STANDBERICHT 2021 Halteplätze für fahrende Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz Aktuelle Ausgangslage und künftiger Handlungsbedarf - Stiftung ...
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STANDBERICHT 2021 Halteplätze für fahrende Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz Aktuelle Ausgangslage und künftiger Handlungsbedarf
IMPRESSUM STANDBERICHT 2021 AUTOREN: REDAKTION UND LAYOUT: Christine De Gasparo und Simon Röthlisberger, typisch.ch, Patrick Bachmann und Tina Hanser Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende Bern, Mai 2021 FOTOS: Eric Roset ÜBERSETZUNG: Französische Übersetzung des Berichts: KARTOGRAPHIE: weiss traductions genossenschaft Matthias Beilstein, Karten und Italienische Zusammenfassung: kartographische Illustrationen Antonella Piazza Schwanengasse 9 | 3011 Bern | stiftung-fahrende.ch | info@stiftung-fahrende.ch | +41 31 552 13 10
Standbericht 2021 Inhalt Seite 3 INHALT 1. Vorwort 4 2. Zusammenfassung 5 Riassunto 7 3. Einleitung 9 3.1. Ausgangslage 9 3.2. Methodik 9 3.3. Neuerungen im Standbericht 2021 11 4. Grundlagen 12 4.1. Wichtige Begriffe 12 4.2. R echtliche Vorgaben zum Schutz der Jenischen, Sinti und Roma 13 5. Der Bedarf an Halteplätzen für Schweizer Jenische und Sinti 16 6. Die Standplätze 17 6.1. Standplätze in Betrieb 17 6.2. V or- und Nachteile des Winteraufenthalts auf einem Durchgangsplatz 18 6.3. Standplätze in Planung 18 6.4. R egionen, in denen weitere Standplätze notwendig sind 19 6.5. S tandortkriterien für Standplätze 19 7. Die Durchgangsplätze 21 7.1. Durchgangsplätze in Betrieb 21 7.2. E ntwicklung der Durchgangsplätze 22 7.3. D urchgangsplätze in Planung 24 7.4. R egionen, in denen weitere Durchgangsplätze notwendig sind 24 7.5. S tandortkriterien für Durchgangsplätze 25 8. Ausländische fahrende Roma in der Schweiz 29 8.1. Herkunft und Aufenthalt der fahrenden Roma 29 8.2. Die Entwicklung der Transitplätze 30 8.3. Regionen, in denen weitere Transitplätze notwendig sind 31 8.4. Die Lage und Ausgestaltung von Transitplätzen 34 9. Der Spontanhalt 35 10. Der Stand der Planung in den Kantonen 36 10.1. H erausforderungen und mögliche Wege für die Realisierung von Halteplätzen aus Sicht der kantonalen und kommunalen Behörden 37 11. Fazit 38 12. Literaturverzeichnis 41
Standbericht 2021 Vorwort Seite 4 1. VORWORT Viersprachig ist sie offiziell, unsere Schweiz – vergessen geht dabei, dass teils in Ihrer Gemeinde und sicher auch in Ihrem Kanton Menschen leben, die seit Jahrhunderten unter uns sind, aber eine eigene Sprache sprechen und eine eigene Kultur pflegen. Auch sie gehören zu uns! Jenische und Sinti. Die Jenischen, Sinti und Roma sind rechtlich geschützte Minderheiten. Sie haben Minderhei- tenrechte, damit sie ihre Kultur leben können. Wesentlich ist für sie das Fahren. Dafür braucht nicht immer die Schwachen, aber als Minderheiten es Halteplätze und Grundstücke für deren Bau potenziell in einer schwächeren, einer Minder und Betrieb. heitenposition. Dem gilt es Rechnung zu tragen. Waren Sie schon einmal auf einem Stand-, Durch- Wie können nun Kantone und Gemeinden ihrer gangs- oder Transitplatz? Ist ihnen aufgefallen, Verpflichtung nachkommen, Halteplätze bereitzu wie die Nachbarschaft aussieht? Mitten in der stellen? Als kantonaler Baudirektor scheint es Industriebrache oder neben einem Entsorgungs- mir klar: Dafür braucht es Grundlagen, um eine hof, in der Nähe der Autobahn? Halteplätze finden seriöse Planung zu ermöglichen. Der Standbericht sich oft dort, wo Sesshafte nicht wohnen wollen. zeigt denn auch, in welchen Regionen wie viele Es geht also darum, nicht nur etwas zu geben, für Plätze notwendig sind oder wo Sanierungsbedarf das wir sonst keine Verwendung finden. Es geht besteht. auch darum, dort Raum abzugeben wo es sinnvoll ist, einen Platz zu bauen, obwohl man «es» Politik und Behörden aller Ebenen haben es in vielleicht weniger will. Denn es geht um Interes- der Hand: hinzustehen und mutige Entscheide zu senabwägung. fällen. Das heisst Probleme lösen, statt sie zu bewirtschaften. Das Schaffen der Plätze ist auch Interessen abwägen heisst auch, etwas zu teilen. eine Frage der Vernunft: ökonomisch, staatspoli- Teilen von Land, teilen der Nachbarschaft. Viel- tisch, medial. «Gäng wie gäng» geht nicht mehr. leicht fällt es deshalb so schwer, mit «Fahrenden» zu teilen, weil sie nicht einzig an einem, sondern Unzählige Personen haben sich an den Gesprächen an vielen Orten zuhause sind. Zu diesem Dorf dazu- und Umfragen beteiligt, mit ihrem Wissen zu gehören, aber sich auch dort in der Stadt wohl- dieser Publikation beigetragen. Ihnen allen danke fühlen. Minderheiten, die man weniger gut kennt ich herzlich. Das grosse Engagement zahlreicher und deshalb viel in ihre Lebensweise und Kultur Personen und Behörden auf allen Ebenen stimmt hineinprojiziert. Wie viel und welchen Raum positiv. Bei aller Planung und allem Bauen geht es man den fahrenden Minderheiten in der Schweiz letztlich aber immer um das eine: Um Menschen! zugestehen will, ist eine gesellschaftliche Frage. Darauf gibt es raumplanerische Antworten. Christoph Neuhaus Stiftungsratspräsident, Minderheiten haben dabei wenig Lobby, stehen oft Regierungsrat des Kantons Bern politisch im Gegenwind. Sie werden instrumenta lisiert, ja missbraucht für politische Stimmungs mache. Der knappe Abstimmungserfolg mit dem Ja zum Transitplatz im Kanton Bern im 2020 zeigt dennoch: Die Mehrheit will der Minderheit Platz schaffen. Es braucht dazu nur pragmatische Lösungen. Und vielleicht je einen Schritt aufein ander zu! Denn die Stärke der Starken misst sich immer auch an ihrem Umgang mit den Schwachen. Fahrende Jenische, Sinti und Roma sind zwar
