Erfolgreiches Recruiting von Mitarbeitern - Vorgehen und rechtliche Hinweise
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Pflege und Recht Erfolgreiches Recruiting von Mitarbeitern – Vorgehen und rechtliche Hinweise Von Dr. Carmen Hergenröder B ei der Suche nach neuen Mitarbeitern bzw. Auszubil- Praxistipp denden sollte nichts dem Zufall überlassen werden. Zu einer erfolgreichen Suche nach neuen Mitarbeitern und Es gibt eine Menge rechtlicher Stolperfallen. Werden auch Auszubildenden gehört auch „Employer Branding“. die Vorgaben der Gesetze und der Rechtsprechung nicht beachtet, kann dies schnell teuer werden. Es drohen Schadensersatzansprüche nicht berücksichtigter Be- Unter diesem Begriff wird nach allgemeinem Verständ- werber. Hinzu kommt, dass Fehlbesetzungen auch ins nis die Entwicklung und Positionierung eines Unter- Geld gehen können. Zu denken ist an hohe Ausfallzeiten, nehmens bzw. Ausbildungsbetriebes als glaubwürdiger zahlreiche Krankheitstage oder aber langwierige Kündi- und attraktiver Arbeitgeber verstanden – sprich die gungsrechtsstreitigkeiten. Schaffung einer Arbeitgebermarke. Je bekannter und attraktiver sich ein Betrieb darstellt, umso größer sind Schritt Nr. 1: Erfolgreiche Suche nach neuen die Chancen, dass sich Interessenten auf einen Arbeits-/ Beschäftigten und Auszubildenden Ausbildungsplatz in diesem Unternehmen bewerben. Wer neue Mitarbeiter bzw. Auszubildende sucht, muss Sie müssen den Arbeitgeber bzw. Ausbilder als solchen zunächst entscheiden, ob dies auf traditionellem Wege „wahrnehmen“ und sich bestmögliche Ausbildungs- oder unter Zuhilfenahme von Social Media erfolgen soll. möglichkeiten bzw. Berufschancen versprechen, sofern Denkbare Kanäle für die Bewerbersuche sie in diesem Betrieb einen Aus- sind z. B. bildungs- und evtl. späteren Ar- Schaffung – Printmedien wie z. B. Tageszeitungen beitsplatz bekommen. oder Fachzeitschriften einer – Stellenanzeigen auf der Firmen- Beachtung der Vorgaben homepage des Allgemeinen Gleich Arbeitgeber – Mobile Recruiting über Smartphones behandlungsgesetzes – E-Mails bzw. Telefon Stellenanzeigen müssen nach marke – Vermittlung Arbeitsagentur § 11 AGG benachteiligungsfrei – Internet-Jobbörsen sein, dürfen also gegen keines der in § 1 AGG genannten Dis- Für die Bewerbersuche gibt es zahlrei- kriminierungsmerkmale ver- che Jobbörsen im Internet, in welchen die Betreiber Stel- stoßen. Diese Vorschrift möchte eine Benachteiligung lenangebote von Arbeitgebern und/oder Stellengesuche wegen besonderer Merkmale von Beschäftigten vermei- von Bewerbern mittels Informationsabfrage und -selek- den bzw. beseitigen. Damit ist eine Benachteiligung aus tion zur Vermittlung bereitstellen. Zu nennen sind z. B. folgenden Gründen zu unterlassen: Indeed, Jobware, Monster, Jobs.de, StepStone etc. – wegen der Rasse oder ethnischen Herkunft, – wegen des Geschlechts, Empfehlung für die Suche nach geeigneten Auszu- – wegen der Religion oder Weltanschauung, bildenden: – wegen einer Behinderung, Im Hinblick auf das Alter der Zielgruppe bietet sich die – wegen des Alters oder Bewerbersuche v. a. über Social Media geradezu an. Die – wegen der sexuellen Identität. künftigen Azubis sind mit dem Internet und dem Smart- phone sozusagen aufgewachsen und leben damit. Über Eine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot ist zu ma- diese Kanäle erreicht man jugendliche Bewerber mithin chen, wenn besondere berufliche Anforderungen nach bevorzugt. § 8 AGG hiervon eine Abweichung zulassen. 6 Die PraxisAnleitung 4.2021
