STANDBERICHT 2021 Halteplätze für fahrende Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz Aktuelle Ausgangslage und künftiger Handlungsbedarf - Stiftung ...

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STANDBERICHT 2021
    Halteplätze für fahrende Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz
    Aktuelle Ausgangslage und künftiger Handlungsbedarf
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IMPRESSUM STANDBERICHT 2021

                       AUTOREN:                                                        REDAKTION UND LAYOUT:
                       Christine De Gasparo und Simon Röthlisberger,                   typisch.ch, Patrick Bachmann und Tina Hanser
                       Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende
                       Bern, Mai 2021                                                  FOTOS:
                                                                                       Eric Roset
                       ÜBERSETZUNG:
                       Französische Übersetzung des Berichts:                          KARTOGRAPHIE:
                       weiss traductions genossenschaft                                Matthias Beilstein, Karten und
                       Italienische Zusammenfassung:                                   kartographische Illustrationen
                       Antonella Piazza

Schwanengasse 9 | 3011 Bern | stiftung-fahrende.ch | info@stiftung-fahrende.ch | +41 31 552 13 10
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Standbericht 2021                                                                       Inhalt Seite 3

		INHALT
    1.    Vorwort                                                                                       4

    2.    Zusammenfassung                                                                               5
          Riassunto                                                                                     7

    3.    Einleitung                                                                                    9
          3.1. Ausgangslage                                                                             9
          3.2. Methodik                                                                                 9
          3.3. Neuerungen im Standbericht 2021                                                         11

    4.    Grundlagen                                                                                   12
          4.1. Wichtige Begriffe                                                                       12
          4.2. R
                echtliche Vorgaben zum Schutz der Jenischen, Sinti und Roma                           13

    5.	Der Bedarf an Halteplätzen für Schweizer Jenische und Sinti                                    16

    6.    Die Standplätze                                                                              17
          6.1. Standplätze in Betrieb                                                                  17
          6.2. V
                or- und Nachteile des Winteraufenthalts auf einem Durchgangsplatz                     18
          6.3. Standplätze in Planung                                                                  18
          6.4. R
                egionen, in denen weitere Standplätze notwendig sind                                  19
          6.5. S
                tandortkriterien für Standplätze                                                      19

    7.    Die Durchgangsplätze                                                                         21
          7.1. Durchgangsplätze in Betrieb                                                             21
          7.2. E
                ntwicklung der Durchgangsplätze                                                       22
          7.3. D
                urchgangsplätze in Planung                                                            24
          7.4. R
                egionen, in denen weitere Durchgangsplätze notwendig sind                             24
          7.5. S
                tandortkriterien für Durchgangsplätze                                                 25

    8.	Ausländische fahrende Roma in der Schweiz                                                      29
        8.1. Herkunft und Aufenthalt der fahrenden Roma                                               29
        8.2. Die Entwicklung der Transitplätze                                                         30
        8.3. Regionen, in denen weitere Transitplätze notwendig sind                                  31
        8.4. Die Lage und Ausgestaltung von Transitplätzen                                            34

    9.    Der Spontanhalt                                                                              35

    10.	Der Stand der Planung in den Kantonen                                                         36
         10.1. H
                erausforderungen und mögliche Wege für die Realisierung von Halteplätzen
               aus Sicht der kantonalen und kommunalen Behörden                                        37

    11.   Fazit                                                                                        38

    12. Literaturverzeichnis                                                                           41
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1. VORWORT
  Viersprachig ist sie offiziell, unsere Schweiz –
  vergessen geht dabei, dass teils in Ihrer Gemeinde
  und sicher auch in Ihrem Kanton Menschen
  leben, die seit Jahrhunderten unter uns sind, aber
  eine eigene Sprache sprechen und eine eigene
  Kultur pflegen. Auch sie gehören zu uns! Jenische
  und Sinti.

  Die Jenischen, Sinti und Roma sind rechtlich
  ge­schützte Minderheiten. Sie haben Minderhei-
  tenrechte, damit sie ihre Kultur leben können.
  Wesentlich ist für sie das Fahren. Dafür braucht      nicht immer die Schwachen, aber als Minderheiten
  es Halteplätze und Grundstücke für deren Bau          potenziell in einer schwächeren, einer Minder­
  und Betrieb.                                          heitenposition. Dem gilt es Rechnung zu tragen.

