Nationales Fachprogramm - zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher ...
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Nationales Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturpflanzen www.bmelv.de
2 Inhalt 1 EINLEITUNG 6 2 BEDEUTUNG, GEFÄHRDUNG UND NUTZUNG PFLANZENGENETISCHER RESSOURCEN 8 2.1 Begriffsbestimmungen 8 2.2 Bedeutung 9 2.3 Zustand und Gefährdung 10 2.4 Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen 10 3 POLITISCHE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN 12 3.1 Internationale Ebene 12 3.1.1 Übereinkommen über die biologische Vielfalt 12 3.1.2 Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft 13 3.1.3 Globaler Treuhandfonds für Nutzpflanzenvielfalt 14 3.2 Europäische Ebene 15 3.2.1 EU-Agrarpolitik 15 3.2.2 Europäisches Kooperationsprogramm für pflanzengenetische Ressourcen 16 3.3 Nationale Ebene 17 3.3.1 Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen 19 3.3.2 Rechtlicher Rahmen für das Inverkehrbringen von Saat- und Pflanzgut 21 3.3.3 Auswirkungen des Naturschutzrechts 23 4 SCHWERPUNKTE DES ARBEITSPROGRAMMS 24 4.1 Ex-situ-Erhaltung 24 4.1.1 Bundeszentrale Genbank für landwirtschaftliche und gartenbauliche Kulturpflanzen 26 4.1.2 Deutsche Genbank Obst 27 4.1.3 Deutsche Genbank Reben 29 4.1.4 Deutsche Genbank Zierpflanzen 30 4.1.5 Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft 32 4.1.6 Implementierung der „Europäischen Genbank“ (AEGIS) im Rahmen des ECPGR 33 4.1.7 Implementierung des Multilateralen Systems des Internationalen Vertrags 34
3 4.2 In-situ-Erhaltung 35 4.2.1 On-farm-Bewirtschaftung 35 4.2.1.1 Weiterentwicklung der „Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen“ 36 4.2.1.2 Stärkung der On-farm-Erhaltung und -Bewirtschaftung 37 4.2.1.3 Erhaltung und nachhaltige Nutzung der genetischen Vielfalt im Grünland 38 4.2.1.4 Aufbau von Kompetenzzentren 40 4.2.1.5 Aufbau von Fortbildungsangeboten im Bereich On-farm-Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen 41 4.2.2 In-situ-Erhaltung von Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft (WEL) 42 4.2.2.1 Identifizierung von Schwerpunktarten 43 4.2.2.2 Bestandsstützende Maßnahmen 44 4.2.2.3 Identifizierung, Aufbau und Ausweisung „genetischer Schutzgebiete“ 44 4.2.2.4 Verwendung gebietseigener Wildpflanzen in der freien Natur 45 4.3 Nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen 46 4.3.1 Weiterführung von Agrarumweltmaßnahmen 46 4.3.2 Weiterentwicklung nachhaltiger Nutzungssysteme 47 4.3.3 Entwicklung und Verbesserung von Indikatoren für die Bestimmung der Gefährdung von pflanzengenetischen Ressourcen 48 4.3.4 Förderung der Evaluierung und Charakterisierung 48 4.3.5 Erschließung von Innovationspotenzialen pflanzengenetischer Ressourcen durch die Züchtungsforschung 49 4.3.6 Erweiterung der genetischen Diversität durch den Aufbau von Evolutionsramschen 50 4.3.7 Vermarktung von „Vielfaltsprodukten“ 51 4.4 Information und Dokumentation 52 4.4.1 Auf- und Ausbau institutioneller Informationsinfrastruktur 52 4.4.2 Portal für Ex-situ-Erhaltungskulturen einheimischer Wildpflanzen 53 4.4.3 Auf- und Ausbau einer Dokumentationsinfrastruktur zwischen Bund und Ländern für den Bereich in situ und on farm 54 4.4.4 Nationales Inventar „PGRDEU“ 54 4.4.5 Nationale Informationsinfrastruktur für Charakterisierungs- und Evaluierungsdaten 55 4.4.6 Bundesinformationssystem Genetische Ressourcen 56 4.5 Öffentlichkeitsarbeit 57 5 ORGANISATION UND DURCHFÜHRUNG 58 6 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 60 7 LITERATUR 62 8 ZITIERTE GESETZESTEXTE UND MITTEILUNGEN 63 9 WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN UND ADRESSVERZEICHNIS 64
4 Vorwort Sehr geehrte Leserinnnen und Leser, Pflanzen bilden die Grundlage unseres Lebens. Sie sind Neben der wirtschaftlichen Bedeutung ist die Vielfalt der die Basis einer nachhaltigen Landwirtschaft und Quelle genutzten und nutzbaren Pflanzen eine wertvolle Res- gesunder und sicherer Nahrungsmittel. Sie liefern Roh- source für künftige Nutzungen und Innovationen. Neue stoffe und Energie. Rahmenbedingungen, die beispielsweise durch Klima- verschiebungen oder eine veränderte Nachfrage entste- Wir können heute auf einen großen Schatz pflanzenge- hen, erfordern eine Anpassung unserer Pflanzen. Hierfür netischer Ressourcen zurückgreifen. Unsere heimische müssen wir auf unsere pflanzengenetischen Ressourcen Flora umfasst ca. 3.500 Arten. Mehr als 2.800 dieser Arten zurückgreifen. Vielfalt ist eine grundlegende Vorausset- sind entweder direkt für Ernährung und Landwirtschaft zung für zukünftige Nutzungen und züchterischen Fort- nutzbar oder können in der Pflanzenzüchtung eingesetzt schritt. Einmal verloren gegangene biologische Vielfalt werden. Zudem verfügen wir über eine große geneti- ist nicht wieder herstellbar. Aus diesem Grund ist in be- sche Vielfalt angepasster Kulturpflanzen. Diese entstand sonderer Weise Vorsorge geboten. durch ständige Auslese und Weiterentwicklung und damit durch die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern. Die Hier setzt das nationale Fachprogramm an. Es bildet die Vielfalt der Nutzpflanzen sowie das Wissen über Anbau, wesentliche Grundlage für bundesweit abgestimmte Ak- Vermehrung und Nutzung sind somit auch ein bedeu- tivitäten zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung unse- tender Teil unseres kulturellen Erbes. rer genetischen Ressourcen. Die vorliegende Überarbei- tung trägt bedeutenden Entwicklungen seit der ersten Auflage aus dem Jahr 2002 Rechnung.