Pflege und Recht Beispiele: – Was bietet das Unternehmen (Vergütung, Aufstiegs- – Obwohl das „Alter“ ein Diskriminierungsmerkmal chancen, Auslandsaufenthalte etc.)? nach § 1 AGG ist, dürfen z. B. Auszubildende für den – Welche Art der Bewerbung wird gewünscht (Brief- Beruf als Kraftfahrer/-in ab 18 Jahre gesucht werden. form, E-Mail, Beilegen von Zeugnissen)? An wen soll – Eine Stellenanzeige „Frauen an die Macht“, mit wel- die Bewerbung gerichtet werden? cher für ein Autohaus ausdrücklich Verkäuferinnen gesucht werden, ist im Hinblick auf § 8 AGG nicht dis- Stellenanzeigen auf der Firmenhomepage kriminierend, wenn ein Arbeitgeber seinen Kunden Wer einen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz sucht, in- Verkaufsberater beider Geschlechter zur Verfügung formiert sich auch gern auf der Webseite eines inter- stellen möchte (LAG Köln, Urteil vom 18.05.2017, essanten Unternehmens (→ Employer Branding!). Das Az. 7 Ds 913/16). sollten Betriebe bei der Gestaltung ihres Webauftritts im Blick haben und dort über freie Ausbildungs- sowie Stellenanzeigen in Printmedien Arbeitsplätze informieren. Wichtig ist dabei, diese mög- Die gängigste Art der Bewerbersuche ist bisher immer lichst aussagekräftig und attraktiv zu beschreiben (man noch die traditionelle mittels Stellenanzeigen in Zeitun- spricht hier auch von E-Recruiting). gen. Beim Erstellen solcher Anzeigen sollten Arbeitge- ber und Ausbildungsbetriebe darauf achten, dass diese Die Vorteile des E-Recruitings gegenüber traditionel- die wichtigsten Informationen enthalten. Eine Stellen len Stellenanzeigen sind deutlich reduzierte Kosten pro anzeige könnte wie folgt aussehen: Einstellung und eine zeitliche Verkürzung des Beschaf- – Zunächst sollten Informationen über den Betrieb ge- fungsprozesses. Darüber hinaus stehen die Stellenange- geben werden. bote über einen längeren Zeitraum als z. B. in Tageszei- – Für welchen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz werden tungen und zeitlich (24 Stunden an sieben Tagen) sowie neue Auszubildende bzw. Mitarbeiter gesucht? Welche regional unbegrenzt zur Verfügung. Zudem können Voraussetzungen sollte der/die Bewerber/-in mitbrin- Unternehmen auf eine vorselektierte Nutzergruppe zu- gen (Schulabschluss, Vor- bzw. Sprachkenntnisse etc.)? greifen, die zumindest über Internetkenntnisse verfügt. Bluedesign, stock.adobe.com Ständige personelle Fehl- besetzungen sind teuer www.die-praxisanleitung.de 7
Pflege und Recht Hinweis: Für die Suche nach geeigneten Auszubildenden gibt es in Auch Anzeigen auf der Firmenhomepage müssen be- der Praxis noch weitere Möglichkeiten wie z. B.: nachteiligungsfrei i. S. d. AGG formuliert werden. – Aushang am Werkstor Agentur für Arbeit – Veranstaltung eines „Tages der offenen Tür“, an wel- Die Agentur für Arbeit stellt einen umfangreichen Ser- chem künftige Auszubildende Informationen über vice für die Vermittlung von geeigneten Bewerbern zur das Unternehmen erhalten und die Arbeitsplätze vor Verfügung. Demzufolge ist eine Anfrage bei der Agentur Ort besichtigen können. Dadurch wird zugleich eine für Arbeit eine klassische Methode, um Ausbildungs- so- gewisse „Bindung“ an das Unternehmen erreicht. wie Arbeitsplätze zu besetzen. – Kontakt mit Bildungseinrichtungen wie allgemeinbil- denden Schulen oder Fachschulen. Dort können nach Internet-Jobbörsen Absprache mit der Schulleitung Infostände