Erhaltungskonzept der Wildartensammlungen der Obstgenbank Dresden-Pillnitz - Aktivsammlung, Kryokonservierung, Global Seed Vault
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Journal für Kulturpflanzen, 72 (9). S. 466–472, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.09.02 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Übersichtsarbeit Monika Höfer, Henryk Flachowsky Erhaltungskonzept der Wildartensammlungen der Obstgenbank Dresden-Pillnitz – Aktivsammlung, Kryokonservierung, Global Seed Vault Conservation strategy of the wild species collections of the Fruit Gene Bank in Dresden-Pillnitz – Active Collection, Cryopreservation, Global Seed Vault 466 Zusammenfassung Abstract Die Erhaltung obstgenetischer Ressourcen ist eine The preservation of fruit genetic resources is the basis for wichtige Voraussetzung für die langfristige Sicherung ensuring a sustainable fruit production. All activities of des Obstbaus. Das Nationale Fachprogramm zur Erhal- long-term preservation, utilization, research and develop- tung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer ment of fruit genetic resources are based on the German Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher National Program for Genetic Resources of Agricultural Kulturpflanzen in Deutschland ist die Arbeitsgrund- and Horticultural Plants. The Fruit Gene Bank at the Julius lage aller Aktivitäten zur Erhaltung obstgenetischer Kühn-Institute (JKI), Institute for Breeding Research on Ressourcen. Die Obstgenbank in Dresden-Pillnitz hat Fruit Crops has been established as a partner for science sich seit ihrer Übernahme durch das Julius Kühn-Insti- and practice at the national and international level since tut (JKI), Institut für Züchtungsforschung an Obst, am its integration into JKI at January 1st, 2003. In addition to 01. Januar 2003 zu einem Partner für Wissenschaft the cultivar collections for all fruit species native to Cen- und Praxis auf nationaler und internationaler Ebene tral Europe, it also has comprehensive wild species collec- entwickelt. Sie besitzt neben den Sortensammlungen tions, which are the largest public collections of their type von allen in Mitteleuropa heimischen Obstarten um- in Europe for the genera Malus and Fragaria. The conser- fangreiche Wildartensammlungen, die bei Malus und vation strategies in the fruit gene bank, especially under Fragaria die größten öffentlich zugänglichen Samm- the special aspect of wild species, will be summarized in lungen ihrer Art in Europa darstellen. Die Erhaltungs- this paper and the combination of different conservation strategien in der Obstgenbank sind vielfältig und um- methods will be highlighted as a potential to secure the fassen bei den Wildarten neben der klassischen Aktiv- genetic resources of fruits sustainably and effectively. sammlung auch die Kryokonservierung und die Einla- gerung von Samen im Svalbard Global Seed Vault im Key words: Cryopreservation, fruit genetic resources, Permafrost in Norwegen. Ziel ist es, durch die Kombi- genebank, Global Seed Vault nation von verschiedenen Erhaltungsmethoden die genetischen Ressourcen bei Obst nachhaltig und effek- tiv zu sichern. Entwicklung der Obstgenbank Dresden-Pillnitz Stichwörter: Genbank, Global Seed Vault, Die systematische Obstzüchtung auf Basis wissenschaftli- Kryokonservierung, obstgenetische Ressourcen cher Erkenntnisse begann in Deutschland vor etwa 100 Affiliation Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an Obst, Dresden Kontaktanschrift Dr. Monika Höfer, Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an Obst, Pillnitzer Platz 3a, 01326 Dresden, E-Mail: monika.hoefer@julius-kuehn.de Zur Veröffentlichung angenommen 3. August 2020
