ERFOLGREICH LESEFÖRDERUNG IM GANZTAG GESTALTEN - Ergebnisse und Beobachtungen aus dem Projekt "LeseOasen - Leseförderung im Ganztag" - Save the ...

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ERFOLGREICH LESEFÖRDERUNG IM GANZTAG GESTALTEN - Ergebnisse und Beobachtungen aus dem Projekt "LeseOasen - Leseförderung im Ganztag" - Save the ...
ERFOLGREICH LESEFÖRDERUNG
   IM GANZTAG GESTALTEN
    Ergebnisse und Beobachtungen aus dem Projekt
    „LeseOasen – Leseförderung im Ganztag“
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ERFOLGREICH LESEFÖRDERUNG IM GANZTAG GESTALTEN - Ergebnisse und Beobachtungen aus dem Projekt "LeseOasen - Leseförderung im Ganztag" - Save the ...
ERFOLGREICH LESEFÖRDERUNG IM GANZTAG GESTALTEN - Ergebnisse und Beobachtungen aus dem Projekt "LeseOasen - Leseförderung im Ganztag" - Save the ...
ERFOLGREICH
      LESEFÖRDERUNG IM
      GANZTAG GESTALTEN
       ERGEBNISSE UND BEOBACHTUNGEN AUS DEM PROJEKT
       „LESEOASEN – LESEFÖRDERUNG IM GANZTAG“

    IMPRESSUM
    Berlin, September 2021

    Save the Children Deutschland e. V.
    Seesener Straße 10–13
    10709 Berlin

    Telefon: 030 – 27 59 59 79 0
    E-Mail: info@savethechildren.de                                    Titelfoto: Kinder der OGS Funckepark in Hagen mit der mobilen
    www.savethechildren.de                                             LeseOase im Garten der Schule.
    www.leseOasen.de                                                   © Caroline Seidel
    V.   i.  s.  d.  P.: Susanna Krüger
                                                                       Layout:   HEILMEYERUNDSERNAU■GESTALTUNG

    Das Projekt „LeseOasen – Leseförderung im Ganztag“ wurde           Korrektorat: Edda Vorrath-Wiesenthal
    gefördert von der Postbank. Die Projektinhalte wurden in           Fotos: Caroline Seidel: Seiten 5, 6, 7, 10, 11, 17, 21, 29, 30, 31, 32, 33 (unten)
    Zusammenarbeit mit der Goethe-Universität Frankfurt am Main        Christoph Schieder: Seiten 9, 22, 26, 27, 28, 33 (oben), 34
    erarbeitet. Das Projekt wurde durch die InterVal GmbH evaluiert.   Illustrationen: Wyn Tiedmers

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ERFOLGREICH LESEFÖRDERUNG IM GANZTAG GESTALTEN - Ergebnisse und Beobachtungen aus dem Projekt "LeseOasen - Leseförderung im Ganztag" - Save the ...
INHALT
Susanna Krüger
Vorwort von Save the Children                                             03

Tim Alexander
Vorwort der Postbank                                                      04

Johannes Freund, Jessica Scharf
Räume zum Lesen – Räume für Kinderrechte                                  05
Vorstellung des Projekts, seiner Ziele und zentralen Inhalte

Nikola Ornig, Anne Valtin, Isabelle Suchowitz, Anna Alles
„Hier können wir schön lesen und es uns gemütlich machen.“                11
Evaluation des Projekts im Projektjahr 2019/20

Nikola Ornig, Carina Kraft, Isabelle Suchowitz
„Der Vergnügungsfaktor der Bücher stand im Vordergrund.“                  17
Evaluation des Projekts im Projektjahr 2020/21

Moritz Jörgens, Julia Sander, Sybille Werner
Kinder mit Bildungsbenachteiligung stärken – ihre Lesekompetenz fördern   22
Lese- und literaturdidaktische Grundlagen des Projekts

Tanja Kasischke
Der Raum macht die Geschichte                                             27
Eine Reportage aus dem Projekt „LeseOasen – Leseförderung im Ganztag“

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VORWORT VON SAVE THE CHILDREN

    Liebe Leser*innen,
    „Die Menschheit schuldet den Kindern das Beste, was        waren so für unsere Projektschulen, für die pädagogi-
    sie zu geben hat.“ Das war die feste Überzeugung von       schen Fachkräfte vor Ort und somit letztendlich für
    Eglantyne Jebb, der Gründerin von Save the Children,       die Kinder auch in diesen schwierigen Zeiten da.
    im Jahr 1919. Betroffen vom großen Leid des Ersten
    Weltkriegs rief sie eine Kinderrechtsorganisation ins      Dabei waren wieder einmal die vulnerabelsten Kinder
    Leben. Die ersten Hilfsempfänger waren hungernde           die Leidtragenden der Corona-Krise. Vielerorts bra-
    Kinder in Deutschland und Österreich.                      chen Unterstützungsangebote außerhalb der Familien
                                                               weg. Die Pandemie hat Spuren bei Kindern und Ju-
    Heute ist Save the Children die größte unabhängige         gendlichen hinterlassen. Dank Projekten wie diesem
    Kinderrechtsorganisation der Welt. Wir sind in rund        ist es uns gelungen, ihnen in diesen Zeiten ein kleines
    120 Ländern weltweit aktiv, seit 2013 auch wieder ver-     Stück Stabilität zu bieten.
    stärkt mit eigenen Projekten in Deutschland. Wir ma-
    chen uns für die Rechte geflüchteter Kinder in             Ich möchte Sie ganz herzlich einladen, von den Er-
    Deutschland stark. Wir setzen uns dafür ein, dass Kin-     kenntnissen und Beobachtungen aus unserem Projekt
    der, die Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung erfahren,       „LeseOasen – Leseförderung im Ganztag“ zu profi-
    besser geschützt sind. Und wir setzen uns für gerech-      tieren. Werden Sie zu Mitstreiter*innen für gerechtere
    tere Bildungschancen für bildungsbenachteiligte Kin-       Bildungschancen und für die Umsetzung der Kinder-
    der in Deutschland ein. Denn noch immer hängt der          rechte im eigenen Land.
    spätere Bildungserfolg davon ab, in welche Familie und
    in welches soziale Umfeld ein Kind hineingeboren           Ihre
    wird.

    Von Anfang an hatten wir mit der Postbank einen
    starken Partner für die Arbeit in Deutschland an un-
    serer Seite. Im Mittelpunkt der verlässlichen und lang-    Susanna Krüger
    jährigen Zusammenarbeit stehen dabei stets die Kin-        Vorstandsvorsitzende
    der und ihre Bedürfnisse. Dies zeigte sich nicht zuletzt   von Save the Children Deutschland
    im März 2020, als überall in Deutschland in der Coro-
    na-Pandemie die Schulen schließen mussten. Dank
    unkomplizierter Unterstützung der Postbank konnten
    wir die Arbeit im Projekt LeseOasen fortsetzen und