Standbericht 2021 Zusammenfassung Seite 5 2. ZUSAMMENFASSUNG Seit 20 Jahren analysiert die Stiftung Zukunft für nur provisorisch in Betrieb und ihr Fortbestand Schweizer Fahrende regelmässig die Situation der längerfristig unsicher. Nebst diesen 24 Durch- fahrenden Bevölkerung in der Schweiz. Die Resul- gangsplätzen existieren weitere vierzehn, meist tate wurden 2001 erstmals in einem Gutachten kleinere Plätze, die jedoch aufgrund von qualita- und später in den Standberichten 2005, 2010 und tiven Mängeln oder Mehrfachnutzungen durch die 2015 dokumentiert. Gemeinden nur sehr eingeschränkt nutzbar sind. Folglich werden rund 50 weitere Durchgangs- Mit dem Standbericht 2021 liegen die aktuellsten plätze benötigt, um den Jenischen und Sinti die Erkenntnisse bezüglich der Platzsituation der fahrende Lebensweise zu ermöglichen. fahrenden Jenischen, Sinti und Roma erneut vor. In den vergangenen Jahren konnte der Rückgang Schätzungsweise 2000 bis 3000 Jenische und Sinti an Stand- und Durchgangsplätzen insgesamt pflegen in der Schweiz eine fahrende Lebens gestoppt und die Situation stabilisiert werden. In weise. Der Wunsch, auf die Reise zu gehen und die einigen Kantonen befinden sich zusätzliche Stand- Kultur ihrer Vorfahren aufrecht zu erhalten, ist und Durchgangsplätze in Planung und lassen auf auch unter den jungen Leuten nach wie vor unge eine Verbesserung der Situation für die fahren- brochen. Für die Ausübung ihrer Lebensweise den Jenischen und Sinti hoffen. Die Planung und brauchen die fahrenden Jenischen und Sinti 40 bis Realisierung von Halteplätzen benötigt jedoch 50 Standplätze, die ihnen als fester Wohnsitz stets viel Zeit, so dass angesichts des hohen be- dienen. Ein fester Wohnsitz wird insbesondere im stehenden Mangels nur sehr kleine Fortschritte Winter, ausserhalb der Reisezeit benötigt, kann wahrgenommen werden können. aber beispielsweise auch mit schulpflichtigen Kindern oder bei Krankheit wichtig werden. Für den Auch ausländische fahrende Roma besuchen die temporären Aufenthalt während der Reisezeit, Schweiz regelmässig. Sie stammen in der Regel meist zwischen Frühjahr und Herbst, sind rund aus den Nachbarländern. Wie die fahrenden 80 Durchgangsplätze erforderlich. Schweizer und Schweizerinnen benötigen sie Orte, an denen sie sich bis zu mehreren Wochen Aktuell verfügt die Schweiz über 16 Standplätze. oder Monate aufhalten können, meist um ihrer In den letzten fünf Jahren konnte nur ein ein- Erwerbsarbeit nachzugehen. Die Anzahl Personen, ziger Standplatz hinzugewonnen werden. So sind die sich während der Reisezeit in der Schweiz derzeit erst knapp die Hälfte aller benötigten aufhält, kann saisonal variieren. Es wird jedoch Kapazitäten vorhanden und es fehlen nach wie für mindestens 400 bis 600 Wohnwagen Platz vor 20 bis 30 Standplätze. Mit den Durchgangs- benötigt, damit ausländische Roma ihre fahrende plätzen, die ganzjährig geöffnet sind und einen Lebensweise ausüben können. längeren Aufenthalt im Winter ermöglichen, kann dem Platzmangel zwar etwas Abhilfe geschaffen Bei den Transitplätzen für ausländische fahrende werden. Aufgrund der unterschiedlichen Lebens- Roma hat sich die Situation in den vergangenen qualität auf diesen Plätzen sind sie jedoch nicht Jahren verbessert. Heute verfügt die Schweiz über mit einem Standplatz vergleichbar. Da es in sieben Transitplätze. Davon sind drei erst provi den Standortgemeinden der Durchgangsplätze sorisch in Betrieb. Sie sind meist auf grössere oft praktisch nicht möglich ist, seine Schriften Familienverbünde ausgerichtet und bieten Platz zu hinterlegen, sehen sich fahrende Jenische und für rund 220 Wohnwagen. Die Anzahl Stellplätze Sinti ohne festen Wohnsitz mit gravierenden für Wohnwagen ist damit doppelt so hoch wie vor Konsequenzen bezüglich ihrer Rechte als Schwei- fünf Jahren. Zwar gibt es auch Durchgangsplätze, zer Bürgerinnen und Bürger konfrontiert. die Ausländer und Ausländerinnen zulassen. Doch in der Vergangenheit wurde den ausländischen Nicht besser verhält sich die Situation bei den fahrenden Roma der Zugang zu diesen Plätzen zu- Durchgangsplätzen. Nur 24 Durchgangsplätze nehmend verwehrt. Damit erhöht sich der Druck erfüllen ihre Funktion soweit, dass sie als voll- auf die Transitplätze oder spontan irgendwo zu wertige Plätze betrachtet werden können. Damit halten. Als Folge kommt es zu Konflikten mit der sind erst 30 bis 40 Prozent aller benötigten lokalen Bevölkerung aufgrund von irregulären Durchgangsplätze verfügbar. Davon ist ein Drittel Landnahmen und zu Konkurrenzkämpfen um die
Standbericht 2021 Zusammenfassung Seite 6 knappen Plätze unter den verschiedenen Grup- Eine gute Lage spielt für die Lebensqualität auf pierungen. Letztendlich fehlen in der Schweiz dem Platz und für die Zufriedenheit der fahrenden rund zehn Transitplätze, damit ein Mindestangebot Bevölkerung eine wesentliche Rolle. Dabei ist an Haltmöglichkeiten für ausländische fahrende insbesondere an den Immissionsschutz, die Sicher- Roma vorhanden ist. Die Aufgabe, den Mangel zu heit, an die speziellen Bedürfnisse der Kinder, beheben, wird derzeit vom Bund und den Kan aber auch an die Erreichbarkeit der wichtigen Ver- tonen mit der Erarbeitung eines Konzepts Transit- kehrsachsen und Einrichtungen wie Schulen zu plätze gemeinsam angegangen. denken. Tendenziell werden die Standorte in städ tischen Gebieten stark nachgefragt. Somit sind Die Verfügbarkeit von Stand-, Durchgangs- und in diesen Räumen mehr oder grössere Plätze not- Transitplätzen ist je nach Platzkategorie regional wendig als in ländlichen Gegenden. sehr unterschiedlich. Mit wenigen Ausnahmen sind freilich fast alle Kantone von der Thematik Zur Verbesserung der Platzsituation ist nebst der betroffen und gefordert, in Zukunft weiter an Schaffung von neuen Plätzen auch der Quali- der Verbesserung der Platzsituation der fahrenden tät der bereits existierenden Plätze Beachtung Jenischen, Sinti und Roma mitzuwirken. Diese zu schenken. Wo immer möglich sollen die Tatsache wird von den Kantonen generell aner bestehenden Plätze erhalten und falls notwen- kannt. So hat die Thematik in den vergangenen dig, aufgewertet werden. Es ist ein möglichst Jahren immer stärker auch Niederschlag in den definitiver Betrieb zu etablieren. Der Zugang zu Planungsinstrumenten der Behörden gefunden. den Halteplätzen soll einfach und unkompliziert Aufgrund der mangelnden gesellschaftlichen erfolgen, so dass die fahrenden Jenische, Sinti Akzeptanz der fahrenden Bevölkerung gestaltet und Roma den grösstmöglichen Nutzen daraus sich die Suche nach einem geeigneten Standort ziehen können. oftmals als schwierig. Partizipative Verfahren in der Planung gelten als vielversprechende Ansätze, um frühzeitig nach für alle tragbaren Lösungen zu suchen. Solange nicht ausreichend Plätze vor- handen sind, sind die Kantone und Gemeinden gefordert, flexible Lösungen, wie beispielsweise Zwischennutzungen, anzubieten. Der spontane Halt, die ursprünglichste Form der fahrenden Le- bensweise, ist wenn immer möglich zu erlauben.