Journal für Kulturpflanzen, 72 (9). S. 466–472, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.09.02 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Jahren und ist eng mit den Namen OTTO SCHINDLER in Pill- führt. Das IPK wurde damit Sitz der Bundeszentralen Übersichtsarbeit nitz und ERWIN BAUR in Müncheberg verbunden (SCHMIDT, Ex-situ-Genbank landwirtschaftlicher und gärtnerischer 1948; MURAWSKI, 1968). Da eine erfolgreiche Züchtung Kulturpflanzen (MÜNTZ & WOBUS, 2012). Die umfangrei- auch eine umfangreiche Sortimentsarbeit voraussetzt, chen genetischen Ressourcen der Obstgenbank wurden wurde zur gleichen Zeit mit dem Aufbau von Sammlun- in diesem Zusammenhang zum 1. Januar 2003 an das gen von Sorten sowie Wildartenmustern begonnen. Eine Züchtungsinstitut der BAZ in Dresden-Pillnitz überführt, der ersten Sammlungen dieser Art entstand im Erwin- welches heute als Institut für Züchtungsforschung an Baur-Institut in Müncheberg. Die großen Bestände des Obst zum Julius Kühn-Institut (JKI) gehört. Müncheberger Institutes wurden stetig durch wertvolle Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden in der Obstgen- Formen aus dem Ausland und die Teilnahme an Sammel- bank Dresden-Pillnitz 2.387 Sorten bzw. Wildarten-Ak- reisen erweitert (KUCKUCK und SCHMIDT, 1948). Sie waren zessionen in permanenten Feldsammlungen als Aktiv- die Grundlage für umfangreiche morphologisch-syste- sammlung erhalten (Abb. 1). Diese Art der Ex-situ-Erhal- matische und genetische Untersuchungen an Arten und tung ist bei obstgenetischen Ressourcen aufgrund des Artbastarden der Gattung Malus (HENNING, 1947 pos- hohen Maßes an Heterozygotie notwendig, um die Inte- tum). Im Jahre 1921 begann mit der Gründung der grität der Sorten bzw. Akzessionen zu erhalten. Obwohl Außenstelle der Biologischen Reichsanstalt für Land- die Erhaltung aufgrund der vegetativen Vermehrung sehr und Forstwirtschaft in Naumburg der Aufbau eines arbeitsaufwendig ist, bieten Aktivsammlungen viele Vor- Arboretums. In diesem konnten gezielte Artbastardierun- teile. Sie stellen u. a. ständig verfügbares Ausgangsmate- gen bei Malus und nachfolgend morphologische Beschrei- rial für die Charakterisierung und Evaluierung, die Obst- 467 bungen der einzelnen Formen realisiert werden (SEELINGER, züchtung und den Materialaustausch zur Verfügung. Die 1934; GOLLMICK, 1958; MILDENBERGER, 1963). in Aktivsammlungen erhaltenen genetischen Ressourcen Ab 1971 kam es in der ehemaligen Deutschen Demo- sind allerdings ständig dem Risiko des Verlustes durch kratischen Republik zur Zusammenlegung aller Aktivitä- Pflanzenkrankheiten (biotische Schaderreger) und nega- ten im Bereich der Obstzüchtung in Pillnitz. In der Folge tive Umwelteinflüsse (abiotische Schadfaktoren) ausge- wurden die Müncheberger und Naumburger Sammlungen setzt. als integrierte Bestandteile der Obstzüchtung betrachtet Um solchen Verlusten vorzubeugen, ist der Aufbau von und als Ausgangsmaterial für die Sammlungen der heuti- Duplikatsammlungen für Feldsammlungen obligatorisch gen Obstgenbank an den Standort Dresden-Pillnitz trans- (ENGELS & VISSER, 2003). Dabei befindet sich das Duplikat feriert. In der Abteilung Obstzüchtung wurden die Arbei- zu Sicherungszwecken an einem anderen Standort und ten zur Beschreibung des Materials fortgesetzt und aus- kann dabei entweder in einer anderen Feldsammlung, gewählte Genbankakzessionen zielgerichtet im Zucht- als In-vitro-Kultur oder in der Kryolagerung erhalten prozess eingesetzt (FISCHER & BÜTTNER, 1986). werden. 