Handelbare Verbrauchsgutschriften für Neuwagen Greenpeace Schweiz - Mehr Klimaschutz dank zielgenauem Bonus-Malus
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Handelbare Verbrauchsgutschriften für Neuwagen Mehr Klimaschutz dank zielgenauem Bonus-Malus Januar 2009 Greenpeace Schweiz
Bearbeitung Peter Marti Dr. oec. publ., Volkswirtschafter, Metron Alex Beck lic. rer.pol,, Volkswirtschafter, Metron Christoph Lieb Dr. rer. pol., Volkswirtschafter, Ecoplan René Neuenschwander lic. rer.pol,, Volkswirtschafter, Ecoplan Maria Andreou Sekretärin Metron Verkehrsplanung AG T +41 56 460 91 11 Postfach 480 F +41 56 460 91 00 Stahlrain 2 info@metron.ch CH-5201 Brugg www.metron.ch Ecoplan, Forschung und Beratung in Wirtschaft und Politik Thunstrasse 22 T +41 31 356 61 61 CH-3005 Bern F +41 31 356 61 60 bern@ecoplan.ch www.ecoplan.ch F:\DATEN\M7\08-072-00\3_BER\BER_TREIBSTOFFZERTI_090115_DEF_ALB.DOC
Inhaltsverzeichnis 0 Zusammenfassung 5 1 Treibstoffverbrauch und Klimapolitik in der Schweiz 6 1.1 Ausgangslage 6 1.2 Ziele 6 2 Treibstoffe als Hauptproblem der Schweizer CO 2 -Politik 7 2.1 Ziele und Stand der Klima- und Energiepolitik in der Schweiz 7 2.2 Ziellücke bei den Treibstoffen 7 2.3 Die Energie- und Klimapolitik in der Schweiz im Bereich der Treibstoffe 9 2.4 Gründe für den steigenden CO 2 -Ausstoss durch Treibstoffe 12 2.5 Schweiz und EU im Vergleich 15 2.6 Düstere Perspektiven - griffigere Massnahmen? 16 2.7 Erste Schlussfolgerungen 18 3 Zielführender Bonus-Malus als Instrument zur Absenkung des spezifischen Treibstoffverbrauchs bei Neuwagen 19 3.1 Instrumente in der Energie- und Umweltpolitik 19 3.2 Gebote, Verbote, Auflagen 21 3.3 Lenkungsabgaben, Bonus-Malus 21 4 Das Konzept für einen zielführenden Bonus-Malus im Treibstoffsektor 24 4.1 Überblick 24 4.2 Rahmenbedingungen für einen Handel mit Gutschriften 25 4.3 Umfang des Handels 29 4.4 Abwicklung des Gutschriftenhandels 31 5 Modellanwendung auf den spezifischen Treibstoffverbrauch der PWs in der Schweiz 34 5.1 Geltungsbereich und Absenkungspfad des CO 2 -Ziels 34 5.2 Funktionsweise des Gutschriftenhandels 36 5.3 Rolle des Staates 37 3
5.4 Handel mit Verbrauchsgutschriften 38 5.4.1 Funktionsweise des Handels 38 5.4.2 Mögliche Probleme beim Handel 46 5.4.3 Umsetzungskosten des Handels 48 5.4.4 Zusammenfassung 54 5.5 Synoptische Darstellung der Eigenschaften eines möglichen zielführenden Bonus-Malus 55 5.6 Vergleich mit der Alpentransitbörse 57 6 Auswirkungen 59 6.1 Eingriff in ein komplexes System 59 6.2 Technische Entwicklung: der "Korrekturbedarf" 59 6.3 Preise der handelbaren Gutschriften 60 6.4 Auswirkungen auf die Fahrzeugmärkte 67 6.5 CO 2 -Reduktion und Aussenhandel 74 6.6 Fahrzeugbetriebskosten 79 6.7 CO 2 -Vermeidungskosten, Massnahmeneffizienz 79 6.8 Verkehrssicherheit 81 6.9 Spezialfälle 83 7 Ausgestaltungsfragen 84 7.1 Asymmetrie zwischen Abgabe und Einforderung von Gutschriften 84 7.2 Rückfallebene: traditioneller Bonus-Malus 88 7.3 Vorschlag Nordmann: "Emissionsbegrenzung bei neuimmatrikulierten PW mit hohem CO 2 -Ausstsoss 89 8 Gutschriftenhandel als Modellfall 91 8.1 Zwei Fälle: Effizienz oder Ausstoss? 91 8.2 Modell "zielführender Bonus-Malus" 91 8.3 Modell Mengensteuerung 92 9 Literaturverzeichnis 95 10 Anhang 97 4
0 Zusammenfassung Mit dem CO2-Gesetz vom Mai 2000 hat sich die Schweiz verbindliche Ziele zur CO2- Reduktion gesetzt. Bis 2010 soll der CO2-Ausstoss um 10% gegenüber dem Wert von 1990 gesenkt werden, wobei der Durchschnitt für die Jahre 2008 bis 2012 massgebend ist. Dabei gelten unterschiedliche Teilziele: Brennstoffe solle um 15% vermindert werden, Treibstoffe um 8%. Die Absenkung beim Treibstoffverbrauch ist indessen noch keines- wegs auf Zielkurs: 2007 war der CO2-Ausstoss bei Treibstoffen sogar um 11.4% höher als 1990 und sind damit für 43% der CO2-Emissionen in der Schweiz verantwortlich. Die bislang auf Freiwilligkeit beruhenden Massnahmen und die Energieetikette haben die erwünschte Wirkung verfehlt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, auf welche Weise Verbrauchsstandards effektiver und gleichzeitig effizient erreicht werden können. Die vorliegende Studie evaluiert ein marktwirtschaftliches und in der Anlage staatsquo- tenneutrales Instrument, das Gewähr bietet, die gesetzten Verbrauchsziele zu erreichen. Es beruht auf handelbaren Verbrauchsgutschriften für den CO2-Ausstoss von neu zuge- lassenen Personenwagen. Es setzt somit beim spezifischen Treibstoffverbrauch von Personenwagen an. Als Emissionsstandard wird ein bestimmter CO2-Ausstoss in g / km festgelegt, der von der gesamten Neuwagenflotte im Durchschnitt erreicht werden soll. Der Standard wird jährlich gesenkt. Falls ein neu immatrikuliertes Fahrzeug den Standard überschreitet, müssen im entsprechenden Ausmass Gutschriften beigebracht werden. Umgekehrt wer- den Gutschriften ausgehändigt, falls das Auto unterhalb des Zielwerts liegt. Für die Aus- stellung und Entwertung der Gutschriften eignen sich am besten die kantonalen Motor- fahrzeugkontrollen. Nachfrageseitig würde das Instrument einen Anreiz geben, ein möglichst verbrauchsar- mes Auto zu erwerben. Erleichtert wird dies dadurch, dass bereits heute in allen Markt- segmenten eine breite Fahrzeugpalette besteht, die sich betreffend Treibstoffverbrauch deutlich unterscheidet, jedoch kaum im Komfort. Aufgrund der Reaktionen der Neuwa- genkäufer wird auch angebotsseitig ein Anreiz geschaffen, das Sortiment möglichst um verbrauchsgünstige Modelle zu erweitern bzw. Komfort statt Leistung zu betonen. Das Modell ist flexibel und einfach in der Handhabung und zeichnet sich dadurch auch durch geringe CO2-Vermeidungskosten aus. Überdies ist das Modell nicht nur auf Perso- nenwagen anwendbar, sondern generell auf umweltschädigende Verhaltensweisen.