5 Dazu gehört in erster Linie der Beitritt Deutschlands Eine der wichtigsten Aufgaben des Fachprogramms ist zum „Internationalen Vertrag für pflanzengenetische es, die wesentlichen Akteure auf dem Gebiet der Erhal- Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft“ im Jahr tung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer 2004. Ziel des Vertrages ist es, pflanzengenetische Res- Ressourcen zusammenzubringen. Eine tragende Säu- sourcen für Ernährung und Landwirtschaft langfristig le bildet dabei der Beratungs- und Koordinierungsaus- zu erhalten und nachhaltig zu nutzen. Deutschland hat schuss für genetische Ressourcen landwirtschaftlicher sich für diesen Vertrag eingesetzt und gehört auch heute und gartenbaulicher Kulturpflanzen. Den Ausschussmit- noch zu seinen wesentlichen Unterstützern. Das vorlie- gliedern möchte ich meinen besonderen Dank für ihre gende Fachprogramm spielt in der Umsetzung des inter- Arbeit aussprechen. nationalen Vertrages eine wichtige Rolle. Danken möchte ich auch den vielen Menschen, die Zudem wurde die Sektorstrategie des BMELV „Agro- durch ihre tägliche Arbeit als Bauern, Gärtner oder sons- biodiversität erhalten, Potenziale der Land-, Forst- und tige Erhalter oder auch durch bewusste Konsument- Fischereiwirtschaft erschließen und nachhaltig nutzen“ scheidungen dazu beitragen, die heute noch bestehende erarbeitet. Diese Strategie bildet einen Rahmen für die Vielfalt für die nachfolgenden Generationen zu sichern. sektoralen nationalen Fachprogramme, die für pflan- zen-, tier-, forst- und aquatische genetische Ressourcen erstellt worden sind. Auch sie ist bei der Neufassung des Fachprogramms berücksichtigt worden. Ilse Aigner Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
6 1 Einleitung Mit der Erarbeitung der Strategie des Bundesmi- nisteriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt für die Ernährung, Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft im Jahr 20071 (kurz: Agrobiodiversitätsstrategie) wurde die Erhaltung genetischer Ressourcen in ein über- greifendes Konzept zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Agrobiodiversität eingebettet. Diese BMELV-Strategie ergänzt die vom Bundeskabinett 2007 beschlossene Nationale Strategie für die Er- haltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt. Aufgrund geänderter Rahmenbedingungen auf Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirt- nationaler und internationaler Ebene und unter schaft und Forsten (BML) hatte u. a. zur Umsetzung Berücksichtigung der Fortschritte und Erfahrungen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt aus der bisherigen Umsetzung des nationalen Fach- (CBD) 1999 eine Konzeption zur Erhaltung und programms wurde eine grundlegende Aktualisierung nachhaltigen Nutzung genetischer Ressourcen für vorgenommen. Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in seiner Schriftenreihe (BML Heft 487) veröffentlicht. Das Die Struktur des nun vorliegenden zweiten Fach- darin vorgesehene nationale Programm setzte sich programms orientiert sich weiterhin am Globalen aus sektoralen Fachprogrammen zu den einzelnen Aktionsplan der Ernährungs- und Landwirtschaftsor- Teilgebieten genetischer Ressourcen zusammen. ganisation der Vereinten Nationen2 (Food and Agri- Aufbauend auf die bereits 1990 veröffentlichte Kon- culture Organisation of the United Nations - FAO) und zeption für Pflanzengenetische Ressourcen wurde seinen vier Hauptbereichen: In-situ-Erhaltung und 2001 das erste Nationale Fachprogramm zur Erhal- Entwicklung, Ex-situ-Erhaltung, Nachhaltige Nutzung tung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer und Stärkung institutioneller und personeller Kapa- Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher zitäten. Kulturpflanzen erarbeitet. Es wurde 2002 von der Agrarministerkonferenz verabschiedet und war bis Das Fachprogramm wird durch den Beratungs- und 2011 die wesentliche Grundlage für bundesweit ab- Koordinierungsausschuss für genetische Ressour- gestimmte Aktivitäten auf diesem Gebiet in Deutsch- cen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kul- land. turpflanzen (BEKO) begleitet. Dieser besteht aus 17 Mitgliedern, die von Bundes- und Landesbehörden, Im Jahr 2004 trat der Internationale Vertrag über Fachverbänden und Organisationen aus Wissenschaft pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und und Wirtschaft benannt und gegebenenfalls auch als Landwirtschaft in Kraft. Als Vertragsstaat verpflichtet sachkundige Einzelpersonen vom BMELV berufen sich Deutschland, pflanzengenetische Ressourcen für werden. Ernährung und Landwirtschaft langfristig zu erhal- ten und nachhaltig zu nutzen. Die Vertragsstaaten Der Bund, die Länder sowie die verschiedenen staat- verpflichten sich zudem bei ihren Erhaltungsbemü- lichen und privaten Einrichtungen, Gremien und hungen zur gegenseitigen Unterstützung und inter- sonstigen Akteure stellen durch gemeinsame An- nationalen Zusammenarbeit. strengungen und eigene Leistungen die Umsetzung 1 http://www.genres.de/fileadmin/SITE_GENRES/downlo-ads/docs/StrategiepapierAgrobiodiversitaet_deutsch.pdf 2 http://www.globalplanofaction.org/id/gpa
7 des Nationalen Fachprogramms sicher. Die Bundes- Ausgehend von den internationalen und natio- länder unterstützen das Nationale Fachprogramm nalen Vorgaben, insbesondere der Agrobiodiver- durch eigene Länderprogramme oder durch einzelne sitätsstrategie des BMELV sind die wesentlichen Maßnahmen in anderen bestehenden Programmen. Ziele des Nationalen Fachprogramms zur Er- haltung und nachhaltigen Nutzung pflanzenge- Mit dem Fachprogramm werden: netischer Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturpflanzen: Y Informationen über Bedeutung, Vorkommen und Erhaltungszustand der jeweiligen genetischen Y Ressourcen sichern: die Vielfalt der wild Ressourcen erhoben, zusammengeführt, konso- wachsenden und der kultivierten pflanzen- lidiert, ausgewertet und zu einem Gesamtbild genetischen Ressourcen langfristig in wissen- zusammengefügt, das als Entscheidungsgrundlage schaftlich abgesicherter und kosteneffizienter dient, Weise in situ und ex situ erhalten; Y Maßnahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Y Ökosysteme erhalten: einen Beitrag zur Nutzung genetischer Ressourcen entwickelt, deren Erhaltung und Wiederherstellung landwirt- Umsetzung angestoßen werden sollen und schaftlich und gartenbaulich geprägter Öko- Y institutionelle, personelle und finanzielle Ressour- systeme einschließlich der obstbaulichen und cen gebündelt sowie Grünlandökosysteme leisten; Y die maßgeblichen Akteure aus Verwaltung, For- Y Vielfalt nutzen: pflanzengenetische Ressour- schung und dem gesellschaftlichen Umfeld zu- cen durch geeignete Maßnahmen, u. a. durch sammengeführt. Charakterisierung, Evaluierung, Dokumen- tation, züchterische Erschließung, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit verstärkt nutzbar machen; Y Anbau diversifizieren: eine größere Vielfalt landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturpflanzenarten und -sorten (einschließ- lich Zierpflanzen) in Deutschland nachhaltig wirtschaftlich nutzen; Y Zuständigkeiten darlegen: mehr Transpa- renz bei den verteilten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden sowie den auf dem Gebiet tätigen Organisationen und Institutionen bei der Er- haltung und Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen herstellen; und Y National und international zusammenarbei- ten: Synergien nutzen, die sich aus einer ver- stärkten Zusammenarbeit auf der nationalen, überstaatlich-regionalen und internationalen Ebene ergeben können und diese fördern. Blühender Ackerrandstreifen Bohnenvielfalt
8 2 Bedeutung, Gefährdung und Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen 2.1 Begriffsbestimmungen Für die im vorliegenden Fachprogramm verwendeten Begriffe gelten die im Rahmen des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture – Internationaler Vertrag) bzw. dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD) erarbeiteten Begriffsbestimmungen. Ökosystem bedeutet einen dynamischen Komplex von Gemeinschaften aus Pflanzen, Tieren und Mikro- organismen sowie deren nicht lebender Umwelt, die als funktionelle Einheit in Wechselwirkung stehen. Biologische Vielfalt ist die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter u. a. Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören; dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Öko- systeme. Genetische Ressourcen sind genetisches Material von tatsächlichem oder potenziellem Wert. Genetisches Material ist jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten enthält. Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft bedeutet jedes genetische Material pflanzlichen Ursprungs, das einen tatsächlichen oder potenziellen Wert für Ernährung und Landwirt- schaft hat. Ex-situ-Erhaltung ist die Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft außerhalb ihres natürlichen Lebensraums. In-situ-Erhaltung bedeutet die Erhaltung von Ökosystemen und natürlichen Lebensräumen sowie die Bewahrung und Wiederherstellung lebensfähiger Populationen von Arten in ihrer natürlichen Umge- bung und – im Fall domestizierter oder gezüchteter Pflanzenarten – in der Umgebung, in der sie ihre besonderen Eigenschaften entwickelt haben. Nachhaltige Nutzung ist die Nutzung von Bestandteilen der biologischen Vielfalt in einer Weise und in einem Ausmaß, die nicht zum langfristigen Rückgang der biologischen Vielfalt führen, wodurch ihr Po- tential erhalten bleibt, die Bedürfnisse und Wünsche heutiger und künftiger Generationen zu erfüllen.