1991 wurde auf der Basis des Einigungsvertrages (Ver- Für die Sortensammlungen der Obstgenbank wurde trag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der mit der Gründung der Deutschen Genbank Obst (DGO) Deutschen Demokratischen Republik über die Herstel- im Jahr 2009 die Möglichkeit geschaffen, in einem natio- lung der Einheit Deutschlands) zunächst die Arbeits- nalen dezentralen Genbanknetzwerk in einer neuen gruppe ‚Genbank Obst‘ des ehemaligen Institutes für innovativen Weise die Erhaltungsarbeit in Deutschland Obstforschung Dresden-Pillnitz – als eine Außenstelle zu koordinieren (HÖFER et al., 2019; https://www.deut- (‚Genbank Süd‘) der Arbeitsgruppe ‚Genbank‘ des dama- sche-genbank-obst.de/). Die DGO bietet darüber hinaus ligen Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen- die Möglichkeit, Sammlungen an mehreren Standorten forschung (IPK) – etabliert. Die Pillnitzer Sammlungen in Deutschland zu duplizieren. Die zentrale Koordinie- wurden durch MANFRED FISCHER und Mitarbeiter in den rung der DGO wurde vom Bundesministerium für Land- folgenden Jahren kontinuierlich erweitert und die Cha- wirtschaft und Ernährung dem Institut für Züchtungsfor- rakterisierungsarbeiten fortgesetzt (BÜTTNER et al., 2000; schung an Obst übertragen. Die DGO verfolgt das Ziel, FISCHER & FISCHER, 1999; GEIBEL, 2002; LUBY et al., 2001). die Erhaltung gemeinsam ausgewählter Sorten (Sorten Auf Empfehlung des Wissenschaftsrates und auf mit DGO-Mandat) an mindestens zwei Standorten in gemeinsamen Beschluss der damaligen Bundesministe- Deutschland langfristig zu realisieren. rien für Wissenschaft und Technologie sowie Verbrau- cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vereinbarten das IPK und die damalige Bundesforschungsanstalt für Ex-situ-Erhaltung der Wildartensammlungen in der Züchtungsforschung an Kulturpflanzen (BAZ) im Jahr Obstgenbank Dresden-Pillnitz 2001 eine institutionelle Aufgabenteilung bei der Erhal- tung genetischer Ressourcen in Deutschland. Das IPK Neben den Obstsortensammlungen von allen in Mittel- konzentriert sich seither auf die Ex-situ-Erhaltung, wäh- europa heimischen Obstarten (z. Z. ca. 1.400 Sorten), rend die BAZ die Verantwortung für die Bereiche In-situ- besitzt die Obstgenbank mehr als 1.000 verschiedene und On-farm-Erhaltung übernahm. In der Folge wurden Wildarten-Akzessionen von vier Gattungen Malus (Apfel), im Jahr 2003 die beiden großen Ex-situ-Sammlungen des Fragaria (Erdbeere), Pyrus (Birne) und Prunus (in der IPK und der Forschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) Hauptsache Kirsche) sowie einzelne Arten anderer Gat- in Braunschweig am Standort Gatersleben zusammenge- tungen (z. B. Sorbus (Eberesche) u. a.). Journal für Kulturpflanzen 72. 2020
Journal für Kulturpflanzen, 72 (9). S. 466–472, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.09.02 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Übersichtsarbeit Abb. 1. Erhaltung obstgeneti- scher Ressourcen in Deutschland – Konzept unter Nutzung von Ex-situ-Erhaltung (Aktivsamm- lungen im Feldbereich der Obst- genbank Dresden-Pillnitz und 468 Sammlungen der Partner der Deutschen Genbank Obst), der Kryokonservierung und der Ein- lagerung von Samenproben im Svalbard Global Seed Vault. Wild- arten – hellblau; Sorten – gelb. Sowohl die Malus-Sammlung als auch die Fragaria- Material aus der Privatsammlung von GÜNTER STAUDT, Sammlung stellen die größten öffentlichen Sammlungen Freiburg (u. a. STAUDT, 2005, 2006; STAUDT et al., 2009) ihrer Art in Europa dar. Gegenwärtig umfasst die perma- und Abgaben durch BRIGITTE WACHSMUTH, Bielefeld nente Malus-Sammlung 516 Akzessionen von 26 Primär- (WACHSMUTH, 2010) beträchtlich erweitert. arten sowie von 21 Arthybriden der Gattung. Damit sind Demgegenüber stellen die Pyrus-, Prunus sowie Sorbus- alle Sektionen und Serien dieser Gattung vertreten (FORS- Sammlungen kleinere Sammlungen dar. Bei der Pyrus- LINE et al., 2003). 