ERNTEZEIT Fokusthema: Öko-Züchtung - Wissen - Getreidezüchtung Peter Kunz
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Wissen Mit der Initiative „Kernkraft? Ja, bitte!“ setzen sich die BioMarkt Verbundgruppe und denn’s Biomarkt seit 2019 für eine zukunftsfähige Öko-Züchtung ein. Jetzt werden bei der Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk), einem von vier Partnern der Initiative, die Felder geerntet. Ein guter Grund für einen Besuch. 37
Wissen D ie Ähren des Emmers mit ihren golden glänzenden Grannen wiegen sich sanft im Wind. Auf dem Nachbarfeld wächst Weizen. Sein Wuchs ist aufrecht. Noch leuchten die Halme und Ähren in zartem Grün, doch kann zu Brot verarbeitet werden oder aber als Saatgut bald wird sich das Getreide goldgelb färben. Dann beginnt für das kommende Jahr dienen. Voraussetzung dafür auf den Feldern des gemeinnützigen Vereins „Getrei- ist, dass das Getreide – wie bei der gzpk – nachbaufähig dezüchtung Peter Kunz“ (gzpk) die Erntezeit – Zeit, die ist. Im konventionellen Anbau dominiert Hybridsaatgut, Ergebnisse eines neuen Züchtungsjahres zu prüfen. Der das keinen sortenfesten Nachbau aus dem geernteten Verein mit seinen Standorten in Feldbach am Zürichsee Getreidekorn erlaubt. Konventionelle Sorten sind zudem (Schweiz) und Meißner bei Eschwege (Deutschland) oft auf einen fest abgestimmten Kanon aus mineralischen beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der ökologischen Düngemitteln, Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden Züchtung, Erforschung und der Vermehrung von Weizen, abgestimmt und erzielen auch nur so die versprochenen Dinkel, Emmer, Erbsen, Lupinen, Sonnenblumen, Mais und Höchsterträge. Triticale, einer Kreuzung aus Roggen und Hartweizen. Gera- de beim Getreide sind, wie bei kaum einer anderen Anbau- Schon in den 1980er-Jahren erkannten die frucht, der Zusammenhang von Saatgut und Lebensmittel ersten Bio-Bauern, dass sich konventionelles und der Kreislaufgedanke so greifbar. Das geerntete Korn Saatgut nicht für den ökologischen Anbau eignet Die Öko-Züchtung dagegen produziert nachbaufähiges Saatgut, verzichtet auf Gentechnik und setzt sich dafür ein, die genetische Vielfalt der Kultursorten zu erhalten. So entsteht die Basis für einen verträglichen, nachhalti- gen Umgang mit der Natur und eine gesunde Ernährung. Saatgut aus Öko-Züchtung steht für Bio von Anfang an. Denn, so das Motto der Initiative: „Wir essen, was wir säen!“ Wenn Michael Locher von der Weizensorte 'Pizza' spricht, spürt man die Begeisterung des Fachmanns: „Die Sorte PERSPEKTIVENWECHSEL Das, was wir auf dem Feld sehen, ist nur ein Teil des komplexen Systems der Kulturpflanzen. Die Pflanze nährt mit der Energie, die sie von der Sonne bekommt, nicht nur Mensch und Tier, son- dern auch das Bodenleben. Die Zeichnung zeigt die Anteile von Korn, Halm und Wurzeln einer Getrei- depflanze (aus dem Wurzelatlas der Kulturpflan- zen von Lore Kutschera und Erwin Lichtenegger unter Mitarbeit von Monika Sobotik, DLG-Verlag, ISBN 978-3-7690-0851-7). 38
Wissen Die Weizensorte 'Pizza' im Sortenprüfungsanbau bei gzpk in Feldbach am Zürichsee. Öko-Züchtung ist Kunz (gzpk) zuständig für die Kultur des Weizens. Am nichts für Ungedul- Beispiel der Weizensorte 'Pizza' erklärt er den Weg der Züchtung von der Kreuzung über die Selektion bis zur dige. Rund 15 Jahre Markteinführung. dauert es, bis eine Ziel der Züchtungen von gzpk sind ausgeglichene, zuverlässige Sorten, die eine hohe Qualität und neue Getreidesorte gute Erträge zeigen Marktreife erreicht. Die Kreuzung der Elternpflanzen der Weizensorte 'Pizza' erfolgte 1999. Als Eltern ausgewählt wurden die Sorten 'Cassia' und 'Scaro', beides ebenfalls Sor- ten aus der Züchtung von gzpk. Dazu wurde die Blüte 'Pizza' ist eine Weizensorte mit besten Backqualitäten der Mutterpflanze mit dem Pollen der Vaterpflanze und sehr stabilem Teig. Im Anbau fällt vor allem der dich- bestäubt. Nach der Kreuzung folgten drei Jahre, in de- te Wuchs auf. Das ist für die Beikrautregulierung sehr nen die Ernte immer wieder durch Aussaat vermehrt hilfreich.