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ERFOLGREICH LESEFÖRDERUNG IM GANZTAG GESTALTEN - Ergebnisse und Beobachtungen aus dem Projekt "LeseOasen - Leseförderung im Ganztag" - Save the ...
VORWORT DER POSTBANK
VORWORT DER POSTBANK
   VORWORT       DER POSTBANK
   Liebe Lese�innen,
Liebe    Lese�innen,
  Unternehmen sollten Verantwortung für das Wohl der                          Deswegen stellen wir neben unserer finanziellen Un­
   Gesellschaft übernehmen, in der sie agieren. Die Post­                     terstützung auch unsere Infrastruktur zur Verfügung.
Unternehmen sollten Verantwortung für das Wohl der                          Deswegen stellen wir neben unserer finanziellen Un­
   Liebe Freundinnen und
   bank tut dies unter dem Motto „Wir für Kinder", in­
Gesellschaft übernehmen, in der sie agieren. Die Post­
                                                                              Kundinnen
                                                                              Deswegen und        Kunden
                                                                                            stellen           können
                                                                                                       wir neben       sich in finanziellen
                                                                                                                     unserer
                                                                            terstützung auch unsere Infrastruktur zur Verfügung.
                                                                                                                                unseren Filialen Un-
   dem wir Kinder und Jugendliche in Deutschland und                          über   das  Projekt    informieren     und  vor  Ort    für  das   Pro­
   Freunde der LeseOasen,
bank tut dies unter dem Motto „Wir für Kinder", in­
   weltweit unterstützen. Bereits seit 2013 fördern Save
                                                                              terstützung auch unsere Infrastruktur zur Verfügung.
                                                                            Kundinnen
                                                                              jekt
                                                                                          undWir
                                                                                    spenden.
                                                                              Kundinnen
                                                                                                Kunden
                                                                                            und Kunden
                                                                                                            können
                                                                                                      gebenkönnen
                                                                                                                      sich in unseren
                                                                                                               auch unseren
                                                                                                                                            Filialen
                                                                                                                                  Mitarbeiter'in­
                                                                                                                       sich in unseren      Filialen
demthe wir  Kinderund
        Children       unddieJugendliche    in Deutschland
                               Postbank gemeinsam                 undBil­   über   das  Projekt    informieren      und  vor  Ortindem
                                                                                                                                     für das    Pro­
   Unternehmen         sollten Verantwortung       für dasgleiche
                                                            Wohl der          nen   die  Möglichkeit,     vor  Ort   zu  helfen,
                                                                              über das Projekt informieren und vor Ort für das Pro-         sie  sich
weltweit    unterstützen.
   dungschancen                Bereits seit
                        an deutschen          2013 fördern Save
                                         Kindergärten                       jekt  spenden.    Wir   geben     auch   unseren    Mitarbeiter'in­
   Gesellschaft übernehmen,          in der  sie agieren.und Die Schu­
                                                                   Post-      an  den   teilnehmenden        Schulen   als  sogenannte
                                                                              jekt spenden. Wir geben auch unseren Mitarbeiter*in-           ,Schul­
thelen.
     Children
         So      und
             konnten    die
                          wirPostbank
                                mit      gemeinsam
                                     unterschiedlichen  gleiche    Bil­
                                                            Projekten       nen   die Möglichkeit,      vor Ort zu helfen, indem sie sich
   bank tut dies unter dem Motto „Wir für Kinder“, in-                        botschafter'    zu engagieren.
                                                                              nen die Möglichkeit,        vor Ort zu helfen, indem sie sich
dungschancen
   mehr             an deutschen
           als 30.000                  Kindergärten      und Schu­          an den teilnehmenden Schulen als sogenannte ,Schul­
   dem wir     Kinder Kinder      in Deutschland
                          und Jugendliche             erreichen.
                                               in Deutschland        und      an den teilnehmenden Schulen als sogenannte „Schul-
len. So konnten wir mit unterschiedlichen Projekten                         botschafter'    zu engagieren.
   weltweit unterstützen. Bereits seit 2013 fördern Save                      Die Corona
                                                                              botschafter*innen“  Pandemie        hat uns alle vor große
                                                                                                        engagieren.
mehr   als 30.000
   Durch              Kinder in Deutschland
             die Unterstützung         desgemeinsam erreichen.
                                             Projekts    „LeseOasen"          Heraus­forderungen gestellt, auch in der Umsetzung
   the  Children     und die Postbank                      gleiche Bil-
   möchten      wir     die  Chancengleichheit        für   Kinder     in   Die
                                                                              des  Corona
                                                                                    Pro-jekts. Pandemie
                                                                              Die Corona-PandemieSie hat jedoch hat uns
                                                                                                              hat unsauch
                                                                                                                              alle
                                                                                                                         alle gezeigt,
                                                                                                                                      vor dass
                                                                                                                               vor große
                                                                                                                                             große
                                                                                                                                                Her-es
   dungschancen an deutschen Kindergärten und                     Schu-
Durch     die Unterstützung
   Deutschland       verbessern.    des   Projekts
                                     Besonders         „LeseOasen"
                                                   spannend      finden     Heraus­forderungen
                                                                              wichtiger                  gestellt,
                                                                                              ist gestellt,
                                                                                                      denn auch     auch   in
                                                                                                                  je, in Kinderder    Umsetzung
                                                                                                                                        in      ihrer
   len. So konnten wir mit unterschiedlichen Projekten                        ausforderungen                              der Umsetzung          des
möchten      wir die      Chancengleichheit         für von
                                                         Kinder      in     des   Pro-jekts.    Siezu hatstärken,
                                                                                                            jedoch    auchdiese
                                                                                                                              gezeigt,
   wir
   mehrden als Mix
               30.000beiKinder
                           der Projektgestaltung
                                  in Deutschland erreichen.   „LeseOa-        Lesekompetenz
                                                                              Projekts.   Sie hat    jedoch    auchdenn
                                                                                                                      gezeigt,           esdass
                                                                                                                                    bestimmt
                                                                                                                                 dass              es
                                                                                                                                                  die
                                                                                                                                             wichti-
Deutschland       verbessern.     Besonders      spannend
   sen": Es begeistert uns, wie einzigartig und unter-        finden        wichtiger
                                                                              Chancen       ist je,dem
                                                                                            auf     denn        je, ihrer
                                                                                                             weiteren   Kinder
                                                                                                                          Lebensweg.   in Bücher
                                                                                                                                               ihrer
                                                                              ger ist denn            Kinder    in         Lesekompetenz           zu
wirschiedlich
      den Mix beilesefreundlichen
                        der Projektgestaltung         von „LeseOa-          Lesekompetenz         zu   stärken,    denn   diese    bestimmt       die-
   Durch diedieUnterstützung            desRäumlichkeiten      sind, die
                                              Projekts LeseOasen              ermöglichen
                                                                              stärken, dennKindern         einen neuen
                                                                                                 diese bestimmt        die Blick
                                                                                                                            Chancenauf dieaufWelt
                                                                                                                                                dem
sen":  Es
   gemeinsambegeistert
                   mitdie   uns,  wie   einzigartig
                         den Chancengleichheit
                              Kindern gestaltet wurden. und    unter-
                                                                Zudem       Chancen
                                                                              und         auf     dem
                                                                                    diesenLebensweg.
                                                                                             sollen        weiteren
                                                                                                      sie in             Lebensweg.
                                                                                                              den Lese-Oasen      finden.   Bücher
   möchten wir                                        für Kinder       in     weiteren                     Bücher    ermöglichen      Kindern      ei-
schiedlich
   sehen     die
            wir   lesefreundlichen
                 die  Wichtigkeit    beiRäumlichkeiten
                                          der  Vermittlung
   Deutschland verbessern. Besonders spannend finden
                                                            sind,
                                                               von  die
                                                                     Le-    ermöglichen      Kindern      einen   neuen   Blick
                                                                              nen neuen Blick auf die Welt – und diesen sollen   auf   die  Welt    -
                                                                                                                                               sie in
gemeinsam
   sekompetenz
   wir den Mix mitbeiden
                      in derKindern
                          der         gestaltet wurden.
                               Ganztagsbetreuung
                              Projektgestaltung      vonauch Zudem
                                                                 außer-
                                                          LeseOasen:        und
                                                                              dendiesen             sie in den Lese-Oasen finden.
                                                                                           sollen finden.
                                                                                   LeseOasen
sehen
   halb wir  die
           des     Wichtigkeit
                 Unterrichts.      bei
                                  Das  der  Vermittlung
                                         Thema              von
                                                    „Leseförderung"Le-        Ihr
   Es begeistert uns, wie einzigartig und unterschiedlich
sekompetenz
   liegt  uns   amin   der  Ganztagsbetreuung
                      Herzen,    weil  ein  gutes      auch   außer-
                                                     Leseverständnis
   die lesefreundlichen Räumlichkeiten sind, die gemein-                      Ihr
halb                                                                        Ihr
   samdesmit Unterrichts.
   wesentlich          für dasDas
               denistKindern          Thema
                                 spätere
                                gestaltet        „Leseförderung"
                                            Berufsleben,
                                            wurden.    Zudemsowie     die
                                                                  sehen
liegt  uns  am     Herzen,
   gesellschaftliche          weil
                         Teilhabe.  ein  gutes    Leseverständnis
   wir die Wichtigkeit bei der Vermittlung von Lesekom-
wesentlich
   petenz inist derfürGanztagsbetreuung
                         das spätere Berufsleben,         sowie die
                                               auch außerhalb        des
gesellschaftliche     Teilhabe.
   Unterrichts. Das Thema „Leseförderung“ liegt uns am                            Alexander
                                                                              Tim Alexander
   Herzen, weil ein gutes Leseverständnis wesentlich ist Chief Marketing
                                                                  MarketingOfficer
                                                                              Officer(CMO) & &
                                                                                       (CMO)
                                                            Chief Experience Officer (CXO)
   für das spätere Berufsleben sowie die gesellschaftliche Tim
                                                            ChiefAlexander
                                                                  Experience
                                                            Postbank           Officer  (CXO)
   Teilhabe.                                                Postbank
                                                           Chief Marketing Officer (CMO) &
                                                                            Chief Experience Officer (CXO)
                                                                            Postbank

                                                                                                                                                         5

                                                                                                                                                         5

                                                                                                                                                         4
ERFOLGREICH LESEFÖRDERUNG IM GANZTAG GESTALTEN - Ergebnisse und Beobachtungen aus dem Projekt "LeseOasen - Leseförderung im Ganztag" - Save the ...
JOHANNES FREUND, JESSICA SCHARF

    RÄUME ZUM LESEN –
    RÄUME FÜR KINDERRECHTE
    VORSTELLUNG DES PROJEKTS, SEINER ZIELE UND ZENTRALEN INHALTE

    Lesetipis und Bücherkisten können auch im Schulgarten aufgebaut werden.