Standbericht 2021 Riassunto Seite 7 RIASSUNTO La Fondazione «Un futuro per i nomadi svizzeri» Non è migliore la situazione per quanto riguarda le analizza regolarmente da 20 anni la situazione aree di passaggio. Sono solo 24 le aree di passag della popolazione nomade in Svizzera. I risultati gio che svolgono la loro funzione tanto da poter sono stati documentati per la prima volta nel essere considerate aree di stazionamento a pieno 2001 in una perizia e successivamente nei rappor- titolo. È quindi disponibile solo il 30-40 per cento ti sulla situazione 2005, 2010 e 2015. Il rapporto di tutte le aree di passaggio necessarie. Un terzo sulla situazione 2021 presenta ancora una volta le di queste, poi, è solo provvisoriamente in funzione conoscenze più aggiornate in merito alla situa- e la loro sopravvivenza a lungo termine incerta. zione delle aree di stazionamento dei nomadi Oltre a queste 24 aree di passaggio ne esistono Jenisch, Sinti e Rom. altre quattordici, per lo più minori, utilizzabili però solo in misura molto limitata a causa di difetti Approssimativamente da 2000 a 3000 Jenisch e qualitativi o utilizzi multipli da parte dei comuni. Sinti praticano in Svizzera uno stile di vita nomade. Per permettere a Jenisch e Sinti di praticare il Il desiderio di mettersi in viaggio e tenere viva loro stile di vita nomade sono di conseguenza la cultura dei propri avi continua intatto anche tra necessarie circa 50 ulteriori aree di passaggio. i giovani. Per praticare il loro stile di vita, i nomadi Jenisch e Sinti hanno bisogno di 40 – 50 aree di Negli ultimi anni è stato possibile bloccare nel sosta che possano servire loro da domicilio fisso. complesso il calo delle aree di sosta e di passaggio Un domicilio fisso è necessario soprattutto d‘inver e stabilizzare la situazione. In alcuni Cantoni no, al di fuori dei periodi di viaggio, ma può sono in programma aree di sosta e di passaggio diventare importante anche ad esempio con i aggiuntive, il che fa sperare in un miglioramento bambini in età scolare o in caso di malattia. Per della situazione per i nomadi Jenisch e Sinti. La il soggiorno temporaneo durante i periodi di pianificazione e realizzazione di aree di staziona- viaggio, principalmente tra primavera e autunno, mento richiedono tuttavia sempre molto tempo, sono necessarie circa 80 aree di passaggio. così che considerata l‘elevata carenza esistente si possono avvertire solo progressi minimi. La Svizzera dispone attualmente di 16 aree di sosta. Negli ultimi cinque anni siamo riusciti a Anche nomadi stranieri Rom, in genere originari ottenere un‘unica area di sosta in più. Al momento dei Paesi vicini, visitano la Svizzera regolarmente. è presente a malapena la metà di tutte le capacità Così come i nomadi svizzeri, anch‘essi hanno necessarie; mancano infatti ancora 20 – 30 aree bisogno di luoghi in cui poter soggiornare anche di sosta. È vero che con le aree di passaggio, che per diverse settimane o mesi, per lo più per eser- sono aperte tutto l‘anno e permettono un più citare il proprio lavoro. Il numero di persone che lungo soggiorno d‘inverno, è possibile supplire soggiorna in Svizzera durante i periodi di viaggio parzialmente alla carenza di aree di staziona può variare stagionalmente. Per permettere mento, ma a causa della diversa qualità della vita ai Rom stranieri di praticare il loro stile di vita che permettono, queste aree non sono parago nomade è necessario comunque uno spazio per nabili a un‘area di sosta. Poiché spesso nei comuni almeno 400-600 roulotte. di ubicazione delle aree di passaggio non è pra- ticamente possibile lasciare i propri documenti, i nomadi Jenisch e Sinti senza domicilio fisso si trovano di fronte a conseguenze gravi in merito ai loro diritti come cittadine e cittadini svizzeri.
Standbericht 2021 Riassunto Seite 8 Per quanto riguarda le aree di transito per nomadi La disponibilità di aree di sosta, passaggio e tran- Rom stranieri la situazione negli ultimi anni è sito varia molto da regione a regione a seconda migliorata. La Svizzera dispone oggi di sette aree della categoria di area. Con poche eccezioni cer- di transito, di cui tre solo provvisoriamente in tamente quasi tutti i Cantoni sono interessati da funzione. Sono rivolte per lo più a unità familiari questa tematica e sono sollecitati a collaborare maggiori e offrono spazio per circa 220 roulotte. ancora in futuro al miglioramento della situazione Il numero delle piazzole per roulotte è quindi il delle aree di stazionamento dei nomadi Jenisch, doppio rispetto a cinque anni fa. Esistono, è vero, Sinti e Rom. Questo fatto è generalmente ricono- anche aree di passaggio che ammettono stranieri sciuto dai Cantoni. Negli ultimi anni infatti questa e straniere, ma in passato l‘accesso a queste tematica si è riflessa sempre più negli strumenti aree è stato sempre più impedito ai nomadi Rom di pianificazione delle autorità. A causa della stranieri. Aumenta quindi la pressione a sostare scarsa accettazione sociale della popolazione sulle aree di transito o da qualche parte spon- nomade, la ricerca di un luogo di stazionamento taneamente. Sorgono di conseguenza conflitti adeguato diventa spesso difficile. Le procedure con la popolazione locale a causa di occupazioni partecipative nella pianificazione sono considerate irregolari e la concorrenza tra i diversi raggruppa- approcci molto promettenti per cercare tempe menti per accaparrarsi le poche aree. In definitiva stivamente soluzioni accettabili da tutti. Finché mancano in Svizzera circa dieci aree di transito, non vi saranno sufficienti aree di stazionamento, per avere un‘offerta minima di possibilità di sosta Cantoni e comuni sono sollecitati a offrire so- per i nomadi Rom stranieri. Al momento Confe- luzioni flessibili, come ad esempio utilizzazioni derazione e Cantoni stanno affrontando insieme transitorie. La sosta spontanea, la forma più il compito di rimediare a questa carenza grazie originaria dello stile di vita nomade, va permessa all‘elaborazione di un piano aree di transito. ove possibile. Una buona posizione gioca un ruolo essenziale per la qualità della vita nell‘area di stazionamento e per la soddisfazione della popolazione nomade. Vanno considerate a tal fine in particolare le mi- sure antinquinamento, la sicurezza, le specifiche esigenze dei bambini, ma anche la raggiungibilità dei principali assi stradali e di istituzioni come scuole. C‘è tendenzialmente molta richiesta di aree di stazionamento nelle aree urbane. In questi spazi servono quindi aree in maggior numero o più grandi che nelle zone rurali. Per migliorare la situazione, oltre alla creazione di nuove aree di stazionamento, va prestata attenzione alla qualità di quelle già esistenti. Le aree esistenti andrebbero mantenute per quanto possibile, e se necessario valorizzate. Va stabilita possibilmente una gestione definitiva. L‘accesso alle aree di stazionamento dovrebbe avvenire in modo semplice e non complicato, così che nomadi Jenisch, Sinti e Rom possano trarne il maggior beneficio possibile.