  Waren Sie schon einmal auf einem Stand-, Durch-       Wie können nun Kantone und Gemeinden ihrer
  gangs- oder Transitplatz? Ist ihnen aufgefallen,      Verpflichtung nachkommen, Halteplätze bereitzu­
  wie die Nachbarschaft aussieht? Mitten in der         stellen? Als kantonaler Baudirektor scheint es
  Industriebrache oder neben einem Entsorgungs-         mir klar: Dafür braucht es Grundlagen, um eine
  hof, in der Nähe der Autobahn? Halteplätze finden     seriöse Planung zu ermöglichen. Der Standbericht
  sich oft dort, wo Sesshafte nicht wohnen wollen.      zeigt denn auch, in welchen Regionen wie viele
  Es geht also darum, nicht nur etwas zu geben, für     Plätze notwendig sind oder wo Sanierungsbedarf
  das wir sonst keine Verwendung finden. Es geht        besteht.
  auch darum, dort Raum abzugeben wo es sinnvoll
  ist, einen Platz zu bauen, obwohl man «es»            Politik und Behörden aller Ebenen haben es in
  vielleicht weniger will. Denn es geht um Interes-     der Hand: hinzustehen und mutige Entscheide zu
  senabwägung.                                          fällen. Das heisst Probleme lösen, statt sie zu
                                                        bewirtschaften. Das Schaffen der Plätze ist auch
  Interessen abwägen heisst auch, etwas zu teilen.      eine Frage der Vernunft: ökonomisch, staatspoli-
  Teilen von Land, teilen der Nachbarschaft. Viel-      tisch, medial. «Gäng wie gäng» geht nicht mehr.
  leicht fällt es deshalb so schwer, mit «Fahrenden»
  zu teilen, weil sie nicht einzig an einem, sondern    Unzählige Personen haben sich an den Gesprächen
  an vielen Orten zuhause sind. Zu diesem Dorf dazu-    und Umfragen beteiligt, mit ihrem Wissen zu
  gehören, aber sich auch dort in der Stadt wohl-       dieser Publikation beigetragen. Ihnen allen danke
  fühlen. Minderheiten, die man weniger gut kennt       ich herzlich. Das grosse Engagement zahlreicher
  und deshalb viel in ihre Lebensweise und Kultur       Personen und Behörden auf allen Ebenen stimmt
  hineinprojiziert. Wie viel und welchen Raum           positiv. Bei aller Planung und allem Bauen geht es
  man den fahrenden Minderheiten in der Schweiz         letztlich aber immer um das eine: Um Menschen!
  zugestehen will, ist eine gesellschaftliche Frage.
  Darauf gibt es raumplanerische Antworten.             Christoph Neuhaus
                                                        Stiftungsratspräsident,
  Minderheiten haben dabei wenig Lobby, stehen oft      Regierungsrat des Kantons Bern
  politisch im Gegenwind. Sie werden instru­men­ta­
  lisiert, ja missbraucht für politische Stim­mungs­­
  mache. Der knappe Abstimmungserfolg mit dem
  Ja zum Transitplatz im Kanton Bern im 2020 zeigt
  dennoch: Die Mehrheit will der Minderheit Platz
  schaffen. Es braucht dazu nur pragmatische
  Lösungen. Und vielleicht je einen Schritt aufein­
  ander zu! Denn die Stärke der Starken misst sich
  immer auch an ihrem Umgang mit den Schwachen.
  Fahrende Jenische, Sinti und Roma sind zwar
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2. ZUSAMMENFASSUNG
  Seit 20 Jahren analysiert die Stiftung Zukunft für   nur provisorisch in Betrieb und ihr Fortbestand
  Schweizer Fahrende regelmässig die Situation der     längerfristig unsicher. Nebst diesen 24 Durch-
  fahrenden Bevölkerung in der Schweiz. Die Resul-     gangsplätzen existieren weitere vierzehn, meist
  tate wurden 2001 erstmals in einem Gutachten         kleinere Plätze, die jedoch aufgrund von qualita-
  und später in den Standberichten 2005, 2010 und      tiven Mängeln oder Mehrfachnutzungen durch die
  2015 dokumentiert.                                   Gemeinden nur sehr eingeschränkt nutzbar sind.
                                                       Folglich werden rund 50 weitere Durchgangs-
  Mit dem Standbericht 2021 liegen die aktuellsten     plätze benötigt, um den Jenischen und Sinti die
  Erkenntnisse bezüglich der Platzsituation der        fahrende Lebensweise zu ermöglichen.
  fahrenden Jenischen, Sinti und Roma erneut vor.
                                                       In den vergangenen Jahren konnte der Rückgang
  Schätzungsweise 2000 bis 3000 Jenische und Sinti     an Stand- und Durchgangsplätzen insgesamt
  pflegen in der Schweiz eine fahrende Lebens­         gestoppt und die Situation stabilisiert werden. In
  weise. Der Wunsch, auf die Reise zu gehen und die    einigen Kantonen befinden sich zusätzliche Stand-
  Kultur ihrer Vorfahren aufrecht zu erhalten, ist     und Durchgangsplätze in Planung und lassen auf
  auch unter den jungen Leuten nach wie vor unge­      eine Verbesserung der Situation für die fahren-
  brochen. Für die Ausübung ihrer Lebensweise          den Jenischen und Sinti hoffen. Die Planung und
  brauchen die fahrenden Jenischen und Sinti 40 bis    Realisierung von Halteplätzen benötigt jedoch
  50 Standplätze, die ihnen als fester Wohnsitz        stets viel Zeit, so dass angesichts des hohen be-
  dienen. Ein fester Wohnsitz wird insbesondere im     stehenden Mangels nur sehr kleine Fortschritte
  Winter, ausserhalb der Reisezeit benötigt, kann      wahrgenommen werden können.
  aber beispielsweise auch mit schulpflichtigen
  Kindern oder bei Krankheit wichtig werden. Für den   Auch ausländische fahrende Roma besuchen die
  temporären Aufenthalt während der Reisezeit,         Schweiz regelmässig. Sie stammen in der Regel
  meist zwischen Frühjahr und Herbst, sind rund        aus den Nachbarländern. Wie die fahrenden
  80 Durchgangsplätze erforderlich.                    Schweizer und Schweizerinnen benötigen sie
                                                       Orte, an denen sie sich bis zu mehreren Wochen
  Aktuell verfügt die Schweiz über 16 Standplätze.     oder Monate aufhalten können, meist um ihrer
  In den letzten fünf Jahren konnte nur ein ein-       Erwerbsarbeit nachzugehen. Die Anzahl Personen,
  ziger Standplatz hinzugewonnen werden. So sind       die sich während der Reisezeit in der Schweiz
  derzeit erst knapp die Hälfte aller benötigten       aufhält, kann saisonal variieren. Es wird jedoch
  Kapazitäten vorhanden und es fehlen nach wie         für mindestens 400 bis 600 Wohnwagen Platz
  vor 20 bis 30 Standplätze. Mit den Durchgangs-       benötigt, damit ausländische Roma ihre fahrende
  plätzen, die ganzjährig geöffnet sind und einen      Lebensweise ausüben können.
  längeren Aufenthalt im Winter ermöglichen, kann
  dem Platzmangel zwar etwas Abhilfe geschaffen        Bei den Transitplätzen für ausländische fahrende
  werden. Aufgrund der unterschiedlichen Lebens-       Roma hat sich die Situation in den vergangenen
  qualität auf diesen Plätzen sind sie jedoch nicht    Jahren verbessert. Heute verfügt die Schweiz über
  mit einem Standplatz vergleichbar. Da es in          sieben Transitplätze. Davon sind drei erst provi­
  den Standortgemeinden der Durchgangsplätze           sorisch in Betrieb. Sie sind meist auf grössere
  oft praktisch nicht möglich ist, seine Schriften     Familienverbünde ausgerichtet und bieten Platz
  zu hin­terlegen, sehen sich fahrende Jenische und    für rund 220 Wohnwagen. Die Anzahl Stellplätze
  Sinti ohne festen Wohnsitz mit gravierenden          für Wohnwagen ist damit doppelt so hoch wie vor
  Konsequenzen bezüglich ihrer Rechte als Schwei-      fünf Jahren. Zwar gibt es auch Durchgangsplätze,
  zer Bürgerinnen und Bürger konfrontiert.             die Ausländer und Ausländerinnen zulassen. Doch
                                                       in der Vergangenheit wurde den ausländischen
  Nicht besser verhält sich die Situation bei den      fahrenden Roma der Zugang zu diesen Plätzen zu-
  Durchgangsplätzen. Nur 24 Durchgangsplätze           nehmend verwehrt. Damit erhöht sich der Druck
  erfüllen ihre Funktion soweit, dass sie als voll-    auf die Transitplätze oder spontan irgendwo zu
  wertige Plätze betrachtet werden können. Damit       halten. Als Folge kommt es zu Konflikten mit der
  sind erst 30 bis 40 Prozent aller benötigten         lokalen Bevölkerung aufgrund von irregulären
  Durchgangsplätze verfügbar. Davon ist ein Drittel    Landnahmen und zu Konkurrenzkämpfen um die
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knappen Plätze unter den verschiedenen Grup-          Eine gute Lage spielt für die Lebensqualität auf
pierungen. Letztendlich fehlen in der Schweiz         dem Platz und für die Zufriedenheit der fahrenden
rund zehn Transitplätze, damit ein Mindestan­ge­bot   Bevölkerung eine wesentliche Rolle. Dabei ist
an Haltmöglichkeiten für ausländische fahrende        insbesondere an den Immissionsschutz, die Sicher­-
Roma vorhanden ist. Die Aufgabe, den Mangel zu        heit, an die speziellen Bedürfnisse der Kinder,
beheben, wird derzeit vom Bund und den Kan­           aber auch an die Erreichbarkeit der wichtigen Ver­-
tonen mit der Erarbeitung eines Konzepts Transit-     kehrsachsen und Einrichtungen wie Schulen zu
plätze gemeinsam angegangen.                          denken. Tendenziell werden die Standorte in städ­
                                                      tischen Gebieten stark nachgefragt. Somit sind
Die Verfügbarkeit von Stand-, Durchgangs- und         in diesen Räumen mehr oder grössere Plätze not-
Transitplätzen ist je nach Platzkategorie regional    wendig als in ländlichen Gegenden.
sehr unterschiedlich. Mit wenigen Ausnahmen
sind freilich fast alle Kantone von der Thematik      Zur Verbesserung der Platzsituation ist nebst der
betroffen und gefordert, in Zukunft weiter an         Schaffung von neuen Plätzen auch der Quali-
der Verbesserung der Platzsituation der fahrenden     tät der bereits existierenden Plätze Beachtung
Jenischen, Sinti und Roma mitzuwirken. Diese          zu schenken. Wo immer möglich sollen die
Tatsache wird von den Kantonen generell aner­         bestehen­den Plätze erhalten und falls notwen-
kannt. So hat die Thematik in den vergangenen         dig, aufgewertet werden. Es ist ein möglichst
Jahren immer stärker auch Niederschlag in den         definitiver Betrieb zu etablieren. Der Zugang zu
Planungsinstrumenten der Behörden gefunden.           den Halteplätzen soll einfach und unkompliziert
Aufgrund der mangelnden gesellschaftlichen            erfolgen, so dass die fahrenden Jenische, Sinti
Akzeptanz der fahrenden Bevölkerung gestaltet         und Roma den grösstmöglichen Nutzen daraus
sich die Suche nach einem geeigneten Standort         ziehen können.
oftmals als schwierig. Partizipative Verfahren in
der Planung gelten als vielversprechende Ansätze,
um frühzeitig nach für alle tragbaren Lösungen
zu suchen. Solange nicht ausreichend Plätze vor-
handen sind, sind die Kantone und Gemeinden
gefordert, flexible Lösun­gen, wie beispielsweise
Zwischennutzungen, anzubieten. Der spontane
Halt, die ursprünglichste Form der fahrenden Le-
bensweise, ist wenn immer möglich zu erlauben.
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		RIASSUNTO
    La Fondazione «Un futuro per i nomadi svizzeri»            Non è migliore la situazione per quanto riguarda le
    analizza regolarmente da 20 anni la situazione             aree di passaggio. Sono solo 24 le aree di passag­
    della popolazione nomade in Svizzera. I risultati          gio che svolgono la loro funzione tanto da poter
    sono stati documentati per la prima volta nel              essere considerate aree di stazionamento a pieno
    2001 in una perizia e successivamente nei rappor-          titolo. È quindi disponibile solo il 30-40 per cento
    ti sulla situazione 2005, 2010 e 2015. Il rapporto         di tutte le aree di passaggio necessarie. Un terzo
    sulla situazione 2021 presenta ancora una volta le         di queste, poi, è solo provvisoriamente in funzione
    con­­os­cenze più aggiornate in merito alla situa-         e la loro sopravvivenza a lungo termine incerta.
    zione delle aree di stazionamento dei nomadi               Oltre a queste 24 aree di passaggio ne esistono
    Jenisch, Sinti e Rom.                                      altre quattordici, per lo più minori, utilizzabili
                                                               però solo in misura molto limitata a causa di difetti
    Approssimativamente da 2000 a 3000 Jenisch e               qualitativi o utilizzi multipli da parte dei comuni.
    Sinti praticano in Svizzera uno stile di vita nomade.      Per permettere a Jenisch e Sinti di praticare il
    Il desiderio di mettersi in viaggio e tenere viva          loro stile di vita nomade sono di conseguenza
    la cultura dei propri avi continua intatto anche tra       necessarie circa 50 ulteriori aree di passaggio.
    i giovani. Per praticare il loro stile di vita, i nomadi
    Jenisch e Sinti hanno bisogno di 40 – 50 aree di           Negli ultimi anni è stato possibile bloccare nel
    sosta che possano servire loro da domicilio fisso.         complesso il calo delle aree di sosta e di passaggio
    Un domicilio fisso è necessario soprattutto d‘inver­       e stabilizzare la situazione. In alcuni Cantoni
    no, al di fuori dei periodi di viaggio, ma può             sono in programma aree di sosta e di passaggio
    diventare importante anche ad esempio con i                aggiuntive, il che fa sperare in un miglioramento
    bambini in età scolare o in caso di malattia. Per          della situazione per i nomadi Jenisch e Sinti. La
    il soggiorno temporaneo durante i periodi di               pianificazione e realizzazione di aree di staziona-
    viaggio, principalmente tra primavera e autunno,           mento richiedono tuttavia sempre molto tempo,
    sono necessarie circa 80 aree di passaggio.                così che considerata l‘elevata carenza esistente si
                                                               possono avvertire solo progressi minimi.
    La Svizzera dispone attualmente di 16 aree di
    sosta. Negli ultimi cinque anni siamo riusciti a           Anche nomadi stranieri Rom, in genere originari
    ottenere un‘unica area di sosta in più. Al momento         dei Paesi vicini, visitano la Svizzera regolarmente.
    è presente a malapena la metà di tutte le capacità         Così come i nomadi svizzeri, anch‘essi hanno
    necessarie; mancano infatti ancora 20 – 30 aree            bisogno di luoghi in cui poter soggiornare anche
    di sosta. È vero che con le aree di passaggio, che         per diverse settimane o mesi, per lo più per eser-
    sono aperte tutto l‘anno e permettono un più               citare il proprio lavoro. Il numero di persone che
    lungo soggiorno d‘inverno, è possibile supplire            soggiorna in Svizzera durante i periodi di viaggio
    parzialmente alla carenza di aree di staziona­             può variare stagionalmente. Per permettere
    mento, ma a causa della diversa qualità della vita         ai Rom stranieri di praticare il loro stile di vita
    che permettono, queste aree non sono parago­               nomade è necessario comunque uno spazio per
    nabili a un‘area di sosta. Poiché spesso nei comuni        almeno 400-600 roulotte.
    di ubicazione delle aree di passaggio non è pra-
    ticamente possibile lasciare i propri documenti,
    i nomadi Jenisch e Sinti senza domicilio fisso si
    trovano di fronte a conseguenze gravi in merito ai
    loro diritti come cittadine e cittadini svizzeri.
STANDBERICHT 2021 Halteplätze für fahrende Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz Aktuelle Ausgangslage und künftiger Handlungsbedarf - Stiftung ...
Standbericht 2021                                                                         Riassunto Seite 8