1 Treibstoffverbrauch und Klimapolitik in der Schweiz 1.1 Ausgangslage Seit der Verankerung der Energiepolitik von 1990 in der Verfassung werden Anstrengun- gen unternommen, den spezifischen Treibstoffverbrauch der neu in der Schweiz in Ver- kehr gesetzten Personenwagen abzusenken und seit 1996 gibt es verpflichtende Ziele für den durchschnittlichen spezifischen Treibstoffverbrauch dieser Fahrzeuge. Bis heute ist es nicht gelungen, diese Ziele zu erreichen. Neuerdings ist ein System eines Bonus- Malus im Gespräch, mit dem die Ziele besser erreicht werden sollen. Aber auch der Er- folg dieser Massnahme erscheint alles andere als gesichert. Angesichts der schwierigen Situation, der sich dieser Politikbereich gegenüber sieht, hat sich Greenpeace entschieden, den Fächer zu öffnen und ein Instrument zur Diskussion zu stellen, das einerseits vollständig marktwirtschaftlich ausgerichtet ist, andererseits aber eine Gewähr bieten kann, Verbrauchsziele zu erreichen oder zumindest der Ener- giepolitik die Kontrolle darüber gibt, welche Verbrauchsstandards zu erreichen sind. Die- ses Instrument kann generell umschrieben als "handelbare Verbrauchsgutschriften für den CO2-Ausstoss von Personenwagen". Konkret sollen verbrauchsarme Fahrzeuge so entlastet und verbrauchsintensive Fahrzeuge so belastet werden, dass im Durchschnitt ein vorgegebenes CO2-Ziel erreicht wird. Man kann deshalb auch von einem zielführen- den Bonus-Malus sprechen. Wenn auch weniger detailliert, wurde das System bereits 2001 von Metron und Infras untersucht. In eine ähnliche Richtung geht ein Vorschlag der Klimaallianz 2006, eines Zusammenschlusses von 51 Organisationen, die unter anderem eine CO2- Lenkungsabgabe mit dem Ziel den CO2-Ausstoss zu senken zur Diskussion fordern1. 1.2 Ziele Eine Studie soll ein zielführendes Instrument (Gutschriftenhandel entlang eines Absen- kungspfades für den spezifischen Treibstoffverbrauch von Personenwagen) in die Dis- kussion bringen und dieses mit den bestehenden, nicht zielführenden vergleichen, hin- sichtlich • Zielgenauigkeit • Umsetzbarkeit • Kosten (insgesamt; pro Tonne CO2-Vermeidung) • Wirkungen auf den Aussenhandel der Schweiz (Aussenhandelsbilanz aufgrund gerin- gerer Treibstoffimporte) Zudem soll die Studie aufzeigen, • wie und mit welchem Aufwand ein solches Instrument eingeführt werden könnte • in welchen weiteren Bereichen ein solches Instrument zur Anwendung gelangen könnte 1 "Klima-Masterplan. Der Weg zu einer klimaverträglichen Schweiz http://assets.wwf.ch/downloads/kmp_d_web.pdf 6
2 Treibstoffe als Hauptproblem der Schweizer CO 2 -Politik 2.1 Ziele und Stand der Klima- und Energiepolitik in der Schweiz 1990 wurde die Energiepolitik in der schweizerischen Verfassung verankert. Seither ha- ben Bund und alle Kantone energiepolitische Vorschriften erlassen. Im Mai 2000 folgte das CO2-Gesetz, das verbindliche Ziele zur Reduktion des Treibhausgases CO2 setzt. Mit der Ratifizierung des Kyoto-Protokolles im Juli 2003 hat sich die Schweiz definitiv denje- nigen Ländern angeschlossen, die gewillt sind, den Klimawandel aktiv anzugehen und sich damit auch international verpflichtet. Damit ging die Verpflichtung einher, die Emissi- onen von sechs Treibhausgasen im Zeitraum von 2008 bis 2012 im Durchschnitt um 8% unter das Niveau von 1990 zu senken. Als Richtschnur diente der Schweiz das im Mai 2000 in Kraft getretene CO2-Gesetz, das im selben Zeitraum eine Senkung des bedeu- tendsten Treibhausgases CO2 um 10% vorsieht und somit die anderen fünf Treibhausga- se subsumiert.2 Das CO2-Gesetz sieht freiwillige Massnahmen vor, die bei ungenügender Wirksamkeit durch verpflichtende Massnahmen abgelöst werden. Ausserdem können Verminderungen im Ausland im Umfang von 1.6 Mio. t/a den Reduktionen angerechnet werden, sofern sie von der Schweiz oder von in der Schweiz ansässigen Unternehmen finanziert werden.3 Gesamthaft lag der CO2-Ausstoss im Jahre 2007 indessen nur um 2.6% unter demjeni- gen von 1990. Damit sind die Perspektiven für das Erreichen der gesetzlich festgelegten und international verpflichteten CO2-Ziele ungünstig. In der Folge geht es darum, die Gründe dieser Fehlentwicklung zu analysieren und die Lehren aus der bisherigen CO2-Politik zu ziehen. 2.2 Ziellücke bei den Treibstoffen Im Jahr 2007 wurden in der Schweiz knapp 40 Mio. t CO2 emittiert. Abbildung 1 zeigt die Herkunft der Emissionen. 2 Frei nach UVEK-Klimabericht v. 16.8.2007, 4.1 http://www.uvek.admin.ch/dokumentation/00655/00895/01380/index.html?lang=de 3 CO2-Anrechnungsverordnung vom 22. 6. 2005 http://www.admin.ch/ch/d/sr/6/641.711.1.de.pdf 7
CO 2 -Emissionen 2007 (in Mio. t) 17.31 Brennstoffe (43%) Treibstoffe 22.56 (57%) Abbildung 1: Quellen der C O 2 -Em is s ionen in der Sc hw eiz Brennstoffe und Treibstoffe sind die beiden Quellen von CO2-Emissionen, wobei Treib- stoffe 43% beitragen (2007). Analysiert man die Vergangenheitsentwicklung und stellt sie den Zielwerten gegenüber, ergibt sich ein eindeutiges Bild. Gemäss CO2-Zielvorgaben werden die fossilen Brennstoffe für Heizzwecke stärker in die Pflicht genommen als die fossilen Treibstoffe für Mobilitätszwecke:4 Der CO2-Ausstoss bei den Brennstoffen muss um 15% und bei den Treibstoffen um 8% zurückgehen.5 Dies soll der Tatsache Rechnung tragen, dass im Brennstoffbereich die Absenkung als weni- ger schwierig betrachtet wird als im Treibstoffbereich. Beim Brennstoff betrug die Reduktion bis 2007 11.2% und lag somit beinahe auf dem Pfad zum geforderten Durchschnitt von -15% für 2008 bis 2012. Jedoch ist festzuhalten, dass 2007 meteorologisch ausserordentliche Bedingungen herrschten, die den Brenn- stoffeinsatz zusätzlich senkten. Beim Treibstoff hingegen war der CO2-Ausstoss 11.4% höher als 1990.6 Der Klimabericht des UVEK hält fest, dass die bisherigen Massnahmen bei den Treibstoffen nur ungenügend greifen7 - was eher ein Understatement ist. Die Politik bei den Treibstoffen und deren Emissionsentwicklung seit 1990 stehen auf dem Prüfstand. 4 Flugtreibstoffe für internationale Flüge sind ausgeschlossen 5 CO2-Gesetz, http://www.admin.ch/ch/d/sr/6/641.71.de.pdf 6 BAFU - Emissionen CO 2 -Gesetz und Kyoto-Protokoll, 25.6.2008, http://www.bafu.admin.ch/klima/00503/00504/index.html?lang=de 7 Punkt 4.1.1. beim Klimabericht - Bericht des UVEK über die zukünftige Klimapolitik der Schweiz, 16. 8.07 http://www.bafu.admin.ch/klima/index.html?lang=de&download=NHzLpZig7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4 Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCFdH55fmym162dpYbUzd,Gpd6emK2Oz9aGodetmqaN19XI2IdvoaCVZ,s-.pdf 8
2.3 Die Energie- und Klimapolitik in der Schweiz im Bereich der Treibstoffe Es ist nicht so, dass der Bund den Handlungsbedarf bei den Treibstoffen nicht erkannt hätte - zumindest bei den Personenwagen als Hauptverbraucher von Treibstoffen. Abbildung 2: T reibs t off v erbrauc h res p. C O 2 -Aus st os s v ersc hiedener F ahrz eugk ategorien in der Sc hw eiz 2004 Zu den Massnahmen im Treibstoffbereich zählen die LSVA beim Schwerverkehr und die Förderung des Langsamverkehrs. Die spezifisch auf den Treibstoff ausgerichtete CO2-Politik ruht auf drei Pfeilern: • Sensibilisierung: Einführung einer Energieetikette, energiesparendes Autofahren (Eco- Drive) • Freiwillige Vereinbarungen mit der Automobilwirtschaft • Fiskalische Massnahmen resp. Lenkungsabgaben Die Energieetikette, die den Treibstoffverbrauch und damit auch den CO2-Ausstoss eines Fahrzeuges pro gefahrenen km kommuniziert, ist als Sensibilisierungsmassnahme 2003 eingeführt worden. Sie sollte sich ebenfalls in einer Absenkung des spezifischen Treibstoffverbrauchs der Neuwagenflotte zeigen. Eco-Drive, nunmehr seit mehr als 10 Jahren aktiv, wirkt auf das Fahrverhalten, aber nicht direkt auf den spezifischen Treib- stoffverbrauch resp. CO2-Ausstoss bei Neuwagen. 9