Standbericht 2021 Einleitung Seite 9 3. EINLEITUNG 3.1. AUSGANGSLAGE 3.2. METHODIK Sobald die Reisezeit der fahrenden Jenischen, Aktuelle und fundierte Kenntnis der Herausforde Sinti und Roma in der Schweiz beginnt, begeben rungen im Zusammenhang mit der fahrenden sich diese auf die Suche nach Halteplätzen. Sie Lebensweise der Jenischen, Sinti und Roma in der stellen dann oftmals fest, dass sich die Suche Schweiz sowie die Vernetzung mit den zentralen als schwierig erweist und nicht genügend Plätze Akteuren sind eine wichtige Voraussetzung für die vorhanden sind, um ihre traditionelle Lebens- laufenden Arbeiten der Stiftung. Diese hat des- weise ausüben zu können. Spätestens gegen Ende halb entschieden, den Standbericht 2021 erstmals der Saison stellt sich dasselbe Problem mit dem intern zu erarbeiten. Winterquartier. Während die meisten Jenischen und Sinti einen festen Standplatz bevorzugen, ver- Für die Erhebung der Daten wurden schweizweit bringen andere die Wintermonate im Wohnwagen mit den zuständigen kantonalen und kommunalen oder in einer Wohnung. Letzteres oftmals mangels Vertretern und Vertreterinnen aus Verwaltung Alternativen. Die ausländischen fahrenden Roma und Politik, der Regional- und Kantonspolizei sowie kehren in der Regel in ihre Heimatländer zurück. mit in- und ausländischen fahrenden Jenischen, Obwohl in der Schweiz eine rechtliche Pflicht Sinti und Roma Gespräche nach einem vorgängig zur Schaffung von Halteplätzen besteht, ist es festgelegten Ablauf geführt. Als die Situation vielerorts bis heute nicht gelungen, den fah- mit dem Coronavirus physische Treffen verunmög- renden Jenischen, Sinti und Roma ausreichend lichte, musste das Vorgehen angepasst werden. Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die weitere Datenerhebung bei den kantonalen Behörden, den Standortgemeinden von Halte- Die 1997 vom Bund ins Leben gerufene Stiftung plätzen und der Polizei erfolgte sodann mittels «Zukunft für Schweizer Fahrende» hat den drei, spezifisch für diese Zielgruppen erarbeiteten Auftrag, die Lebensbedingungen der fahrenden Fragebogen in deutsch und französisch. Zudem Jenischen, Sinti und Roma in der Schweiz zu wurden weitere Dokumente wie Platzreglemente verbessern. Dabei nimmt die Verfügbarkeit von und Angaben zu den Nutzungszonen der Plätze Halteplätzen einen hohen Stellenwert ein. So ist es gesammelt und in die Auswertungen miteinbe denn auch ein wichtiges Ziel der Stiftung, sich zogen. für die Erstellung von Halteplätzen einzusetzen. Bei ihren Tätigkeiten ist sie in ständigem Kontakt mit Insgesamt fanden Treffen mit Vertreterinnen Bundesbehörden, einer Vielzahl von Kantonen und Vertretern aus 16 Kantonen statt. Dabei stan- und Gemeinden, Platzbetreibern sowie mit den den der Stiftung 55 Gesprächspartnerinnen und Nutzerinnen und Nutzern von Halteplätzen. Gesprächspartner zur Verfügung. Davon waren 15 Vertreterinnen und Vertreter der Polizei oder Seit dem Jahr 2000 wird die Platzsituation der anderweitiger Sicherheitsdienste. Die Behörden fahrenden Jenischen, Sinti und Roma im Fünf- von 14 Kantonen haben, teilweise zusätzlich zum Jahres-Rhythmus analysiert. Dazu gehört es, die Gespräch, einen Fragebogen ausgefüllt und Anzahl und die Qualität der Halteplätze in der retourniert. Bei den Fragebogen an Standortge- Schweiz sowie die Veränderungen im Laufe der meinden von Halteplätzen oder deren Betreiber Zeit aufzuzeigen. Ausgehend von der aktuellen wurde mit 36 von 40 Fragebogen eine sehr hohe Situation wird ermittelt, in welchen Regionen Rücklaufquote erzielt. zusätzliche Halteplätze notwendig sind. Der vor liegende Standbericht 2021 aktualisiert und ver- Die Gespräche mit den fahrenden Jenischen, Sinti tieft die Angaben aus dem Jahr 2015. Die Erkennt- und Roma erfolgten von Sommer bis Herbst 2020. nisse sollen der Stiftung Zukunft für Schweizer Zu den Gesprächspartnerinnen und -partnern Fahrende sowie weiteren Akteuren aus Verwal- zählten sowohl Einzelpersonen als auch Vertreter tung und Politik als Grundlage für die Förderung innen und Vertreter der Organisationen der der fahrenden Minderheiten dienen. Jenischen, Sinti und Roma. Da die Organisationen stets für eine Vielzahl von Menschen sprechen, kam ihrer Beteiligung eine hohe Bedeutung zu. Ihre Aussagen wurden bei diversen Platzbesichti gungen in der ganzen Schweiz mit spontanen
Standbericht 2021 Einleitung Seite 10 Gesprächen mit Platznutzerinnen und -nutzern Eine im Jahr 2020 von der Stiftung Zukunft für ergänzt. Insgesamt wurde mit rund zwanzig in- Schweizer Fahrende in Zusammenarbeit mit den und ausländischen fahrenden Jenischen, Sinti Kantonen Basel-Stadt und Aargau in Auftrag und Roma geredet. Der Fokus der Gespräche gegebene Evaluation über die von Schweizern und lag auf der Qualität der Infrastruktur und dem Ausländern gemeinsam genutzten Halteplätze Betrieb der Plätz. Die fahrenden Jenischen, Sinti in Basel und Kaiseraugst lieferte einige zusätz- und Roma äusserten sich weiter zum Mangel liche Erkenntnisse, die im vorliegenden Bericht an Wohnraum, namentlich zu den Regionen mit berücksichtigt wurden (Stiftung Zukunft für fehlenden Halteplätzen und den erforderlichen Schweizer Fahrende, 2021). Kapazitäten an Stellplätzen in den einzelnen Gebieten. Um den aktuellen Stand der Planung in den Kantonen zu beurteilen, wurden sämtliche kanto- Für die Gewinnung von Erkenntnissen über den nalen Richtpläne online konsultiert und ihre Aufenthalt von ausländischen fahrenden Roma Einträge zur Thematik der fahrenden Jenischen, in der Schweiz, wurden alle entsprechenden Aus- Sinti und Roma analysiert. Die derzeit vorhan- sagen aus den Gesprächen mit Behörden, Platz- denen sechs kantonalen Konzepte zum Umgang betreibern, Vertreterinnen und Vertretern der mit der fahrenden Bevölkerung, lieferten hierzu Polizei sowie aus den Fragebogen der Kantone weitere Erkenntnisse. Um der Frage nachzugehen, und Standortgemeinden ausgewertet. Vielerorts welche zentralen Herausforderungen sich bei der verfügte die Kantons- oder Regionalpolizei über Planung und Realisierung von Halteplätzen er- das meiste Wissen bezüglich Aufenthaltsort und geben, wurde dieser Punkt in den Gesprächen wie Aufenthaltsdauer der fahrenden Roma in der auch in den Fragebogen aufgenommen. Schweiz. Es wurden deshalb eigens zu diesem Thema zusätzliche Gespräche mit Vertretern der Für den Standbericht 2021 sind folglich Daten aus Polizei und des Eidgenössischen Grenzwachtkorps unterschiedlichen schriftlichen Quellen sowie organisiert. Falls möglich nahmen diese eine mündliche Informationen verschiedenster Akteure Einschätzung vor, wie viele Wohnwagen von aus- ausgewertet worden. Dieser Methodenmix, der ländischen fahrenden Roma sich in der Schweiz auch dazu beitrug, dass Herausforderungen aus befinden, wie lange ihre Aufenthaltsdauer ist und gegensätzlichen Perspektiven beleuchtet wurden, in welchen Räumen sie sich bewegen. Die Ge- führte zu einer soliden empirischen Grundlage. sprächspartnerinnen und -partner stützten sich dabei auf Informationen wie Statistiken zur Aus- Sämtliche Angaben zur Infrastruktur und zum lastung der Plätze, zu Polizeieinsätzen oder auf Betrieb der einzelnen Stand-, Durchgangs- und ihre Erfahrungswerte aus der Praxis. Sämtliche Transitplätze wurden in einer Access-Datenbank qualitativen und quantitativen Angaben aus den dokumentiert. Sie steht der Stiftung für weitere Fragebogen und Gesprächen wurden protokolliert Verwendungszwecke zur Verfügung. und ausgewertet. Mittels einer quantitativen Analyse nach Kantonen und Regionen wurde er- mittelt, gemäss welchen Quellen wie viele Wohn- wagen von ausländischen fahrenden Roma in welchen Regionen unterwegs sind. Basierend auf diesen Angaben, entstanden die Aussagen über die räumlichen Bedürfnisse der ausländischen fahrenden Roma in der Schweiz. Unter der aktuell vorhandenen Datenlage erschien es sinnvoller, hier mit Spannbreiten zu arbeiten und keine fixen Werte festzulegen.
