausgrabungsfeld“ Rechnung Fossilien · 1 · 2022 · 29
Sie können auch lesen