Per quanto riguarda le aree di transito per nomadi     La disponibilità di aree di sosta, passaggio e tran-
Rom stranieri la situazione negli ultimi anni è        sito varia molto da regione a regione a seconda
migliorata. La Svizzera dispone oggi di sette aree     della categoria di area. Con poche eccezioni cer-
di transito, di cui tre solo provvisoriamente in       tamente quasi tutti i Cantoni sono interessati da
funzione. Sono rivolte per lo più a unità familiari    questa tematica e sono sollecitati a collaborare
maggiori e offrono spazio per circa 220 roulotte.      ancora in futuro al miglioramento della situazione
Il numero delle piazzole per roulotte è quindi il      delle aree di stazionamento dei nomadi Jenisch,
doppio rispetto a cinque anni fa. Esistono, è vero,    Sinti e Rom. Questo fatto è generalmente ricono-
anche aree di passaggio che ammettono stranieri        sciuto dai Cantoni. Negli ultimi anni infatti questa
e straniere, ma in passato l‘accesso a queste          tematica si è riflessa sempre più negli strumenti
aree è stato sempre più impedito ai nomadi Rom         di pianificazione delle autorità. A causa della
stranieri. Aumenta quindi la pressione a sostare       scarsa accettazione sociale della popolazione
sulle aree di transito o da qualche parte spon-        nomade, la ricerca di un luogo di stazionamento
taneamente. Sorgono di conseguenza conflitti           adeguato diventa spesso difficile. Le procedure
con la popolazione locale a causa di occupazioni       partecipative nella pianificazione sono considerate
irregolari e la concorrenza tra i diversi raggruppa-   approcci molto promettenti per cercare tempe­
menti per accaparrarsi le poche aree. In definitiva    stivamente soluzioni accettabili da tutti. Finché
mancano in Svizzera circa dieci aree di transito,      non vi saranno sufficienti aree di stazionamento,
per avere un‘offerta minima di possibilità di sosta    Cantoni e comuni sono sollecitati a offrire so-
per i nomadi Rom stranieri. Al momento Confe-          luzioni flessibili, come ad esempio utilizzazioni
derazione e Cantoni stanno affrontando insieme         transitorie. La sosta spontanea, la forma più
il compito di rimediare a questa carenza grazie        originaria dello stile di vita nomade, va permessa
all‘elaborazione di un piano aree di transito.         ove possibile.

                                                       Una buona posizione gioca un ruolo essenziale
                                                       per la qualità della vita nell‘area di stazionamento
                                                       e per la soddisfazione della popolazione nomade.
                                                       Vanno considerate a tal fine in particolare le mi-
                                                       sure antinquinamento, la sicurezza, le specifiche
                                                       esigenze dei bambini, ma anche la raggiungibilità
                                                       dei principali assi stradali e di istituzioni come
                                                       scuole. C‘è tendenzialmente molta richiesta di aree
                                                       di stazionamento nelle aree urbane. In questi
                                                       spazi servono quindi aree in maggior numero o
                                                       più grandi che nelle zone rurali.

                                                       Per migliorare la situazione, oltre alla creazione
                                                       di nuove aree di stazionamento, va prestata
                                                       attenzione alla qualità di quelle già esistenti. Le
                                                       aree esistenti andrebbero mantenute per quanto
                                                       possibile, e se necessario valorizzate. Va stabilita
                                                       possibilmente una gestione definitiva. L‘accesso
                                                       alle aree di stazionamento dovrebbe avvenire in
                                                       modo semplice e non complicato, così che nomadi
                                                       Jenisch, Sinti e Rom possano trarne il maggior
                                                       beneficio possibile.
STANDBERICHT 2021 Halteplätze für fahrende Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz Aktuelle Ausgangslage und künftiger Handlungsbedarf - Stiftung ...
Standbericht 2021                                                                         Einleitung Seite 9