9 On-farm-Bewirtschaftung als besondere Form der In-situ-Erhaltung ist die Erhaltung und Weiterent- wicklung lokal oder regional angepasster so genannter Landsorten in der Umgebung, in der sie ihre besonderen Eigenschaften entwickelt haben, d. h. im landwirtschaftlichen Betrieb im weiteren Sinne. Landsorten sind Populationen oder Klone innerhalb einer Kulturart, die durch reproduzierbare Ausprä- gung ihrer Merkmale definiert sind und sich in der Regel aus mehreren morphologisch oder physiolo- gisch voneinander abweichenden Typen zusammensetzen, die sich laufend an die natürlichen Umwelt- bedingungen ihrer Region anpassen. Erhaltungssorten im Sinne des Saatgutrechts sind Sorten von landwirtschaftlichen Arten und Gemü- searten, die traditionell in bestimmten Gebieten (Ursprungsregionen) angebaut wurden, an die natür- lichen örtlichen und regionalen Umweltbedingungen angepasst, von genetischer Erosion bedroht und hinsichtlich der Erhaltung von pflanzengenetischen Ressourcen bedeutsam sind. Amateursorten im Sinne des Saatgutrechts sind Sorten von Gemüsearten, die an sich ohne Wert für den Anbau zu kommerziellen Zwecken sind und die für den Anbau unter besonderen klimatischen, boden- oder agrotechnischen Bedingungen gezüchtet wurden. 2.2 Bedeutung Ressourcen erfordern. Die Vielfalt ist eine grundle- gende Voraussetzung für zukünftige Nutzungen und Von der Landnutzung in Deutschland entfällt etwas züchterischen Fortschritt. Einmal verloren gegangene mehr als die Hälfte auf die Landwirtschaft – unsere biologische Vielfalt ist nicht wieder herstellbar. Aus agrarisch geprägten Kulturlandschaften. Die dort diesem Grunde ist in besonderer Weise Vorsorge angebauten oder genutzten Kulturpflanzen haben geboten. aufgrund der damit erzeugten Produkte eine erheb- liche ökonomische Bedeutung; ihre Nutzung bietet Darüber hinaus sind kulturelle und ästhetische Werte vielen Menschen in Deutschland Nahrung, Beschäf- zu berücksichtigen. Bei den Zierpflanzen haben letz- tigung und Einkommen. Kulturlandschaften haben tere auch unmittelbar große ökonomische Bedeutung aufgrund ihrer Ausdehnung bei uns als Lebensräume erlangt. Traditionelle Arten oder alte Sorten von für Pflanzen und Tiere einen hohen ökologischen Kulturpflanzen zeugen von den kulturellen Leis- Stellenwert. tungen früherer Generationen und der historischen Entwicklung des Land- und Gartenbaus in einer Der größte Teil der heute vorhandenen genetischen Region. Traditionelle Formen der agrarisch geprägten Vielfalt unserer Nutzpflanzen entstand durch stän- Kulturlandschaften haben zudem einen besonderen dige Auslese und Weiterentwicklung im Rahmen der Erlebnis- oder Erholungswert, der unter dem Stich- landwirtschaftlichen Produktion; damit ist die da- wort „Diversifizierung der Land- und Forstwirtschaft“ durch entstandene Vielfalt in Form von angepassten regional wiederum ökonomische Bedeutung als Kulturpflanzenarten und -sorten sowie des Wissens Standortfaktor erlangt. über Anbau, Vermehrung und Nutzung auch Teil unseres kulturellen Erbes. Über den aktuellen ökonomischen Nutzen hinaus stellt die Vielfalt der genutzten und nutzbaren Pflan- zen aufgrund der Vererbbarkeit ihrer Eigenschaf- ten zudem eine wertvolle Ressource für zukünftige Nutzungen und eine Grundlage für Innovationen und erweiterte wirtschaftliche Aktivitäten dar. Auch eine Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen, wie Klimaveränderungen oder veränderte Nachfra- ge, können den Rückgriff auf pflanzengenetische Anbau verschiedener Salatsorten
10 2.3 Zustand 2.4 Erhaltung pflanzen- und Gefährdung genetischer Ressourcen Die Ausgangslage hinsichtlich Zustand und Gefähr- Die Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen für dung landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kul- Ernährung und Landwirtschaft erfolgt durch zwei turen sowie für den Weinbau werden in der Agrobio- grundsätzlich unterschiedliche Wege, die sich jedoch diversitätsstrategie des BMELV beschrieben. Weitere ergänzen. Die Ex-situ- und die In-situ-Erhaltung. Informationen zu landwirtschaftlichen Nutzpflanzen, Die Ex-situ-Erhaltung in Deutschland erfolgt v. a. Grünlandpflanzen, Gemüse, Obstkulturen, Zierpflan- in Genbanken, Botanischen Gärten und sonstigen zen, Sonderkulturen und potentiell nutzbaren Wild- Institutionen. Während bei der Arbeit in den Bota- pflanzen finden sich im zweiten Nationalen Bericht nischen Gärten primär die globale Artenvielfalt für über Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung Forschungs- und Ausbildungszwecke im Vordergrund und Landwirtschaft in Deutschland aus dem Jahr steht, räumen die Genbanken vor allem der innerart- 20083. Die Nationalen Berichte bildeten auch die lichen Variabilität unserer Kulturarten Priorität ein. Grundlage für den zweiten Weltzustandsbericht über Von den deutschen Genbanken betreut die zentrale pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Kulturpflanzengenbank Deutschlands am Leibniz- Landwirtschaft der FAO4. Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenfor- schung (IPK) eine sehr artenreiche Sammlung, die Ak- Auch wenn sich einige Arten infolge gezielter Erhal- zessionen von über 3.200 Arten umfasst, wobei auch tungsmaßnahmen erholen konnten, ist insgesamt die hier bezogen auf die Anzahl der Muster der Samm- Vielfalt der genutzten Arten und teilweise auch die lungsschwerpunkt bei wenigen landwirtschaftlich be- genetische Vielfalt innerhalb der Arten stark rück- deutenden Arten (v. a. Getreide) liegt. Diese Genbank läufig. Der Rückgang ging einher mit einer regional gehört zu den weltweit größten Sammlungen. unterschiedlich ausgeprägten Intensivierung der Landwirtschaft und der Nutzungsaufgabe von er- tragsarmen Standorten. Die Gefährdung der heimi- schen Nutzpflanzenvielfalt soll zukünftig vor allem durch die Weiterentwicklung der „Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen“ (s. Kapitel 4.2.1.1.) besser dokumentiert werden. Fast ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche nimmt das Grünland ein. Es gehört mit seinem Arten- reichtum zu den wertvollsten Agrarökosystemen und leistet damit neben seinem Beitrag zur landwirt- schaftlichen Produktion auch wichtige Dienste als Ökosystem. Auch bei intensiv genutztem Grünland ist ein Rückgang des Artenreichtums zu verzeichnen. Um möglichst umfassende Informationen über den Artenreichtum von Grünlandstandorten zu erhalten, ist es zunächst notwendig, entsprechende Indikator- oder Kennarten zu bestimmen, um dann eine Auf- nahmemethode zur Identifikation der unterschiedli- chen Grünlandformen festzulegen. Acker-Rittersporn (Consolida regalis): Eine potenziell nutzbare Wildpflanze für Ernährung und Landwirtschaft (WEL) 3 http://www.genres.de/fileadmin/SITE_GENRES/downloads/schriftenreihe/agrobiodiversitaet_band_29.pdf 4 http://www.fao.org/docrep/013/i1500e/i1500e00.htm