    Ziele und Referenzrahmen                                             Frühkindliche Lesesozialisation findet zuallererst in

    des Projekts                                                         der Familie statt, aber auch die Kindertagesbetreu-
                                                                         ung kann eine wichtige Rolle spielen. Mit Eintritt in
    Bereits im Titel „Leseförderung im Ganztag“ sind die                 die Grundschule liegt der Fokus auf Unterricht, und
    zwei zentralen Eckpfeiler formuliert, auf denen das Pro-             Lesekompetenz wird als Ziel und Mittel schulischer,
    jekt ruht. Ziel ist die Förderung der Lesekompetenz von              curricularer Bildung gesehen. Ganztag als ein Ort, an
    Kindern, die schwierige Ausgangsvoraussetzungen im                   dem immer mehr Kinder zunehmend Zeit verbringen,
    Zugang zur Schriftsprache haben. Dabei ist Lesekompe-                wird nicht zwangsläufig mit Leseförderung assoziiert.
    tenz ganzheitlich gedacht und weit gefasst. Neben der                Dabei liegen hier viele ungenutzte Potenziale brach.
    technischen Lesefähigkeit auf Prozessebene werden                    Prinzipiell haben sich die Hoffnungen kaum erfüllt,
    auch die soziale sowie die individuelle Ebene adressiert.            dass der Ganztag in all seinen vielfältigen Formen
    Das Projekt will Kinder nicht nur dabei unterstützen,                gerechtere Bildungschancen befördern würde. Hier
    geschriebene Texte sinnentnehmend zu lesen, sondern                  setzt das Projekt an, indem es zur Ausgestaltung von
    sie auch für sich ganz persönlich mit Sinn zu füllen und             Räumen und Anlässen für ganztägige Bildung
    ihnen einen Platz in ihrem Leben einzuräumen.                        animiert.

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ERFOLGREICH LESEFÖRDERUNG IM GANZTAG GESTALTEN - Ergebnisse und Beobachtungen aus dem Projekt "LeseOasen - Leseförderung im Ganztag" - Save the ...
Zu den beiden Eckpfeilern Leseförderung und Ganz-                      Zentrale Bausteine und
tag gesellen sich als dritter Begriff die Kinderrechte,
die auf Initiative der Gründerin von Save the Children,
                                                                       Maßnahmen des Projekts
Eglantyne Jebb, in der Genfer Erklärung von 1924                       Das Projekt „LeseOasen – Leseförderung im Ganz-
aufgeschrieben und schließlich 1989 in der Kinder-                     tag“ unterstützt Einrichtungen der Ganztagsbetreu-
rechtskonvention der Vereinten Nationen in 54 Arti-                    ung in freier wie kommunaler Trägerschaft, in gebun-
keln verabschiedet wurden.                                             dener wie in offener Form dabei, Kindern ein
                                                                       außerunterrichtliches Bildungsangebot zur Förderung
„Lesen ist der Schlüssel zur Welt“, lautet eine häufig                 der Lesekompetenz zu bieten. Dabei werden folgende
zitierte Binsenweisheit. Dass Lesen die Grundlage für                  Projektbausteine umgesetzt:
schulischen Bildungserfolg ist und somit für die Um-
setzung der Bildungsrechte, wie sie in Artikel 28 und
29 der Konvention formuliert sind, liegt auf der Hand.                 LESEFREUNDLICHE RÄUME:
Darüber hinaus ist die Fähigkeit zu lesen Grundlage                    DIE LESEOASEN
für gesellschaftliche Teilhabe und nicht nur Ziel, son-
dern auch Mittel der Verwirklichung der Kinderrechte.
Dies wird beispielsweise in der Berücksichtigung des
Kindeswillens (Artikel 12), der Meinungs- und Infor-
mationsfreiheit (Artikel 13), dem Zugang zu Medien
(Artikel 17) oder der Beteiligung an Freizeit, kulturel-
lem und künstlerischem Leben (Artikel 31) deutlich.

Neben den Bildungsrechten bilden auch Schutz- und
Beteiligungsrechte den Referenzrahmen für das Pro-
jekt. 1 Lesen braucht sichere Orte, an denen Kinder
geschützt und ohne Angst vor Misserfolgen Zugänge
zu Büchern ausprobieren. Dies gilt umso mehr, wenn                     Gemütliche bunte Sitzkissen und eine einladende Atmosphäre
sie bisher wenig positive Erfahrungen mit Büchern
gemacht haben. Und Lesen braucht Partizipation.                        Zu Beginn des Projekts entstehen lesefreundliche
Kinder dürfen in der Leseförderung nicht bloß als                      Räume – die LeseOasen – als Orte zur außerunter-
Empfänger*innen von Bildung adressiert werden, son-                    richtlichen Leseförderung von Kindern mit unter-
dern von Anfang an als Mitgestaltende. Und zuletzt                     schiedlich stark ausgeprägter Leseaffinität. Als ein
leistet das Projekt einen Beitrag zur Bekanntmachung                   physischer Raum im Ganztagsbereich bietet die Lese-
der Kinderrechte, wozu Artikel 42 der Kinderrechts-                    Oase eine kleine, attraktive Auswahl an Büchern und
konvention die Vertragsstaaten verpflichtet. Dies war                  anderen Medien. Zugleich können Kinder den Raum
ursprünglich nicht im Konzept intendiert, hat sich                     als Rückzugsort zum Ausruhen und zur Geselligkeit
aber organisch in der kreativen Auseinandersetzung                     nutzen. Oftmals fehlen in Ganztagseinrichtungen sol-
mit Kinderbüchern ergeben. Kinderbücher, die bei der                   che Orte des Rückzugs.
Lebenswirklichkeit und den Interessen von Kindern
ansetzen, bieten viele Zugänge zu Kinderrechten. Die                   Die mit dem Raumkonzept verbundene Erwartung ist,
Kinderrechte sind in den Geschichten bereits ange-                     zur Lesesozialisation der Kinder beizutragen, die
legt, man muss nur wissen, wonach man suchen muss.                     Lese­motivation zu fördern. Gerade auch für weniger
                                                                       leseaffine Kinder sollen Bücher nicht länger als Attri-

1  Die Kinderrechte werden in Schutz-, Beteiligungs- und Bildungs- bzw. Förderrechte von Kindern unterschieden, oftmals in Form eines so
    genannten Kinderrechtehauses visualisiert.

                                                                                                                                            6
ERFOLGREICH LESEFÖRDERUNG IM GANZTAG GESTALTEN - Ergebnisse und Beobachtungen aus dem Projekt "LeseOasen - Leseförderung im Ganztag" - Save the ...
Sich wie die Figuren der Geschichte zu verkleiden ist eine beliebte Aktivität wie hier zum „Handbuch für Superhelden“.

    bute der anderen wahrgenommen, sondern auch Teil                        zimmer im Ganztag. Es ist ein freundlicher und einla-
    der eigenen Welt werden. Wenn Lesen positiv konno-                      dender Raum für alle Kinder – auch für jene, die bis-
    tiert wird, erhöht sich die Erwartung, beim Lesen                       her wenig Bezug zu Büchern hatten. Er wird jedoch
    selbstwirksam zu sein, sodass die Bereitschaft zu lesen                 nicht durch Bücher und Regale dominiert. LeseOasen
    unterstützt wird.                                                       sind behagliche Rückzugsorte, die Einzelnen oder
                                                                            Gruppen Aktivitäten ermöglichen, bei denen das Le-
    LeseOasen zeichnen sich durch fünf Merkmale aus,                        sen mal mehr, mal weniger deutlich im Vordergrund
    die gleichermaßen das Ergebnis als auch den Prozess                     steht. Wichtig ist, dass Gemütlichkeit nicht aus der
    zur Gestaltung des Raums beschreiben. Diese wurden                      Erwachsenenperspektive gedacht wird. Was Kinder
    in der ersten Projektphase gemeinsam mit der Goethe-                    als gemütlich empfinden, kann nur durch ihre Partizi-
    Universität Frankfurt am Main entwickelt.                               pation bei der Gestaltung des Raums herausgefunden
                                                                            werden.
    1. Raum der Kinder
    Die LeseOase ist ein Ort, mit dem sich alle Kinder der                  3. Ein Leseraum mit vielfältigem
    Ganztagseinrichtung identifizieren können. Die Gestal-                  Medienangebot
    tung des Raums sowie die Auswahl der Bücher und                         Das Herzstück des Raums ist ein vielfältiges, aber
    anderer Medien orientieren sich an den Interessen und                   nicht ausuferndes Medienangebot. LeseOasen dürfen
    der Lebenswirklichkeit der Kinder. Von zentraler Be-                    nicht mit Schulbibliotheken verwechselt werden. Sie
    deutung ist daher die Partizipation der Kinder bei Ein-                 können aber im engen Zusammenhang stehen und
    richtung, Gestaltung, Nutzung und Weiterentwicklung                     gewissermaßen eine Brücke zu dieser bilden. Bei der
    der Räume, die zu einer Identifikation mit dem Raum                     Anschaffung der Medien werden die Interessen der
    führt und die Bereitschaft der Kinder erhöht, den Raum                  Kinder und ihr Lebensweltbezug berücksichtigt. Gut
    zu nutzen. Partizipation wird als Mitentscheiden, Mit-                  ist, was den Kindern Freude bereitet. Hier ist bei der
    machen und Mitgestalten verstanden.                                     Erstausstattung und bei späteren Neuanschaffungen
                                                                            unbedingt auf Partizipation zu achten. Neben Kinder-
    2. Ein Leseraum – ein Wohlfühlort zum                                   literatur im Print können lesefreundliche Räume auch
    Alleinsein und zur Geselligkeit                                         ein Ort für elektronische Medien wie Tablets, Hörbü-
    Der lesefreundliche Raum ist das gemütliche Wohn-                       cher und audiovisuelle Medien sein.