aufgebaut Im Internet bieten zahlreiche Jobbörsen ihre Dienste an. und Flyer verteilt werden. So können Ausbildungs- Die Betreiber dieser Seiten stellen auf diesen Stellenan- betriebe mit künftigen Auszubildenden in Kontakt gebote von Arbeitgebern und/oder Stellengesuche von treten und diese für eine Ausbildung in ihrem Haus Bewerbern mittels Informationsabfrage und -selektion „begeistern“. zur Vermittlung bereit. Jugendliche gehen Beispiele: Indeed, Jobware, Monster, Jobs.de, StepStone etc. Mobile Recruiting mit dem Smartphone auf Stellensuche Ein großer Prozentsatz der Jugendlichen, die einen Aus- bildungsplatz suchen, geht mehr als einmal wöchentlich mit dem Smartphone auf Stellensuche. Damit hat die zunehmende Nutzung von Smartphones und Tablet-PCs einen großen Einfluss auf die Rekrutierung von Auszu- bildenden. Schritt Nr. 2: Auswahl der geeigneten Bewerber Daher gehen immer mehr Ausbildungsbetriebe davon Erhält der Betrieb eine Reihe von Bewerbungen, muss aus, dass die Ansprache von Bewerbern über mobile er in einem zweiten Schritt des Recruiting-Verfahrens Endgeräte sinnvoll ist, und ergreifen entsprechende den für ihn passenden Bewerber herausfiltern. Für die Maßnahmen wie z. B. eine für bestimmte Smartphones Bewerberauswahl stehen verschiedene Alternativen zur oder Tablet-PCs optimierte Darstellung der eigenen Kar- Verfügung. rierewebsites. Vorauswahl anhand der Bewerbungsunterlagen Es ist einen Versuch wert, ob auf diesem Weg auch leich- Anhand der Bewerbungsunterlagen wird der Betrieb zu- ter Bewerber auf einen Arbeitsplatz gefunden werden nächst einmal eine Vorauswahl treffen und dann ent- können. scheiden, wer in die engere Wahl zu ziehen ist. Freshidea, stock.adobe.com Anzeigen auf der Firmenhomepage müssen benach- teiligungsfrei formuliert sein 8 Die PraxisAnleitung 4.2021
Pflege und Recht Die Mindestanforderungen an Bewerbungsschreiben be- Ein Telefongespräch gibt nach Analyse der Bewerbungs- treffen deren unterlagen und vor einem Vorstellungsgespräch die – äußere Form, Möglichkeit, offene Fragen zu klären. Zusätzlich erhält – Vollständigkeit, der Arbeitgeber bzw. Ausbilder einen ersten Eindruck – Übersichtlichkeit, über den Bewerber. Damit bergen Telefoninterviews – Fehlerfreiheit. großen Nutzen und ersparen möglicherweise viel Zeit, personellen und monetären Aufwand. Detailanforderungen an Bewerbungsschreiben sind – ein vollständiger Lebenslauf, Vor dem Gespräch ist es ratsam, einen Telefonleitfaden – Zeugnisse, mit wichtigen Fragen und einen Telefon-Auswertungs- – Nachweise evtl. Zusatzqualifikationen, bogen zu erstellen. – u. U. ein Bewerbungsfoto. Hinweis: Im Hinblick auf das AGG wird neuerdings z. T. die Auf- Auch in einem Telefoninterview sind die Vorgaben des fassung vertreten, dass Bewerbungsfotos nicht angefor- AGG zu beachten. Es dürfen mithin keine Fragen gestellt dert werden sollten, da aus ihnen u. U. diskriminierende werden, die gegen die Diskriminierungsmerkmale des Schlussfolgerungen gezogen werden könnten. Die meis- § 1 AGG verstoßen. ten Bewerber legen jedoch von sich aus ein Foto bei. Bewerbungsgespräch Praxistipp Das Bewerbungsgespräch ist das Kernstück des Aus- wahlprozesses. In diesem gewinnen Arbeitgeber wie Schwerbehinderte Bewerber sollten auf jeden Fall zu ei- Ausbilder einen ersten persönlichen Eindruck von dem nem Bewerbungsgespräch geladen werden. Geschieht dies nicht, kann allein aus diesem Umstand ein Indiz für Bewerber und können gezielt Fragen