11 Blühende Streuobstwiese Da die Erhaltung einiger Kulturen, wie Obst, Gehölze relatives – CWR) und aktuell oder potenziell nutzbare und Zierpflanzen, nicht in den Aufgabenbereich der Wildarten stellen mit mehr als 2.800 Arten als so- IPK-Genbank fällt, ist die Etablierung weiterer spezi- genannte Wildpflanzen für Ernährung und Land- alisierter Genbanken bzw. Genbanknetzwerke not- wirtschaft (WEL) einen beachtlichen Anteil unserer wendig (siehe Kapitel 4.1). Ergänzend bieten sich auch heimischen Flora (ca. 3.500 Arten). WEL leisten einen die Botanischen Gärten für die Erhaltung genetischer wichtigen Beitrag zur Erweiterung der genetischen Ressourcen an, die gleichzeitig alte Sorten wie auch Basis und sind damit für die Pflanzenzüchtung eine Wildarten und Wildformen von Kulturarten am na- wertvolle Quelle neuer Eigenschaften. In der nach- türlichen Standort als auch ex situ erhalten können. haltigen landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Aber auch Erhaltungsinitiativen und sonstige Insti- Pflanzenproduktion werden heute leistungsfähige tutionen einschließlich Privatpersonen, die speziali- und gesunde Sorten mit ausgeprägten Qualitäts sierte Sammlungen mit wenigen oder nur einer Art eigenschaften und guter Widerstandsfähigkeit gegen unterhalten, können in diese Erhaltungsaktivitäten Pflanzenkrankheiten und Schädlinge benötigt. einbezogen werden. Zur besseren Koordination dieser Sammlungsaktivitäten werden derzeit Erhaltungs- Eine besondere Form der In-situ-Erhaltung ist die infrastrukturen in Form von Genbanknetzwerken On-farm-Bewirtschaftung. Erhaltungsinitiativen, etabliert bzw. weiter ausgebaut (Näheres hierzu siehe aber auch einige Betriebe des ökologischen Landbaus www.genres.de). bauen alte, regional angepasste Sorten (so genannte Landsorten) an. Beim Erhalt gartenbaulicher Kul- Traditionell sind der Schutz und die Erhaltung in situ turpflanzen und Sonderkulturen kann ebenfalls die Schwerpunktaktivitäten des Naturschutzes. Die Arten traditionelle Nutzung in Gärten sehr wichtig sein. bleiben in ihren Ökosystemen den dynamischen Prozessen der Evolution ausgesetzt. Die notwendige Die Erhaltung und nachhaltige Nutzung genetischer Anpassung durch natürliche Selektion an wechseln- Ressourcen gehört zu den wichtigen Zukunftsaufgaben de Umwelteinflüsse ist so gewährleistet. Mit unse- von Bundes- und Landesregierungen Deutschlands. ren Kulturarten verwandte Wildpflanzen (crop wild
12 3 Politische und rechtliche Rahmen- bedingungen 3.1 Internationale Ebene 3.1.1 Übereinkommen über die biologische Vielfalt Das 1992 in Rio de Janeiro von der Völkergemein- schaft beschlossene Übereinkommen über die biolo- gische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD) verpflichtet die Vertragsstaaten zur langfris- tigen Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der auf ihrem Hoheitsgebiet vorkommenden biologischen Delegierte verhandeln die internationalen Rahmenbedingungen Vielfalt. Es enthält auch Bestimmungen über den für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen Zugang zu genetischen Ressourcen und der Teilha- be an den sich aus der Nutzung dieser Ressourcen ergebenden Vorteile (siehe hierzu auch Kapitel 3.3.1). und Programmen zu berücksichtigen. Auf der 10. Deutschland ist seit 1993 Vertragspartei der CBD (Ge- Vertragsstaatenkonferenz der CBD im Oktober 2010 setz zu dem Übereinkommen vom 5. Juli 1992 über in Nagoya, Japan, wurde eine überarbeitete GSPC die biologische Vielfalt (BGBI II 1993 1741)). beschlossen. Die GSPC umfasst 16 konkrete Ziele in 5 Handlungsbereichen: (I) Erfassung und Dokumen- Ein wichtiger Erfolg des CBD-Prozesses war die Ver- tation, (II) Erhaltung, (III) Nachhaltige Nutzung, (IV) abschiedung der Bonner Leitlinien über den Zugang Förderung von Bildung und Bewusstsein über die zu genetischen Ressourcen und die gerechte und Pflanzenvielfalt und (V) Schaffung von fachlichen ausgewogene Beteiligung an den Vorteilen aus ihrer Kapazitäten zu deren Erhaltung. In einem For- Nutzung im Jahr 2002. Mit der Verabschiedung des schungs- und Entwicklungsvorhaben des BfN mit den sogenannten Nagoya-Protokolls auf der 10. Vertrags- Botanischen Gärten der Universität Bonn (2005–2008) staatenkonferenz unter voller Berücksichtigung be- wurden Vorschläge zu Umsetzungserfordernissen reits bestehender internationaler Regelungen wurden der GSPC in Deutschland erarbeitet. Die im Rahmen die Grundlagen für künftige Regelungen zu Zugang dieses Vorhabens geleistete Lückenanalyse und Erar- und Vorteilsausgleich geschaffen. beitung von Handlungsprioritäten unterstützen seit Beendigung des Projekts die Umsetzung einzelner Für den Schutz, die Erhaltung und nachhaltige Ziele durch betroffene Akteure in Deutschland. Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen ist darüber hinaus die 2002 im Rahmen der CBD verabschiede- Eine weitere Grundlage bilden auch die detaillierte- te Globale Strategie zum Erhalt der Pflanzenvielfalt ren Anforderungen der Europäischen Strategie zur (Global Strategy for Plant Conservation – GSPC) Erhaltung der Pflanzen (European Plant Conserva- von Bedeutung. Sie stellt ein Instrument dar, um das tion Strategy – EPCS). Die EPCS wurde von Planta 2010-Ziel (signifikante Verminderung des Verlusts an Europa5 und dem Europarat entwickelt und stellt die biologischer Vielfalt), welches durch die Staats- und Ziele der GSPC in einen europäischen Zusammen- Regierungschefs anlässlich des Weltgipfels für nach- hang. Sie enthält 42 klare Ziele für Europa, mit der die haltige Entwicklung (World Summit on Sustainable in der GSPC definierten 16 Ziele bis Mitte 2010 um- Development) 2002 beschlossen wurde, zu erreichen. gesetzt werden sollen. Im Jahre 2007 wurde die EPCS Alle Vertragsstaaten der CBD sind aufgefordert, die überprüft und weiter mit der GSPC harmonisiert. Die GSPC bei der Erarbeitung von nationalen Strategien neue Europäische Strategie (European Strategy for 5 Planta Europa ist ein Netzwerk unabhängiger Regierungs- und Nicht-Regierungs-Organisationen, die für den Schutz der europäischen Flora zusammenarbeiten (www.plantaeuropa.org).