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ERFOLGREICH LESEFÖRDERUNG IM GANZTAG GESTALTEN - Ergebnisse und Beobachtungen aus dem Projekt "LeseOasen - Leseförderung im Ganztag" - Save the ...
4. Ein Erlebnisraum mit vielen Aktivitäten                           oder die direkte Ansprache durch Bezugspersonen
rund ums Lesen                                                       werden jene Kinder zur Teilnahme motiviert, die sonst
LeseOasen bieten Raum für ein vielfältiges Angebot                   wenig Interesse am Lesen haben. Die Ansprache muss
an Aktivitäten und Veranstaltungen rund ums Lesen,                   stigmatisierungsfrei und positiv erfolgen: Nicht der
aber auch darüber hinaus. Gerade diese Multifunktio-                 Ausgleich von Schwächen steht im Vordergrund,
nalität macht sie interessant und spricht möglichst                  sondern Freude oder Begeisterung sollen geweckt
viele Kinder an. Je intensiver die Schulgemeinschaft                 werden.
den Raum nutzt, desto lebendiger wird er und desto
häufiger wird er besucht. Auch hier schafft Partizipati-             Im Zentrum des Angebots steht die kreative Ausein-
on Identifikation. Die Kinder müssen zu den Entschei-                andersetzung mit dem ersten Band einer Kinder-
dungen, wie der Raum genutzt wird, gehört und ihre                   buchreihe. Die einzelnen Termine setzen sich jeweils
Wünsche ernst genommen und möglichst umgesetzt                       aus drei Elementen zusammen: Vorlesegespräch, Bud-
werden.                                                              dy-Reading sowie lesebezogene Aktivität. Diese wer-
                                                                     den durch ein Begrüßungs- und ein Abschlussritual
5. Ein Raum, der flexibel ist und sich                               umschlossen, die den Terminen einen stabilen, verläss-
weiterentwickelt                                                     lichen Rahmen geben und den Gruppenzusammenhalt
Lesefreundliche Räume halten nicht starr an einem                    fördern.
Nutzungskonzept fest. Sie sind ein Ort des Experi-
ments rund ums Lesen, den die Kinder zu unterschied-                 Gemeinsame Buchauswahl
lichen Zwecken aufsuchen können. Damit dies gelingt,                 Eine in einem partizipativen Auswahlprozess gemein-
muss es ein Raum der Kinder und ein Wohlfühlort                      sam mit den Kindern bestimmte Kinderbuchreihe bil-
bleiben, gerade wenn die Kinder im Ganztag gewech-                   det die Klammer um die verschiedenen Elemente des
selt haben. Der Raum, das Medienangebot und die                      Umsetzungsprogramms. Drei durch pädagogische
Nutzungsmöglichkeiten müssen sich entsprechend                       Fachkräfte vorausgewählte Bände werden der Grup-
der Wünsche der neuen Kinder anpassen und das                        pe auf attraktive und spielerische Weise vorgestellt.
Nutzungskonzept in kontinuierlichen Abständen über-                  Dabei werden aktivierende Präsentationsmethoden
dacht und angepasst werden.                                          gewählt, die besonders geeignet sind, Neugierde zu
                                                                     wecken. Bei der Vorauswahl der vorgestellten Reihen
                                                                     ist neben dem Schwierigkeitsgrad und dem Umfang
FREIZEITORIENTIERTE LESEFÖRDE-                                       der Bücher auch auf die motivationale Stimulanz der
RUNG: DAS UMSETZUNGSPROGRAMM                                         Texte, beispielsweise durch eine hohe Ereignisfre-
„AN DIE GESCHICHTEN, LOSGELESEN“                                     quenz, die zum Weiterlesen animiert, zu achten. Fer-
Sind die lesefreundlichen Räume eröffnet, so gilt es,                ner ist der Lebensweltbezug und ein stärkeorientier-
sie gemeinsam mit Kindern mit Leben zu füllen. Hier-                 ter Blick auf Kinder wichtig, der vielfältige
für wurde in Zusammenarbeit mit der Goethe-Uni-                      Lebenswirklichkeiten berücksichtigt und Stereotype
versität das Leseförderprogramm „An die Geschich-                    vermeidet.
ten, losgelesen“ konzipiert. 2 Das Angebot wird mit
einer festen Gruppe von bis zu zehn Schüler*innen                    Dialogisches Vorlesen im Vorlesegespräch
der zweiten und dritten Klassenstufen an regelmäßi-                  Das Vorlesegespräch ist ein dialogischer Akt der sozia-
gen, etwa einstündigen Terminen durchgeführt.                        len Interaktion. Kinder werden nicht als passive Rezi-
                                                                     pienten angesprochen, sondern zur aktiven Auseinan-
Die Teilnahme ist freiwillig und zugleich verbindlich.               dersetzung mit Inhalten angeregt. Es schafft Zugänge
Über attraktive Werbeveranstaltungen wie Book Tastings               zu Büchern und ermöglicht gemeinsame Lese­erlebnisse.

2 Ursprünglich firmierte das Angebot unter dem Titel „Jetzt lese ich mein erstes Buch“. Aufgrund kritischer Rückmeldungen im Rahmen
   der Evaluation wurde dieser neue Titel gewählt, unter dem das Angebot seit Sommer 2020 läuft.

                                                                                                                                       8
Vorlesen und Gespräch finden nicht nacheinander           250 Wörtern, wobei zu den ersten Terminen kürzere
    statt, sondern sind eng miteinander verwoben. Um die      Abschnitte gewählt und die Textmenge ggf. sukzessive
    Vorstellungskraft und Fragen der Kinder anzuregen,        gesteigert werden kann. Abschließend erhalten die
    sind ein lebendiges Vorlesen (und insofern eine gute      Kinder die Möglichkeit, den Textabschnitt gemeinsam
    Vorbereitung), aber auch die geschickte Inszenierung      oder einzeln laut vor der Gruppe vorzulesen. Dabei
    von Fragen bedeutsam. Die Kinder werden animiert,         geht es nicht darum, die Leseflüssigkeit zu beurteilen,
    sich zu dem Gehörten zu äußern und Haltungen dazu         sondern den Kindern die Möglichkeit lesebezogener
    einzunehmen. Das Vorlesegespräch darf keinesfalls im      Erfolgserlebnisse zu verschaffen.
    Abfragen von Wissen oder einfachen Frage-Antwort-­
    Sequenzen aufgehen. Eigene Überlegungen zum Fort-         Kreative Auseinandersetzung in den
    gang der Geschichte, szenisches Vorlesen, Fragen nach     lesebezogenen Aktivitäten
    den Empfindungen der Kinder zu den Geschichten            Ähnlich wie beim Vorlesegespräch zielen die lesebezo-
    oder kurze, spielerische Auseinandersetzungen sind        genen Aktivitäten darauf ab, sich mit dem Gelesenen
    Möglichkeiten. Hier können auch vielfältige Bezüge zu     auseinanderzusetzen und eigene Bezüge herzustellen.
    den Kinderrechten genommen und darüber eine Brü-          Die Auseinandersetzung wird jedoch über andere
    cke von den Geschichten zur Lebenswirklichkeit der        Zugänge als im Vorlesegespräch geführt. Über hand-
    Kinder geschlagen werden.                                 werkliche (Malen, Basteln etc.), körperbetonte (Thea-
                                                              ter, Verkleidung, Bewegung etc.) oder digitale
                                                              Zugänge (Fotografie, Film etc.) können Kinder per-
                                                              sönliche Berührungspunkte mit der Geschichte aus-
                                                              drücken oder Aspekte der Geschichte individuell
                                                              weiterspinnen. Sie erleben sich selbst als Schaffende
                                                              im Kontext von Literatur. Es entstehen vielfältige
                                                              Produkte und Ergebnisse, in denen sich die Beschäfti-
                                                              gung der Kinder mit dem Buch und den Geschichten
                                                              widerspiegelt. Diese Ergebnisse werden angemessen
                                                              gewürdigt, indem sie beispielsweise ausgestellt oder
                                                              als Büchlein gebunden werden.