Standbericht 2021 Einleitung Seite 11 3.3. NEUERUNGEN IM STANDBERICHT 2021 Die optimale Grösse eines Stand- oder Durch- Im Standbericht 2021 werden gegenüber den gangsplatzes wurde in der Vergangenheit mit vorangehenden Ausgaben einige wichtige zehn Stellplätzen beziffert. Inzwischen besteht Änderungen vorgenommen. Diese werden im die Überzeugung, dass diese innerhalb einer Folgenden kurz dargelegt: grösseren Spannbreite variieren kann. Aufgrund der schwierigen Standortsuche, aber auch Bis anhin wurden für die Verortung des Bedarfs aufgrund von unterschiedlichen Bedürfnissen an Halteplätzen statistische Raumeinheiten erscheint es sinnvoll, möglichst flexible Lösungen verwendet. 2015 waren dies die Raumplanungs zu finden und den Platz an die lokalen Gegeben- regionen des Bundesamts für Statistik BFS. heiten anzupassen. Sie leisteten einen wichtigen Beitrag, um räum- lich konkret festzuhalten, wo weitere Halteplätze Bei den Transitplätzen wurde die Spannbreite für notwendig sind. Ihre sehr unterschiedliche Grösse die optimale Anzahl Stellplätze nach unten kor- und die flächendeckende Kartierung führten rigiert. Ging man vormals noch von einer Grösse jedoch teilweise zu einem Genauigkeitsverlust von 35 bis 80 Stellplätzen aus, so gilt heute eine oder zu einer eingeschränkten Flexibilität. Heute Spannbreite von 20 bis 40 Stellplätzen als optimal. wird es als zielführender erachtet, die von den Bei den einzelnen Kapiteln zu den Stand-, Durch- fahrenden Jenischen, Sinti und Roma bevorzugten gangs- und Transitplätzen wird näher darauf Räume zu nennen ohne auf offizielle statistische eingegangen. Einheiten zurückzugreifen. Innerhalb dieser Räume soll dann stärker mit Standortkriterien gearbeitet Auf die kartographische Darstellung der Haupt- werden, so dass die Halteplätze möglichst da routen der fahrenden Jenischen und Sinti wird zu liegen kommen, wo sie am meisten nachgefragt verzichtet. Es zeigt sich, dass die Reiserouten werden und die Lebensqualität der Nutzer und sehr individuell und variabel sind. Es gibt fahrende Nutzerinnen gewährleistet ist. Die Standortkri- Jenische, Sinti und Roma, die hauptsächlich terien werden bei den einzelnen Platzkategorien innerhalb einer bestimmten Region unterwegs thematisiert, aber noch nicht detailliert ausge- sind. Andere widerum legen weitere Strecken führt. Die Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende zurück und bewegen sich auch über die Landes- plant die Erarbeitung einer weiteren Publikation, teile hinweg. die sich mit dem Bau und Betrieb der Halteplätze befassen wird. Die Standortfragen sollen darin Der vorliegende Bericht legt den Fokus auf die eingehender behandelt werden. wesentlichsten Sachverhalte in Zusammenhang mit den Halteplätzen. Die in früheren Ausgaben in Form von Empfehlungen formulierten Ziele, Strategien und Handlungsfelder werden nicht mehr weitergeführt. Neu fand eine eingehendere Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage und den räumlichen Be- dürfnissen der ausländischen fahrenden Roma in der Schweiz statt. Erstmals wurde mittels einer Datenerhebung regional analysiert, wie viele aus- ländische fahrende Roma die Schweiz bereisen und wo infolgedessen weitere Transitplätze not- wendig sind, um ein Mindestmass an Haltemög- lichkeiten für ihren Aufenthalt zu gewährleisten.
Standbericht 2021 Grundlagen Seite 12 4. GRUNDLAGEN 4.1. WICHTIGE BEGRIFFE 2016 äusserten die Jenischen und Sinti den Wunsch, unter ihrer Selbstbezeichnung aner- Jenische kannt zu werden. Bundesrat Berset sprach sich Als Jenische bezeichnen sich die in Europa leben- dafür aus, diesem Anliegen nachzukommen den Angehörigen beziehungsweise Nachfahren und sie künftig als Jenische und Sinti zu be von meist ursprünglich fahrenden Bevölkerungs- zeichnen. gruppen. Wichtiges gemeinsames Merkmal ist die jenische Sprache, die auf dem Deutschen Standplatz basiert und Wörter aus dem Romanes, dem Hebrä- Die meisten fahrenden Schweizer und Schweizerin- ischen und dem Rotwelschen beinhaltet. In der nen verbringen den Winter auf einem Standplatz, Schweiz leben zwischen 30 000 und 35 000 Jenische. meist in fest installierten, kleinen Holzchalets, Weniger als zehn Prozent pflegen noch eine fah- Wohncontainern oder auch im Wohnwagen. Die rende Lebensweise. Jenische sind in der Schweiz Bewohner und Bewohnerinnen eines Standplatzes eine anerkannte kulturelle Minderheit. Sie haben hinterlegen ihre Schriften bei der Standortge- schon immer hier gelebt und besitzen das meinde und haben hier ihren festen Wohnsitz. Schweizer Bürgerrecht. Durchgangsplatz Sinti & Manouches Von Frühling bis Herbst sind die fahrenden Sinti leben hauptsächlich in Frankreich, Italien und Jenischen und Sinti in Gruppen unterwegs. Dazu Deutschland. In der Schweiz wird ihre Zahl je nach sind sie auf Durchgangsplätze angewiesen, die Quelle und Zählweise auf bis zu 3000 Personen rund zehn bis zwanzig Stellplätze für Wohnwagen geschätzt. Ihre Muttersprache ist «Sintitikes», eine haben. Sie halten sich dort wenige Wochen auf Form des Romanes. Im Französischen werden die und besuchen von diesen Plätzen aus ihre Kunden Sinti «Manouches» genannt. Wie die Jenischen ge- und Kundinnen. Die Durchgangsplätze werden hören auch sie den geschützten Minderheiten an. oftmals von den kommunalen oder kantonalen Be hörden, in seltenen Fällen von Privaten betrieben Roma und sind mit der notwendigsten Infrastruktur wie Der Begriff «Roma» umfasst eine Vielzahl von Strom, Wasser und Toiletten ausgestattet. Menschen verschiedener Kulturen, deren Vorfahren Indien im 14. Jahrhundert verlassen haben und Transitplatz heute unterschiedliche Formen von Romanes Die vorwiegend auf ausländische fahrende Roma sprechen. Roma Organisationen in der Schweiz ausgerichteten Halteplätze werden als Transit- schätzen, dass zwischen 40 000 und 80 000 Roma plätze bezeichnet. Diese sind meist grösser dimen- in der Schweiz leben. Diese sind im Zuge von Mig- sioniert als die Durchgangsplätze und bieten in rationsbewegungen eingewandert, beispielsweise der Regel für 20 bis 50 Wohnwagen Platz. Bezüg- aus Südosteuropa. Die meisten von ihnen waren lich ihrer Infrastruktur und dem Betrieb sind sie stets sesshaft. Roma, die eine fahrende Lebens- mit den Durchgangsplätzen vergleichbar. weise pflegen und während der Reisesaison in der Schweiz unterwegs sind, stammen haupt- Stellplatz sächlich aus den Nachbarländern. Ein Stellplatz ist die Fläche, die einer Familie während ihres Aufenthalts auf einem Halteplatz Fahrende zur Verfügung steht. Auf einem Standplatz ist das In der Schweiz wird der Ausdruck «Fahrende» die Parzelle für die Baute und den dazugehörigen häufig für Menschen mit einer fahrenden Lebens- Umschwung. Auf einem Durchgangs- oder Tran- weise verwendet. Damit sind sowohl in- wie auch sitplatz dient der Stellplatz dem Abstellen des ausländische Jenische, Sinti und Roma gemeint. Wohnwagens, der Zugfahrzeuge, allenfalls eines Von den Jenischen und Sinti mit Schweizer Staats- Kinderwohnwagens oder weiterer Anhänger. bürgerschaft pflegen noch 2000 bis 3000 Per sonen eine fahrende Lebensweise.