stellen. eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung nach dem AGG abgeleitet werden mit der Folge, dass der nicht Das Fragerecht des Arbeitgebers/Ausbilders ist aller- berücksichtigte Bewerber möglicherweise Schadensersatz dings zum Schutz der Persönlichkeit des Bewerbers ein- verlangen kann. geschränkt. Es ist eine Interessenabwägung zwischen dem Recht des Arbeitgebers/Ausbilders auf Beschaffung Telefoninterviews von Informationen über den Bewerber sowie dessen Telefoninterviews können als erste Kontaktaufnahme Persönlichkeit vorzunehmen. Ein Auskunftsrecht des mit Bewerbern geführt werden. Sie sparen Zeit bei der Arbeitgebers/Ausbilders wird dabei nur insoweit an- Bewerberauswahl. erkannt, als dieser ein berechtigtes, billigenswertes und ANZEIGE Dr. rer. medic. Anleiten2Go Anleiten2Go German Quernheim E-Learning E-Learning Führen & Anleiten, professionell Frische Impulse für die Pflege Anleiten2go ist die digitale E-Learning Plattform für alle Praxisanleiter:innen der Kliniken, ambulanten Pflegedienste, stationären Pflegeheime und außerklinischen Intensivpflege. www.anleiten2go.de Neue Seminare verfügbar Anl2go_Die PraxisAnleitung_175x64_4c_39L.indd 1 27.10.21 20:30 www.die-praxisanleitung.de 9
Pflege und Recht schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Fall kann der Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung Fragen im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat. Not- nach § 123 BGB angefochten werden (LAG Hessen, Urteil wendig ist zudem ein konkreter Tätigkeitsbezug der ge- vom 21.09.2011, Az. 8 Sa 109/11, rechtskräftig). stellten Frage, da andernfalls kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers/Ausbilders an deren Beantwortung an- Diese Rechtslage gilt auch, wenn der Bewerber auf einen genommen werden kann. Ausbildungsplatz eine zulässige und für die Ausbildung wichtige Frage wahrheitswidrig beantwortet. Wie sollte ein Bewerbungsgespräch ablaufen? – Begrüßung und gegenseitiges Vorstellen Anders sieht die Rechtslage aus, wenn Ausbilder bzw. – Beschreibung des Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatzes Arbeitgeber unzulässige Fragen stellen, z. B. - nach der und der konkreten Anforderungen künftigen Lebensplanung des Bewerbers. Die Beantwor- – Rückfrage an den Bewerber, wieso er sich für diesen tung solcher Fragen kann der Bewerber zwar ablehnen, Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz entschieden hat und riskiert damit jedoch, nicht eingestellt zu werden. Des- ob er sich den Anforderungen gewachsen fühlt halb hat der Bewerber in diesem Fall nach der Recht- – weitere Fragen an den Bewerber sprechung ein Recht auf Lüge, ohne negative rechtliche – evtl. Fragen des Bewerbers Konsequenzen befürchten zu müssen. – Verabschiedung Einschränkung des Fragerechts Es empfiehlt sich, Bewerbungsgespräche unter Ver- wendung eines zuvor ausgearbeiteten Fragenkatalogs durchzuführen. Der Gesprächsverlauf sowie der Inhalt der Unterredung sind ausreichend schriftlich zu doku- mentieren. Aus Beweisgründen sollten Bewerbungsge- spräche zudem von zwei Personen auf Arbeitgeberseite geführt werden. Grundlagen des Fragerechts Im Rahmen des Bewerbungsgesprächs sind zwingend die Vorgaben des AGG zu beachten. Nach den in § 1 AGG ge- nannten Diskriminierungsmerkmalen darf nicht gefragt werden. Hingegen sind Fragen nach dem beruflichen Werdegang, Ausbildung, Berufserfahrung etc. zulässig. Das Bestehen bzw. Fehlen eines Fragerechts