Freiwillige Vereinbarungen des Bundes mit der Automobilwirtschaft haben eine viel längere Geschichte: 19968 formulierte der Bund erstmals eine politische Verpflichtung an die Autoimporteure, um den spezifischen Treibstoffverbrauchs von Personenwagen ziel- gerichtet zu senken9. Die ersten Bemühungen 1996 erreichten die darin vorgesehenen Ziele insofern nicht, als die Entwicklung weiterhin oberhalb des Zielpfades lag. 200210 haben die Vereinigung der Schweizer Automobilimporteure (auto-schweiz) und das Departement für Umwelt, Ver- kehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eine Vereinbarung abgeschlossen, die eine Reduktion des spezifischen Treibstoffverbrauchs neuer Personenwagen (PW) bezweckt. In dieser Vereinbarung sollte konkret der spezifische Verbrauch der Neuwagenflotte von durchschnittlich 8.4 l pro 100 km im Jahr 2000 bis 2008 auf 6.4 Liter gesenkt werden, also um 24% oder 3.3 % pro Jahr (asymptotische Absenkung)11. Beide Vereinbarungen wurden vor dem Hintergrund erheblicher Fortschritte bei der E- nergieeffizienz von Verbrennungsmotoren abgeschlossen - sie waren durchaus realis- tisch. Allein zwischen 1995 und 2006 betrug der jährliche sog. "thermodynamische Fort- schritt" bei den Verbrennungsmotoren 3.5% pro Jahr12. Zwar sank der spezifische Treibstoffverbrauch nach 2000 weiter (um rund 12%), doch liegt er ein Jahr vor dem Zielhorizont um eben so viel über der festgelegten Vorgabe. Mit einem durchschnittlichen Treibstoffnormverbrauch von 7.43 l/100 km wird der Zielwert (6.65 l/100 km) um 0.78 l verfehlt.13 Es ist somit absehbar, dass das Ziel für 2008 nicht eingehalten werden kann, obwohl 2003 eine Energieetikette eingeführt14 und der Anteil der verbrauchsärmeren Dieselfahrzeuge am Gesamtverkauf von 5.2% im Jahre 1996 auf 32.2% im Jahre 2007 zugenommen haben. Die angestrebte Absenkung des Treibstoff- verbrauchs wurde insbesondere deshalb nicht erreicht, weil am Fahrzeugmarkt immer 15 schwerere Fahrzeuge verkauft und gekauft worden sind . 8 Gestützt auf die Verordnung über die Absenkung des spezifischen Treibstoffverbrauchs von Personenwa- gen. Sie wurde am 1. Januar 1999 mit dem Inkrafttreten des Energieverordnung (EnV) aufgehoben. 9 http://www.admin.ch/cp/d/1995Dec18.110858.5038@idz.bfi.admin.ch.html 10 Gestützt auf Artikel 8 Abs. 2 des am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Energiegesetzes (EnG). 11 http://www.admin.ch/cp/d/3c7220f6_1@fwsrvg.bfi.admin.ch.html 12 Peter de Haan (ETH Zürich), Wirkung von Bonus-Malus-Systemen beim Neuwagenkauf, BFE Forschungs- tagung Verkehr, 10. September 2008 13 UVEK-Medienmitteilung vom 15.5.2008 http://www.uvek.admin.ch/dokumentation/00474/00492/index.html?lang=de&msg-id=18767 14 http://www.bfe.admin.ch/energie/00588/00589/00644/index.html?lang=de&msg-id=1473 15 http://www.uvek.admin.ch/dokumentation/00474/00492/index.html?lang=de&msg-id=12814 10
Abbildung 3: Ent w ic k lung des s pez if is c hen T reibs t of fv erbrauc hs v on Pers onenw agen und Z ielpf ad der Vereinbarung v on 2000 Quelle: aut o-s c hw eiz 2008 Als zusätzliche freiwillige Massnahme akzeptierte der Bundesrat im März 200516 den von der Erdölvereinigung17 angeregten Klimarappen: 1.5 Rp. pro Liter Benzin und Diesel generieren jährlich rund 100 Mio. CHF, die im In- und Ausland investiert werden. 0.2 Mio. t CO2 müssen dadurch im Inland und maximal 1.6 Mio. t CO2 im Ausland eingespart und mit entsprechenden Zertifikaten gedeckt werden.18 An konkreten fiskalischen Massnahmen ist die steuerliche Bevorzugung von Alternativ- treibstoffen ab dem 1.7.200819 zu erwähnen. Mit dem Klimarappen wurde demgegenüber der Einführung einer haushaltsneutralen CO2-Abgabe auf Treibstoffe ausgewichen. Eine solche sah das CO2-Gesetz vor, falls sich die freiwilligen Massnahmen als ungenügend herausstellen sollten. Die oben festgestellte Entwicklung stellt insgesamt die Bilanz sämtlicher ebenerwähnter Massnahmen dar. Sie muss aus dieser Sicht negativ ausfallen. 16 http://www.uvek.admin.ch/dokumentation/00474/00492/index.html?lang=de&msg-id=733 17 http://www.klimarappenstiftung.ch/klimarappen/frame.asp?Page=/klimarappen/shop/store/pages/ detail.asp&IDPage=37&PageKatalogeID=67&banner=&button=&Frame=1 18 Klimabericht - Bericht des UVEK über die zukünftige Klimapolitik der Schweiz, 16. 8.07, S. 27 19 Punkt 4.1.1. beim Klimabericht - Bericht des UVEK über die zukünftige Klimapolitik der Schweiz, 16. 8.07 11
2.4 Gründe für den steigenden CO 2 -Ausstoss durch Treibstoffe Der CO2-Ausstoss durch Treibstoffe wird - vereinfacht20 - durch folgende Elemente be- stimmt: • Die Zahl der eingelösten Motorfahrzeuge • Die Art ihres Treibstoffs • Den spezifischen Treibstoffverbrauch • Die Zusammensetzung der Fahrzeugflotte • Die Fahrleistungen, die mit den eingelösten Fahrzeugen erbracht werden • Das Fahrverhalten (sparsam oder sportlich) Hier stehen die Personenwagen im Vordergrund, die 2004 für 72% des verkehrsbeding- ten CO2-Ausstosses verantwortlich sind. Auf das Fahrverhalten wird nicht eingegangen, hier wird angenommen, dass es in etwa konstant geblieben ist und bleiben wird. Ceteris paribus 21 müsste also aufgrund des leicht sinkenden spezifischen Treibstoff- verbrauchs der Neuwagenflotte der Treibstoffverbrauch und damit der CO2-Ausstoss seit 1990 leicht gesunken sein, allerdings nur halb so stark wie von der Politik gefordert. Auf die Gründe wird unten zurückgekommen. Jedenfalls ist dieser schwache Effekt von der Entwicklung bei den andern Faktoren über- kompensiert worden. Für den CO2-Ausstoss ist die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge bedeutsam. Der Fahrzeugbestand in der Schweiz steigt kontinuierlich an. Allein in den letzen 10 Jahren beläuft sich die Zunahme auf rund 20 Prozent. Im Jahr 2007 waren insgesamt 5.53 Mio. Motorfahrzeuge in Verkehr, davon 3.96 Millionen Personenwagen (PW). Im internationa- len Vergleich verfügt die Schweiz mit 523 PW pro 1'000 Einwohner über eine sehr hohen Motorisierungsgrad (1997: 469 PWs für 1'000 Einwohner; 2004: CH 514; EU25 472). Mit der Zunahme des Fahrzeugparks ist - wenig erstaunlich - auch ein Anstieg der Fahrzeugkilometer des privaten Verkehrs verbunden (+ 14 Prozent von 1997 bis 2006). Von den 2006 insgesamt 52'415 Mio. gefahrenen Fahrzeugkilometern der Personenwa- gen entfallen 88 Prozent auf inländische Fahrzeuge, 12 Prozent auf ausländische (eigene Berechnungen, basierend auf der Verkehrsstatistik des Bundesamts für Statistik). Der "Export" von Fahrleistungen dürfte in einer ähnlichen Grössenordnung liegen wie der Import. Immerhin ist die durchschnittliche Verkehrsleistung pro Fahrzeug und Jahr leicht rückläufig - um ca. 5% innert den letzten 10 Jahren. Diese Tatsache hängt mit der zu- nehmenden Vollmotorisierung der Haushalte zusammen: Zweit- und Drittwagen werden nicht mehr so häufig gefahren wie Erstwagen. 20 In dieser Analyse wird vom Treibstofftourismus abgesehen 21 D.h. wenn alle andern Einflussfaktoren gleich bleiben: Fahrleistungen pro Fahrzeug, Motorisierungsgrad, Fahrverhalten etc. 12