215 Malus-Akzessionen aus der oben Sammlung kommen 37 der 64 Wildarten-Akzessionen beschriebenen Naumburger Sammlung befinden sich (68 % der Pyrus-Akzessionen) ebenfalls aus der Naum- noch heute in der Sammlung der Obstgenbank. Ihr Anteil burger Sammlung. Die Prunus-Sammlung umfasst 84 entspricht dabei fast 50 % der ehemaligen Sammlung Akzessionen, die u. a. aus dem East Malling Forschungs- (BÜTTNER, 1994). Der Bestand des Malus-Sortimentes institut für Obstbau (Großbritannien), dem Vavilov For- wurde durch Akzessionen aus dem Nikolai I. Vavilov For- schungsinstitutes für Pflanzenbau St. Petersburg (Russ- schungsinstitutes für Pflanzenbau St. Petersburg (Russ- land) und dem Forstbotanischen Garten in Tharandt land) und dem USDA-ARS Plant Genetic Resources Unit, (Deutschland) kommen. Die 17 Akzessionen der Sorbus- der Cornell Universität in Geneva (USA) schrittweise er- Sammlung stammen aus Sammlungen unterschiedlicher gänzt. Gegenwärtig befinden sich zusätzlich ca. 2.100 Einrichtungen. Sämlinge von Sammelexpeditionen nach China und in Auf Grund der Tatsache, dass sich die DGO als Gen- den Kaukasus (Russland, Georgien, Aserbaidschan) in den banknetzwerk ausschließlich auf die Erhaltung von Sor- Evaluierungsquartieren. Ziel ist es, Kernsammlungen ten der einzelnen Obstarten konzentriert, bestand für die (‚Core-collectionen‘) für die einzelnen Arten zu erarbeiten, Obstgenbank des JKI die Notwendigkeit, alternative For- die bei begrenztem Materialumfang die genetische Diver- men für den Aufbau von Duplikatsammlungen für die ein- sität der kompletten Sammlung einer Art repräsentieren. zelnen Wildarten-Sammlungen zu finden und zu etablie- Die Fragaria-Sammlung umfasst 297 Akzessionen von ren. Dabei sind die Anforderungen der einzelnen Wild- 24 verschiedenen Arten und Arthybriden. Sie ist in drei arten zum Teil sehr unterschiedlich. Das spiegelt sich auch Hauptkomplexe gegliedert: (I) die in Europa heimischen in Methoden wieder, die für deren Erhaltung etabliert Arten F. vesca L., F. moschata Weston und F. viridis Wes- werden mussten, bzw. zukünftig noch etabliert werden ton, (II) den großen Komplex der asiatischen Arten sowie sollen. Diese werden im Folgenden kurz vorgestellt (III) die amerikanischen Arten F. chiloensis (L.) Miller und F. virginiana Miller, welche die beiden Ursprungsar- ten der Kulturerdbeere Fragaria × ananassa Duch. sind. Kryokonservierung bei Obst Damit beinhaltet die Genbank Akzessionen von allen bei Fragaria existierenden Fertilitätsgruppen. Die Fragaria- Die Kryokonservierung ist eine effiziente Methode zum Sammlung wurde seit 2002 durch die Übernahme von Aufbau einer Duplikatsammlung und eine Möglichkeit Journal für Kulturpflanzen 72. 2020