Standbericht 2021 Grundlagen Seite 13 Plätze mit gemischter Nutzung 4.2. RECHTLICHE VORGABEN ZUM SCHUTZ Von gemischt genutzten Plätzen wird dann ge- DER JENISCHEN, SINTI UND ROMA sprochen, wenn diese während der Reisezeit als Verschiedene internationale Übereinkommen Durchgangsplatz dienen und im Winter während und schweizerische Rechtsbestimmungen sind mehreren Monaten als Standplatz benutzt werden für die Rechte der Jenischen, Sinti und Roma können. Zudem gibt es Plätze, die Schweizer insbesondere in Verbindung mit ihrer fahrenden und Schweizerinnen sowie Ausländer und Aus Lebensweise relevant. Diese Vorgaben werden länderinnen zulassen und somit gleichzeitig im Folgenden übersichtsartig dargestellt. Durchgangs- wie auch Transitplatz sind. 4.2.1. INTERNATIONALE RECHTLICHE GRUNDLAGEN Provisorische und definitive Stand-, Durchgangs- Die kulturellen Rechte der Jenischen, Sinti und und Transitplätze Roma werden auf internationaler Ebene nament- Von einem definitiven Halteplatz ist dann die Rede, lich durch die Konvention der Menschenrechte wenn sein Fortbestand rechtlich gesichert ist. und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101), den interna Die rechtliche Sicherung kann mittels eines Ein tionalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und trags in einen kantonalen oder kommunalen kulturelle Rechte (UNO-Pakt I, SR 0.103.1) sowie den Zonenplan und das Zonenreglement geschehen, internationalen Pakt über bürgerliche und poli- zum Beispiel, indem eine «Zone für Fahrende» tische Rechte geschützt (UNO-Pakt II, SR 0.103.2). erlassen wird. Möglich ist auch eine privatrecht- Bei letzterem ist der Artikel 27 relevant: Staaten liche Sicherung, die beispielsweise in Form einer mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Leistungsvereinbarung zwischen dem Grund- Minderheiten dürfen deren Angehörigen nicht das eigentümer und den Behörden oder mittels einer Recht vorenthalten, gemeinsam mit anderen Dienstbarkeit sichergestellt wird. Im vorliegenden Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Bericht wird ein definitiver Halteplatz jedoch noch Leben zu pflegen, ihre Religion zu bekennen und etwas weiter gefasst, indem die langfristigen auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu Absichten und Möglichkeiten des Platzbetreibers bedienen. UNO-Menschenrechtsorgane forderten in die Beurteilung miteinbezogen werden. Besteht die Schweiz verschiedentlich auf, den Minder- beispielsweise ein Platz in einer herkömmlichen heiten genügend Plätze zur Verfügung zu stellen Zone und ist es die Absicht des Betreibers, (CESCR, 2019). diesen langfristig zu führen, wird er als definitiv betrachtet. Weiter ist das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskrimi- Bei den provisorischen Halteplätzen handelt nierung relevant (CERD, SR 0.104). In den letzten es sich meist um Übergangslösungen, Zwischen- Empfehlungen an die Schweiz thematisiert der nutzungen oder Mehrfachnutzungen eines UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendis Platzes. Ihr Betrieb ist längerfristig weder beab kriminierung CERD (Committee on the Elimina- sichtigt noch gesichert und es muss damit tion on Racial Discrimination) die Situation der gerechnet werden, dass der Platz wieder ge- Jenischen, Sinti und Roma und forderte von der schlossen wird. Schweiz verstärkte Anstrengungen betreffend Zugang zur Bildung und für den Erhalt ihrer Spra- Spontaner Halt che und Lebensweise. Zudem sollte die Schweiz Beim spontanen Halt bleiben fahrende Jenische, sicherstellen, dass auf den ersten Blick neutral Sinti und Roma bis zu rund vier Wochen auf einem formulierte Gesetze und Richtlinien keine indirek- privaten oder öffentlichen Grundstück. Aufgrund ten Diskriminierungen zur Folge haben, insbe- der unregelmässigen und befristeten Nutzung sondere bei der Raumplanung oder den gesetz- steht ihnen dabei normalerweise nur eine ein- lichen Bestimmungen über das Abstellen von fache Infrastruktur zur Verfügung. Bei dieser Art Wohnwagen (CERD-Empfehlungen 2014, S. 5). des Haltens handelt es sich um die ursprüng- lichste Form der fahrenden Lebensweise. Derzeit ist eine Individualbeschwerde beim UNO-Ausschuss für die Beseitigung der Rassen- diskriminierung CERD gegen das neue Gesetz des Kantons Neuenburg über das Abstellen von Wohnwagen der Jenischen, Sinti und Roma hängig. Zuvor lehnte das Bundesgericht eine entsprechende Beschwerde auf nationaler Ebene ab (BGE 145 I 173).
Standbericht 2021 Grundlagen Seite 14 Die Ratifizierung der Europäischen Charta der 4.2.2. AKTIONSPLAN DES BUNDES Regional- und Minderheitensprachen (SR 0.441.2) Der Bundesrat setzte 2014 eine Arbeitsgruppe für führte 1997 zur Anerkennung des Jenischen als die «Verbesserung der Bedingungen für die fahr Minderheitensprache. ende Lebensweise und zur Förderung der Kultur der Jenischen, Sinti und Roma» ein. Diese bestand Die Schweiz ratifizierte 1998 das Rahmenabkom- aus Vertreterinnen und Vertretern von Behörden men des Europarates zum Schutz nationaler und Organisationen der fahrenden Jenischen, Minderheiten (SR 0.441.1) und anerkannte damit Sinti und Roma. Diese Zusammensetzung ermög- die Schweizer Jenischen und Sinti als nationale lichte einen breit abgestützten Arbeitsprozess. Minderheiten. Die Schweiz hat sich mit der Ratifi Es wurde ein Aktionsplan mit Empfehlungen und zierung verpflichtet, die Rahmenbedingungen konkreten Massnahmen zu dessen Umsetzung zu verbessern, damit die Minderheiten ihre Kultur erarbeitet (BAK, 2016). So setzte man sich unter pflegen und weiterentwickeln können. Regelmässig anderem das Ziel, bis 2022 genügend Halteplätze besucht deshalb ein beratender Ausschuss des zu schaffen. Der Bundesrat nahm den Aktionsplan Europarates die Schweiz und überprüft die Um- zur Kenntnis und liess sich zwei Jahre später setzung des Rahmenübereinkommens. Er stellte über den Zwischenstand der Umsetzung infor- in einem Gutachten im Jahr 2018 fest, dass zahl- mieren (BAK, 2018). reiche Kantone in ihren Richtplänen Halteplätze vorsehen und teilweise auch realisiert haben. Der Aktionsplan des Bundes ist eine Selbstver- Aber das Angebot an Halteplätzen sei nach wie pflichtung der Politik und der Behörden, ihren vor mangelhaft. Eine Verbesserung der Situation Handlungsspielraum zugunsten der Jenischen, sei innerhalb der Frist, die der Aktionsplan des Sinti und Roma auszuschöpfen und diese effektiv Bundes vorsehe, anzustreben1. zu schützen. Politik und Behörden bekräftigen damit ihren Willen, gemeinsam auf Lösungen hin- zuarbeiten (Espace Suisse, 2019, S. 19). 1 Beratender Ausschuss für das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (2018): Viertes Gutachten über die Schweiz – verabschiedet am 31.5.2018 und Ministerkomitee gemäss Art. 24 – 26 des Rahmenabkommens zum Schutz nationaler Minderheiten (2019): Resolution CM/ResCMN(2019)7 über die Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten durch die Schweiz (verabschiedet vom Ministerkomitee am 14. Mai 2019, anlässlich der 1346. Sitzung der Ministerdelegierten).