13 Ferner erkennt der ITPGR die Rechte der Bauern (Farmers‘ Rights) durch Anerkennung des Beitrags, den die ortsansässigen und eingeborenen Gemein- schaften und Bauern zur Erhaltung und Entwicklung pflanzengenetischer Ressourcen geleistet haben und weiter leisten, an. Plant Conservation – ESPC) gilt jetzt von 2008 – 2014 Deutschland ratifizierte den ITPGR im Jahr 2004 und und untersetzt jedes der 16 Ziele der GSPC mit spezi- seine Umsetzung auf nationaler Ebene ist zwischen- fischen europäischen Zielen, die teilweise von hoher zeitlich weit fortgeschritten. BMELV ist federführen- Relevanz für das vorliegende Fachprogramm sind des Ressort und nationale Kontaktstelle (Focal Point) (z. B. ESPC Ziel 9.1: Establishment of 25 European crop für den Vertrag. Die relevanten Akteure wurden wild relative genetic reserves covering the major hot- aufgefordert, pflanzengenetische Ressourcen für das spots of species and genetic diversity). Die Umsetzung MLS bereitzustellen und für die Abgabe von Material der ESPC wird von Planta Europa koordiniert. dieser pflanzengenetischen Ressourcen das SMTA zu verwenden. Zur besseren Information aller Ak- teure wurde eine deutsche Sprachversion des SMTA (rechtlich gültig ist nur die englische Textversion) in 3.1.2 Internationaler Vertrag über Abstimmung mit Österreich und der Schweiz erstellt pflanzengenetische Ressourcen für und mit weiteren erläuternden Informationsmateri- Ernährung und Landwirtschaft alien u. a. auf der Internetseite des BMELV eingestellt. Deutsche Einrichtungen haben seit 2008 insgesamt Auf internationaler Ebene trat das wichtigste Abkom- ca. 108.000 Genbankmuster in das MLS eingebracht. men zur Erhaltung und Nutzung pflanzengenetischer Die Muster des MLS sind im Nationalen Inventar zu Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, der Pflanzengenetischen Ressourcen PGRDEU6 entspre- Internationale Vertrag über pflanzengenetische Res- chend gekennzeichnet, so dass eine gezielte Online- sourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR), Recherche nach Material, welches aus Deutschland im Jahr 2004 in Kraft (vgl. www.planttreaty.org). Der für das MLS bereitgestellt wird, möglich ist. Vertrag ist als zustimmungspflichtiges Bundesgesetz ratifiziert worden.6.1 Die weitere Unterstützung des ITPGR ist ein wesentli- ches Element der deutschen Agrobiodiversitätsstrategie. Die Vertragsstaaten des ITPGR verpflichten sich, pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft langfristig zu erhalten und nachhal- tig zu nutzen; sie verpflichten sich zudem bei ihren Erhaltungsbemühungen zur gegenseitigen Unterstüt- zung und internationalen Zusammenarbeit. Ein zent- rales Element des ITPGR ist ein Multilaterales System (MLS), aus dem pflanzengenetische Ressourcen unter erleichterten Bedingungen mit Hilfe eines „Standard Material Transfer Agreements (SMTA)“ für eine Nut- zung verfügbar gemacht werden. Über dieses SMTA werden im ITPGR unter den jeweiligen Bedingungen entweder obligatorische oder freiwillige Zahlungen in den sogenannten „Benefit Sharing (BS) Fund“ des ITPGR eingenommen. Der BS-Fund fördert daraus Projekte in Entwicklungsländern und Ländern mit Übergangswirtschaften, soweit sie Vertragsstaaten des ITPGR sind. 6 http://pgrdeu.genres.de/ 6.1 Gesetz zu dem befristeten Vertrag vom 3. November 2001 über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, BbBI II 2003 906.
14 Kommission für Genetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft der FAO Eine führende Rolle in der internationalen Zusammenarbeit zu genetischen Ressourcen hat die Kommission für Genetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft der FAO (Com- mission on Genetic Resources for Food and Agri- Annual Report 2010 culture – CGRFA). Dabei handelt es sich um eine zwischenstaatliche Regierungskommission, die die FAO-Konferenz in Fragen der Agrobiodiversi- tät einschließlich der genetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft berät. Die CGRFA wurde 1983 gegründet und hat z. Z. 172 Staaten und die EU als Mitglieder. Sie ist zuständig für genetische Ressourcen der Nutzpflanzen, Nutztie- re, Forstpflanzen, aquatische genetische Res- sourcen, Mikroorganismen und Wirbellose sowie Jahresbericht des Globalen Treuhandfonds für Nutzpflanzenvielfalt Querschnittsfragen wie beispielsweise Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechter Vor- dauerhafte Erhaltung und Verfügbarkeit pflanzen- teilsausgleich, Biotechnologie zur Sicherung und genetischer Ressourcen sicherzustellen, um eine Nutzung der genetischen Ressourcen, Monitoring nachhaltige Landwirtschaft und die Sicherheit der und Indikatoren oder ökosystemare Ansätze. Nahrungsmittelversorgung zu unterstützen. Dazu verfolgt er international vereinbarte wissenschaftlich Die CGRFA hat ein rollendes 10-jähriges Ar- fundierte Strategien zur Erhaltung pflanzengeneti- beitsprogramm (Multi-Year Programme of Work scher Ressourcen, die darauf abzielen ein effizien- – MYPOW) zu den genetischen Ressourcen für tes globales Ex-situ-Erhaltungssystem für wichtige Ernährung und Landwirtschaft aller Berei- Fruchtarten aufzubauen. Von einer derart verbes- che. In diesem Rahmen wurde auch der zweite serten internationalen Zusammenarbeit sowie einer Weltzustandsbericht über pflanzengenetische Effizienz- und Qualitätssteigerung bei der Ex-situ- Ressourcen erstellt und basierend darauf der Erhaltung werden künftig auch nationale Erhalter Globale Aktionsplan für Erhaltung und nachhal- und Nutzer dieser pflanzengenetischen Ressourcen tige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen profitieren. für Ernährung und Landwirtschaft überarbeitet. Mit dem Globalen Aktionsplan werden weltweite Diese Strategien werden vor allem abgestimmt mit Erhaltungsansätze abgestimmt und übergeordne- dem Internationalen Vertrag über pflanzengeneti- te Ziele vereinbart. Die Fertigstellung des dritten sche Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft Weltzustandsbericht über pflanzengenetische (ITPGR) und der FAO-Kommission für genetische Ressourcen ist für 2019 geplant. Deutschland Ressourcen. Da der Fonds somit auch Aufgaben im beteiligt sich aktiv an der Arbeit der CGRFA. Rahmen des ITPGR übernimmt, ist er ein wichtiger Teil des Finanzierungskonzepts des ITPGR. In Übereinstimmung mit der Agrobiodiversitätsstra- 3.1.3 Globaler Treuhandfonds für tegie des BMELV sowie dem Fachprogramm von 2002 Nutzpflanzenvielfalt hat Deutschland zum Stiftungskapital des GCDT in den Jahren 2006–2010 insgesamt 7,5 Millionen Euro Der Globale Treuhandfonds für Nutzpflanzenvielfalt beigetragen. Deutsche Experten leiteten außerdem (Global Crop Diversity Trust – GCDT) wurde 2004 als die Erarbeitung der globalen Erhaltungsstrategie für eigenständige internationale Organisation gegrün- Hafer (Avena) und waren an der Erarbeitung der Stra- det (s. www.croptrust.org). Er hat die Aufgabe, die tegie für Erdbeere (Fragaria) beteiligt.