Eine konsequente Absenkung des spezifischen Treibstoffverbrauchs zumindest in den Jahren der politischen Verpflichtung 1996 bis 1999 und der freiwilligen Vereinbarung 2000 bis 2008 hätte, zusammen mit der "autonomen" Absenkung ohne Vereinbarung mit der Automobilwirtschaft in den Jahren 1990 bis 1996, und unter Berücksichtigung der Entwicklung der Fahrleistungen eine leichte Absenkung des CO2-Ausstosses zwischen 1990 und 2007 gebracht und nicht eine Erhöhung. Dass die Absenkung des spezifischen Treibstoffverbrauchs der PW nicht im angestreb- ten Ausmass stattgefunden hat, ist vordergründig auf Marktprozesse zurückzuführen: die Käuferschaft hat nicht im gewünschten Ausmass reagiert. Über die Hintergründe für die- se Marktprozesse gehen die Interpretationen auseinander. Die Automobilwirtschaft weist auf das Kundenverhalten hin, deren Präferenzen für schwerere und leistungsfähigere Autos, nicht zuletzt im Zusammenhang mit Sicherheitsüberlegungen und steigenden Komfortansprüchen (Klimaanlagen). Energiepolitisch tätige NGOs machen ein gewisses Desinteresse der Automobilwirtschaft geltend. Wie auch immer: Die Berichterstattung von "auto-schweiz" über die Absenkung des spe- zifischen Treibstoff-Normenverbrauchs zeigt, dass Verbesserungen bei der Thermody- namik wieder teilweise kompensiert werden durch Veränderungen in der Struktur der neu zugelassenen Fahrzeuge: • Zum einen hat von 1996 bis 2007 das Leergewicht um beinahe rund 15% zugenom- men, von 1309 kg auf 1502 kg. Zurückzuführen ist die Gewichtszunahme beispielswei- se auf die stärkere Nachfrage nach Autos mit Klimaanlage. Regulierungsbedingt haben schärfere Vorschriften betreffend Aussengeräusche, höhere Anforderungen bei Crash- tests oder die Einführung von Dieselpartikelfiltern eine Gewichtszunahme der neuen Fahrzeuge bewirkt (Korrelationskoeffizient22 CO2-Ausstoss und Leergewicht = 0.71). • Zum anderen haben neue Fahrzeuge eine Leistungssteigerung im Ausmass von 24% erfahren, von durchschnittlich 88 KW auf 109 KW (was ebenfalls einen wichtiger Grund für die erwähnte Gewichtszunahme darstellt). Damit geht ein deutlich höherer Treib- stoffverbrauch einher (Korrelationskoeffizient zwischen CO2-Ausstoss und KW = 0.86). Die beiden Effekte kompensieren je zu einem Drittel die erzielten technischen Fortschritte bei der Effizienz der Verbrennungsmotoren (de Haan 2008). Oder mit anderen Worten: Die grossen Fortschritte sind nur zu rund einem Drittel im CO2-Ausstoss beobachtbar. Könnte insbesondere der Trend zu stärkeren Motoren gebrochen werden, so würden die technischen Fortschritte zu zwei Dritteln im CO2-Rückgang zum Ausdruck kommen, ohne dass Abstriche bei der Sicherheit oder bei Komfort gemacht werden müssten (De Hahn 2008). 22 Der Korrelationskoeffizient ist ein dimensionsloses Mass für den Grad des linearen Zusammenhangs zwi- schen zwei Merkmalen. Er kann Werte zwischen -1 und 1 annehmen. Bei einem Wert von +1 (bzw. −1) be- steht ein vollständig positiver (bzw. negativer) linearer Zusammenhang zwischen den betrachteten Merkma- len. Wenn der Korrelationskoeffizient den Wert 0 aufweist, hängen die beiden Merkmale überhaupt nicht li- near voneinander ab. 13
Grün: Kompensation des technischen Fortschritts durch die Grössenzunahme (Leergewicht) Rot: Kompensation des technischen Fortschritts durch die Motorenstärke (Hubraum) Grau: insgesamt verbleibende Absenkung des CO 2-Ausstosses Abbildung 4 : Ent w ic k lung C O 2 -Aus t oss , Leis t ung und Leergew ic ht der N euw agenf lo t t e v on 1996 bis 2007 Quelle: aut o s c hw eiz 2008, Sc hät z ung t herm ody nam is c her F orts c hrit t bas ierend auf de H aan 2008 14
2.5 Schweiz und EU im Vergleich Vergleicht man die Schweiz und die EU, dann sieht sich die Schweiz beim spezifischen CO2-Ausstoss resp. Treibstoffverbrauch vom Handlungsbedarf her in einer schwieri- geren Lage als die EU. Die EU ist hinsichtlich der Effizienz ihrer Fahrzeugflotte deutlich besser positioniert. Der spezifische CO2-Ausstoss ihrer Fahrzeugflotte liegt 13% unter demjenigen der schweizerischen Flotte, wie aus Abbildung 5 hervorgeht - dieser Gap ist seit 1996 unverändert. 225 200 213 182 201 175 184 158 172 150 g CO2 / km 125 Entwicklung CH Entwicklung EU 100 75 50 25 0 1996 1998 2000 2002 2004 2006 Abbildung 5: Ent w ic k lung des C O 2 -Aus s t oss es der N euw agenf lot t e in der Sc hw eiz und in der EU Quellen: aut o sc hw eiz 2008, KOM 2006, T &E 2008 Die Gründe für diese Differenz sind dieselben, die für die ungünstige Entwicklung in der Schweiz verantwortlich sind: in der Schweiz zirkulieren deutlich schwerere und leistungs- stärkere Fahrzeuge (vgl. Abbildung 6) Abbildung 6: Vergleic h v on M ot orengrös s e und Leis t ung in der Sc hw eiz und in der EU Quelle: BF E 2007 15
Die Schweiz hatte 2004 die verbrauchsstärkste Gesamtautoflotte Europas (Ø 8.84l/100 km)23. Auch 2007 besitzt sie mit durchschnittlich 7.43l / 100km - dicht gefolgt von Schweden - die emissionsstärkste Neuwagenflotte in Europa (T&E 2008).24 2.6 Düstere Perspektiven - griffigere Massnahmen? Folgende Entwicklungen haben ein Absinken des CO2-Ausstosses aufgrund der Fort- schritte beim spezifischen Treibstoffverbrauch gebremst und sogar ins Gegenteil ver- kehrt: Das Wachstum der Fahrzeugflotte und der gefahrenen Fahrzeugkilometer sowie die Trends zu höherer Motorisierung und zu steigendem Leergewicht. Die Schweiz hat es jahrelang versäumt, den Energieverbrauch resp. CO2-Ausstoss der Neuwagenflotte wenigstens an die heutigen Werte der EU anzugleichen. Will man die Standards erreichen, wie die EU sie von ihren Neuwagenflotten fordert, dann tut sich eine umso bedeutendere Lücke zwischen dem Istwert der Schweiz und dem Zielwert der EU auf. Das bedeutet, dass in der Schweiz grössere Anstrengungen unternommen werden müssen als in der EU. Auch die weltweiten Diskussionen deuten auf eine Verschärfung der Situation der Schweiz hin. Die CO2-Absenkungsverpflichtungen werden mit dem internationalen Kyoto- Nachfolgeabkommen ab 2012 nochmals massiv zunehmen. Dadurch dürften sich nicht bloss die ausländischen Zertifikate verteuern, es gibt auch Hinweise, dass nichtindustria- lisierte Länder selber keine eigene CO2-Steuerung akzeptieren, solange die Industrielän- der selber nicht mit gutem Beispiel vorangehen. 25 Die schweizerische CO2- und Energiepolitik steht vor einer sehr grossen Herausforde- rung. Das scheint auch der Bundesrat so zu sehen. Er setzt dabei auf verschiedene In- strumente. Am 21.2.2008 präsentierte er seine klimapolitischen Leitplanken für die nächsten Jahre und legte unter anderem das weitere Vorgehen in Sachen Energieeffi- zienz fest.26 In einer von 15 Massnahmen im Aktionsplan Energieeffizienz beauftragte er das UVEK (BFE) bis Ende 2008 mit der auto-schweiz eine weitere Zielvereinbarung auszuhandeln. Dabei soll der Kauf verbrauchsarmer Fahrzeuge zusätzlich durch marktwirtschaftliche Anreize gefördert werden. Die Absenkungsziele sollen sich dabei am Zielpfad der EU orientieren, d.h. CO2-Emissionen von 130 g / km bis 2012. Die neue Zielvereinbarung könnte beispielsweise ergänzt werden durch ein Zertifikatssystem (vgl. BFE, Faktenblatt 5 vom 21. Februar 2008). 23 Indikatoren für den internationalen Vergleich des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen - BFE Nov 2007, S. 54, http://www.news-service.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/10253.pdf 24 Indikatoren für den internationalen Vergleich des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen - BFE Nov 2007, S.53, 25 "Entwicklungsländer attackieren Industrienationen", Spiegel Online von 14.12.2007 http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,523415,00.html 26 Medienmitteilung vom 21.2.2008 http://www.admin.ch/br/aktuell/00091/?lang=de&msg-id=17400 16