                                                              WISSENSVERMITTLUNG VOR ORT:
    Lesetechnik durch gemeinsames Lautlesen trainieren        DAS TRAINING-ON-THE-JOB
                                                              Das Projekt „LeseOasen – Leseförderung im Ganz-
    Das Lautleseverfahren Buddy-Reading                       tag“ versteht sich als Beitrag zur Erhöhung der Ange-
    Das Buddy-Reading als Lautleseverfahren trainiert         botsqualität in der außerunterrichtlichen Ganztags-
    die Leseflüssigkeit und bildet somit die technische Ba-   betreuung von Grundschulkindern. Es zielt darauf ab,
    sis für das Textverständnis. Es unterstützt damit auch,   nachhaltige Impulse zur Ausgestaltung von Bildungs-
    eine eigene regelmäßige Lesegewohnheit auszubilden.       anlässen im Alltag der Kinder zu bieten. Daher ist es
    Jeweils zwei Kinder lesen hierbei gemeinsam dreimal       zentral, das pädagogische Personal zu befähigen, es
    hintereinander einen kurzen Textauszug chorisch           selbstständig über das Projektende hinaus fortzu­
    halblaut. Die Textausschnitte entstammen dem zuvor        führen. Es ist ein Qualifizierungsangebot für päda­
    im Vorlesegespräch vorgetragenen Text und werden          gogische Fachkräfte im Ganztag im Rahmen einer
    idealerweise in vergrößerter Schrift ausgehändigt.        Professionalisierung von Leseförderung auf Basis wis-
    Als Orientierung empfiehlt sich ein Umfang von            senschaftlicher Erkenntnisse.

9
Trainer*innen von Save the Children begleiten das                   selbst noch keine oder wenig Erfahrung mit der Aus-
Personal der Einrichtungen der Ganztagsbetreuung                    gestaltung von Leseförderangeboten hat. Es dockt
bei der Projektumsetzung. Sie beraten zur Raumge-                   zugleich an die Vorerfahrungen und pädagogischen
staltung entlang der Merkmale der lesefreundlichen                  Qualifikationen an. Das Training durchläuft dabei vier
Räume. Neben der Auswahl attraktiver und geeigne-                   Schritte der Wissensvermittlung und -aneignung: Ler-
ter Lesestoffe gilt hier ein besonderes Augenmerk der               nen, Erleben, Anwenden und Reflektieren. Die Vermitt-
Gestaltung einladender und verbindlicher Partizipati-               lung der Methoden und des Hintergrundwissens zur
onsprozesse. Die Verantwortung für die Raumgestal-                  Leseförderung mündet in eine eigene Umsetzung der
tung liegt letztendlich bei den Einrichtungen.                      Aktivitäten mit einer Kindergruppe. Diese wird eng
                                                                    durch die Trainer*in begleitet und gemeinsam mit ihr
Auch das Umsetzungsprogramm „An die Geschich-                       ausgewertet. Sehr gute Erfahrungen wurden damit
ten, losgelesen“ wird durch das pädagogische Perso-                 gemacht, vor der eigenen Umsetzung die pädagogi-
nal der Einrichtungen umgesetzt. Dieses wird durch                  schen Fachkräfte in die Rolle von Teilnehmenden
die Trainer*innen vor Ort in einem praxisnahen Trai-                schlüpfen zu lassen. In einer Simulation wird so einmal
ning-on-the-job-Ansatz vermittelt. Dabei richtet sich               eine komplette Sitzung des Programms durchgespielt
das Angebot an pädagogisch geschultes Personal, das                 und die Methoden aus Perspektive der Kinder erlebt.

Ein einladender Name hilft, den Raum im Bewusstsein zu verankern. Dabei muss der Raum nicht zwangsläufig LeseOase genannt werden.

                                                                                                                                    10
NIKOLA ORNIG, ANNE VALTIN, ISABELLE SUCHOWITZ, ANNA ALLES

„HIER KÖNNEN WIR SCHÖN LESEN
UND ES UNS GEMÜTLICH MACHEN.“
EVALUATION DES PROJEKTS IM PROJEKTJAHR 2019/20

Kreative Rückzugsorte zum Lesen erhöhen die Attraktivität der lesefreundlichen Räume.

Aufgabe sowie Datenbasis                                             Die Evaluation setzte standardisierte und qualitative

der Evaluation                                                       Primärerhebungen um: explorative Interviews mit pä-
                                                                     dagogischen Fachkräften und Trainerinnen (n = 3 Be-
Aufgabe der externen, projektbegleitenden Evaluati-                  fragte), eine schriftliche Erhebung bei den teilnehmen-
on durch die InterVal GmbH (Januar 2019 bis April                    den Einrichtungen (n = 33) sowie Fallstudien an fünf
2020) war es, die Praxistauglichkeit und Umsetz­                     ausgewählten Standorten mit (Gruppen)Interviews
barkeit des Projekts und seiner Methoden (Output)                    mit beteiligten Leitungs-, Fach- und Lehrkräften
sowie die Wirksamkeit des gewählten Projektansat-                    (n = 14) sowie Kindern (n = 29). Eine Herausforderung
zes (Outcome) zu untersuchen. Auch die Frage, wel-                   für die Evaluation war, dass durch Vorgaben von Save
che kurzfristigen Veränderungen bei teilnehmenden                    the Children die Erhebungen zu einem frühen Zeit-
Einrichtungen und Kindern aus einem bildungsbe-                      punkt in der Projektumsetzung stattfanden. Dennoch
nachteiligten Umfeld bewirkt werden konnten, wurde                   konnten belastbare Erkenntnisse generiert werden.
beleuchtet.                                                          Die folgenden Abschnitte berichten zentrale Ergebnis-
                                                                     se der Evaluation.

                                                                                                                               11
Zentrale Ergebnisse                                        pro Einrichtung involviert; teils setzten sie sowohl den
                                                                Aufbau des Raums als auch die Aktivitäten um, teils
                                                                waren die beiden Projektbereiche unter den Fach-
     VORERFAHRUNGEN UND ZIEL­                                   kräften aufgeteilt. Nach Einschätzung der Evaluation
     STELLUNGEN DER TEILNEHMENDEN                               waren beide Vorgehensweisen zielführend. Die Leitun-
     GANZTAGSEINRICHTUNGEN                                      gen des Ganztags waren an fast allen Standorten in
     Das Projekt konnte in der Regel auf Vorerfahrungen         strategische Entscheidungen und Beratungstermine
     der Einrichtungen im Bereich Leseförderung aufbauen        involviert. An 70 % der Einrichtungen waren sie beim
     und an bestehende Aktivitäten anknüpfen. Rund zwei         Aufbau der Räume beteiligt, an rund 40 % zudem bei
     Drittel der Einrichtungen hatten zuvor Erfahrungen         der Vermittlung von teilnehmenden Kindern und den
     mit regelmäßigen Aktivitäten rund um das Lesen ge-         Aktivitäten. In geringerer Häufigkeit und in geringe-
     macht, aber nur knapp ein Drittel hatte zuvor Maß-         rem Maße waren auch Leitungen und Lehrkräfte der
     nahmen gezielt für „leseferne“ Kinder umgesetzt. Mit       Grundschulen beteiligt. Teilweise waren weitere Perso-
     der Teilnahme am Projekt verfolgten die befragten Ein-     nen involviert, darunter z.B. Bibliotheksmitarbeitende,
     richtungen das Ziel, ihre Leseförderung auszubauen         Schulsozialarbeiter*innen, Integrationsassistent*innen
     bzw. zu verbessern – sowohl fachlich („einen anderen       oder Mitarbeitende im Schulamt.
     Zugang zum Lesen“ schaffen) als auch räumlich („mehr“,
     „besseren“ oder auch besser zugänglichen Raum und          Insbesondere der fachliche Austausch und Erfahrungs­
     Rückzugsmöglichkeiten für das Lesen schaffen).             transfer im erweiterten Kollegium (z.  B. mit Schullei-
                                                                tung, Trägervertretung, Lehrkräften, anderen pädago-
                                                                gischen Fachkräften im Rahmen von Planungsrunden
     ROLLEN UND ZUSAMMENARBEIT                                  oder regelmäßigen Teammeetings) und die Verzahnung
     AN DEN TEILNEHMENDEN                                       von Schul- und Ganztagsbereich erwiesen sich als för-
     EINRICHTUNGEN                                              derlich. Dies äußerte sich in mehr „Rückendeckung“
     Sowohl an Einrichtungen des offenen als auch des ge-       für das Projekt und in einer größeren Sichtbarkeit im
     bundenen Ganztags ist es gelungen, Verantwortliche         Ganztag bzw. in der Schule. Nicht zuletzt trugen die
     aus dem Schul- und Ganztagsbereich an der Umset-           Synergieeffekte, die durch die unterschiedlichen Fach-
     zung zu beteiligen und das Projekt so mit dem Schul-       kenntnisse, persönlichen Erlebnisse mit den Kindern
     betrieb zu verzahnen. Dies erwies sich als förderlich      und pädagogischen Aufträge der Beteilig­ten entstehen,
     für die Umsetzung des Projekts. Erwähnenswert ist          zu einer bedarfsgerechten Vermitt­lung von Kindern in
     dabei, dass sich grundsätzlich die Zusammenarbeit          die Angebote des Projekts und damit zur Förderung
     von Schule und Ganztag (unabhängig von den                 der Kinder bei. Zugleich wurde deutlich, dass es in der
     Projekt­aktivitäten) sehr unterschiedlich gestaltete: In   alltäglichen Praxis für alle Beteiligten eine große Her-
     einigen Einrichtungen gab es hier kaum Schnittstellen,     ausforderung darstellte, ausreichend Zeit für den fach-
     in anderen erfolgte eine enge Zusammenarbeit.              lichen Austausch aufzubringen.