Journal für Kulturpflanzen, 72 (9). S. 466–472, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.09.02 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart der Langzeitlagerung für Pflanzen, die vegetativ (klonal) In der Wertigkeit der weiteren Bearbeitung zum Auf- Übersichtsarbeit vermehrt werden (ENGELMANN, 2000). Sie wird inzwi- bau einer Duplikatsammlung hatten die Malus- und die schen bei einer Vielzahl von Pflanzenarten angewandt Pyrus-Sammlungen Vorrang. Arten dieser Gattungen (REED, 2008). Unter Kryokonservierung (von griechisch sind in Feldsammlungen besonders gefährdet. Ein mög- κρύος, krýos „Kälte“ und lateinisch conservare „erhalten, licher Befall mit den geregelten Quarantäneschaderre- bewahren“) versteht man das Aufbewahren von Zellen gern Erwinia amylovora (Feuerbrand), Candidatus Phyto- oder Gewebe durch Einfrieren in flüssigem Stickstoff, plasma mali (Apfeltriebsucht) und Candidatus Phyto- wobei die Vitalität der Zellen nahezu unbegrenzt auf- plasma pyri (Birnenverfall) würde eine Rodung der Bäu- rechterhalten werden soll. me nach sich ziehen. Für die Erhaltung genetischer Ressourcen der Gattung Bei Malus wurde ein Verfahren etabliert, welches auf Fragaria wurden verschiedene Methoden der Kryokon- der Methode der Kryokonservierung von dormanten servierung von isolierten Sprossspitzen in flüssigem Apfelknospen, die von FORSLINE et al. (1998a, b) entwi- Stickstoff bei –196°C verglichen (HÖFER & REED, 2010). ckelt wurde, aufbaut und auf die Bedingungen der Obst- Die besten Ergebnisse wurden dabei mit der Methode der genbank Dresden-Pillnitz angepasst und optimiert wurde PVS2-Vitrifikation in Kombination mit einer 14-tägigen (HÖFER, 2007; HÖFER, 2010). Dabei werden dormante Kälte-Akklimatisierung der In-vitro-Sprosse und einer Apfelknospen nach gezielter Dehydrierung bei –5°C in anschließenden 2-tägigen DMSO-Vorkultur der isolierten einem zweistufigen Gefrierprozess in der gasförmigen Sprossspitzen unter den gleichen Kältebedingungen Phase des flüssigen Stickstoffs gelagert und nach erzielt (Abb. 2). Dieses Verfahren wurde im Anschluss Rehydrierung direkt ohne Anwendung der In-vitro-Kul- 469 für ein Genotypen-Screening eingesetzt. Die in der Lite- tur auf eine Unterlage veredelt (Abb. 2). Nach der Etab- ratur angestrebte Mindestregenerationsrate von 40 % lierung dieser Methode erfolgte auch hier ein Genoty- (REED, 2001) wurde bei allen getesteten Genotypen, pen-Screening. Die Ergebnisse waren stark abhängig sowohl bei Erdbeersorten (Fragaria × ananassa Duch.) vom Genotyp. Die Anwachsraten nach Veredelung als auch bei Akzessionen von 21 verschiedenen Fraga- schwankten zwischen 0 % und 100 %. Im Durchschnitt ria-Arten mit einem Durchschnitt von 86 % erreicht aller getesteten Malus-Akzessionen werden jedoch (HÖFER, 2016). Damit stellt die Kryokonservierung eine Anwachsraten von 40 % der veredelten Knospen erreicht effektive Methode zur Sicherungsverwahrung für die (HÖFER, 2015). 142 Malus-Akzessionen befinden sich zur- genetischen Ressourcen von Fragaria in Deutschland dar. zeit in der permanenten Kryolagerung. Aus arbeitstech- Gegenwärtig befinden sich 158 Sorten und 66 Wild- nischen Gründen können jährlich ca. 40 neue Akzessio- arten-Akzessionen in der Kryokonservierung. Damit ist nen in die Sammlung aufgenommen werden. Damit wird die Kryokultursammlung des JKI nach den vorliegenden der Aufbau der Malus-Kryolagerung noch einige Jahre in Kenntnissen die größte bei Fragaria weltweit. Anspruch nehmen. Abb. 2. Vergleichende Darstel- lung der Methoden der Kryokon- servierung bei Fragaria und Pyrus unter der Anwendung der PVS2 Vitrifikation sowie bei Malus un- ter Einsatz von dormanten Knos- pen. Journal für Kulturpflanzen 72. 2020