des Arbeitge- bers ist von Bedeutung für die Frage, wie sich die Rechts- lage gestaltet, wenn dieser unzulässige Fragen stellt bzw. ein Bewerber zulässige Fragen falsch beantwortet. Dabei gilt folgender Grundsatz: Zulässigerweise gestellte Fragen sind wahrheitsgemäß zu beantworten. Geschieht dies nicht, steht dem Arbeit- geber ein Anfechtungsrecht zu, wenn die falsche Ant- wort für den Abschluss des Arbeitsvertrags kausal war (BAG, Urteil vom 07.07.2011, Az. 2 AZR 396/10). Beispiel: Das Gespräch sollte anhand eines aus- Ein Bewerber um einen Arbeitsplatz in einem Drei- gearbeiteten Fragen- Schicht-Betrieb wird gefragt, ob er auch Nachtschichten katalogs durch leisten kann. Dies bejaht er wahrheitswidrig. In diesem geführt werden 10 Die PraxisAnleitung 4.2021
Pflege und Recht Recht auf Lüge Tätigkeit wegen eines mutterschutzrechtlichen Beschäf- tigungsverbots zunächst nicht aufnehmen kann (BAG, Urteil vom 06.02.2003, Az. 2 AZR 621/01). Beispiel: Eine Bewerberin auf einen Ausbildungs-/Arbeitsplatz Wonach darf konkret gefragt werden? wird unzulässigerweise gefragt, ob sie schwanger ist. – Fragen nach der schulischen Ausbildung sowie einer Sie verneint die Frage wahrheitswidrig. In diesem Fall evtl. bereits erfolgten anderweitigen Beschäftigung hat der Ausbilder/Arbeitgeber kein Recht zur Anfech- oder Ausbildung sind zulässig und müssen wahrheits- tung des Ausbildungs- bzw. Arbeitsvertrages. Auch gemäß beantwortet werden. Auch über Zeugnisse und eine Probezeitkündigung scheidet im Hinblick auf Prüfungsnoten ist Auskunft zu geben. Erfragt werden § 17 MuSchG aus. dürfen des Weiteren z. B. Fremdsprachenkenntnisse, die Absolvierung von Praktika oder Lehrgängen sowie Denn die Frage nach einer bestehenden Schwanger- sonstige Spezialkenntnisse oder besondere Fähigkei- schaft ist grundsätzlich unzulässig. Sie verstößt regel- ten. Nur so kann der Arbeitgeber bzw. Ausbildungs- mäßig gegen das Diskriminierungsverbot des AGG. Dies betrieb beurteilen, ob der Bewerber für den vorgese- soll selbst dann gelten, wenn die Frau die vereinbarte henen Arbeits-/Ausbildungsplatz geeignet ist. Robert Kneschke, stock.adobe.com www.die-praxisanleitung.de 11
Pflege und Recht – Nach den Vermögensverhältnissen eines Bewerbers dass sie der Bewerber von sich aus ansprechen muss – darf der Arbeitgeber zulässigerweise nur dann fragen, sog. Offenbarungspflicht. Eine solche Pflicht besteht al- wenn er bzgl. des ins Auge gefassten Arbeitsplatzes lerdings nicht, wenn eine Frage des Arbeitgebers nach ein berechtigtes Interesse an geordneten Vermögens- demselben Gegenstand unzulässig wäre. verhältnissen seines künftigen Arbeitnehmers hat. Bei Bewerbern auf einen Ausbildungsplatz wird sich Verwendung von Personalfragebögen diese Frage nur ausnahmsweise stellen. zur Auswahl von Bewerbern? – Arbeitgeber und Ausbilder dürfen Bewerber nicht Personalfragebögen können vor einem Bewerbungs- allgemein nach einer (Schwer-)Behinderung fragen. gespräch oder stattdessen verwendet werden. Darunter Erlaubt sein muss die Frage nach einer Behinderung versteht man die formularmäßige Zusammenfassung jedoch dann, wenn ihr Fehlen eine entscheidende be- von Fragen über die persönlichen Verhältnisse, Kennt- rufliche Anforderung für die in Aussicht genommene nisse und Fähigkeiten des Bewerbers (BAG AP Nr. 16 zu Tätigkeit bzw. Ausbildung ist (berufliche Anforde- § 79 BPersVG). Sie sind wichtige Instrumente der Per- rungen gem. § 8 AGG; BAG, Urteil vom 