15 3.2 Europäische Ebene Für die Fortführung der GAP bis 2020 zeichnet sich auch weiterhin eine in zwei Säulen gegliederte Politik ab. Diese soll insgesamt ihre Beiträge zu den Zielen 3.2.1 EU-Agrarpolitik der Strategie „Europa 2020“ und zu Umweltzielen erhöhen. Dafür fordert die Europäische Kommission Die durch die Gemeinsame Agrarpolitik der EU eine „grünere“ erste Säule, wobei die landwirtschaft- (GAP) gesetzten Rahmenbedingungen für eine nach- lichen Direktzahlungen nur dann in voller Höhe haltige Landwirtschaft sind in den letzten Jahren gewährt werden sollen, wenn die Landwirte be- deutlich verbessert worden. Mit der sogenannten stimmte umweltbezogene Maßnahmen durchführen. Gesundheitsüberprüfung („health check“) der GAP im Für die zweite Säule fordert die Kommission eine November 2008 beschloss der EU-Agrarministerrat, Ausrichtung auf die Schwerpunkte Wettbewerb und die Landwirtschaft bei der Bewältigung der neuen Innovation, Klimawandel und Umwelt8. Dazu zählt Herausforderungen, zu denen neben dem Klimawan- sie u. a. die Erhaltung und Verbesserung von Ökosys- del auch die biologische Vielfalt zählen, stärker zu temen, die von der Land- und Forstwirtschaft abhän- unterstützen und die Beschlüsse der Agrarreform von gen. Hierdurch werden sich auch Auswirkungen auf 2003 entsprechend weiterzuentwickeln. Die Agrarum- die Förderung im Bereich der Agrobiodiversität und weltmaßnahmen sind ein wesentliches Instrument damit auch auf die Rahmenbedingungen für Teile des zur Erreichung dieser Ziele der GAP. Rechtsgrund- Nationalen Fachprogramms ergeben, deren Ausmaß lage für die Förderung der Agrarmaßnahmen ist die zum derzeitigen Stand aber noch nicht absehbar ist. Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums (ELER-Ver- Für Forschung und Innovation werden von der EU- ordnung). Die Umsetzung erfolgt über entsprechende Kommission im Zeitraum 2007–2013 rund 60 Mrd. Programme der Bundesländer. Im Rahmen der von Euro zur Verfügung gestellt, davon rund 50 Mrd. Euro Bund und Ländern getragenen Gemeinschaftsaufga- für das 7. Forschungsrahmenprogramm, mittlerwei- be „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küs- le das weltweit größte Forschungsförderprogramm. tenschutzes“ (GAK) unterstützt auch der Bund die Fördermöglichkeiten bestehen im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen. Darüber hinaus werden regelmäßigen Ausschreibungen v. a. im spezifischen von den Ländern spezifische Fördermaßnahmen im Programm „Zusammenarbeit“ (Forschungsbereich Le- Bereich des Vertragsnaturschutzes, durchgeführt. bensmittel, Landwirtschaft, Fischerei und Biotechno- logie) sowie im spezifischen Programm „Kapazitäten“ Daneben existieren verschiedene Aktionspläne der (Forschungsinfrastrukturen). EU mit Relevanz für den Erhalt der Agrobiodiversi- tät7. Zur Fortführung des Aktionsplans zur Eindäm- mung des Verlusts der biologischen Vielfalt von 2006 hat die EU-Kommission mit ihrer Mitteilung vom 3. Mai 2011 eine Biodiversitätsstrategie der EU bis zum Jahr 2020 vorgelegt.8.1 Mit der Verordnung über ein Gemeinschaftspro- gramm zur Sammlung, Erhaltung, Charakterisie- rung und Nutzung genetischer Ressourcen der Landwirtschaft (VO (EG) Nr. 870/2004) wurden seit 2004 EU-weit für zehn Mio. Euro entsprechende Pro- jekte gefördert. Die Verordnung, die nach Verausga- bung der Fördermittel faktisch ausgelaufen ist, wird 2012 evaluiert. Deutschland setzt sich zusammen mit Für Futterpflanzen und viele weitere Kulturpflanzen des Acker- anderen Mitgliedstaaten für eine Fortführung bei landes und der Gärten bildet extensives Grünland den Lebensraum entsprechender Mittelaufstockung ein. ihrer verwandten Wildarten. 7 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Aktionsplan zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft /* KOM/2001/0162 endg. */ und MITTEILUNG DER KOMMISSION EINDÄMMUNG DES VERLUSTS DER BIOLOGISCHEN VIELFALT BIS ZUM JAHR 2010 – UND DARÜBER HINAUS, KOM(2006) 216 endg. 8 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Die GAP bis 2020: Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und ländliche Gebiete – die künftigen Herausforderungen, KOM (2010) 672/5 8.1 (vollständige Bezeichnung)
16 Projektgruppen mit. Zudem werden die zentralen europäischen fruchtartspezifischen Datenbanken für Avena, Beta, Hordeum, Minor Leafy Vegetable, Poa und Vitis zur Zeit von deutschen Institutionen betrieben. Die deutsche Mitarbeit im Kooperationsprogramm wird von der Expertengruppe „ECPGR“ des BEKO koordiniert. Sie bereitet zu bevorstehenden Treffen den nationalen Beitrag vor, berichtet über die Ergeb- nisse und trägt zur Weiterentwicklung des ECPGR bei. Ferner berät diese Expertengruppe den BEKO im Hin- blick auf fruchtart- und themenspezifische Fragen. Die Weiterentwicklung des ECPGR ist eines der Ziele der Agrobiodiversitätsstrategie des BMELV. Deutsch- land unterstützt deshalb im Rahmen der ECPGR-Ko- operation die Umsetzung und Weiterentwicklung des Europäischen Suchkatalogs für pflanzengenetische Ressourcen (European Plant Genetic Resources Search Wiese mit blau blühenden Lupinen Catalogue – EURISCO). EURISCO ist ein internetba- sierter Suchkatalog, der Informationen über Ex- situ-Sammlungen in ganz Europa liefert. Er umfasst derzeit sogenannte Passportdaten, d.h. Informatio- 3.2.2 Europäisches Kooperationsprogramm nen, die ein Muster eindeutig beschreiben (z.B. Artzu- für pflanzengenetische Ressourcen gehörigkeit, Sortenname, Ursprungsland, erhaltende Einrichtung etc.) von mehr als 1,1 Millionen Mustern Um die langfristige In-situ- und Ex-situ-Erhaltung pflanzlicher Vielfalt, die in ca. 240 europäischen von pflanzengenetischen Ressourcen in Europa auf Instituten in 38 Ländern erhalten werden. Eines der einer arbeitsteiligen Basis zu erleichtern und deren Hauptelemente von EURISCO ist ein Netzwerk nati- Nutzung in Europa zu verbessern, wurde das Europä- onaler Kontaktstellen, die für das jeweilige nationale ische Kooperationsprogramm für pflanzengenetische Inventar und den Datenfluss zwischen