3. EINLEITUNG
  3.1. AUSGANGSLAGE                                      3.2. METHODIK
  Sobald die Reisezeit der fahrenden Jenischen,          Aktuelle und fundierte Kenntnis der Herausforde­
  Sinti und Roma in der Schweiz beginnt, begeben         r­un­gen im Zusammenhang mit der fahrenden
  sich diese auf die Suche nach Halteplätzen. Sie        Lebensweise der Jenischen, Sinti und Roma in der
  stellen dann oftmals fest, dass sich die Suche         Schweiz sowie die Vernetzung mit den zentralen
  als schwierig erweist und nicht genügend Plätze        Akteuren sind eine wichtige Voraussetzung für die
  vorhanden sind, um ihre traditionelle Lebens-          laufenden Arbeiten der Stiftung. Diese hat des-
  weise ausüben zu können. Spätestens gegen Ende         halb entschieden, den Standbericht 2021 erstmals
  der Saison stellt sich dasselbe Problem mit dem        intern zu erarbeiten.
  Winterquartier. Während die meisten Jenischen
  und Sinti einen festen Standplatz bevorzugen, ver­-    Für die Erhebung der Daten wurden schweizweit
  bringen andere die Wintermonate im Wohnwagen           mit den zuständigen kantonalen und kommunalen
  oder in einer Wohnung. Letzteres oftmals mangels       Vertretern und Vertreterinnen aus Verwaltung
  Alternativen. Die ausländischen fahrenden Roma         und Politik, der Regional- und Kantonspolizei sowie
  kehren in der Regel in ihre Heimatländer zurück.       mit in- und ausländischen fahrenden Jenischen,
  Obwohl in der Schweiz eine rechtliche Pflicht          Sinti und Roma Gespräche nach einem vorgängig
  zur Schaffung von Halteplätzen besteht, ist es         festgelegten Ablauf geführt. Als die Situation
  vielerorts bis heute nicht gelungen, den fah-          mit dem Coronavirus physische Treffen verunmög-
  renden Jenischen, Sinti und Roma ausreichend           lichte, musste das Vorgehen angepasst werden.
  Wohnraum zur Verfügung zu stellen.                     Die weitere Datenerhebung bei den kantonalen
                                                         Behörden, den Standortgemeinden von Halte-
  Die 1997 vom Bund ins Leben gerufene Stiftung          plätzen und der Polizei erfolgte sodann mittels
  «Zukunft für Schweizer Fahrende» hat den               drei, spezifisch für diese Zielgruppen erarbeiteten
  Auftrag, die Lebensbedingungen der fahrenden           Fragebogen in deutsch und französisch. Zudem
  Jenischen, Sinti und Roma in der Schweiz zu            wurden weitere Dokumente wie Platzreglemente
  verbessern. Dabei nimmt die Verfügbarkeit von          und Angaben zu den Nutzungszonen der Plätze
  Halteplätzen einen hohen Stellenwert ein. So ist es    gesammelt und in die Auswertungen miteinbe­
  denn auch ein wichtiges Ziel der Stiftung, sich        zogen.
  für die Erstellung von Halteplätzen einzusetzen. Bei
  ihren Tätigkeiten ist sie in ständigem Kontakt mit     Insgesamt fanden Treffen mit Vertreterinnen
  Bundesbehörden, einer Vielzahl von Kantonen            und Vertretern aus 16 Kantonen statt. Dabei stan-
  und Gemeinden, Platzbetreibern sowie mit den           den der Stiftung 55 Gesprächspartnerinnen und
  Nutzerinnen und Nutzern von Halteplätzen.              Gesprächspartner zur Verfügung. Davon waren
                                                         15 Vertreterinnen und Vertreter der Polizei oder
  Seit dem Jahr 2000 wird die Platzsituation der         anderweitiger Sicherheitsdienste. Die Behörden
  fahrenden Jenischen, Sinti und Roma im Fünf-           von 14 Kantonen haben, teilweise zusätzlich zum
  Jahres-Rhythmus analysiert. Dazu gehört es, die        Gespräch, einen Fragebogen ausgefüllt und
  Anzahl und die Qualität der Halteplätze in der         retourniert. Bei den Fragebogen an Standortge-
  Schweiz sowie die Veränderungen im Laufe der           meinden von Halteplätzen oder deren Betreiber
  Zeit aufzuzeigen. Ausgehend von der aktuellen          wurde mit 36 von 40 Fragebogen eine sehr hohe
  Situation wird ermittelt, in welchen Regionen          Rücklaufquote erzielt.
  zusätzliche Halteplätze notwendig sind. Der vor­
  liegende Standbericht 2021 aktualisiert und ver-       Die Gespräche mit den fahrenden Jenischen, Sinti
  tieft die Angaben aus dem Jahr 2015. Die Erkennt-      und Roma erfolgten von Sommer bis Herbst 2020.
  nisse sollen der Stiftung Zukunft für Schweizer        Zu den Gesprächspartnerinnen und -partnern
  Fahrende sowie weiteren Akteuren aus Verwal-           zählten sowohl Einzelpersonen als auch Vertreter­
  tung und Politik als Grundlage für die Förderung       innen und Vertreter der Organisationen der
  der fahrenden Minderheiten dienen.                     Jenischen, Sinti und Roma. Da die Organisationen
                                                         stets für eine Vielzahl von Menschen sprechen,
                                                         kam ihrer Beteiligung eine hohe Bedeutung zu.
                                                         Ihre Aussagen wurden bei diversen Platzbesichti­
                                                         gungen in der ganzen Schweiz mit spontanen
STANDBERICHT 2021 Halteplätze für fahrende Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz Aktuelle Ausgangslage und künftiger Handlungsbedarf - Stiftung ...
Standbericht 2021                                                                    Einleitung Seite 10

Gesprächen mit Platznutzerinnen und -nutzern        Eine im Jahr 2020 von der Stiftung Zukunft für
ergänzt. Insgesamt wurde mit rund zwanzig in-       Schweizer Fahrende in Zusammenarbeit mit den
und ausländischen fahrenden Jenischen, Sinti        Kantonen Basel-Stadt und Aargau in Auftrag
und Roma geredet. Der Fokus der Gespräche           gegebene Evaluation über die von Schweizern und
lag auf der Qualität der Infrastruktur und dem      Ausländern gemeinsam genutzten Halteplätze
Betrieb der Plätz. Die fahrenden Jenischen, Sinti   in Basel und Kaiseraugst lieferte einige zusätz-
und Roma äusserten sich weiter zum Mangel           liche Erkenntnisse, die im vorliegenden Bericht
an Wohnraum, namentlich zu den Regionen mit         berücksichtigt wurden (Stiftung Zukunft für
fehlenden Halteplätzen und den erforderlichen       Schweizer Fahrende, 2021).
Kapazitäten an Stellplätzen in den einzelnen
Gebieten.                                           Um den aktuellen Stand der Planung in den
                                                    Kantonen zu beurteilen, wurden sämtliche kanto-
Für die Gewinnung von Erkenntnissen über den        nalen Richtpläne online konsultiert und ihre
Aufenthalt von ausländischen fahrenden Roma         Einträge zur Thematik der fahrenden Jenischen,
in der Schweiz, wurden alle entsprechenden Aus-     Sinti und Roma analysiert. Die derzeit vorhan-
sagen aus den Gesprächen mit Behörden, Platz-       denen sechs kantonalen Konzepte zum Umgang
betreibern, Vertreterinnen und Vertretern der       mit der fahrenden Bevölkerung, lieferten hierzu
Polizei sowie aus den Fragebogen der Kantone        weitere Erkenntnisse. Um der Frage nachzugehen,
und Standortgemeinden ausgewertet. Vielerorts       welche zentralen Herausforderungen sich bei der
verfügte die Kantons- oder Regionalpolizei über     Planung und Realisierung von Halteplätzen er-
das meiste Wissen bezüglich Aufenthaltsort und      geben, wurde dieser Punkt in den Gesprächen wie
Aufenthaltsdauer der fahrenden Roma in der          auch in den Fragebogen aufgenommen.
Schweiz. Es wurden deshalb eigens zu diesem
Thema zusätzliche Gespräche mit Vertretern der      Für den Standbericht 2021 sind folglich Daten aus
Polizei und des Eidgenössischen Grenzwachtkorps     unterschiedlichen schriftlichen Quellen sowie
organisiert. Falls möglich nahmen diese eine        mündliche Informationen verschiedenster Akteure
Einschätzung vor, wie viele Wohnwagen von aus-      ausgewertet worden. Dieser Methodenmix, der
ländischen fahrenden Roma sich in der Schweiz       auch dazu beitrug, dass Herausforderungen aus
befinden, wie lange ihre Aufenthaltsdauer ist und   gegensätzlichen Perspektiven beleuchtet wurden,
in welchen Räumen sie sich bewegen. Die Ge-         führte zu einer soliden empirischen Grundlage.
sprächspartnerinnen und -partner stützten sich
dabei auf Informationen wie Statistiken zur Aus-    Sämtliche Angaben zur Infrastruktur und zum
lastung der Plätze, zu Polizeieinsätzen oder auf    Betrieb der einzelnen Stand-, Durchgangs- und
ihre Erfahrungswerte aus der Praxis. Sämtliche      Transitplätze wurden in einer Access-Datenbank
qualitativen und quantitativen Angaben aus den      dokumentiert. Sie steht der Stiftung für weitere
Fragebogen und Gesprächen wurden protokolliert      Verwendungszwecke zur Verfügung.
und ausgewertet. Mittels einer quantitativen
Analyse nach Kantonen und Regionen wurde er-
mittelt, gemäss welchen Quellen wie viele Wohn-
wagen von ausländischen fahrenden Roma in
welchen Regionen unterwegs sind. Basierend auf
diesen Angaben, entstanden die Aussagen über
die räumlichen Bedürfnisse der ausländischen
fahrenden Roma in der Schweiz. Unter der aktuell
vorhandenen Datenlage erschien es sinnvoller,
hier mit Spannbreiten zu arbeiten und keine fixen
Werte festzulegen.
Standbericht 2021                                                                       Einleitung Seite 11