Journal für Kulturpflanzen, 72 (9). S. 466–472, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.09.02 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Aufgrund ihrer Bedeutung und dem hohen Aufwand ein zusätzliches Kühlsystem, um eine konstante Lager- Übersichtsarbeit der für die Etablierung von Kryokultursammlungen temperatur von –18°C zu gewährleisten. Das Saatgutla- betrieben werden muss, wird der Ausbau der Sammlun- ger besteht aus drei Hallen, jede mit einer Grundfläche gen bei den Fragaria- und Malus-Sammlungen am JKI als von etwa 9,5 × 27 m und einer Lagerkapazität von etwa separater Handlungsbedarf im Nationalen Fachprogramm 1,5 Millionen Samenproben. Das Global Seed Vault wurde zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengene- am 26. Februar 2008 eröffnet. tischer Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbauli- Entsprechend den Regularien des Global Seed Vault cher Kulturpflanzen (https://www.genres.de/fachportale/ hat das JKI, Institut für Züchtungsforschung an Obst, mit kultur-und-wildpflanzen/nationales-fachprogramm) dem Königlichen Ministerium für Landwirtschaft und genannt. Ernährung in Norwegen im Jahr 2019 ein Agreement zur Bei Pyrus wurde ebenfalls mit der Etablierung der Einlagerung von Samen von Wildartenmustern aus der Methode der Kryokonservierung begonnen. Hier konnte Obstgenbank Dresden-Pillnitz geschlossen. Dazu sollen auf bereits etablierte In-vitro-Kulturen aufgebaut wer- Samen vor allem von Akzessionen einheimischer Wild- den. Für die Inkulturnahme von Sprossspitzen und die arten durch gezielte Kreuzungen erzeugt und in Svalbard In-vitro-Vermehrung werden in Abhängigkeit vom Geno- eingelagert werden. Ziel ist es, die Diversität der einhei- typ unterschiedliche Medien verwendet (REED, 1999; mischen Arten zu erhalten, auch wenn dabei durch die HANKE, unveröff.). Im ersten Versuchsjahr kam aus- Art und Weise der Konservierung die genetische Integri- schließlich eine modifizierte Methode der PVS2-Vitrifica- tät der einzelnen Muster verlorengeht. Damit wird die tion, wie bei HÖFER (2016) beschrieben, zum Einsatz. Erhaltung der genetischen Information, die in den Wild- 470 Erste In-vitro-Sprosse wurden erfolgreich regeneriert artensammlungen der Obstgenbank vorhanden ist viel- und diese Akzessionen in die Kryo-Dauerlagerung über- schichtiger und eine sichere und dauerhafte Erhaltung führt. Unabhängig von der Methode sind auch bei Pyrus kann gewährleistet werden. auf Grund arbeitstechnischer und jahreszeitlicher Für die erste Einlagerung durch das JKI, Institut für Abhängigkeiten Begrenzungen gesetzt. Dadurch wird Züchtungsforschung an Obst, im Februar 2020 wurden der Aufbau einer kompletten Duplikatsammlung noch zunächst nur zwei Proben des einheimischen Wildapfels mehrere Jahre dauern. Malus sylvestris (L.) Mill. und der einheimischen Wildbirne Pyrus pyraster L. übergeben (Abb. 3). Für die Zukunft ist außerdem die Einlagerung von Samen der Erdbeerwild- Global Seed Vault arten geplant. Das Global Seed Vault auf Spitzbergen (Svalbard-Archi- pel, Norwegen) stellt ein internationales Saatgutlager Fazit und Ausblick zur Erhaltung der weltweit wichtigsten pflanzengeneti- schen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft dar Gegenwärtig werden die obstgenetischen Ressourcen in (https://www.seedvault.no/). Basierend auf dem Inter- Deutschland vor allem im Freiland erhalten, als Aktiv- nationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen sammlungen von Topfpflanzen für Fragaria und in Form für Ernährung und Landwirtschaft (http://www.fao. von Bäumen für die Kern- und Steinobstarten. Um Ver- org/3/I0510DE/i0510de.pdf) schloss das norwegische lusten auf Grund von Pflanzenkrankheiten und abioti- Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung 2007 ein schen Stressfaktoren vorzubeugen, ist der Aufbau