17.12.2009, sonalplanung, mit welchen der Arbeitgeber/Ausbilder Az. 8 AZR 670/08). möglichst viele Daten über die Person der Bewerber um – Nach bestehenden Krankheiten darf gefragt werden, einen Arbeits-/Ausbildungsplatz erhalten möchte. Dabei Robert Kneschke, stock.adobe.com sofern diese im Zusammenhang mit dem ins Auge ge- besteht die Gefahr, dass Fragen gestellt werden, welche fassten Arbeitsverhältnis stehen und die Arbeitsleis- das Persönlichkeitsrecht der Bewerber verletzen. tung des Bewerbers dauerhaft oder regelmäßig wie- derkehrend beeinträchtigen – z. B. Epilepsie bei einer Hier zeigt sich die gleiche Rechtslage wie bei einem Be- Nachtschwester. werbungsgespräch. Das heißt: Die Vorgaben des AGG und der Rechtsprechung sind zu beachten. Die Offenbarungs Hinweis: Nach § 94 Abs. 1 BetrVG bedürfen Personalfragebögen pflicht des Bewerbers der Zustimmung des Betriebsrats. Dem Betriebsrat obliegt jedoch nur ein Mitbestimmungsrecht; das In- itiativrecht steht dem Arbeitgeber zu (Urteil des LAG Düsseldorf vom 24.07.1984, DB 1985, 134). Dieser kann An die Zulässigkeit diesbezüglicher Fragen sind strenge also frei entscheiden, ob er überhaupt Personalfrage- Maßstäbe zu stellen, da sie einen erheblichen Eingriff in bögen einführt (Urteil des LAG Düsseldorf, Urteil vom die Intimsphäre des Bewerbers bedeuten. So wird es für 24.07.1984 – DB 1985, 134; Urteil des LAG Frankfurt, zulässig angesehen, u. a. folgende Fragen hinsichtlich DB 1992, 534). Entscheidet er sich dafür, unterliegen bestehender Krankheiten zu stellen: die Einführung und Änderung des Fragebogens so- – Liegt eine Krankheit oder Beeinträchtigung des Ge- wie die Festlegung des Inhalts der Mitbestimmung des sundheitszustands vor, welche die Eignung für den Betriebsrats. vorgesehenen Arbeits-/Ausbildungsplatz auf Dauer oder in periodischen Abständen einschränkt? Bei der inhaltlichen Gestaltung der Personalfragebögen – Liegen ansteckende Krankheiten vor, die zwar nicht sind die vom BAG für das Fragerecht des Arbeitgebers die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, jedoch die im Einstellungsgespräch entwickelten Grundsätze zu künftigen Kollegen oder Kunden gefährden? beachten. Soweit danach Fragen unzulässig sind, dürfen – Wären Sie bereit, sich auf unsere Kosten von einem sie nicht aufgenommen werden. Erteilt der Betriebsrat Arzt unserer Wahl untersuchen zu lassen und diesen seine Zustimmung zu einer unzulässigen Frage, ist der von der Schweigepflicht zu entbinden, soweit Er- Bewerber nicht verpflichtet, diese wahrheitsgemäß zu krankungen Auswirkungen auf die Tätigkeit haben beantworten. könnten? Eignungstests Hingegen sind allgemein gehaltene Fragen nach dem Teilweise führen Arbeitgeber/Ausbilder im Rahmen der Gesundheitszustand unzulässig, ebenso wie Erkundi- Bewerberauswahl auch Eignungstests durch. In rechtli- gungen nach Krankheiten, die sich als Verwirklichung cher Hinsicht ist hierbei zu beachten: des allgemeinen Lebensrisikos darstellen (Grippe, Erkäl- – Die Vorgaben des AGG und die Grundsätze des Frage- tungskrankheiten usw.). Auch Fragen nach Erkrankun- rechts sind zu beachten. gen in der Familie eines Bewerbers sind unzulässig. – Der Bewerber muss nach vorheriger Information ein- willigen. Bestehen entsprechende Einschränkungen gesundheitli- – Es muss sich um die Ermittlung arbeits- bzw. ausbil- cher Art, steht die Rechtsprechung auf dem Standpunkt, dungsplatzbezogener Daten handeln. 12 Die PraxisAnleitung 4.2021