Die Absenkungs-Ziele haben sich dabei an der von beiden Räten im Jahre 2007 geneh- migten Motion 07.3004 auszurichten.27 Diese sieht vor, sich bezüglich dem Verbrauch der Neuwagenflotte an den Zielsetzungen der EU zu orientieren und diese zeitgleich umzusetzen. Der Bundesrat erwähnt dabei in seinem Auftrag an das UVEK das in der EU diskutierte Ziel, dass ein durchschnittlicher Neuwagen 2012 höchstens 130 g CO2 pro km emittieren dürfe. Zusätzlich sei die Einführung eines Bonus-Malus-Systems auf der Automobilsteuer vor- zubereiten.. In diesem Zusammenhang steht neuerdings ein Vorschlag der UREK-S (Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates) im Raume, der mit einem Bonus-Modell finanzielle Anreize für den Kauf von energieeffizienten und emissi- onsarmen Automobilen schaffen will. Er geht auf eine Standesinitiative des Kantons Bern zurück. Erfüllt ein Neuwagen die Kriterien der Klassen A oder B für Energieeffizienz und/oder eine bestimmte Umweltlimite, sollen Bonuszahlungen an die Käuferschaft aus- gerichtet werden. Die Mittel dazu sollen durch eine Erhöhung der Automobilsteuer bereit- gestellt werden28. Als weitere Massnahme im Mobilitätsbereich wünscht sich der Bundesrat eine koordinier- te und flächendeckende Einführung verbrauchsabhängiger kantonaler Motorfahrzeug- steuern. Hierzu wurden keine zeitlichen Vorgaben gemacht.29 Der Bundesrat ist beim Scheitern einer Vereinbarung befugt, Verbrauchs-Zielwerte zu erlassen, Anforderungen vorzuschreiben oder marktwirtschaftliche Instrumente einzufüh- ren.30 27 http://www.parlament.ch/afs/data/d/bericht/2007/d_bericht_s_k20_0_20073004_0_20070830.htm, http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/s/4718/256498/d_s_4718_256498_256576.htm?DisplayTextOid=25 6577 28 http://www.parlament.ch/D/dokumentation/ed-berichte-parl-org/ed-pa-berichte-parlament- vernehmlassungen/Documents/bericht-urek-s-05-309-2008-10-16-d.pdf 29 http://www.news-service.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/11192.pdf, 6. Massnahme 30 Energiegesetz, Art. 8, http://www.admin.ch/ch/d/sr/7/730.0.de.pdf 17
2.7 Erste Schlussfolgerungen Die schweizerische CO2-Politik ist im Treibstoffsektor in einer schwierigen Situation • Der CO2-Ausstoss steigt, statt dass er sinkt • Die Fahrzeuge in der Schweiz emittieren im gesamteuropäischen Vergleich überdurch- schnittlich viel CO2 • Es ist international mit weiteren Verschärfungen der CO2-Ziele zu rechnen • Ein Trendbruch erfordert sowohl Massnahmen, die die Zunahme der Fahrleistungen im MIV angehen wie solche, die den spezifischen CO2-Ausstoss der PW senken • Die Massnahmen bezüglich des spezifischen CO2-Ausstosses haben bisher kaum ge- griffen, sie sind vom Fahrzeugmarkt weitgehend durchkreuzt worden • Die Anstrengungen zur Absenkungen des spezifischen CO2-Ausstosses müssen in der Schweiz deutlich intensiviert werden. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob der vorgeschlagene Bonus-Malus diese Erwar- tungen erfüllen kann und in welcher Form am besten. 18
3 Zielführender Bonus-Malus als Instrument zur Absenkung des spezifischen Treibstoffverbrauchs bei Neuwagen 3.1 Instrumente in der Energie- und Umweltpolitik Realistischerweise kann nicht davon ausgegangen werden, dass die historisch gewach- senen Märkte in der Lage sind, die Umweltprobleme zu lösen. Die Hauptursache liegt darin, dass zwischen individueller und gesellschaftlicher Rationalität eine Kluft besteht. Aus den individuellen Handlungen ergeben sich damit negative externe Effekte auf die Gesellschaft. Damit diese Kluft geschlossen werden kann, müssen entsprechend die Anreize für individuelles Handeln korrigiert werden, notfalls durch staatliche Eingriffe (vgl. Stephan, Ahlheim 1996, S.89). Dabei steht ein ganzes Spektrum an Instrumenten zur Verfügung. Dazu zählen • einerseits Gebote und Auflagen. Sie zielen darauf ab, mittels Ordnungsrecht umwelt- schädigendes Verhalten zu vermindern oder unterbinden. • Andererseits gibt es marktwirtschaftliche Instrumente. Sie sollen wirtschaftliche Anreize für umweltfreundliches Verhalten setzen, sei dies über eine Korrektur der Marktpreise (z.B. über Lenkungsabgaben) oder über direkte Mengenvorgaben bezüglich des Um- weltziels (z.B. Emissionshandel). Umweltpolitische Massnahmen sollen nicht nur ökologisch, sonder auch ökonomisch effizient sein. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn mit den Massnahmen ein fortwäh- render Anreiz ausgeht, die Umwelt belastendes Verhalten zu reduzieren oder zu vermei- den. Aus ökonomischer Sicht ist es wichtig zu wissen inwieweit die Instrumente markt- konform sind, denn der Markt ist in der Regel der beste Allokationsmechanismus: So können das dezentral vorliegende, über alle Unternehmen, Arbeitnehmer und Konsumen- ten verstreute Wissen optimal genutzt und Angebot und Nachfrage über den Preisme- chanismus aufeinander abgestimmt werden. Die Preise setzen - sofern negative Externa- litäten durch die Massnahmen berücksichtigt werden - das Verursacherprinzip durch und widerspiegeln sowohl Knappheit als auch Bedürfnisse. Bei der Frage, ob die Instrumente marktkonform sind oder nicht, stehen drei Eigenschaf- ten im Vordergrund. Erstens: Wird die Entscheidsouveränität direkt eingeschränkt? Zwei- tens: Werden die Entscheide nur durch Preise beeinflusst? Drittens: Bilden sich Preise weiterhin durch das freie Spiel von Angebot und Nachfrage? Daraus lässt sich ein Raster ableiten, nach welchen umweltpolitische Instrumente kategorisiert werden können: 19