von langfristiges Partnerschaftsabkommen mit dem Nordic Duplikatsammlungen für Feldsammlungen obligatorisch. Genetic Resource Center1 und dem Global Crop Diversity Für die sichere Erhaltung obstgenetischer Ressourcen Trust2 ab, um die Finanzierung, das Management und geht die Obstgenbank am JKI unterschiedliche Wege. Das den Betrieb des Seed Vault zu gewährleisten. Die nach betrifft sowohl die Obstsortensammlungen als auch die Svalbard eingesandten Saatgutproben verbleiben im Wildartensammlungen. Dabei stellt sich das Erhaltungs- Besitz des jeweiligen Entsendungslandes bzw. der Gen- konzept vielschichtig dar, wobei die international durch banken, die das Saatgut geliefert haben. die FAO 1994 anerkannten ‚categories of collection’, wie Das Svalbard Global Seed Vault ist in das Gebirgsmas- Aktivsammlung, Basissammlung und Sicherheitsdupli- siv von Longyearbyen, 130 m über dem Meeresspiegel, in katsammlung, Berücksichtigung finden. Fels gehauen. Der Samenlagerbereich selbst befindet sich Die Etablierung von Duplikatsammlungen an einem mehr als 100 m im Inneren des Berges unter 40 bis 60 m anderen Standort kommt dabei im Wesentlichen für die dicken Gesteinsschichten. Zusätzlich zu dem das Seed Obstsorten in den obstartenspezifischen Netzwerken der Vault umgebenden Permafrost mit einer stabilen Tempe- DGO zum Tragen. Die Kryokonservierung soll schritt- ratur zwischen –3 und –4°C verfügt das Samenlager über weise bei allen Wildartensammlungen der Obstgenbank Dresden-Pillnitz zum Einsatz kommen sowie bei den Erd- 1Nordic Genetic Resource Center – gemeinsame Genbank und Wis- beersorten. Parallel dazu wird die Sendung von Samen- senszentrum für genetische Ressourcen in den nordischen Län proben an das Global Seed Vault für ausgewählte Wild- 2Global Crop Diversity Trust – internationale gemeinnützige Organisa- arten ein zusätzliches Duplikat darstellen. tion, die sich für den Erhalt der Nutzpflanzenvielfalt einsetzt, um die Ausschließlich die Kombination von verschiedenen globale Ernährungssicherheit zu schützen Erhaltungsmethoden hat das Potenzial, die genetischen Journal für Kulturpflanzen 72. 2020
Journal für Kulturpflanzen, 72 (9). S. 466–472, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.09.02 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Übersichtsarbeit Abb. 3. Einlagerung von Sa- menproben im Svalbard Global Seed Vault im Februar 2020. A) Svalbard Global Seed Vault, Norway (Quelle: Crop Trust); B) Dr. Monika Höfer bei der Übergabe der Samenproben (Quelle: Crop Trust); C) Premierministerin von Norwegen, Erna Solberg, über- reicht die Urkunde an das JKI 471 (Quelle: Global Seed Vault Ragn- hild Utne); D) Probenbox des JKI im Global Seed Vault (Quelle: NordGen Asmund Asdal) Ressourcen bei Obst nachhaltig und effektiv für die FORSLINE, P.L., L.E. TOWILL, J.W. WADDELL, C. STUSHNOFF, W.F. LAMBOY, Zukunft zu sichern und für die unterschiedlichsten Nut- J.R.McFERSON, 1998a: Recovery and longevity of cryopreserved dormant apple buds. Journal of the American Society for Horti- zungsmöglichkeiten bereitzustellen. cultural Science 123, 365-370. FORSLINE, P.L., J.R. MCFERSON, L.E. TOWILL, 1998b: Development of base and active collections of Malus germplasm with cryopreser- ved dormant buds. Acta Horticulturae 484, 75-78. Interessenskonflike FORSLINE, P.L., H.S. ALDWINCKLE, E.E. DICKSON, J.J. LUBY, S.C. HOKANSON, 2003: Collection, maintenance, characterization, and utilization of wild apples of central Asia. In: Horticultural reviews Die Autoren erklären, dass keine Interessenskonflikte wild apple and fruit trees of Central Asia. JANICK, J., P.L. FORSLINE, vorliegen. E.E. DICKSON, M. THOMPSON, R.D. WAY (Hrsg.), Wiley, New York, 29, S. 1-61. GEIBEL, M., 2002: Genetische Ressourcen – Schatzkammer für die Zukunft. Obstbau. 