Pflege und Recht Es dürfen vom Arzt keine Fragen gestellt werden, die der Arbeitgeber nicht stellen darf. Diesem darf nur die Eignung des Bewerbers für den Arbeitsplatz mitgeteilt werden, nicht das Ergebnis der Untersuchung. Hinweis: Bei Minderjährigkeit des Bewerbers ist nach § 32 JArbSchG eine ärztliche Erstuntersuchung vor der Auf- nahme der Tätigkeit verpflichtend vorgeschrieben. Robot Recruiting Im Rahmen des Einsatzes künstlicher Intelligenz im HR- Bereich werden derzeit die Möglichkeiten von Robot Re- cruiting diskutiert. Es wird unterstellt, dass dieses nahe- zu das gesamte Recruiting-Verfahren abdecken kann. So wird vermutet, dass in Zukunft Algorithmen eingesetzt werden können, um mögliche Kandidaten im Internet – bspw. über LinkedIn, Xing oder sonstigen Netzwerken – auffinden zu können. Teilweise wird unterstellt, dass künftig Bewerberinterviews zumindest partiell über di- gitale Assistenten durchgeführt werden. Hier bleibt die künftige Entwicklung abzuwarten. Durchführung von Assessment-Center Künstliche Intelligenz – Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt im HR-Bereich sein. – Wenn die Äußerungen des Bewerbers zwecks späte- rer Auswertung schriftlich festgehalten werden sol- Aufbewahrungsfristen für Bewerbungsunterlagen len, greift das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats Bewerbungsunterlagen abgelehnter Bewerber müssen nach § 94 Abs. 1 BetrVG. spätestens nach drei Monaten zurückgeschickt bzw. ver- nichtet werden, sobald feststeht, dass der betreffende Assessment-Center Bewerber im Rahmen der Besetzung des Arbeitsplatzes Assessment-Center oder Auswahlseminare sind syste- nicht berücksichtigt wird. Initiativbewerbungen müssen matische Verfahren zur qualifizierten Festlegung der nur zurückgeschickt werden, wenn ein Freiumschlag mit Leistungsfähigkeit bzw. von Leistungsdefiziten, bei de- der Bitte um Rücksendung beigefügt wird. nen gleichzeitig mehrere Bewerber im Hinblick auf die Anforderungen des zu besetzenden Arbeitsplatzes durch Ersatz von Vorstellungskosten? mehrere Beobachter (Assessoren) beurteilt werden. Im Fordert der Arbeitgeber einen Bewerber ausdrücklich Regelfall müssen in Gruppenarbeit eine oder mehrere dazu auf, sich persönlich vorzustellen, sind nach all- arbeitsplatzbezogene Aufgaben gelöst werden. gemeiner Meinung die hierdurch entstehenden Vor- stellungskosten zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Diese Auswahlmethode dürfte sich für die Besetzung ei- Betrieb den Bewerber darauf hinweist, dass Vorstel- nes Ausbildungsplatzes nur im Ausnahmefall anbieten. lungskosten nicht übernommen werden. Ein entstande- ner Zeitaufwand ist nicht zu ersetzen. /// Einstellungsuntersuchungen Einstellungsuntersuchungen bzw. psychologische Tests sind nur zulässig, wenn Dr. Carmen Silvia Hergenröder – sie gesetzlich vorgeschrieben sind (z. B. nach § 43 Neben ihrer Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin IfSG), arbeitet Frau Dr. Hergenröder u. a. als Herausgeberin und – der Bewerber einwilligt, Autorin juristischer und Praktikerliteratur (z. B. „Das neue Be- rufsbildungsrecht“ des FORUM VERLAGS HERKERT). Zudem – es sich um die Ermittlung arbeitsplatzbezogener Da- führt sie seit Jahren v. a. Seminare zum Arbeits- und Berufs- ten handelt und bildungsrecht sowie Betriebsverfassungsrecht durch. – der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. www.die-praxisanleitung.de 13
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