dem natio- Ressourcen (European Cooperative Programme for nalen Inventar und EURISCO zuständig sind. Jedes Plant Genetic Resources - ECPGR) ins Leben gerufen. Land trägt die volle Verantwortung für die Verfüg- Es beruht im Wesentlichen auf der Zusammenarbeit barkeit und Richtigkeit seiner eigenen Daten sowie von Institutionen in den derzeit 42 Mitgliedsstaaten für die regelmäßige Aktualisierung der Daten des und finanziert sich über deren Beiträge. Weitere Ziele nationalen Inventars in EURISCO. Derzeit haben 40 des ECPGR sind die Förderung der Zusammenarbeit Länder eine nationale Kontaktstelle benannt und 31 auf allen Akteursebenen (öffentliche Einrichtungen, nationale Inventare wurden in EURISCO integriert. Erhaltungsinitiativen, Züchtungsunternehmen etc.) Die Bedingungen für die Zusammenarbeit wurden in auch in Form gemeinsamer Projekte und Öffent- einer Vereinbarung festgelegt, die zwischen Bioversity lichkeitsarbeit. Letztlich stellt das ECPGR damit die International9 und den nationalen Kontaktstellen für zentrale europäische Plattform für die technische die nationalen Inventare, in Deutschland dem Infor- Zusammenarbeit innerhalb Europas und mit anderen mations- und Koordinationszentrum für Biologische Regionen bzw. regionalen und internationalen Initia- Vielfalt der BLE, abgeschlossen wurde. Eine weitere tiven oder Programmen dar. wichtige Aufgabe des ECPGR, die von Deutschland ebenfalls maßgeblich unterstützt wird, ist der Auf- Das ECPGR gliedert sich in arten- oder themenspe- bau der „Europäischen Genbank“ AEGIS (A European zifische Netzwerke. Die Arbeit in den Netzwerken Genebank Integrated System), mit der die Erhaltungs- wird von Arbeits- und Projektgruppen durchgeführt. infrastruktur für pflanzengenetische Ressourcen in Deutsche Vertreter wirken in allen Arbeits- und Europa effizienter gestaltet werden soll. 9 Bioversity International ist die internationale Forschungsorganisation zur Agrobiodiversität mit Sitz in Maccarese bei Rom, Italien.
17 Organisationsstruktur des ECPGR mit seinen Netzwerken, Arbeitsgruppen und Task Forces der Phase VIII (2009–2013) Leistungsgremium Sekretariat Netzwerk Netzwerk Netzwerk Netzwerk Netzwerk Netzwerk Getreide Futterpflanze Obst Öle und eiweiß Zucker-, Stärke- Gemüse liefernde Pflanzen und Faserpflanzen Netzwerk- Netzwerk- Netzwerk- Netzwerk- Netzwerk- Netzwerk- koordinierungs- koordinierungs- koordinierungs- koordinierungs- koordinierungs- koordinierungs- gruppe gruppe gruppe gruppe gruppe gruppe Arbeitsgruppen Arbeitsgruppen Arbeitsgruppen Arbeitsgruppen Arbeitsgruppen Arbeitsgruppen · Hafer · Futter- · Malus/Pyrus · Körner- · Rüben · Allium · Gerste pflanzen · Prunus leguminosen · Faserpflanzen · Brassica · Weizen · Weinrebe (Flachs/Hanf) · Kürbisse · Heil- und Ge- · Blattgemüse würzpflanzen · Umbellifera · Kartoffel Dokumentations- und Informationsnetzwerk Netzwerkkoordinierungsgruppe · Kontaktstellen für die nationalen Inventare · Manager der europäischen zentralen Kulturdatenbanken Netzwerk In-Situ und On-farm-Erhaltung Netzwerkkoordinierungsgruppe · Arbeitsgruppe Erhaltung von Wildarten in Genetischen Reservaten · Arbeitsgruppe On-farm-Erhaltung und -Management Netzwerkkoordinierungsgruppe Netzwerk interregionale Zusammenarbeit Kulturpflanzennetzwerke Thematische Netzwerke 3.3 Nationale Ebene Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologi- schen Vielfalt für die Ernährung, Land-, Forst- und Die Erhaltung und nachhaltige Nutzung genetischer Fischereiwirtschaft im Jahr 2007 (kurz: Agrobiodi- Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft ist eine versitätsstrategie) wurde die Erhaltung genetischer übergreifende Aufgabe der Bundesregierung von hoher Ressourcen in ein übergreifendes Konzept zur Bedeutung. Als Vertragsstaat des Übereinkommens Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Agrobiodi- über die biologische Vielfalt und des Internationalen versität eingebettet. Diese Strategie ergänzt die vom Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Er- Bundeskabinett beschlossene nationale Strategie für nährung und Landwirtschaft verpflichtet sich Deutsch- die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologi- land, diese Ressourcen langfristig zu erhalten und schen Vielfalt. Die Bedeutung genetischer Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Innerhalb der Bundesregierung für Ernährung und Landwirtschaft wird auch in der liegt die Zuständigkeit für die Erhaltung und nachhalti- Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung betont. ge Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen land- und gartenbaulicher Kulturpflanzen beim BMELV. Als übergreifende Aufgabe wird auch die Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen von mehreren Mit der Erarbeitung der Strategie des BMELV für die Politik- und Rechtsbereichen erfasst, vor allem von
18 meinschaftlichen Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der Forschung von gesamtstaatlicher und überregionaler Bedeutung durch Bund und Länder. Für die Durchführung der Tätigkeiten zur Erhaltung von pflanzengenetischen Ressourcen, einschließlich Forschung, Schulung und Ausbildung und die regio- nale Umsetzung und Ausgestaltung der durch die EU und den Bund vorgegebenen politischen Rahmenbe- dingungen sind in Deutschland die Länder verant- wortlich. Weiterhin ergeben sich im Zusammenhang mit der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung für die Länder innerstaatliche Verpflichtungen aus dem Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Res- sourcen für Ernährung und Landwirtschaft sowie aus dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt. Gleichzeitig wirken die Länder bei der Formulierung dieser Rahmenbedingungen mit und entwickeln zu- sätzliche eigene Maßnahmen. Vertreter der Länderre- ferenten für Acker- und Pflanzenbau, Extensivierung, Gartenbau, Weinbau und die Länder-Arbeitsgemein- schaft Naturschutz arbeiten im BEKO mit, um das Nationale Fachprogramm stellvertretend zu begleiten. Regionale Produkte