Entscheidsouveränität der Marktwirtschaftliche Preis- Marktteilnehmer gegeben? bildung Auflagen Nein Nein Abgaben Ja Nein Handelbare Gut- Ja Ja schriften T abelle 1: M ark tk onf orm it ät v ers c hiedener umw elt polit is c her I nst rum ent e Quelle: in Anlehnung an St ephan, Ahlheim 1996 Auflagen sind Verhaltensvorschriften und sind damit am wenigsten marktkonform; sie fixieren sowohl Mengen als auch Preise. (Lenkungs-)Abgaben greifen direkt in die Preis- bildung ein, hingegen limitieren sie den Entscheidungs- und Handlungsspielraum nicht unmittelbar. Zertifikate entsprechen einem mengengesteuerten Ansatz, der weder die Preisbildung auf dem Markt noch die Souveränität beschränkt. Der Zertifikatehandel verfolgt das Ziel, die Höchstmenge eines unerwünschten Gutes (meist CO2) möglichst kosteneffizient zu steuern. Der englische Ausdruck 'cap and trade' beschreibt das System treffender: Zuerst wird eine Obergrenze der zu verminderten Wa- re festgelegt, also, ein 'Cap'. Innerhalb dieser Grenze kommt nun der Handel zum Ein- satz, der 'trade', der einzig und alleine dafür sorgt, dass die künstlich limitierte Ware ei- nen Preis erhält, der sich gemäss Angebot und Nachfrage bildet und somit die kosten- günstigste Zielerreichung garantiert. Klimarelevant ist aber einzig der 'Cap'. Der bedeutendste Zertifikate-Mechanismus, der Clean Development Mechanism CDM verzichtet auf die wichtigste Voraussetzung für ein funktionierendes, zielführendes Zertifi- katesystem: er verfügt über keine Obergrenze, über keinen 'Cap'. CDM-Zertifikate sind in den meisten Industrieländern bis zu einem bestimmten Anteil an die Kyoto- Verpflichtungen anrechenbar. Dadurch wird es vermutlich für die meisten Industrieländer auf dem Papier möglich sein, ihre Kyotoziele zu erfüllen, selbst wenn ihr Treibhausgas- Ausstoss von 1990 bis 2006 insgesamt zunahm31, genau so wie in den Ländern, aus denen ein Grossteil der zugekauften Zertifikate stammt. Im Gegensatz dazu sorgt ein Zertifikatehandelssystem mit einer klar definierten Ober- grenze, wie es im vorliegenden Untersuchungsgegenstand der Fall ist, dafür, dass das Absenkungsziel dank dem Handel exakt erreicht wird. Grundlagen der nachfolgenden Ausführungen zu den verschiedenen Instrumenten be- stehen bereits mit dem Bericht von Infras / Metron von 2001. Die bilden, falls nicht anders vermerkt, die Ausgangslage der folgenden Ausführungen. 31 Anders bei den Transformationsländern, bei denen ein Grossteil des CO Rückgangs auf den wirtschaftli- 2- chen Zusammenbruch nach der Sowjet-Ära zurückzuführen ist. http://unfccc.int/files/inc/graphics/image/gif/trends_including_2008.gif 20
3.2 Gebote, Verbote, Auflagen Bei der Immatrikulation neuer Personenwagen sind insbesondere Vorschriften denkbar, die sich auf den Output beziehen (Emissionsauflagen). Sie können sich auf den spezifi- schen Treibstoffverbrauch einzelner Fahrzeuge (die Offroader-Initiative ist ein Beispiel für die Anwendung auf Einzelfahrzeuge) oder eine Gesamtflotte beziehen, z.B. eine Herstel- lerflotte. In letzterem Falle würde die Wahlfreiheit der Käufer weniger schwerwiegend eingeschränkt. Verbote und Auflagen müssen von Sanktionsmöglichkeiten begleitet sein, in der Regel Bussen. Die Verpflichtung der gesamten Flotte auf einen Durchschnitt ist nicht praktikabel, weil Sanktionsmöglichkeiten fehlen. Deshalb stehen hier im besten Falle Flottendurchschnitte der einzelnen Marken im Zentrum (Infras / Metron 2001, S.11).32 Allerdings müssten die Sanktionen sehr hoch sein. Die Verbrauchsvorschrift gibt vor, in welchem Ausmass jährlich der spezifische CO2- Ausstoss bezogen auf die markenspezifischen Durchschnitte gesenkt werden muss. Die zuständige Stelle, zum Beispiel das Bundesamt für Energie (BFE), prüft jeweils am Ende einer Periode, ob das Flottenziel erreicht worden ist. Falls es verfehlt wird, würde dem Verband oder einer definierten Flotte eine Busse auferlegt. Da aber die Busse gemäss Energiegesetz (EnG) im Maximum Fr. 40'000.- beträgt, würde dies kaum zu einer spürba- ren finanziellen Belastung führen: Selbst bei den kleinsten Importeuren Ferrari (2007: 276 PW-Verkäufe; Fr. 87 Mio. Umsatz) und Maserati (2007: 346 PW-Verkäufe; Fr. 52 Mio. Umsatz) würde die Busse pro verkauftes Auto kaum ins Gewicht fallen. Verbote fallen deshalb als Mittel der Wahl ausser Betracht (vgl. auch Metron 1992). 3.3 Lenkungsabgaben, Bonus-Malus Die Studie "Lenkungsabgaben zur Senkung des CO2-Ausstosses beim Neuwagenver- kauf" (BFE 2007) zeigt, dass ein grosses Potenzial an CO2-Reduktionen besteht, ohne dass ein Verzicht auf gewisse Automodelle notwendig ist, wie etwa bei Verboten. Bei den meisten Neuwagen besteht jeweils eine sehr grosse Spannbreite betreffend Motorisie- rung und somit betreffend CO2-Ausstoss. Als Massnahme zur Beeinflussung des Neuwa- genkaufs thematisiert der Bericht die Einführung von Lenkungsabgaben, vorzugsweise in der Form von Bonus/Malus-Modellen. Dabei handelt es sich um eine marktkonforme fiskalische Abgabe. Die Lenkungsabgabe - der Malus - stellt einen negativen Anreiz dar, um ungünstige Fahrzeugmodelle zu erwer- ben, und der Bonus soll umgekehrt einen positiven Anreiz geben für den Kauf von Fahr- zeugen mit erwünschten Eigenschaften. Dieses Modell kann staatsquotenneutral ausges- taltet werden, indem die Malus-Zahlungen in Bonus-Zahlungen gelenkt werden33. Grundlagen eines solchen Modells wurden bereits im Bericht von Infras / Metron 2001 erarbeitet. Das Modell setzt bei der Preisgestaltung an. Durch die Entrichtung eines Bo- 32 z.B. der sog. CAFE-("Corporate Average Fuel Efficiency")-Standard, wie er in den USA für einige Jahre angewandt worden ist (vgl. Metron 1992). 33 Die reine Lenkungsabgabe kann indessen ebenfalls staatsquotenneutral ausgestaltet werden, indem die Erträge der Bevölkerung rückerstattet werden (muss aber unabhängig vom Fahrzeugerwerb sein) 21
nus beim Kauf eines CO2-armen Fahrzeugs sollen diese Personenwagen gefördert wer- den, Die Finanzierung der Boni erfolgt über die Entrichtung eines Malus, der bei der Zu- lassung eines CO2-intensiven Fahrzeugs fällig ist. Diese Fahrzeuge werden dadurch preislich weniger attraktiv, was deren Nachfrage senkt. Als Bemessungsgrundlage dient wie beim oben diskutierten Vorschriftenmodell eine CO2- bezogene Zielgrösse, nämlich die Absenkung des spezifischen Treibstoffverbrauchs der Neuwagenflotte. Bei der Bemessungsgrundlage können Nutzenaspekte berücksichtigt werden, indem der CO2-Gehalt pro Fahrzeuggrösse gewählt wird. Mit einem differenzier- ten Fördermodell hofft man eine grössere Anreizwirkung zu erzielen: Der Malus / Bonus steigt, je höher / tiefer der CO2-Ausstoss ist. Die Sätze müssen dabei so angesetzt wer- den, dass die Lenkungswirkung erreicht wird und sich die Bonus- und Maluszahlungen mittelfristig ausgleichen (Aufkommensneutralität). Abbildung 7 zeigt schematisch den Vollzugsablauf eines solchen Modells. Abbildung 7: Vollz ugs ablauf bei einem Bonus -M alus -M odell Quelle: I nf ras / M et ron 2001 (1) Das Bundesamt für Energie (BFE) legt periodisch (z.B. jährlich) die Bonus/Malussätze fest und berücksichtigt dabei die im vergangenen Jahr in Verkehr gesetzten Fahrzeuge, 22