     Zentrale Akteur*innen in der Projektumsetzung wa-
     ren die pädagogischen Fachkräfte, die mit den Traine-      PARTIZIPATIVER AUFBAU UND
     rinnen von Save the Children zusammenarbeiteten,           NUTZUNG DER LESEFREUNDLICHEN
     Kinder für das Projekt auswählten und den Aufbau           RÄUME LESEOASEN
     der LeseOasen sowie die Aktivitäten mit den Kindern        Die LeseOasen wurden an knapp der Hälfte der
     durchführten. Im Durchschnitt waren drei Fachkräfte        Standorte in einem Raum aufgebaut, der auch für

12
ganz andere Zwecke als das Lesen genutzt wird (als          bzw. bei denen sie namentlich genannt wurden, kamen
Essensraum, Hausaufgabenraum, Raum für Freizeitak-          ebenfalls sehr gut an. Hingegen äußerten sie sich kri-
tivitäten u. Ä.). Etwas mehr als ein Viertel der Einrich-   tisch, wenn Möbelstücke oder andere Gegenstände
tungen baute die LeseOasen in einer bestehenden             im Raum „abgestellt“ wurden, ohne hierzu gefragt
Schulbibliothek auf, etwas weniger als ein Viertel in ei-   worden zu sein. Insbesondere dort, wo Kinder von
nem eigenen Raum, der ausschließlich als LeseOasen          Anfang an am Aufbau des Raums und an der Auswahl
genutzt wird. Sehr unterschiedlich waren die Aus-           der Möbel bzw. Medien aktiv beteiligt waren und ihre
gangsbedingungen auch hinsichtlich Erreichbarkeit           Wünsche umgesetzt wurden, zeigte sich eine sehr
und Sichtbarkeit der Räume. Teils lagen die LeseOa-         starke Identifikation bzw. Verbundenheit mit dem
sen an im Alltag des Schul- und Ganztags von Kindern        Raum. Aus Sicht der Evaluation ist es daher wichtig,
stark frequentierten Orten, teils in abgelegenen oder       die Einrichtungen für die große Bedeutung von Kin-
sogar separaten Gebäudeteilen.                              derbeteiligung auch für die weitere Nutzung der
                                                            Lese­Oasen zu sensibilisieren und ihnen konkrete Tipps
Je nachdem, ob der Aufbau mit einer festen Gruppe           an die Hand zu geben, wie sie Kindern Mitgestal-
von Kindern, z. B. in Form einer Arbeitsgemeinschaft        tungsmöglichkeiten bieten können – sowohl beim
(ca. 10 % der Einrichtungen), in einem komplett offenen     Aufbau als auch bei der Weiterentwicklung der Lese-
Beteiligungsprozess (ca. 30 %) oder in einer Kombina-       Oasen (von der Dekoration bis zur Medienauswahl).
tion erfolgte, waren unterschiedlich viele Kinder am
Aufbau beteiligt; die Zahl reichte von 6 bis 500 Kin-        Stimmen von Kindern aus dem Projekt:
dern. Nach Einschätzung der Evaluation waren die in-
volvierten Erwachsenen ernsthaft bemüht, die Beteili-        „Ich mag das, weil hier genug Platz ist
gung der Kinder in den verschiedenen Projektbereichen        für ein großes Sofa, und dann können wir
und -phasen zu ermöglichen und zu fördern. An den            schön lesen und es uns gemütlich machen.“
meisten Standorten verfügten Kinder über Entschei-
dungsmacht bei der Raumgestaltung und -einrichtung           „Wenn man stolpert, fällt man einfach auf
– Kinder machten Vorschläge und trafen auch Ent-             die Sitzsäcke und fertisch.“
scheidungen zu Dekoration und Möbeln. Seltener wur-
den Kinder an Entscheidungen bei der Auswahl der             „Das hier ist schlecht [Litfaßsäule aus
Medien beteiligt, die Evaluation konnte aber auch            Karton], weil das mitten im Weg steht und
hierzu Beispiele sehr guter Praxis identifizieren, die       man sich da auch nicht draufsetzen kann.“
deutlich machten, dass eine Beteiligung bei der Medi-
enwahl sehr gut möglich ist. Die geringste Mitsprache
der Kinder bestand bei der Wahl des Raums.                  Der Aufbau der Räume war auch mit verschiedenen
                                                            praktischen Herausforderungen verbunden, z. B. mit
In den Interviews mit Kindern wurde sehr deutlich,          langen Lieferzeiten für brandschutzkonforme Möbel.
dass ihnen neben den Büchern bzw. Medien vor allem          Um mehr zeitliche Flexibilität zu haben, entschieden
wichtig war, dass der Raum „gemütlich“ ist. Dabei           sich Einrichtungen dafür, mit den Aktivitäten nicht auf
hatten sie ein sehr genaues Verständnis davon, was          die Fertigstellung des Raums zu warten, sondern bei-
einen solchen Raum mit Freizeitcharakter auszeich-          des parallel umzusetzen. Bereits im Beobachtungs-
net: dekorative Elemente wie Lichterketten, Bastel­         zeitraum der Evaluation standen die LeseOasen den
eien, Baldachine oder Vorhänge, Kuscheltiere, und           Kindern in Ganztagseinrichtungen nicht nur für Akti-
neben gemeinsamen Sitzgelegenheiten auch Möglich-           vitäten im Rahmen des Projekts, sondern darüber hin-
keiten, sich zurückzuziehen bzw. alleine zu sein. Ele-      aus auch zur freien, offenen Nutzung zur Verfügung.
mente, welche die Kinder selbst gestalten konnten           Über drei Viertel der Einrichtungen planten, weiterhin

                                                                                                                      13
organisierte Angebote zur Leseförderung in den Räu-                  gert. Der Einbezug mehrerer Personen war auch für
     men umzusetzen. Zudem sollen Kinder in mehr als                      die praktische Umsetzung der Aktivitäten eine Gelin-
     der Hälfte der Einrichtungen die Möglichkeit haben,                  gensbedingung: Insbesondere beim Buddy-Reading
     die LeseOasen spontan im Rahmen des Ganztags zu                      entstanden ohne ausreichend personelle Betreuung
     besuchen, selbstständig zu lesen oder sich zu entspan-               oft Situationen, in denen die Kinder zu stark abge-
     nen und anderen Aktivitäten nachzugehen.                             lenkt wurden.