Standbericht 2021 Grundlagen Seite 15 4.2.3. NATIONALE RECHTLICHE GRUNDLAGEN Ein Leiturteil zur Berücksichtigung der Halteplätze Fahrende und sesshafte Jenische, Sinti und Roma in der Raumplanung fällte das Bundesgericht können sich auch auf nationaler Ebene auf ver- 2003 (BGE 129 II 321 Céligny GE). Gemäss der Recht- schiedene Grundrechte berufen. So sieht die Bun- sprechung des Europäischen Gerichtshofes für desverfassung (BV) den Erhalt und die Förderung Menschenrechte ist das Leben im Wohnwagen ein der Vielfalt des Landes vor (Art. 2, Abs. 2 BV) und zentrales Element der Identität der Fahrenden. Es schützt damit auch Minderheiten vor kultureller besteht somit ein Recht auf die fahrende Lebens- Assimilation (Belser, 2015). Weiter sind der Schutz weise (Art. 8 Abs. 1 EMRK). Das Bundesgericht kam der Menschenwürde (Art. 7 und 10 BV), die Nieder- deshalb wie auch aufgrund der Bundesverfassung lassungsfreiheit (Art. 24 BV) sowie der Schutz (Art. 7, 10, 13) zum Schluss, den Bedürfnissen der des Privat- und Familienlebens relevant (Art. 13, Fahrenden sei in der Raumplanung Rechnung zu Abs. 2 BV). Der Schutz der Wohnung in Art. 13 BV tragen. Die Behörden sind verpflichtet, gestützt gilt zwar auch für Wohnwagen, aber es lässt sich auf die Planungspflicht des Raumplanungsge- daraus kein justiziables Recht auf Halteplätze setzes RPG vom 22. Juni 1979 (Art. 2 RPG) und den ableiten, weil der Schutzgedanke und nicht ein Grundsatz, die Siedlungen nach den Bedürfnissen Leistungsanspruch im Vordergrund steht (Espace der Bevölkerung zu gestalten (Art. 3, Abs. 3 RPG), Suisse, 2019, S. 14; Schweizer/De Brouwer, 2018, auch Halteplätze für Fahrende in der Richt- und S. 26ff; Bundesamt für Justiz 2016, S. 2). Nutzungsplanung zu berücksichtigen. Diese Ver- pflichtung der Kantone und Gemeinden umfasst auch Halteplätze für ausländische fahrende 2 Weiterführende Informationen zur rechtlichen Grundlage finden sich in EspaceSuisse Roma, da sie vor Diskriminierung geschützt sind (2019): Halteplätze für Jenische, Sinti und Roma. Rechtliche und raumplanerische (Espace Suisse 2019, S. 14; Bundesamt für Justiz Rahmenbedingungen für Halteplätze. Raum & Umwelt. Dossier zur Raumentwicklung 2002, S. 9). 1/2019. Siehe ebenfalls: Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte SKMR (2020): Fahrende Lebensweise: der spontane Halt. Rechtslage, Praxis und Handlungsempfehlungen. Studie im Auftrag der Stiftung Zukunft für Schweizer Bund, Kantone und Gemeinden stimmen ihre Fahrende. Tschannen Pierre, Wyttenbach Judith, Mattmann Jascha. raumwirksamen Tätigkeiten aufeinander ab (Art. 2 Abs. 1 RPG). Der Bund hat dazu unter anderem die Möglichkeit, in Fragen, bei denen er nur in Teil bereichen zuständig ist oder die Tätigkeiten Dritter finanziell unterstützt, Konzepte zu erarbeiten (Art. 13 RPG). Da es sich beim Bau und der Bewirt- schaftung von Transitplätzen um eine landes- weite Aufgabe handelt, ist es unabdingbar, diese über die Kantonsgrenzen hinaus zu koordinieren (Espace Suisse, 2019, S. 18f). Die Erstellung eines Konzepts für den Bau und Betrieb der Transitplätze wurde deshalb als sinnvoll erachtet und befindet sich derzeit beim Bund und den Kantonen in Er- arbeitung. Durch die Unterstützung des Bundes werden die Kantone künftig entlastet. Sie sollen sodann ihrer Aufgabe, Plätze für Schweizer Fahrende zu schaffen, vermehrt nachkommen. Zusammenfassend wird deutlich, dass sowohl internationale als auch nationale Vorgaben die fahrenden und sesshaften Jenischen, Sinti und Roma schützen. Internationale Menschenrechts- organe rügen die Schweiz seit längerem wegen der fehlenden Halteplätze. Die nationalen recht- lichen Vorgaben machen deutlich, dass der Bau und Betrieb von Halteplätzen keine freiwillige Aufgabe darstellt, sondern eine Pflicht ist. 2 Dem Grundsatz, wonach die Raumplanung die räumli- chen Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt, kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu (Art. 3 Abs. 3 RPG).
Standbericht 2021 Bedarf an Halteplätzen Seite 16 5. DER BEDARF AN HALTEPLÄTZEN FÜR SCHWEIZER JENISCHE UND SINTI Gemäss Schätzungen pflegen in der Schweiz rund Um den Bedarf an Stand- und Durchgangsplätzen 2000 bis 3000 Personen eine fahrende Lebens- rechnerisch zu ermitteln, werden für den vorlie weise (BAK, 2020). Je nach Quelle variieren diese genden Standbericht die seit dem Jahr 2001 Schätzungen, und es ist von bis zu 5000 fahrenden verwendeten Annahmen weiterhin angewendet: Jenischen und Sinti die Rede (Galizia, 2012). Es wird davon ausgegangen, dass nach wie vor Sicher ist, dass auch die jungen Jenischen und rund 2500 Personen eine fahrende Lebensweise Sinti nach wie vor auf die Reise gehen und ihre pflegen. Im Durchschnitt bewohnen drei Personen traditionelle Lebensweise pflegen wollen. Das einen Wohnwagen respektive belegen einen Stell- seit langem knappe Angebot an Stand- und platz. Ein Stand- oder Durchgangsplatz verfügt Durchgangsplätzen erschwert ihnen dies stark in diesen Modellannahmen jeweils über zehn Stell- und zwingt viele zu einer sesshaften Lebens- plätze. Davon ausgehend, dass fahrende Jenische weise. Heute ist deshalb davon auszugehen, dass und Sinti für die Wintermonate auch individuelle bei einem grösseren Angebot an Plätzen mehr Lösungen finden oder die Zeit in einer Wohnung Jenische und Sinti ihre fahrende Lebensweise verbringen, ergibt sich schweizweit ein Bedarf von ausüben würden. insgesamt rund 40 bis 50 Standplätzen und rund 80 Durchgangsplätzen (ERR, 2001). Diese Annah- men wurden mit der empirischen Datenerhebung plausibilisiert.