3.3. NEUERUNGEN IM STANDBERICHT 2021                 Die optimale Grösse eines Stand- oder Durch-
Im Standbericht 2021 werden gegenüber den            gangsplatzes wurde in der Vergangenheit mit
vorangehenden Ausgaben einige wichtige               zehn Stellplätzen beziffert. Inzwischen besteht
Änderungen vorgenommen. Diese werden im              die Überzeugung, dass diese innerhalb einer
Folgenden kurz dargelegt:                            grösseren Spannbreite variieren kann. Aufgrund
                                                     der schwierigen Standortsuche, aber auch
Bis anhin wurden für die Verortung des Bedarfs       aufgrund von unterschiedlichen Bedürfnissen
an Halteplätzen statistische Raumeinheiten           erscheint es sinnvoll, möglichst flexible Lösungen
verwendet. 2015 waren dies die Raumplanungs­         zu finden und den Platz an die lokalen Gegeben-
regionen des Bundesamts für Statistik BFS.           heiten anzupassen.
Sie leisteten einen wichtigen Beitrag, um räum-
lich konkret festzuhalten, wo weitere Halteplätze    Bei den Transitplätzen wurde die Spannbreite für
notwendig sind. Ihre sehr unterschiedliche Grösse    die optimale Anzahl Stellplätze nach unten kor-
und die flächendeckende Kartierung führten           rigiert. Ging man vormals noch von einer Grösse
jedoch teilweise zu einem Genauigkeitsverlust        von 35 bis 80 Stellplätzen aus, so gilt heute eine
oder zu einer eingeschränkten Flexibilität. Heute    Spannbreite von 20 bis 40 Stellplätzen als optimal.
wird es als zielführender erachtet, die von den      Bei den einzelnen Kapiteln zu den Stand-, Durch-
fahrenden Jenischen, Sinti und Roma bevorzugten      gangs- und Transitplätzen wird näher darauf
Räume zu nennen ohne auf offizielle statistische     eingegangen.
Einheiten zurückzugreifen. Innerhalb dieser Räume
soll dann stärker mit Standortkriterien gearbeitet   Auf die kartographische Darstellung der Haupt-
werden, so dass die Halteplätze möglichst da         routen der fahrenden Jenischen und Sinti wird
zu liegen kommen, wo sie am meisten nachgefragt      verzichtet. Es zeigt sich, dass die Reiserouten
werden und die Lebensqualität der Nutzer und         sehr individuell und variabel sind. Es gibt fahrende
Nutzerinnen gewährleistet ist. Die Standortkri-      Jenische, Sinti und Roma, die hauptsächlich
terien werden bei den einzelnen Platzkategorien      innerhalb einer bestimmten Region unterwegs
thematisiert, aber noch nicht detailliert ausge-     sind. Andere widerum legen weitere Strecken
führt. Die Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende   zurück und bewegen sich auch über die Landes-
plant die Erarbeitung einer weiteren Publikation,    teile hinweg.
die sich mit dem Bau und Betrieb der Halteplätze
befassen wird. Die Standortfragen sollen darin       Der vorliegende Bericht legt den Fokus auf die
eingehender behandelt werden.                        wesentlichsten Sachverhalte in Zusammenhang
                                                     mit den Halteplätzen. Die in früheren Ausgaben
                                                     in Form von Empfehlungen formulierten Ziele,
                                                     Strategien und Handlungsfelder werden nicht
                                                     mehr weitergeführt.

                                                     Neu fand eine eingehendere Auseinandersetzung
                                                     mit der aktuellen Lage und den räumlichen Be-
                                                     dürfnissen der ausländischen fahrenden Roma in
                                                     der Schweiz statt. Erstmals wurde mittels einer
                                                     Datenerhebung regional analysiert, wie viele aus-
                                                     ländische fahrende Roma die Schweiz bereisen
                                                     und wo infolgedessen weitere Transitplätze not-
                                                     wendig sind, um ein Mindestmass an Haltemög-
                                                     lichkeiten für ihren Aufenthalt zu gewährleisten.
Standbericht 2021                                                                      Grundlagen Seite 12

4. GRUNDLAGEN
  4.1. WICHTIGE BEGRIFFE                                 2016 äusserten die Jenischen und Sinti den
                                                         Wunsch, unter ihrer Selbstbezeichnung aner-
  Jenische                                               kannt zu werden. Bundesrat Berset sprach sich
  Als Jenische bezeichnen sich die in Europa leben-      dafür aus, diesem Anliegen nachzukommen
  den Angehörigen beziehungsweise Nachfahren             und sie künftig als Jenische und Sinti zu be­
  von meist ursprünglich fahrenden Bevölkerungs-         zeichnen.
  gruppen. Wichtiges gemeinsames Merkmal ist
  die jenische Sprache, die auf dem Deutschen            Standplatz
  basiert und Wörter aus dem Romanes, dem Hebrä-         Die meisten fahrenden Schweizer und Schweizerin-
  ­­ischen und dem Rotwelschen beinhaltet. In der        nen verbringen den Winter auf einem Standplatz,
  Schweiz leben zwischen 30 000 und 35 000 Jeni­sche.    meist in fest installierten, kleinen Holzchalets,
  Weniger als zehn Prozent pflegen noch eine fah-        Wohncontainern oder auch im Wohnwagen. Die
  rende Lebensweise. Jenische sind in der Schweiz        Bewohner und Bewohnerinnen eines Standplatzes
  eine anerkannte kulturelle Minderheit. Sie haben       hinterlegen ihre Schriften bei der Standortge-
  schon immer hier gelebt und besitzen das               meinde und haben hier ihren festen Wohnsitz.
  Schweizer Bürgerrecht.
                                                         Durchgangsplatz
  Sinti & Manouches                                      Von Frühling bis Herbst sind die fahrenden
  Sinti leben hauptsächlich in Frankreich, Italien und   Jenischen und Sinti in Gruppen unterwegs. Dazu
  Deutschland. In der Schweiz wird ihre Zahl je nach     sind sie auf Durchgangsplätze angewiesen, die
  Quelle und Zählweise auf bis zu 3000 Personen          rund zehn bis zwanzig Stellplätze für Wohnwagen
  geschätzt. Ihre Muttersprache ist «Sintitikes», eine   haben. Sie halten sich dort wenige Wochen auf
  Form des Romanes. Im Französischen werden die          und besuchen von diesen Plätzen aus ihre Kunden
  Sinti «Manouches» genannt. Wie die Jenischen ge-       und Kundinnen. Die Durchgangsplätze werden
  hören auch sie den geschützten Minderheiten an.        oftmals von den kommunalen oder kantonalen Be­
                                                         hörden, in seltenen Fällen von Privaten betrieben
  Roma                                                   und sind mit der notwendigsten Infrastruktur wie
  Der Begriff «Roma» umfasst eine Vielzahl von           Strom, Wasser und Toiletten ausgestattet.
  Menschen verschiedener Kulturen, deren Vorfahren
  Indien im 14. Jahrhundert verlassen haben und          Transitplatz
  heute unterschiedliche Formen von Romanes              Die vorwiegend auf ausländische fahrende Roma
  sprechen. Roma Organisationen in der Schweiz           ausgerichteten Halteplätze werden als Transit-
  schätzen, dass zwischen 40 000 und 80 000 Roma         plätze bezeichnet. Diese sind meist grösser dimen-
  in der Schweiz leben. Diese sind im Zuge von Mig-      sioniert als die Durchgangsplätze und bieten in
  rationsbewegungen eingewandert, beispielsweise         der Regel für 20 bis 50 Wohnwagen Platz. Bezüg-
  aus Südosteuropa. Die meisten von ihnen waren          lich ihrer Infrastruktur und dem Betrieb sind sie
  stets sesshaft. Roma, die eine fahrende Lebens-        mit den Durchgangsplätzen vergleichbar.
  weise pflegen und während der Reisesaison
  in der Schweiz unterwegs sind, stammen haupt-          Stellplatz
  sächlich aus den Nachbarländern.                       Ein Stellplatz ist die Fläche, die einer Familie
                                                         während ihres Aufenthalts auf einem Halteplatz
  Fahrende                                               zur Verfügung steht. Auf einem Standplatz ist das
  In der Schweiz wird der Ausdruck «Fahrende»            die Parzelle für die Baute und den dazugehörigen
  häufig für Menschen mit einer fahrenden Lebens-        Umschwung. Auf einem Durchgangs- oder Tran-
  weise verwendet. Damit sind sowohl in- wie auch        sitplatz dient der Stellplatz dem Abstellen des
  ausländische Jenische, Sinti und Roma ­gemeint.        Wohnwagens, der Zugfahrzeuge, allenfalls eines
  Von den Jenischen und Sinti mit Schweizer Staats-      Kinderwohnwagens oder weiterer Anhänger.
  bürgerschaft pflegen noch 2000 bis 3000 Per­
  sonen eine fahrende Lebensweise.
Standbericht 2021                                                                      Grundlagen Seite 13