werden häufig auf Wochenmärkten verkauft. Die Durchführung des nationalen Fachprogramms unterstützt und fördert BMELV u. a. auch durch Bereitstellung der notwendigen Daten und Infor- der Agrar- und der Umwelt- und Naturschutzpolitik. mationen im Rahmen von Erhebungen, Bestands- Aber auch die Forschungspolitik ist für die Erhaltung aufnahmen und nichtwissenschaftlichen Untersu- und nachhaltige Nutzung genetischer Ressourcen von chungen im Bereich der biologischen Vielfalt. Ziel großer Bedeutung. ist die Erfassung, Inventarisierung und Dokumen- tation genetischer Ressourcen, das Monitoring der Innerhalb des föderalen Systems ist der Bund für Bestandsentwicklung genetischer Ressourcen und die Erhaltung und Nutzung genetischer Ressourcen die Erstellung sonstiger Informationsgrundlagen in insoweit zuständig, als er von seiner Gesetzgebungs- diesem Bereich. Zur Vergabe der Aufträge führt die kompetenz im Rahmen der konkurrierenden Gesetz- BLE Ausschreibungen durch, die ggf. im Bundesan- gebung zur Förderung der land- und forstwirtschaft- zeiger und im Internetangebot der BLE (www.ble.de) lichen Erzeugung sowie zur Sicherung der Ernährung veröffentlicht werden. Gebrauch macht. Darunter fallen für die landwirt- schaftlichen Nutzpflanzenarten u. a. das Saatgutver- Die im Auftrag des BMELV durchgeführten Modell- kehrsgesetz mit den dazu erlassenen Verordnungen, und Demonstrationsvorhaben (MuD) haben das Ziel, die das Inverkehrbringen von Saat- und Pflanzgut innovative Konzepte mit Vorbildcharakter zu ent- und die Zulassung von Pflanzensorten regeln. Von wickeln und umzusetzen und dabei ggf. auftretende Relevanz sind weiterhin auch Regelungen zum Schutz Schwierigkeiten bei der Erhaltung und nachhaltigen des geistigen Eigentums (z. B. Sortenschutz; siehe Nutzung genetischer Ressourcen in Deutschland ab- Kapitel 3.3.2). Aus der Zuständigkeit des Bundes für zubauen. Grundlage für die Förderung eines Projektes die auswärtigen Beziehungen ergeben sich in Bezug als MuD ist die „Richtlinie des BMELV zur Förde- auf EU-Programme oder internationale Programme rung von Modell- und Demonstrationsvorhaben im und Vereinbarungen auch Koordinierungsaufgaben. Bereich der Erhaltung und innovativen nachhaltigen Zuständigkeiten ergeben sich zudem aus der ge- Nutzung der Biologischen Vielfalt“10. 10 http://www.ble.de/DE/03_Forschungsfoerderung/04_BiologischeVielfalt/MuD-Vorhaben/MuD-VorhabenBV_node.html
19 Ein wichtiges Instrument, um den Erhalt und die Förderung der Biodiversität mit landwirtschaftlichen Nutzungssystemen besser in Einklang zu bringen, sind Agrarumweltmaßnahmen von Bund und Län- dern11. Sie honorieren u. a. die Erhaltung vielfältiger Fruchtfolgen, den Anbau regional angepasster Sorten, Streuobstanbau sowie die Grünlandextensivierung. Die Bundesländer bieten ein breit gefächertes Ange- bot von Fördermaßnahmen an, das insbesondere den regionalen Besonderheiten und Erfordernissen der ländlichen Entwicklung des Landes angepasst wurde. In den Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten- schutzes“ haben Bund und Länder 2008 ein neues Genbanken sichern die langfristige Erhaltung von pflanzen Förderangebot zur Erhaltung genetischer Ressourcen genetischen Ressourcen in der Landwirtschaft aufgenommen. Darüber hinaus können die Länder den Anbau gefährdeter einheimi- scher Nutzpflanzen auch im Rahmen ihrer landesei- den als auch der öffentlichen Hand gehören. In der genen Entwicklungsprogramme fördern und durch Regel gilt der Eigentümer der Land- oder Wasserflä- den Aufbau regionaler Kompetenzzentren unterstüt- che als Eigentümer der biologischen bzw. genetischen zen. In beiden Umsetzungsbereichen bedarf es der Ressourcen, die dort vorgefunden werden. Somit Wahrnehmung von Abstimmungs- und Koordinie- steht der Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen, rungsfunktionen durch den Bund. Außerdem können die sich im Privateigentum (in situ oder ex situ) befin- die Länder das Thema durch ihre Öffentlichkeitsar- den, im Allgemeinen im Ermessen des Eigentümers. beit zu pflanzengenetischen Ressourcen im Bereich Landessortenprüfung, Saatgutananerkennung sowie Deutschland – seit 1993 Vertragspartei der CBD – hat, Aus- und Fortbildung (im Bereich Landwirtschaft, wie die meisten EU-Mitgliedstaaten, keine eigenen Gartenbau und Umwelt) in den Fokus rücken. gesetzlichen Bestimmungen, die den Zugang zu gene- tischen Ressourcen auf ihrem Hoheitsgebiet im Sinne der CBD gesondert regeln. Daher ist es in Deutsch- land grundsätzlich jedem erlaubt, in situ wachsende 3.3.1 Zugang zu pflanzengenetischen Pflanzen zu sammeln, und zwar unter Beachtung der Ressourcen o. g. Eigentumsrechte, des Natur- und Artenschutzes, der Regelungen zur Pflanzengesundheit und sonsti- Der Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen für ger besonderer Schutzrechte. Um ausreichende und Ernährung und Landwirtschaft betrifft sowohl In-situ- transparente Informationen über die Bestimmungen Vorkommen (natürliche Wildpflanzen oder verwandte zum Zugang und Vorteilsausgleich im Rahmen der Wildarten der Kulturpflanzen), On-farm-Bestände CBD zur Verfügung zu stellen, hat Deutschland eine (Landsorten) oder Ex-situ-Bestände (Akzessionen von nationale Informationsstelle benannt und eine Inter- Wild- und Nutzpflanzen in Genbanken oder Pflanzen- netseite zur Information über Zugang und Vorteilsaus- sammlungen für Forschung und Innovation). gleich eingerichtet (http://www.biodiv-chm.de). Nach dem geltenden innerstaatlichen Recht hängt Auf internationaler Ebene besteht seit 2004 mit dem die Regelung des Zugangs zu pflanzengenetischen Internationalen Vertrag eine weitere wichtige Rege- Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft lung für den Zugang zu pflanzengenetischen Ressour- grundsätzlich von dem Eigentümer der Ressourcen cen für Ernährung und Landwirtschaft. In Deutsch- ab. Diese können sich sowohl im Privatbesitz befin- land wurde mit der Ratifizierung des Internationalen 11 www.bmelv.de
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