Standbericht 2021 Die Standplätze Seite 17 6. DIE STANDPLÄTZE Ein Standplatz dient den fahrenden Jenischen 6.1. STANDPLÄTZE IN BETRIEB und Sinti als ständiger Wohnsitz, insbesondere als Im Jahr 2020 verfügt die Schweiz über 16 Stand- Winterquartier. Er ist mit Bauten wie kleinen plätze in den Kantonen Aargau, Bern, Freiburg, Chalets oder Containern belegt, die das ganze Jahr Genf, Graubünden, St. Gallen und Zürich (vgl. über stehen bleiben. Meist werden diese Bauten Tabelle 1). Ihre Grösse variiert sehr stark und be- von den fahrenden Jenischen und Sinti selber wegt sich zwischen 5 Stellplätzen in Dietikon (ZH) errichtet und unterhalten. Der Grundeigentümer, und 45 Stellplätzen in Versoix (GE). Insgesamt oftmals die Gemeinde, vermietet ihnen dazu eine sind auf den Standplätzen 248 Stellplätze, res- Parzelle auf dem Platz und sorgt für die notwen- pektive Parzellen, verfügbar. dige Erschliessung. Fast immer wohnen mehrere Familien gemeinsam auf einem Platz. Dies ist für Im Jahr 2016 wurde der Stand- und Durchgangs- den Erhalt und die Pflege ihrer Kultur von hoher platz Rania in der Gemeinde Zillis durch die Bedeutung. Mit dem Hinterlegen der Schriften bei Organisation der Jenischen und Sinti, der «Rad- der Gemeinde erlangen die fahrenden Jenischen genossenschaft der Landstrasse», neu in Betrieb und Sinti den Zugang zu ihren Rechten und genommen. Jenische führen ihn in Eigenverant Pflichten als Schweizer Bürger und Bürgerinnen. wortung. Der Platz ist öffentlich und wird vor allem Während ihres Aufenthalts auf dem Standplatz von Jenischen und Sinti aus der Schweiz benutzt. besuchen ihre Kinder die Schulen in der Gemeinde. Er bietet feste Standplätze in Holzchalets wie auch Durchgangsplätze für einen kürzeren Aufenthalt an. Zudem stehen Touristen Plätze zum Campieren zur Verfügung. Mit einem jenischen Sommer- markt, musikalischen «Stubeten» und dem Treffen der jenischen Jäger im Herbst ist er zugleich ein Ort der Begegnung unter Angehörigen der Minderheiten und der übrigen Bevölkerung. Tabelle 1: Standplätze in Betrieb KANTON GEMEINDE STELLPLÄTZE Aargau Spreitenbach 6 Bern Bern 36 Bern Biel/Bienne 14 Freiburg Hauterive 22 Genf Versoix 45 Graubünden Zillis 10 Graubünden Cazis 11 Graubünden Chur 7 St. Gallen St. Gallen 10 St. Gallen Uznach 7 St. Gallen Wil, Freudenau 17 St. Gallen Wil, Eschenhof 15 Zürich Dietikon 5 Zürich Kloten 7 Zürich Winterthur 6 Zürich Zürich 30 Total 16 Standplätze mit insgesamt 248 Stellplätze
Standbericht 2021 Die Standplätze Seite 18 Alle 2015 bereits bestehenden Standplätze Zwar gibt es Jenische und Sinti, die ganzjährig auf werden bis heute weitergeführt. So konnte in der Reise sind oder diese Art von Winterstand- den letzten Jahren eine, wenn auch nur minime platz und deren Vorteile durchaus schätzen. Zunahme bei den Standplätzen verzeichnet So fallen beispielsweise während den Reise- werden (vgl. Tabelle 2). Sämtliche Standplätze monaten keine weiteren Kosten an, wie das bei sind rechtlich gesichert oder zumindest für den ganzjährig gemieteten Standplätzen der Fall einen langfristigen Zeithorizont vorgesehen. ist. Andere jedoch nutzen diese Möglichkeit nur mangels einer Alternative. Durchgangsplätze mit einer längeren Winternutzung entschärfen den 6.2. V OR- UND NACHTEILE DES Mangel an Standplätzen. Sie können aber nicht WINTERAUFENTHALTS AUF EINEM als vollwertige Alternative zur Erstellung eines DURCHGANGSPLATZ herkömmlichen Standplatzes betrachtet werden. In diversen Gemeinden gibt es Durchgangsplätze, Sie werden hier deshalb nicht zu den Standplät- die ganzjährig geöffnet sind. Sie dienen im Som- zen gezählt. mer als Durchgangsplätze für einen kürzeren Auf- enthalt und können im Winter während mehrerer Monate als Winterstandplatz benutzt werden. 6.3. STANDPLÄTZE IN PLANUNG Dies ist beispielsweise in Aarau, Basel oder Zürich Im Kanton Bern befinden sich zwei Halteplätze der Fall. Bei dieser Art von Winternutzung leben für den Winteraufenthalt in Planung. In Muri die fahrenden Jenischen und Sinti in ihren Wohn- handelt es sich um einen Platz mit 15 Stellplätzen, wagen, die sie teilweise mit Vorbauten für etwas der ganzjährig geöffnet sein wird. Er soll im mehr Wohnraum erweitern. Das Überwintern Sommer als Durchgangsplatz und im Winter als im Wohnwagen unterscheidet sich jedoch stark Standplatz dienen. von einem Standplatz, auf dem zum Beispiel in einem Chalet gewohnt wird: Die Platzverhältnisse Der Standplatz in Erlach mit 8 Stellplätzen wird im Winter sind eng und es müssen die allgemein nur während der Wintersaison benutzt werden zugänglichen Sanitäranlagen benutzt werden. Die können, da er im Sommer als Campingplatz bean- Heizkosten für einen Wohnwagen sind hoch sprucht wird. Beide Plätze werden den Jenischen und schlagen oftmals stark zu Buche. Spätestens und Sinti somit nicht als ganzjähriger Wohnsitz im Frühling muss der Platz verlassen werden, mit festen Wohnbauten zur Verfügung stehen. weil er wieder als Durchgangsplatz zur Verfügung stehen soll. Muss der Wohnort das ganze Jahr Auch in anderen Kantonen befinden sich Stand- über in kurzen Abständen gewechselt werden, ist plätze in Planung. Sie sind jedoch noch nicht es schwierig, die Schriften bei einer Gemeinde so weit fortgeschritten, dass sie hier erwähnt zu hinterlegen. Damit aber auch die fahrenden werden sollen. Im Kanton Freiburg stehen derzeit Jenischen und Sinti ihre Rechte als Schweizer Überlegungen für eine Erhöhung der Kapazitäten Bürger und Bürgerinnen wahrnehmen können, ist mittels einer Verdichtung des bestehenden Stand die Wohnsitznahme eine unabdingbare Voraus- platzes in der Gemeinde Hauterive im Raum. setzung. Auch ist es im Alter, bei Krankheit oder mit schulpflichtigen Kindern von Vorteil, über einen festen Wohnsitz zu verfügen, da nur noch eingeschränkt gereist werden kann. Diese Proble matik hat sich in der Corona-Krise im Jahr 2020 deutlich gezeigt, als diverse Durchgangsplätze temporär geschlossen wurden und viele Jenische und Sinti nicht mehr wussten, wohin sie gehen können. Tabelle 2: Entwicklung der Standplätze von 2000 – 2020 JAHR 2000 2005 2010 2015 2020 Anzahl Standplätze 11 12 14 15 16 Anzahl Stellplätze 205 212 242 237 248
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