Plätze mit gemischter Nutzung                         4.2. RECHTLICHE VORGABEN ZUM SCHUTZ
Von gemischt genutzten Plätzen wird dann ge-                DER JENISCHEN, SINTI UND ROMA
sprochen, wenn diese während der Reisezeit als        Verschiedene internationale Übereinkommen
Durchgangsplatz dienen und im Winter während          und schweizerische Rechtsbestimmungen sind
mehreren Monaten als Standplatz benutzt werden        für die Rechte der Jenischen, Sinti und Roma
können. Zudem gibt es Plätze, die Schweizer           insbe­sondere in Verbindung mit ihrer fahrenden
und Schweizerinnen sowie Ausländer und Aus­           Lebensweise relevant. Diese Vorgaben werden
länderinnen zulassen und somit gleichzeitig           im Folgenden übersichtsartig dargestellt.
Durchgangs- wie auch Transitplatz sind.
                                                      4.2.1. INTERNATIONALE RECHTLICHE GRUNDLAGEN
Provisorische und definitive Stand-, Durchgangs-      Die kulturellen Rechte der Jenischen, Sinti und
und Transitplätze                                     Roma werden auf internationaler Ebene nament-
Von einem definitiven Halteplatz ist dann die Rede,   lich durch die Konvention der Menschenrechte
wenn sein Fortbestand rechtlich gesichert ist.        und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101), den interna­
Die rechtliche Sicherung kann mittels eines Ein­      tionalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und
trags in einen kantonalen oder kommunalen             kulturelle Rechte (UNO-Pakt I, SR 0.103.1) sowie den
Zonenplan und das Zonenreglement geschehen,           internationalen Pakt über bürgerliche und poli-
zum Beispiel, indem eine «Zone für Fahrende»          tische Rechte geschützt (UNO-Pakt II, SR 0.103.2).
erlassen wird. Möglich ist auch eine privatrecht-     Bei letzterem ist der Artikel 27 relevant: Staaten
liche Sicherung, die beispielsweise in Form einer     mit ethnischen, religiö­sen oder sprachlichen
Leistungsvereinbarung zwischen dem Grund-             Minderheiten dürfen deren Angehörigen nicht das
eigentümer und den Behörden oder mittels einer        Recht vorenthalten, gemeinsam mit anderen
Dienstbarkeit sichergestellt wird. Im vorliegenden    Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles
Bericht wird ein definitiver Halteplatz jedoch noch   Leben zu pflegen, ihre Religion zu bekennen und
etwas weiter gefasst, indem die langfristigen         auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu
Absichten und Möglichkeiten des Platzbetreibers       bedienen. UNO-Menschenrechtsorgane forderten
in die Beurteilung miteinbezogen werden. Besteht      die Schweiz verschiedentlich auf, den Minder-
beispielsweise ein Platz in einer herkömmlichen       heiten genügend Plätze zur Verfügung zu stellen
Zone und ist es die Absicht des Betreibers,           (CESCR, 2019).
diesen langfristig zu führen, wird er als definitiv
betrachtet.                                           Weiter ist das Internationale Übereinkommen
                                                      zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskrimi-
Bei den provisorischen Halteplätzen handelt           nierung relevant (CERD, SR 0.104). In den letzten
es sich meist um Übergangslösungen, Zwischen-         Empfehlungen an die Schweiz thematisiert der
nutzungen oder Mehrfachnutzungen eines                UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendis­
Platzes. Ihr Betrieb ist längerfristig weder beab­    kriminierung CERD (Committee on the Elimina-
sichtigt noch gesichert und es muss damit             tion on Racial Discrimination) die Situation der
gerechnet werden, dass der Platz wieder ge-           Jenischen, Sinti und Roma und forderte von der
schlossen wird.                                       Schweiz verstärkte Anstrengungen betreffend
                                                      Zugang zur Bildung und für den Erhalt ihrer Spra-
Spontaner Halt                                        che und Lebensweise. Zudem sollte die Schweiz
Beim spontanen Halt bleiben fahrende Jenische,        sicherstellen, dass auf den ersten Blick neutral
Sinti und Roma bis zu rund vier Wochen auf einem      formulierte Gesetze und Richtlinien keine indirek-
privaten oder öffentlichen Grundstück. Aufgrund       ten Diskriminierungen zur Folge haben, insbe-
der unregelmässigen und befristeten Nutzung           sondere bei der Raumplanung oder den gesetz-
steht ihnen dabei normalerweise nur eine ein-         lichen Bestimmungen über das Abstellen von
fache Infrastruktur zur Verfügung. Bei dieser Art     Wohnwagen (CERD-Empfehlungen 2014, S. 5).
des Haltens handelt es sich um die ursprüng-
lichste Form der fahrenden Lebensweise.               Derzeit ist eine Individualbeschwerde beim
                                                      UNO-Ausschuss für die Beseitigung der Rassen-
                                                      diskriminierung CERD gegen das neue Gesetz
                                                      des Kantons Neuenburg über das Abstellen
                                                      von Wohnwagen der Jenischen, Sinti und Roma
                                                      hängig. Zuvor lehnte das Bundesgericht eine
                                                      entsprechende Beschwerde auf nationaler Ebene
                                                      ab (BGE 145 I 173).
Standbericht 2021                                                                                Grundlagen Seite 14

                   Die Ratifizierung der Europäischen Charta der                     4.2.2. AKTIONSPLAN DES BUNDES
                   Regional- und Minderheitensprachen (SR 0.441.2)                   Der Bundesrat setzte 2014 eine Arbeitsgruppe für
                   führte 1997 zur Anerkennung des Jenischen als                     die «Verbesserung der Bedingungen für die fahr­
                   Minderheitensprache.                                              ende Lebensweise und zur Förderung der Kultur
                                                                                     der Jenischen, Sinti und Roma» ein. Diese bestand
                   Die Schweiz ratifizierte 1998 das Rahmenabkom-                    aus Vertreterinnen und Vertretern von Behörden
                   men des Europarates zum Schutz nationaler                         und Organisationen der fahrenden Jenischen,
                   Minderheiten (SR 0.441.1) und anerkannte damit                    Sinti und Roma. Diese Zusammensetzung ermög-
                   die Schweizer Jenischen und Sinti als nationale                   lichte einen breit abgestützten Arbeitsprozess.
                   Minderheiten. Die Schweiz hat sich mit der Ratifi­                Es wurde ein Aktionsplan mit Empfehlungen und
                   zierung verpflichtet, die Rahmenbedingungen                       konkreten Massnahmen zu dessen Umsetzung
                   zu verbessern, damit die Minderheiten ihre Kultur                 erarbeitet (BAK, 2016). So setzte man sich unter
                   pflegen und weiterentwickeln können. Regelmässig                  anderem das Ziel, bis 2022 genügend Halteplätze
                   besucht deshalb ein beratender Ausschuss des                      zu schaffen. Der Bundesrat nahm den Aktionsplan
                   Europarates die Schweiz und überprüft die Um-                     zur Kenntnis und liess sich zwei Jahre später
                   setzung des Rahmenübereinkommens. Er stellte                      über den Zwischenstand der Umsetzung infor-
                   in einem Gutachten im Jahr 2018 fest, dass zahl-                  mieren (BAK, 2018).
                   reiche Kantone in ihren Richtplänen Halteplätze
                   vorsehen und teilweise auch realisiert haben.                     Der Aktionsplan des Bundes ist eine Selbstver-
                   Aber das Angebot an Halteplätzen sei nach wie                     pflichtung der Politik und der Behörden, ihren
                   vor mangelhaft. Eine Verbesserung der Situation                   Handlungsspielraum zugunsten der Jenischen,
                   sei innerhalb der Frist, die der Aktionsplan des                  Sinti und Roma auszuschöpfen und diese effektiv
                   Bundes vorsehe, anzustreben1.                                     zu schützen. Politik und Behörden bekräftigen
                                                                                     damit ihren Willen, gemeinsam auf Lösungen hin-
                                                                                     zuarbeiten (Espace Suisse, 2019, S. 19).
1 Beratender Ausschuss für das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler
  Minderheiten (2018): Viertes Gutachten über die Schweiz – verabschiedet am
  31.5.2018 und Ministerkomitee gemäss Art. 24 – 26 des Rahmenabkommens zum
  Schutz nationaler Minderheiten (2019): Resolution CM/ResCMN(2019)7 über
  die Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten
  durch die Schweiz (verabschiedet vom Ministerkomitee am 14. Mai 2019, anlässlich
  der 1346. Sitzung der Ministerdelegierten).
Standbericht 2021                                                                                    Grundlagen Seite 15