“ Übersetzt heißt das: Je dichter die Pflanzen wurde, sodass eine vielfältige Population entstand. Der stehen, desto weniger Licht kommt an den Boden und Fachmann spricht von der F1-, F2- und F3-Generation. desto weniger Beikräuter können zu einer Konkurrenz Das F steht für filia – lat. Tochter. Im Sommer 2002 folg- für den Weizen werden. „'Pizza' hat außerdem eine gute te die sogenannte Einzelährenselektion. Dabei wurden Blatt- und Ährengesundheit. Besonders schön ist die Abreife. Dann leuchtet der Weizen in einem intensiven Gelb.“ Michael Locher ist bei der Getreidezüchtung Peter 39
Wissen „Die Sorte 'Pizza' und -vermehrern besteht daher darin, durch die Erhal- tungszüchtung unter besonders hohen Qualitätsstan- ist eine Weizensorte dards die Sorteneigenschaften zu erhalten. Aber zurück zu 'Pizza': 2009 war es dann endlich so weit. Die neue mit besten Back- Sorte konnte zur offiziellen Anbaueignungs- und Sorten- schutzprüfung und zur Aufnahme in den Sortenkatalog qualitäten und sehr angemeldet werden. 2013, und damit 14 Jahre nach der Kreuzung, wurde der Sortenschutz für den Weizen der stabilem Teig.“ Sorte 'Pizza' erteilt. Mit der Erteilung des Sortenschutzes ist der Weg für den Vertrieb der neuen Sorte frei – aber das die vielversprechendsten Ähren ausgewählt und dann Kind braucht noch einen Namen von 2003 bis 2006 in kleinen Parzellen vermehrt und hinsichtlich ihrer Eigenschaften wie Gesundheit, Ertrag Während der langen Selektionsphase lief der neue und Nahrungs- und Verarbeitungsqualität selektiert. Weizen wie alle Züchtungslinien und neuen Kreuzungen Im eigenen Backlabor in Feldbach in der Schweiz wird unter einer Nummer. Aber bevor er in den Handel ge- der Weizen immer wieder analysiert und in Versuchen hen konnte, brauchte er einen Namen. Michael Locher: auf seine Eigenschaften getestet. „Kleine Brötchen zu „Aufgrund des extrem stabilen Teiges kam Peter Kunz backen gehört im wahrsten Sinne des Wortes zu unseren auf das Bild des Pizzaiolo, des italienischen Pizza- Aufgaben“, so Michael Locher. 2007, also acht Jahre nach bäckers, der bereits morgens die Teigbällchen knetet. der Kreuzung, startete gzpk dann mit der zweijährigen Sie sind abends immer noch schön in Form und zeigen internen Sortenprüfung. Dazu wurden die besten Zucht- während der gesamten Zeit die gleiche Backqualität.“ linien auf Feldern der Partnerbetriebe in ganz Europa Unter dem Namen 'Pizza' ist die Weizensorte seitdem angebaut und getestet. Gleichzeitig startete bereits im Sortiment von gzpk erhältlich. ∫ mga die Erhaltungszüchtung. Hinter diesem Fachbegriff verbirgt sich ein wichtiger Arbeitsbereich der Züchtung, denn jede Sorte steht für bestimmte Eigenschaften. Diese dürfen sich nicht wesentlich verändern. Im Anbau Dem Züchter über die Schulter blicken, das kön- kommt es zum Beispiel durch Fremdbestäubungen zu nen Sie bei unserem Webinar am 10. Juli. Auf dem Abweichungen. Ein Teil der Arbeit von Saatgutzüchtern Mönchhof bei der Getreidezüchtung Peter Kunz ler- nen Sie mit Herbert Völkle alles über die ökologische Getreidezüchtung. Live-Teilnahme und Aufzeichnung finden Sie unter www.denns-biomarkt.de/webinar Da ist es drin! KONTAKT Brot der Woche gzpk Getreidezüchtung Peter Kunz Seestrasse 6, 8714 Feldbach ZH/ Dass sich die von der ökologischen Getreidezüchtung Schweiz, Tel. +41 55 2641789 Peter Kunz (gzpk) gezüchtete Weizensorte 'Pizza' nicht www.gzpk.ch nur ideal als Mehl für die perfekte Pizza eignet, zeigen die Brote der Aktion „Unser Brot der Woche“, welche vom Weitere Infos zur Initiative finden Sie 8. bis 29. Juli 2020 in den Sorten „Kräuterbrot“, „Leinsa- unter www.kernkraft-ja-bitte.de men-Amaranthbrot“, „ Saatenbrot“ und „Grillbrot- Zwiebel, Tomate & Bärlauch“ im denn's Biomarkt erhält- lich sind. Der Weizen aus Öko-Züchtung wurde dafür auf dem ökologisch wirtschaftenden Hofgut Eichigt angebaut und in der Bäckerei „Michas Naturbackstube“ im sächsischen Lichtentanne-Stenn verarbeitet und zu Brot gebacken. So wird Öko-Züchtung erlebbar. 40