die Zielerreichung, die technischen Entwicklung sowie den Standes des Fonds. (2) Ziel ist, dass die Fahrzeugkäufer die finanziellen Anreize beim Kaufentscheid berücksichtigen und das Bonus/Malus-Modell damit eine Lenkungswirkung entfaltet. (3) Beim Kauf eines Fahrzeuges beantragt der Käufer einen Fahrzeugausweis beim Strassenverkehrsamt des Standortkantons. (4) Dieser wird erteilt, wenn die Zulassungserfordernisse erfüllt werden. (5) Das ASTRA bereitet laufend die aus der Typengenehmigung anfallenden und für die Zulassung wichtigen Daten in der Datenbank TARGA auf. Diese werden vom kantonalen Strassenverkehrsamt bei der Zulassung konsultiert. Neu bereitet das ASTRA auch die für das Fördermodell notwendige Bemessungsgrundlage (CO2-Gehalt/Fahrzeuggrösse) sowie die Bonus/Malussätze nach Fahrzeugklassen auf und stellt sie den Kantonen im Rahmen von TARGA zur Verfügung. Nach der Prüfung der Zulassungserfordernisse prüft das Strassenverkehrsamt, ob das in Verkehr zu setzende Fahrzeug vom Fördermodell betroffen ist. Falls ja, legt es aufgrund der CO2-Emissionsdaten sowie der jährlich festgelegten Bonus-Malus-Tabelle den betref- fenden Bonus- resp. Malus fest. (6) Das Strassenverkehrsamt schickt dem Fahrzeughal- ter mit dem Fahrzeugausweis und der Kontrollnummer die Rechnung betreffend Bo- nus/Malus. (7) Anschliessend bezahlt der Fahrzeughalter im Falle eines Malus die Rech- nung ans BFE in den separaten Fonds oder beantragt dem BFE den Bonusbetrag. (8,9) Das BFE erhält entweder vom Fahrzeughalter den Malusbetrag oder zahlt den Bonus aus. (10) Abschliessend erfolgt eine jährliche Berichterstattung bezüglich der Zielerrei- chung. Der Vorschlag der UREK-S für ein Bonus-System funktioniert etwas unterschiedlich. Der Bonus soll wie vorgesehen ausgerichtet werden, hingegen wird als Malus die Automo- bilsteuer erhöht, was eine ähnliche Wirkung hat wie ein Malus. Diese Modelle eines Lenkungsinstruments erfüllen zwar die Bedingungen der Marktkon- formität, haben aber ein paar Nachteile: • Sie sind sehr schwer steuerbar. Sie geben Preise vor und man hofft, über eine richtige Abschätzung der Preis- resp. Substitutionselastizitäten das anvisierte Verbrauchsziel zu erreichen. • Die Abwicklung der Transaktionen (Rechnungstellung, Auszahlung) ist relativ aufwän- dig und kompliziert. Dem steht der Vorteil gegenüber, dass die Preise für die Marktteil- nehmerInnen für die Zeitperiode, für die der Bonus und der Malus festgelegt sind, kal- kulierbar sind. Der Bonus-Malus hat indessen einen "Zwillingsbruder", der ebenfalls auf der Reaktion der Käuferschaft beruht, den "zielführenden Bonus-Malus". Er gibt im Gegensatz zum Bonus-Malus keine Preise vor und versucht so ein Ziel zu erreichen, sondern geht den umgekehrten Weg. Er gibt ein Verbrauchsziel vor und lässt den Markt entscheiden, bei welchem Bonus-Malus das Käuferverhalten die gewünschte Reaktion schafft. Dieses Modell wird im Folgenden weiterverfolgt. 23
4 Das Konzept für einen zielführenden Bonus-Malus im Treibstoffsektor 4.1 Überblick Das Konzept eines zielführenden Bonus-Malus im Treibstoffsektor orientiert sich an dem- jenigen des Emissionshandels. Grundidee des zielführenden Bonus-Malus Die Grundidee besteht darin, dass ein Markt für das Recht auf ein bestimmtes Mass an CO2-Emissionen pro Fahrzeugkilometer (Fzkm) eingerichtet wird. Nimmt ein Fahr- zeugkäufer dieses Recht nicht vollständig in Anspruch, erhält er eine Gutschrift im Aus- mass seines Verzichts ausgehändigt. Diese Gutschrift kann er an jemanden verkaufen, der ein Auto kauft, das im selben Ausmass mehr als die erlaubte Menge an CO2 pro Fzkm ausstösst. Insgesamt halten beide zusammen die geforderte Limite ein. Bei diesem Instrument handelt es sich um ein marktwirtschaftliches Instrument, wobei nicht über im Voraus vorgegebene Preise ein ökologisches Ziel erfüllt wird, sondern mit- tels Festlegung einer tolerierbaren Menge an CO2-Emissionen. Anders als beim Emissionshandel muss dabei nicht die gesamte CO2-Emissionsfracht bestimmt werden, was vor allem bei der Zuteilung der Gutschriften und der Einhaltung zulässiger Umweltbelastung zu erheblichen Umsetzungsproblemen führt. Einfacher ist es, den spezifischen Treibstoffverbrauch indirekt zu steuern, nämlich über den Han- del von Verbrauchsgutschriften, der wie folgt skizziert werden kann: • Als Emissionsstandard wird ein bestimmter CO2-Austoss resp. spezifischer Treib- stoffverbrauch in l / 100 km festgelegt. Dieser Standard soll laufend gesenkt werden. • Mit der Inverkehrsetzung eines Autos müssen Gutschriften beigebracht werden, falls der Standard überschritten wird. Umgekehrt werden Gutschriften ausgehändigt, falls das Auto unterhalb des Standards liegt. Diese Gutschriften können auf einem Markt an Fahrzeughalter verkauft werden, deren Autos über dem Standard liegen. Die Erfüllung eines CO2-Ziels - die Einhaltung einer bestimmten Emissionsfracht - hängt beim Handel mit solchen Verbrauchsgutschriften aber nicht nur von der Einhaltung des festgelegten Emissionsstandards ab, sondern auch von der Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge und von den gefahrenen Kilometer ab. Gleichwohl dürfte das Ziel erreicht werden. Denn es ist davon auszugehen, dass der Preis der Gutschrift kaum Einfluss hat auf die tatsächlich gefahrenen km, dafür aber den Kauf eines neuen Fahrzeugs beein- flusst. Mit anderen Worten: Anbieter und Nachfrager von neuen Personenwagen müssen - neben den Anschaffungskosten - auch die Preise für Gutschriften in ihre Erwägungen einbeziehen. Dies erhöht die Nachfrage nach verbrauchsarmen Fahrzeugen und senkt diejenige nach verbrauchsintensiven. Diese Reaktionen sind gleichzeitig eine Vorausset- zung für das Funktionieren des Instruments (vgl. dazu Kapitel 6). 24
Handelbare Verbrauchsgutschriften hemmen den freien Warenaustausch nicht (bei- spielsweise bei einem absoluten oberen CO2-Grenzwert wäre dies der Fall). Das Instru- ment ist daher mit europäischem und internationalem Recht vereinbar. 4.2 Rahmenbedingungen für einen Handel mit Gutschriften Da es in der Schweiz bislang noch keinen Markt für CO2-Gutschriften für neu immatriku- lierte Personenwagen gibt, muss ein solcher erst geschaffen werden. Dabei muss eine Vielzahl von Grössen definiert werden. Zunächst muss geklärt werden, welches eine geeignete Bemessungsgrundlage ist. Entsprechend der Zielsetzung, die in einer Re- duktion des spezifischen Treibstoffverbrauchs liegt, bieten sich diesbezüglich die CO2- Emissionen pro gefahrenen km an. Diese Werte stehen für alle Fahrzeugtypen standar- disiert zur Verfügung. Der Treibstoffnormverbrauch wird auf einem Rollenprüfstand nach dem Messzyklus der Richtlinie 80/1268/EWG ermittelt. Das standardisierte Verfahren gewährleistet die Gleichbehandlung aller Fahrzeuge. Die Normverbrauchsangaben set- zen sich aus den drei Werten "Städtisch", "Ausserstädtisch" und "Gesamt" (jeweils in l pro 100 km) sowie dem CO2-Ausstoss (in g / km) zusammen. Damit liegen alle relevan- ten Werte für alle Fahrzeugtypen standardisiert vor. Allerdings wird es sich empfehlen, zwar den CO2-Austoss als verbindliche Grundlage der Bemessung von Bonus resp. Malus zu bestimmen, aus Kommunikationsgründen aber die entsprechende Angabe in Treibstoffverbrauch mitzuliefern. Zwischen den Treibstoff- verbrauch und den CO2-Emissionen besteht ein linearer Zusammenhang, was eine Um- rechung zwischen den Grössen einfach macht (Tabelle 2). Auf den ersten Blick mag ver- blüffen, weshalb beispielsweise bei der Verbrennung von 1 Liter Benzin 2.38 kg CO2 entstehen. Des Rätsels Lösung liegt in der Chemie: Benzin enthält Kohlenstoff (C). Bei der Verbrennung des Benzins heften sich aus der Luft zwei Sauerstoffatome (O) an ein Kohlenstoff-Atom. Das CO2, das so entsteht, ist deshalb insgesamt schwerer als der ge- tankte Kraftstoff. 1 l Benzin 2.38 kg CO2 1 l Diesel 2.65 kg CO2 1 l Autogas 1.78 kg CO2 1 kg Erdgas 2.74 kg CO2 T abelle 2: C O 2 -Em is s ionen bei der Verbrennung v ersc hiedener T reibst off e Quelle: Z ent ralv erband D eut sc hes Kraf tf ahrz euggew erbe (Z D K)" 25