                   4.2.3. NATIONALE RECHTLICHE GRUNDLAGEN                              Ein Leiturteil zur Berücksichtigung der Halteplätze
                   Fahrende und sesshafte Jenische, Sinti und Roma                     in der Raumplanung fällte das Bundesgericht
                   können sich auch auf nationaler Ebene auf ver-                      2003 (BGE 129 II 321 Céligny GE). Gemäss der Recht-
                   schiedene Grundrechte berufen. So sieht die Bun-                    sprechung des Europäischen Gerichtshofes für
                   desverfassung (BV) den Erhalt und die Förderung                     Menschenrechte ist das Leben im Wohnwagen ein
                   der Vielfalt des Landes vor (Art. 2, Abs. 2 BV) und                 zentrales Element der Identität der Fahrenden. Es
                   schützt damit auch Minderheiten vor kultureller                     besteht somit ein Recht auf die fahrende Lebens-
                   Assimilation (Belser, 2015). Weiter sind der Schutz                 weise (Art. 8 Abs. 1 EMRK). Das Bundesgericht kam
                   der Menschenwürde (Art. 7 und 10 BV), die Nieder-                   deshalb wie auch aufgrund der Bundesverfassung
                   lassungsfreiheit (Art. 24 BV) sowie der Schutz                      (Art. 7, 10, 13) zum Schluss, den Bedürfnissen der
                   des Privat- und Familienlebens relevant (Art. 13,                   Fahrenden sei in der Raumplanung Rechnung zu
                   Abs. 2 BV). Der Schutz der Wohnung in Art. 13 BV                    tragen. Die Behörden sind verpflichtet, gestützt
                   gilt zwar auch für Wohnwagen, aber es lässt sich                    auf die Planungspflicht des Raumplanungsge-
                   daraus kein justiziables Recht auf Halteplätze                      setzes RPG vom 22. Juni 1979 (Art. 2 RPG) und den
                   ableiten, weil der Schutzgedanke und nicht ein                      Grundsatz, die Siedlungen nach den Bedürfnissen
                   Leistungsanspruch im Vordergrund steht (Espace                      der Bevölkerung zu gestalten (Art. 3, Abs. 3 RPG),
                   Suisse, 2019, S. 14; Schweizer/De Brouwer, 2018,                    auch Halteplätze für Fahrende in der Richt- und
                   S. 26ff; Bundesamt für Justiz 2016, S. 2).                          Nutzungsplanung zu berücksichtigen. Diese Ver-
                                                                                       pflichtung der Kantone und Gemeinden umfasst
                                                                                       auch Halteplätze für ausländische fahrende
2 Weiterführende Informationen zur rechtlichen Grundlage finden sich in EspaceSuisse
                                                                                       Roma, da sie vor Diskriminierung geschützt sind
  (2019): Halteplätze für Jenische, Sinti und Roma. Rechtliche und raumplanerische     (Espace Suisse 2019, S. 14; Bundesamt für Justiz
  Rahmenbedingungen für Halteplätze. Raum & Umwelt. Dossier zur Raumentwicklung        2002, S. 9).
  1/2019. Siehe ebenfalls: Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte
  SKMR (2020): Fahrende Lebensweise: der spontane Halt. Rechtslage, Praxis und
  Handlungsempfehlungen. Studie im Auftrag der Stiftung Zukunft für Schweizer          Bund, Kantone und Gemeinden stimmen ihre
  Fahrende. Tschannen Pierre, Wyttenbach Judith, Mattmann Jascha.                      raumwirksamen Tätigkeiten aufeinander ab (Art. 2
                                                                                       Abs. 1 RPG). Der Bund hat dazu unter anderem die
                                                                                       Möglichkeit, in Fragen, bei denen er nur in Teil­
                                                                                       bereichen zuständig ist oder die Tätigkeiten Dritter
                                                                                       finanziell unterstützt, Konzepte zu erarbeiten
                                                                                       (Art. 13 RPG). Da es sich beim Bau und der Bewirt-
                                                                                       schaftung von Transitplätzen um eine landes-
                                                                                       weite Aufgabe handelt, ist es unabdingbar, diese
                                                                                       über die Kantonsgrenzen hinaus zu koordinieren
                                                                                       (Espace Suisse, 2019, S. 18f). Die Erstellung eines
                                                                                       Konzepts für den Bau und Betrieb der Transitplätze
                                                                                       wurde deshalb als sinnvoll erachtet und befindet
                                                                                       sich derzeit beim Bund und den Kantonen in Er-
                                                                                       arbeitung. Durch die Unterstützung des Bundes
                                                                                       werden die Kantone künftig entlastet. Sie sollen
                                                                                       sodann ihrer Aufgabe, Plätze für Schweizer
                                                                                       Fahrende zu schaffen, vermehrt nachkommen.

                                                                                       Zusammenfassend wird deutlich, dass sowohl
                                                                                       internationale als auch nationale Vorgaben die
                                                                                       fahrenden und sesshaften Jenischen, Sinti und
                                                                                       Roma schützen. Internationale Menschenrechts-
                                                                                       organe rügen die Schweiz seit längerem wegen
                                                                                       der fehlenden Halteplätze. Die nationalen recht-
                                                                                       lichen Vorgaben machen deutlich, dass der Bau
                                                                                       und Betrieb von Halteplätzen keine freiwillige
                                                                                       Aufgabe darstellt, sondern eine Pflicht ist. 2 Dem
                                                                                       Grundsatz, wonach die Raumplanung die räumli-
                                                                                       chen Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt,
                                                                                       kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu (Art. 3
                                                                                       Abs. 3 RPG).
Standbericht 2021                                                          Bedarf an Halteplätzen Seite 16

5.	DER BEDARF AN HALTEPLÄTZEN FÜR
    SCHWEIZER JENISCHE UND SINTI
  Gemäss Schätzungen pflegen in der Schweiz rund       Um den Bedarf an Stand- und Durchgangsplätzen
  2000 bis 3000 Personen eine fahrende Lebens-         rechnerisch zu ermitteln, werden für den vorlie­
  weise (BAK, 2020). Je nach Quelle variieren diese    gen­den Standbericht die seit dem Jahr 2001
  Schätzungen, und es ist von bis zu 5000 fahren­den   ver­­wendeten Annahmen weiterhin angewendet:
  Jenischen und Sinti die Rede (Galizia, 2012).        Es wird davon ausgegangen, dass nach wie vor
  Sicher ist, dass auch die jungen Jenischen und       rund 2500 Personen eine fahrende Lebensweise
  Sinti nach wie vor auf die Reise gehen und ihre      pflegen. Im Durchschnitt bewohnen drei Personen
  traditionelle Lebensweise pflegen wollen. Das        einen Wohnwagen respektive belegen einen Stell-
  seit langem knappe Angebot an Stand- und             platz. Ein Stand- oder Durchgangsplatz verfügt
  Durchgangsplätzen erschwert ihnen dies stark         in diesen Modellannahmen jeweils über zehn Stell-
  und zwingt viele zu einer sesshaften Lebens-         plätze. Davon ausgehend, dass fahrende Jenische
  weise. Heute ist deshalb davon auszugehen, dass      und Sinti für die Wintermonate auch individuelle
  bei einem grösseren Angebot an Plätzen mehr          Lösungen finden oder die Zeit in einer Wohnung
  Jenische und Sinti ihre fahrende Lebensweise         verbringen, ergibt sich schweizweit ein Bedarf von
  ausüben würden.                                      insgesamt rund 40 bis 50 Standplätzen und rund
                                                       80 Durchgangsplätzen (ERR, 2001). Diese Annah-
                                                       men wurden mit der empirischen Datenerhebung
                                                       plausibilisiert.
Standbericht 2021                                                                   Die Standplätze Seite 17