Wissen BIO-BRANCHE ALS VORBILD Der dritte heiße und trockene April in Folge, ermüdete Böden – die Krisen sind deutlich spürbar. Herbert Völkle, Geschäftsführer von gzpk, sieht in der Krise aber auch Chancen für einen dauerhaften Wandel hin zu mehr Bio. Herr Völkle, das Jahr 2020 ist in Was heißt das für die Bio-Branche? vielerlei Hinsicht besonders. Die Die Bio-Läden finden gerade jetzt Ernte nehmen wir als Anlass für einen mehr Kunden. Aus meiner Sicht ist ein Rückblick auf das Anbaujahr. Was war Grund dafür die bessere Überschau- für Sie besonders eindrücklich? barkeit der Zusammenhänge. Man 2020 ist das dritte Jahr in Folge, in findet hier Heimat, Halt, Nähe, ein so- dem wir im April eine lange Phase der ziales Gefüge. Die Größe der globalen Trockenheit und Wärme hatten. Zu der Systeme hingegen überfordert uns. Wärme kam der klare Himmel in dieser Und weitergedacht: Am menschlichen Zeit mit dem Corona-Lockdown. Die Maß orientierte Systeme sind resilien- Herbert Völkle, Geschäftsführer gzpk Trockenheit, die hohe Durchlässigkeit ter gegen Krisen. Die Bio-Branche ist der Atmosphäre und ein niedrigerer aus vielen kleinen Initiativen entstan- CO -Wert bedeuteten für die Pflanzen den. Gerade in der Öko-Züchtung sind Können Sie einen Bereich aus dem ² enormen Stress. Wir müssen damit diese Wurzeln noch gut zu sehen. Getreideanbau nennen, in dem von rechnen, dass sich solche Phänome- Früher waren die Initiativen in ihren Praktikern geforscht werden sollte? ne häufiger einstellen und in unseren Standards oft schlecht vergleichbar. Ein wichtiger Bereich ist die Boden- Züchtungszielen darauf reagieren. Die stärkere Regulierung zum Beispiel ermüdung: Die Folgen des Humus- durch die EU-Agrarrichtlinie wiederum abbaus im konventionellen Anbau In dieser KREO-Ausgabe geht es um hat die Experimentierbereitschaft der sind vielerorts deutlich sichtbar. die Frage: Ist Bio das neue Normal? Praktiker gehemmt. Die Chance der Inzwischen ist eine kritische Phase Anlass ist, dass sich auf EU-Ebene Krise ist, dass wir erkennen, dass Grö- erreicht. Hier braucht es eine For- eine Tendenz hin zu einer stärker auf ße nicht alles ist und wir individuelle, schung, die wieder stärker den Kreis- Nachhaltigkeit setzenden Land- standortangepasste Systeme benöti- laufgedanken und die Balance zwi- bewirtschaftung abzeichnet. Wird gen. Hier bietet Bio gute Ansätze und schen dem Ertrag für den Menschen, Bio der neue Standard? Vorbilder, die schon erprobt sind. den Boden und die übrigen Lebewesen Ich möchte die Frage anders beant- berücksichtigt, also Korn, Stroh und worten: Die Corona-Pandemie hat uns Gibt es positive Ansätze, die Sie Wurzel. Bei den Kulturpflanzen ist gezeigt, wie verletzbar unser globa- bereits sehen? eine manchmal zu starke Betonung les, auf Größe und maximalen Ertrag Wir alle üben uns gerade in digitalen des Korns zu sehen. Wir müssen aber ausgelegtes System ist. In vielen Kommunikationsformen. Aktuell be- wieder stärker im System denken Bereichen ist die Produktion in den obachte ich, dass in der ökologischen und zum Beispiel erforschen, welche vergangenen Jahren aus Kostengrün- Landwirtschaft die Praktiker wieder Pflanzen den Humusaufbau positiv den zum Beispiel nach China verlagert in die Forschung einsteigen und ihre beeinflussen oder welche Pflanzen worden. Der dortige Lockdown hatte Erfahrungen über die neuen Medien besonders gute Nachfolgewirkungen drastische Folgen für die Lieferketten. teilen. Das sind Entwicklungen, die auf die Anbaufrüchte des Folgejahres Große Strukturen bergen also auch Mut machen. haben, indem sie zum Beispiel Boden- große Gefahren. Kleine Systeme sind organismen füttern, die dann wieder- hingegen anpassungsfähiger. um wertvolle Nährstoffe aufschließen.
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