                                                                          Die Einrichtungen bewerteten das Angebot überwie-
     UMSETZBARKEIT VON „JETZT LESE                                        gend als geeignet für die erreichten Kinder. Dies ist
     ICH MEIN ERSTES BUCH!“ 1 UND                                         einerseits auf die Konzeption des Projekts, anderer-
     RESONANZ                                                             seits aber auch auf die gezielte Auswahl der Kinder
     Die einzelnen Bestandteile des Angebots „Jetzt lese                  (siehe unten) zurückzuführen. Es haben eher Kinder
     ich mein erstes Buch!“ – das Teambuilding, die                       der dritten als der zweiten Klassenstufe teilgenom-
     Buchauswahl in der Gruppe, das Vorlesegespräch, das                  men. Die oftmals sehr detailgetreuen und lebhaften
     Lautleseverfahren Buddy-Reading, lektürebezogene                     Erzählungen der Kinder von den Aktivitäten in den
     Aktivitäten und das Abschlussritual – wurden von den                 Interviews, z. B. von der Auswahl des Buches und den
     Kindern in der Regel sehr gut oder eher gut ange-                    Abschnitten, die daraus bereits gelesen wurden, deu-
     nommen. Auch die Umsetzbarkeit der Aktivitäten                       teten darauf hin, dass sie aufmerksam und mit Freude
     wurde unter den Bedingungen der Modellphase                          teilgenommen hatten. Positiv erlebt wurde die Kombi-
     durchgehend positiv bewertet. Die Zahl von sieben                    nation aus Selbstlesen und Vorlesen. Als schwierig und
     Terminen und die Dauer von einer Stunde pro Einheit                  teils als frustrierend wurden unterschiedliche oder
     waren für den Großteil der Einrichtungen passend.                    niedrige Ausgangsniveaus empfunden. Insgesamt er-
     Die Ausweitung der Termine auf das komplette Schul-                  lebten die Kinder ihren Beschreibungen nach die Ak­
     halbjahr an einigen Standorten erwies sich als prakti-               tivitäten als geschützten Raum, in dem unterschied­
     kabel. Kritisch hingegen sieht die Evaluation eine                   liche Lesefertigkeiten mehr Akzeptanz sowohl in der
     mögliche Verlängerung der einzelnen Einheiten im                     Gruppe als auch bei den Fachkräften fanden als im
     Hinblick auf die Konzentrationsspanne und Diversität                 Unterricht.
     der Bedürfnisse teilnehmender Kinder. Relevante Fak-
     toren hierfür sind u. a. der kindliche Bewegungsdrang,                 Stimmen von Kindern aus dem Projekt:
     der individuelle Wunsch nach Freispiel ohne feste Ein-
     bindung in ein wöchentlich wiederkehrendes Projekt                     „Ich finde es sehr schön, dass uns jemand
     und die flexiblen Abholzeiten der Kinder durch die                     vorliest. Und ich finde es schön, dass wir
     Eltern.                                                                selbst lesen.“

     Die Vorgabe, zwei Fachkräfte für das Umsetzungspro-                    „Laut lesen in der Schule ist doof, da wird
     gramm einzuplanen, war teilweise schwierig umzuset-                    man immer ausgelacht. Aber hier ist das
     zen. Dass auf diese Weise zwei Fachkräfte eine per-                    okay.“
     sönliche und fokussierte Weiterbildung erfahren, ist
     jedoch eine Stärke des Programms. Im Tandem ent-
     steht eine zusätzliche Reflexionsebene unter den be-                 Auch nach Beobachtung der Fachkräfte hatten die
     teiligten Fachkräften, das Risiko des Wissensabflusses               Kinder mehrheitlich Freude am Projekt, alle oder zu-
     wird reduziert, Ausfallsicherheit wird erhöht und so-                mindest viele Kinder beteiligten sich über die gesamte
     mit die Wirkintensität an den Einrichtungen gestei-                  Stunde aktiv. Es gab kaum Abbrüche bei der Teilnahme.

     1 Der Titel des Umsetzungsprogramms lautete ursprünglich „Jetzt lese ich mein erstes Buch!“. Er wurde nach kritischen Rückmeldungen im
        Sommer 2020 zu „An die Geschichten, losgelesen“ geändert.

14
Irritation rief bei Kindern und Fachkräften hingegen       weise zirkulären – Prozessen bestand. Dies reichte
der Titel des Angebots „Jetzt lese ich mein erstes         von der Information der Kinder, der gezielten Motiva-
Buch!“ hervor, einerseits weil es für viele Kinder nicht   tion und Einladung von Kindern mit Methoden, die
das erste Buch war und andererseits, weil im Rahmen        Auseinandersetzung mit Büchern für Kinder spannend
der Aktivitäten nur ein Teil des gewählten Buches          und greifbar zu machen, der Bewerbung durch die
selbst gelesen wurde.                                      Kinder bis zur Auswahl von Kindern nach Kriterien
                                                           oder per Zufallsauswahl. Einschätzungen der Fachkräf-
Auf Basis der Erfahrungen planten fast alle Einrich-       te dazu, welche Kinder die passenden Ausgangsvor-
tungen, die zum Befragungszeitpunkt eine Aussage           aussetzungen für das Projekt und/oder besonderen
zur Verstetigung treffen konnten bzw. wollten, das An-     Bedarf hatten, flossen dabei ein. Auch Überlegungen
gebot über die Förderdauer hinaus fortzusetzen, z. B.      wie Geschlechterparität oder Freundschaften spielten
als Arbeitsgemeinschaft (AG). Jedoch trafen knapp          eine Rolle. Neben den Bedarfen der Kinder waren
40 % der Einrichtungen hierzu noch keine Aussage.          Erwartungen der Fachkräfte an das Projekt und des-
                                                           sen organisatorische wie methodische Herausforde-
                                                           rungen weitere Faktoren, die Einfluss auf die Bildung
ERREICHEN VON KINDERN MIT                                  der Gruppen hatten. Es wurden demzufolge explizit
(BESONDEREM) BEDARF AN                                     auch Kinder angesprochen, von denen erwartet wur-
LESEFÖRDERUNG                                              de, dass sie sich kontinuierlich und konzentriert (ohne
Es ist in der Regel gelungen, Kinder mit besonderem        zu „stören“) beteiligen würden.
Bedarf an Leseförderung zu erreichen und zugleich
das Prinzip der Freiwilligkeit umzusetzen. Ein wichti-      Stimmen von Kindern aus dem Projekt:
ger Schritt hierfür war die gezielte Auswahl der Ein-
richtungen auf Basis sozialräumlicher Kriterien durch       „Wir haben uns gefreut, als wir
Save the Children. Alle befanden sich an von sozialer         den Brief bekommen haben.“
Benachteiligung betroffenen Standorten, der Anteil           (Bestätigung der Teilnahme am Projekt)
der Kinder aus sozial schwachen Familien (bspw. mit
Anspruch auf Leistungen auf Bildung und Teilhabe)
war entsprechend hoch. Damit korrespondierten die          Es wurde in der Regel erreicht, dass Kinder sich be-
Einschätzungen der Befragten in den Fallstudien: Bei       wusst und freiwillig für die Teilnahme entscheiden konn-
einem sehr hohen Anteil der betreuten Kinder wurde         ten. Jene freiwillige Teilnahme erwies sich auch als ein
Unterstützungsbedarf hinsichtlich Sprach- und Lese-        Indikator dafür, dass die Kinder Freude am Angebot er-
förderung gesehen (z. B. weil sie zu Hause wenig           warteten und deshalb Interesse dafür entwickelten. Die
Deutsch sprechen und/oder nicht in Kontakt mit Bü-         Einrichtungen beschrieben zugleich einen Zielkonflikt
chern kommen). Somit kamen prinzipiell sehr viele          zwischen einem freiwilligen Zugang und dem Anspruch,
Kinder der Einrichtungen für das Angebot infrage. Es       gleichzeitig „leseferne“ Kinder in das Angebot aufzu-
empfiehlt sich, die sozialräumlichen Förderkriterien       nehmen, während zugleich Fachkräfte weitergebildet
als effektive Maßnahme für die Erreichung dieser Ziel-     werden sollen. Im besten Fall ist es gelungen, im Aus-
gruppe auch zukünftig anzuwenden.                          tausch mit den Trainerinnen diesen Konflikt aufzulösen
                                                           und die Ansprache „leseferner“ Kinder zu stärken.
Da die Gruppengröße acht bis zehn Kinder umfassen
sollte, waren Auswahlprozesse nötig. In der Evaluati-      Nach Einschätzung der Evaluation wurde an den Ein-
on wurde deutlich, dass die Gewinnung und die Aus-         richtungen die Zielgruppe erreicht. Jeweils rund zwei
wahl der Kinder für das Angebot in der Praxis aus          Drittel der Einrichtungen gaben an, dass bei allen
mehrstufigen – bei einigen Einrichtungen auch teil-        oder vielen am Angebot teilnehmenden Kindern über-