1, 6-7. GLOBAL SEED VAULT, 2020: Zugriff: 18. März 2020, URL: https:// Literatur www.seedvault.no/. GOLLMICK, F., 1958: Beobachtungen an Malus-Artbastarden I. Archiv BÜTTNER, R., 1994: Das Wildapfelsortiment der Genbank Obst und für Gartenbau 6, 357-382. seine Evaluierung. Vortr. Pflanzenzüchtung 27, 21-24. HENNING, W., 1947: postum: Morphologisch-systematische und BÜTTNER, R., M. FISCHER, M. GEIBEL, P.L. FORSLINE, V.V. PONOMARENKO, genetische Untersuchungen an Arten und Artbastarden der Gat- 2000: Genebank work for preservation of the genetic diversity of tung Malus. Der Züchter 17/18, 289-349. wild apples. Acta Horticulturae 538, 39-42. HÖFER, M., 2007: Preliminary results of cryopreservation of Malus DEUTSCHE GENBANK OBST, 2020: Zugriff: 18. März 2020, URL: https:// germplasm from the gene bank collection of the Institute of Fruit www.deutsche-genbank-obst.de/. Breeding Dresden. Advances in Horticultural Science 21, ENGELMANN, F., 2000: Importance of cryopreservation for the con- 251-254. servation of plant genetic Resources In: Cryopreservation of tro- HÖFER, M., 2010: Cryoconservation strategy of fruit genetic resour- pical germplasm. Current research progress and application. ENGEL- ces in Germany. CryoLetters 31, 83-84. MANN, F., H. TAKAGI (Hrsg.) Japan International Research Center HÖFER, M., 2015: Cryopreservation of winter-dormant apple buds: for Agricultural Sciences, Japan; International Plant Genetic establishment of a duplicate collection of Malus germplasm. Plant Resources Institute, Rome, Italy, 8-20. Cell, Tissue and Organ Culture (PCTOC) 121, 647–656, DOI: ENGELS, J.M.M., L. VISSER (Hrsg.), 2003: A guide to effective manage- 10.1007/s11240-015-0735-1. ment of germplasm collections. International Plant Genetic HÖFER, M., 2016: Cryopreservation of in vitro shoot tips of strawberry Resources Institute, ISBN: 92-9043-582-8. by the vitrification method – Establishment of a duplicate collec- Fao/Ipgri, 1994: Genbankstandards. Rome. FAO/IPGR. tion of Fragaria germplasm. CryoLetters 37, 163-172. FISCHER, M., R. BÜTTNER, 1986: Die Bedeutung der Pillnitzer Malus- HÖFER, M., REED, B.M., 2010: Cryopreservation of Strawberry arten-Kollektion für die Apfelzüchtung und als internationaler Genetic Resources in Germany. Acta Horticulturae 918, 139–146, Genfonds. Archiv für Gartenbau 34, 137-145. DOI: 10.17660/ActaHortic.2011.918.16. FISCHER, M., C. FISCHER, 1999: Evaluation of Malus species and cul- HÖFER, M., FLACHWOSKY, H., HANKE, M.-V., 2019: German Fruit Gene- tivars at the Fruit Genebank Dresden-Pillnitz and its use for apple bank – looking back 10 years after launching a national network resistance breeding. Genetic Resources and Crop Evolution 46, for sustainable preservation of fruit genetic resources. Journal für 235-241. Kulturpflanzen 71, 41–51, DOI: 10.5073/JfK.2019.02-03.01. FLACHOWSKY, H., M. HÖFER, 2010: Die Deutsche Genbank Obst, ein LUBY, J., Ph. FORSLINE, H. ALDWINCKLE, V. BUS, M. GEIBEL, 2001: Silk dezentrales Netzwerk zur nachhaltigen Erhaltung genetischer road apples – Collection, evaluation, and utilization of Malus sie- Ressourcen bei Obst. Journal für Kulturpflanzen 62, 9-16, DOI: versii from Central Asia. HortScience 36, 225-231, DOI: 10.5073/JfK.2010.01.02. 10.21273/HORTSCI.36.2.225. Journal für Kulturpflanzen 72. 2020
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