       6. DIE STANDPLÄTZE
                Ein Standplatz dient den fahrenden Jenischen         6.1. STANDPLÄTZE IN BETRIEB
                und Sinti als ständiger Wohnsitz, insbesondere als   Im Jahr 2020 verfügt die Schweiz über 16 Stand-
                Winterquartier. Er ist mit Bauten wie kleinen        plätze in den Kantonen Aargau, Bern, Freiburg,
                Chalets oder Containern belegt, die das ganze Jahr   Genf, Graubünden, St. Gallen und Zürich (vgl.
                über stehen bleiben. Meist werden diese Bauten       Tabelle 1). Ihre Grösse variiert sehr stark und be-
                von den fahrenden Jenischen und Sinti selber         wegt sich zwischen 5 Stellplätzen in Dietikon (ZH)
                errichtet und unterhalten. Der Grundeigentümer,      und 45 Stellplätzen in Versoix (GE). Insgesamt
                oftmals die Gemeinde, vermietet ihnen dazu eine      sind auf den Standplätzen 248 Stellplätze, res-
                Parzelle auf dem Platz und sorgt für die notwen-     pektive Parzellen, verfügbar.
                dige Erschliessung. Fast immer wohnen mehrere
                Familien gemeinsam auf einem Platz. Dies ist für     Im Jahr 2016 wurde der Stand- und Durchgangs-
                den Erhalt und die Pflege ihrer Kultur von hoher     platz Rania in der Gemeinde Zillis durch die
                Bedeutung. Mit dem Hinterlegen der Schriften bei     Organisation der Jenischen und Sinti, der «Rad-
                der Gemeinde erlangen die fahren­den Jenischen       genossenschaft der Landstrasse», neu in Betrieb
                und Sinti den Zugang zu ihren Rechten und            genommen. Jenische führen ihn in Eigenverant­
                Pflichten als Schweizer Bürger und Bürgerinnen.      wortung. Der Platz ist öffentlich und wird vor allem
                Während ihres Aufenthalts auf dem Standplatz         von Jenischen und Sinti aus der Schweiz benutzt.
                besuchen ihre Kinder die Schulen in der Gemeinde.    Er bietet feste Standplätze in Holzchalets wie auch
                                                                     Durchgangsplätze für einen kürzeren Aufenthalt
                                                                     an. Zudem stehen Touristen Plätze zum Campieren
                                                                     zur Verfügung. Mit einem jenischen Sommer-
                                                                     markt, musikalischen «Stubeten» und dem Treffen
                                                                     der jenischen Jäger im Herbst ist er zugleich
                                                                     ein Ort der Begegnung unter Angehörigen der
                                                                     Minderheiten und der übrigen Bevölkerung.

                                                                                           Tabelle 1: Standplätze in Betrieb

KANTON        GEMEINDE         STELLPLÄTZE
Aargau        Spreitenbach          6
Bern          Bern             36
Bern          Biel/Bienne       14
Freiburg      Hauterive        22
Genf          Versoix          45
Graubünden    Zillis           10
Graubünden    Cazis             11
Graubünden    Chur                  7
St. Gallen    St. Gallen       10
St. Gallen    Uznach                7
St. Gallen    Wil, Freudenau    17
St. Gallen    Wil, Eschenhof    15
Zürich        Dietikon              5
Zürich        Kloten                7
Zürich        Winterthur            6
Zürich        Zürich           30
Total 16 Standplätze mit insgesamt 248 Stellplätze
Standbericht 2021                                                                    Die Standplätze Seite 18

                     Alle 2015 bereits bestehenden Standplätze             Zwar gibt es Jenische und Sinti, die ganzjährig auf
                     werden bis heute weitergeführt. So konnte in          der Reise sind oder diese Art von Winterstand-
                     den letzten Jahren eine, wenn auch nur minime         platz und deren Vorteile durchaus schätzen.
                     Zunahme bei den Standplätzen verzeichnet              So fallen beispielsweise während den Reise-
                     werden (vgl. Tabelle 2). Sämtliche Standplätze        monaten keine weiteren Kosten an, wie das bei
                     sind rechtlich gesichert oder zumindest für           den ganzjährig gemieteten Standplätzen der Fall
                     einen langfristigen Zeithorizont vorgesehen.          ist. Andere jedoch nutzen diese Möglichkeit nur
                                                                           mangels einer Alternative. Durchgangsplätze mit
                                                                           einer längeren Winternutzung entschärfen den
                     6.2. V
                           OR- UND NACHTEILE DES                          Mangel an Standplätzen. Sie können aber nicht
                          WINTERAUFENTHALTS AUF EINEM                      als vollwertige Alternative zur Erstellung eines
                          DURCHGANGSPLATZ                                  herkömmlichen Standplatzes betrachtet werden.
                     In diversen Gemeinden gibt es Durchgangsplätze,       Sie werden hier deshalb nicht zu den Standplät-
                     die ganzjährig geöffnet sind. Sie dienen im Som-      zen gezählt.
                     mer als Durchgangsplätze für einen kürzeren Auf-
                     enthalt und können im Winter während mehrerer
                     Monate als Winterstandplatz benutzt werden.           6.3. STANDPLÄTZE IN PLANUNG
                     Dies ist beispielsweise in Aarau, Basel oder Zürich   Im Kanton Bern befinden sich zwei Halteplätze
                     der Fall. Bei dieser Art von Winternutzung leben      für den Winteraufenthalt in Planung. In Muri
                     die fahrenden Jenischen und Sinti in ihren Wohn-      handelt es sich um einen Platz mit 15 Stellplätzen,
                     wagen, die sie teilweise mit Vorbauten für etwas      der ganzjährig geöffnet sein wird. Er soll im
                     mehr Wohnraum erweitern. Das Überwintern              Sommer als Durchgangsplatz und im Winter als
                     im Wohnwagen unterscheidet sich jedoch stark          Standplatz dienen.
                     von einem Standplatz, auf dem zum Beispiel in
                     einem Chalet gewohnt wird: Die Platzverhältnisse      Der Standplatz in Erlach mit 8 Stellplätzen wird
                     im Winter sind eng und es müssen die allgemein        nur während der Wintersaison benutzt werden
                     zugänglichen Sanitäranlagen benutzt werden. Die       können, da er im Sommer als Campingplatz bean-
                     Heizkosten für einen Wohnwagen sind hoch              sprucht wird. Beide Plätze werden den Jenischen
                     und schlagen oftmals stark zu Buche. Spätestens       und Sinti somit nicht als ganzjähriger Wohnsitz
                     im Frühling muss der Platz verlassen werden,          mit festen Wohnbauten zur Verfügung stehen.
                     weil er wieder als Durchgangsplatz zur Verfügung
                     stehen soll. Muss der Wohnort das ganze Jahr          Auch in anderen Kantonen befinden sich Stand-
                     über in kurzen Abständen gewechselt werden, ist       plätze in Planung. Sie sind jedoch noch nicht
                     es schwierig, die Schriften bei einer Gemeinde        so weit fortgeschritten, dass sie hier erwähnt
                     zu hinterlegen. Damit aber auch die fahrenden         werden sollen. Im Kanton Freiburg stehen derzeit
                     Jenischen und Sinti ihre Rechte als Schweizer         Überlegungen für eine Erhöhung der Kapazitäten
                     Bürger und Bürgerinnen wahrnehmen können, ist         mittels einer Verdichtung des bestehenden Stand­
                     die Wohnsitznahme eine unabdingbare Voraus-           platzes in der Gemeinde Hauterive im Raum.
                     setzung. Auch ist es im Alter, bei Krankheit oder
                     mit schulpflichtigen Kindern von Vorteil, über
                     einen festen Wohnsitz zu verfügen, da nur noch
                     eingeschränkt gereist werden kann. Diese Proble­
                     matik hat sich in der Corona-Krise im Jahr 2020
                     deutlich gezeigt, als diverse Durchgangsplätze
                     temporär geschlossen wurden und viele Jenische
                     und Sinti nicht mehr wussten, wohin sie gehen
                     können.

                                                                           Tabelle 2: Entwicklung der Standplätze von 2000 – 2020

JAHR                                          2000              2005             2010                 2015               2020
Anzahl Standplätze                               11                12               14                  15                   16
Anzahl Stellplätze                             205                212              242                 237                 248
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