                                                                                                                      15
durchschnittlicher Bedarf an Lese- und Sprachförde-      » gleichzeitig ausreichend Gestaltungsspielräume
     rung bestand und die teilnehmenden Kinder zu Hause          hatten, um die Methoden im Rahmen der Aktivitä-
     nicht in Kontakt mit Büchern kamen. An mehr als der         ten auszuprobieren bzw. anzuwenden.
     Hälfte der Standorte hatten alle oder viele Kinder
     zuvor „nicht gerne gelesen“.                             Förderlich waren die gemeinsame Planung und klare
                                                              Absprachen (bspw. auch zur Rollenteilung im Kontakt
                                                              mit den Kindern), eine wertschätzende und klare
     ERFAHRUNGEN MIT DEM                                      Kommunikation zu Erwartungen und Möglichkeiten
     TRAINING-ON-THE-JOB                                      und die gemeinsame Reflexion der Erfahrungen.
     Die verschiedenen Aspekte der Unterstützung, die
     Save the Children über die Trainerinnen und Handrei-
     chungen im Rahmen des Projekts zur Verfügung stell-      ERSTE EINSCHÄTZUNGEN ZU
     te, wurden von den Einrichtungen als sehr hilfreich      EFFEKTEN DES PROJEKTS AUF
     empfunden. Die Handreichungen dienten einerseits         EINRICHTUNGEN UND KINDER
     als Grundlage zum Einarbeiten und im weiteren Ver-       Im Ergebnis führte die Beteiligung am Projekt nach
     lauf des Angebots als strukturierendes Element und       ersten Einschätzungen der Einrichtungen wie inten-
     Ideenpool. Vereinzelt wurden diese aber auch als zu      diert insbesondere zu mehr Sensibilität für das Thema
     unkonkret, textlastig bzw. umfangreich empfunden.        Leseförderung im Ganztagsbereich, zu einem Zu-
     Dabei zeigte sich, dass die schriftlichen Materialien    wachs an Fachwissen beim Personal sowie zur Befähi-
     ganz wesentlich durch die Verschränkung mit der per-     gung der pädagogischen Fachkräfte zur Anwendung
     sönlichen Begleitung durch die Trainerinnen Wirkun-      neuer Methoden zur Leseförderung.
     gen entfalteten.
                                                              Mehr als die Hälfte der Einrichtungen beobachtete
     In den Beschreibungen der Befragten wurde insge-         auch ein gestiegenes Interesse der Kinder im Ganz-
     samt deutlich, dass die Trainerinnen vielfach bedarfs-   tagsbereich am Lesen und Vorlesen, z.  B. durch eine
     gerechte, anschauliche und konkrete Hilfestellungen      höhere Nachfrage von Angeboten wie den Lese­
     geben konnten. Es ist demnach gelungen, beim Trai-       Oasen. Auch Sekundäreffekte, wie ein stärkerer Aus-
     ning-on-the-job eine feine Balance zu finden, sodass     tausch zum Thema Leseförderung zwischen den am
     die Fachkräfte                                           Projekt beteiligten pädagogischen Fachkräften und
                                                              anderen Personen, oder eine stärkere Verankerung
     » auf möglichst anschauliche Weise Anregungen und       von Leseförderung im Konzept der Einrichtung
        Fortbildung (unter Berücksichtigung der Vorerfah-     wurden von mehr als der Hälfte der Einrichtungen
        rungen) erhielten,                                    wahrgenommen.

     » sich gemeinsam mit den Trainerinnen ein Ver-
        ständnis von guter Praxis der Anwendung der
        Methoden erarbeiteten und

16
NIKOLA ORNIG, CARINA KRAFT, ISABELLE SUCHOWITZ

„DER VERGNÜGUNGSFAKTOR DER
BÜCHER STAND IM VORDERGRUND.“
EVALUATION DES PROJEKTS IM PROJEKTJAHR 2020/21

Lesefreundliche Räume sind Orte zum Lesen, aber sie werden nicht durch Bücher dominiert.

Aufgabe sowie Datenbasis                                             ausge­wählter Einrichtungen (n = 8 Einrichtungen). Die

der Evaluation                                                       geplanten Erhebungen mit Kindern konnten aufgrund
                                                                     der Pandemie nicht umgesetzt werden. Die folgenden
Auftrag der Evaluation im Projektjahr 2020/21 durch                  Abschnitte stellen zentrale Evaluationsergebnisse des
die INTERVAL GmbH war die Untersuchung der                           Projektjahres 2020/21 vor.
Projekt­umsetzung und des Projekterfolgs unter Be-
dingungen der Covid-19-Pandemie.
                                                                     PROJEKTUMSETZUNG WÄHREND
Das Design der Evaluation (September 2020 bis Mai                    COVID-19
2021) war rein qualitativ ausgerichtet. Es kombinierte               Die Einschränkungen im Ganztagsbereich von Grund-
Fokusgruppeninterviews zu zwei Zeitpunkten mit den                   schulen aufgrund von Covid-19 seit März 2020 wirk-
Trainerinnen (n = 5 Trainerinnen), die als Honorarkräf-              ten sich auch auf die Durchführung des Projekts Lese-
te von Save the Children unmittelbar mit der Projekt­                Oasen aus: Die Umsetzung des Projekts während der
umsetzung an den Einrichtungen betraut waren, und                    Pandemie war für alle Einrichtungen herausfordernd
Vertiefungsinterviews mit pädagogischen Fachkräften                  und nur stark flexibilisiert möglich.

                                                                                                                              17
Eine wesentliche Veränderung war, dass die Trainings­                 te sich, dass die Initiative und Ermutigung der Trainer-
     einheiten der Trainerinnen von Save the Children mit                  innen sowie ihre konkreten Anregungen für Adapti-
     den pädagogischen Fachkräften außerhalb des Ganz-                     onsmöglichkeiten in der Umsetzung maßgeblich
     tagsbetriebs (vor Ort oder digital) und entkoppelt                    begünstigten, dass die Angebote für Kinder aufrecht-
     von der Umsetzung mit den Kindern stattfanden. Die                    erhalten wurden: die (eingeschränkte) Nutzung der
     Termine mit den Kindern wurden dementsprechend in                     Räumlichkeiten und die Fortführung des Umsetzungs-
     der Regel von den pädagogischen Fachkräften eigen-                    programms. Auch positives Feedback der Kinder (z. B.
     ständig und ohne Präsenz der Trainerinnen durchge-                    durch Fragen, wann es weitergeht) bestärkte die
     führt. Das Umsetzungsprogramm „An die Geschich-                       Fachkräfte in der Umsetzung.
     ten, losgelesen“, 1 gemäß Konzept eine Reihe von
     insgesamt mindestens sieben wöchentlichen Terminen,                   Nach Beobachtung der Fachkräfte war es für Kinder
     fand z. B. mit längeren Pausen zwischen den Terminen                  während der Covid-19-Pandemie besonders wichtig,
     oder als Ferienangebot mit einer engeren Taktung                      Normalität im Ganztag zu erfahren. An den befrag-
     der Termine statt. An manchen Einrichtungen wurden                    ten Einrichtungen, die das Projekt LeseOasen fortge-
     auch einzelne Methoden des Umsetzungsprogramms                        führt haben, trug es dazu bei, ein Stück weit diese
     punktuell im Ganztag außerhalb von LeseOasen-Ter-                     Normalität zu bieten, d. h. Kinder erlebten soziale
     minen angewandt. Eine Voraussetzung für die Umset-                    Kontakte, Unterstützung bzw. Förderung und einen
     zung war, dass eine feste Kindergruppe gebildet wer-                  strukturierteren Tagesablauf. Fachkräfte dieser Ein-
     den konnte, d. h. es wurden Kinder, die verlässlich in                richtungen machten die Erfahrung, dass die Kinder (in
     der Notbetreuung waren und Interesse zeigten,                         der Notbetreuung) sich über das Angebot freuten
     berücksichtigt.                                                       und sehr motiviert am Umsetzungsprogramm teil-
                                                                           nahmen, gerade weil viele andere Angebote entfielen.
      „[Ich habe] Möglichkeiten aufgezeigt, wie
      man das [Projekt] weiterführen kann.“                                  „Sicherheit in dieser unsicheren Zeit“
      (Trainerin)                                                            (Fachkraft)

      „Unsere Trainerin hat uns motiviert,                                   „[Der Raum bot] den Kindern […], eine
      das [Umsetzungsprogramm] trotz                                         vertraute Umgebung […], wo die sich
      der strengen Hygienemaßnahmen                                          einfach Ausruhen konnten, wo die zur
      durchzuführen und eine homogene                                        Ruhe kamen.“ (pädagogische Fachkraft)
      Kindergruppe [d. h. Kinder aus einer
      OGS-Gruppe] zu nehmen.“                                                „Ort zum Zurückziehen, zum Ruhe finden,
      (pädagogische Fachkraft)                                               zum Ausruhen, oder wie die Kinder
                                                                             sagen‚ zum Chillen“
                                                                             (pädagogische Fachkraft)
     Entscheidend dafür, dass LeseOasen an den Ganz-
     tagseinrichtungen überhaupt weitergeführt werden
     konnten, waren sowohl der Projektansatz, der Mög-                     Auch der Raum der LeseOase gewann für Kinder (in
     lichkeiten für Flexibilisierung in der Umsetzung bot                  der Notbetreuung) während Covid-19 an Bedeutung,
     und so pandemiebedingten Vorgaben für Ganztags­                       da dieser ein wichtiger Rückzugsort für sie blieb bzw.
     einrichtungen angepasst werden konnte, als auch die                   wurde. Jedoch konnte nicht an allen untersuchten
     Flexibilität der beteiligten Akteurinnen und Akteure                  Einrichtungen während Covid-19 eine freie Nutzung
     (Trainerinnen sowie umsetzende Fachkräfte). Es zeig-                  des Raums ermöglicht werden.

     1 Das Umsetzungsprogramm trug im ersten Projektjahr den Titel „Jetzt lese ich mein erstes Buch!“. Es wurde in Reaktion auf
        Rückmeldungen im Rahmen der Evaluation, dass dieser Titel nicht immer zutreffend war, 2020 umbenannt.

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