Ein direkter Vergleich des CO2-Ausstosses von Elektrofahrzeugen mit demjenigen von konventionellen Fahrzeugen ist schwierig, da diese mit fossilen Energieträgern angetrie- ben werden. Elektrofahrzeuge können aber gleichwohl in einem zielführenden Bonus- /Malus-Modell berücksichtigt werden. Erforderlich sind dafür, erstens, Angaben über den Verbrauch von Elektrofahrzeugen in kWh pro 100 km. Heutige Elektrofahrzeuge verbrau- chen gemäss der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie zwischen 10 und 20 kWh pro 100 km. Einen zentralen Einfluss auf den damit verbundenen CO2-Ausstoss hat, zweitens, die Art der Stromproduktion. Abbildung 8 illustriert den Zusammenhang. Abbildung 8: C O 2 -Em is s ionen v on Elek t rof ahrz eugen Quelle: D eut sc he Ges ells c haft f ür Sonnenenergie D GS Da die Stromproduktion in der Schweiz - anders als in Deutschland - vorwiegend auf Wasserkraft und Atomenergie beruht, fällt der CO2-Ausstoss der Elektrofahrzeuge we- sentlich günstiger aus als in der Abbildung für Gas- und Kohlekraftwerke dargestellt. Abbildung 9 zeigt die CO2-Emissionen nach der Art der Stromerzeugung. Allerdings sind die Zahlen nicht unumstritten und stellen lediglich eine Momentaufnahme dar. Insbeson- dere bei der atomaren Stromerzeugung ist die Entwicklung stark vom zukünftigen För- deraufwand für Uran abhängig. Im Anwendungsfall müssten für Elektrofahrzeuge CO2- Emissionen eingerechnet werden, die der Stromerzeugung im UCTE-Raum entspre- chen34. 34 Weil mit sog. "Grenzemissionen" gerechnet werden muss. Wegen des europäischen Stromverbunds müs- sen deshalb für die Produktion zusätzlicher Einheiten Strom die Emissionen der europäischen Grenzpro- duktion eingesetzt werden. 26
Abbildung 9: C O2-Em iss ionen nac h Art der St rom erz eugung Quelle: Energief orum Sc hw eiz , Vadem ec um 2007 Für die Ausstellung der Gutschriften ist des Weiteren jeweils eine Umrechnung in Ben- zinäquivalente in l / 100 km angezeigt. Damit ist einerseits gewährleistet, dass alle Gut- schriften einheitlich bzw. auf die gleiche Währung ausgestellt sind (gestückelt in g CO2 pro km), andererseits erhält der Autokäufer/die Autokäuferin veranschaulicht, was das bezüglich spezifischem Treibstoffverbrauch bedeutet. Dies erhöht die Transparenz und vereinfacht den Handel mit Gutschriften, die wie Wertpapiere betrachtet werden können. Eine schwierige, aber zentrale Frage stellt sich nach dem massgebenden Durchschnitt, auf den das CO2-Ziel angewandt wird. Soll er sich auf die gesamte Fahrzeugflotte bezie- hen oder jeweils auf eine gesamte Marke? Oder sollen Gewichtsklassen und Flächen- masse relevant sein, da sie positiv mit dem Treibstoffverbrauch bzw. CO2-Emissionen korreliert sind? Gewichts- oder Flächendurchschnitte haben klare Nachteile, was eine effiziente Zielerrei- chung anbelangt. Wäre nämlich mit einem höheren Gewicht bzw. grösseren Fläche ein höherer CO2-Ausstoss erlaubt, könnte aus Käufersicht mittels Wechsel in eine höhere Gewichts- oder Flächenklasse der Zukauf von Gutschriften gespart werden. Auch aus Anbietersicht würden Anreize bestehen, die Fahrzeuggewichte anzuheben. Beide Reak- tionen würden einer effizienten Zielerreichung entgegenstehen. Bei der Verwendung eines markenspezifischen Durchschnitts würde sich insbesondere das Problem ergeben, dass auch die Absenkungspfade differenziert werden müssten. Denn zwischen den einzelnen Marken bestehen erhebliche Unterschiede bei den Verbrauchsdurchschnitten. Entsprechend wäre es schwer nachvollziehbar, weshalb eine 27
Marke mit einem bereits tiefen Durchschnitt demselben Absenkungspfad folgen müsste wie eine Marke mit einem hohen Durchschnitt (insbesondere deshalb, weil weitere Re- duktionen umso teurer zu realisieren sind, je tiefer der CO2-Ausstoss bereits ist). Die Festlegung markenspezifischer Durchschnitte wäre aber zwangsweise willkürlich. Die genannten Nachteile treten nicht auf, wenn der Durchschnitt der gesamten Neu- wagenflotte eines Jahres massgebend ist. Er trägt auch dem Gebot der Rechtsgleich- heit und der Gleichbehandlung am besten Rechnung: Fahrzeuge mit gleichen "Klimaei- genschaften" bzw. CO2-Emissionen werden gleich behandelt. Für Autos, die über dem Standard liegen, müssen Gutschriften gekauft werden, für Autos unter dem Durchschnitt werden Gutschriften ausgehändigt. Insgesamt werden verbrauchsintensive Fahrzeuge teurer und verbrauchsarme Fahrzeuge günstiger. Nach Letzteren dürfte folglich die Nach- frage steigen, was Autohersteller zu einer entsprechenden Anpassung der Angebotspa- lette animieren dürfte - sei dies durch Verbesserungen bei der Energieeffizienz, einer geringeren Motorisierung oder leichteren Fahrzeugen35. Damit dürfte auch ein Flotten- verbrauchsziel am effizientesten verwirklicht werden. Mit einem einheitlichen relevanten Flottendurchschnitt würde es voraussichtlich auch zu einer Angleichung zwischen den einzelnen Marken kommen, die sich betreffend der Ausgangslage noch stark unterschei- den (Abbildung 10). Als Vorteil für die Schweiz könnte sich dabei der Umstand erweisen, dass sie über keine eigene Autoindustrie verfügt. Das heisst der politische Widerstand gegen das Instrument Verbrauchsgutschriften dürfte in der Schweiz geringer sein als in Ländern, die Autoher- steller (vor allem jene mit einem hohen Durchschnittswert beim Treibstoffverbrauch) be- herbergen. Widerstand ist hingegen seitens des Autogewerbes zu erwarten, falls sie Um- satzeinbussen befürchten. Diesem Widerstand kann aber entgegengewirkt werden mit einer haushaltneutralen Ausgestaltung des Instruments.36 Ausserdem ist denkbar, dass seitens der AutokäuferInnen soziale oder regionalpolitische Vorbehalte geäussert wer- den37. Was den Einbezug des Aggregats anbelangt, empfiehlt sich eine Beschränkung auf die neu in Verkehr gesetzten Fahrzeuge. Damit ist gewährleistet, dass sich einerseits im Hinblick auf die CO2-Ziele die Struktur der gesamten Fahrzeugflotte nach und nach ver- bessert. Andererseits werden ab Einführung des Gutschriftenhandels alle neuen Fahr- zeuge jeweils einmal berücksichtigt und damit gleich behandelt. Falls ein Auto im Aus- land gekauft wird, müssen bei der Erstimmatrikulation in der Schweiz die entsprechenden Gutschriften vorgewiesen werden bzw. werden bei verbrauchsarmen Autos zugeteilt. 35 Wäre das durchschnittliche Gesamtgewicht seit 1996 bei 1309 kg konstant geblieben, hätte 2007 der durchschnittliche Gesamtverbrauch der PW-Flotte 6.48 l / 100 km betragen, würde also deutlich unter dem Zielwert liegen (= 6.65 l / 100 km) bzw. Ist-Wert (=7.43 l / 100 km); (auto schweiz 2008, S. 13). 36 Die Nachfrage nach Neuwagen (und auch der gefahrenen Kilometer) dürfte sich insgesamt nicht wesentlich verändern, "nur" die Struktur der neu verkauften Fahrzeuge. 37 S. das Kapitel über Auswirkungen. Beispielsweise, dass Familien grössere Autos brauchen oder Bewohner von Berggebieten auf leistungsstärkere Autos angewiesen sind. Selbst wenn dies zutreffen würde: Sozial- politische Anliegen sollten nicht mit Änderungen des umweltpolitischen Instruments Zertifikatshandel ver- wässert werden. 28
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