Cash-Pools: Eine juristische Gratwanderung - Cash-Management-Systeme zwischen effizienter Innenfinanzierung und Kapitalschutz

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Erschienen in: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (KSI), Heft 3/06, Seite 100-105

                         KSI 3/06        100    Finanzierung über Cash-Pools

                                                                                                 2. Juristische Bewertung von
 Cash-Pools: Eine juristische                                                                    Cash-Pools

 Gratwanderung                                                                                   2.1 Einordnung als Darlehen und
                                                                                                 Kapitalschutz
                                                                                                 Durch das Cash-Pooling entstehen zwi-
  Cash-Management-Systeme zwischen effizienter                                                   schen den Konzerngesellschaften und dem
                                                                                                 Pool-Führer Darlehensverträge. Leitet die
  Innenfinanzierung und Kapitalschutz                                                            Tochtergesellschaft Barmittel an den Pool-
                                                                                                 Führer weiter, wird die Tochtergesellschaft
  Rechtsanwalt Dr. Olaf Müller-Michaels1                                                         Darlehensgläubiger und der Pool-Führer
                                                                                                 Darlehensschuldner (sog. Upstream Loans).
                                                                                                 Umgekehrt ist der Pool-Führer Darlehens-
  Der BGH hat die Regeln für die Finanzierung über Cash-Pools drastisch                          gläubiger und die Tochtergesellschaft Dar-
                                                                                                 lehensschuldner, wenn der Pool-Führer
  verschärft. Dem Kapitalschutz wird Vorrang vor einer effizienten Konzern-                      dem Tochterunternehmen Liquidität zur
  innenfinanzierung eingeräumt. Die neuere Rechtsprechung läuft darauf                           Verfügung stellt (sog. Downstream Loans).
  hinaus, dass Cash-Pool-Systeme nur noch aus dem freien Eigenkapital her-                       Die Salden und damit die Frage, wer wem
  aus betrieben werden dürfen. Eine Ausnahme gilt lediglich im Vertrags-                         ein Darlehen gibt, können sich täglich än-
  konzern. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Gesetzgeber mit der geplanten                      dern.
  Reform des GmbH-Rechts den Unternehmen wieder sicheren Boden unter                       Wo aber ist das juristische Problem? Übli-
  den Füßen verschafft.                                                                    cherweise handelt es sich bei den am Cash-
                                                                                           Pool teilnehmenden Gesellschaften um Kapi-
                                                                                           talgesellschaften. Bei der GmbH ist die Aus-
                                                                                           schüttung von Stammkapital an den Gesell-
                                                                                           schafter unzulässig (§ 30 GmbHG). Ist die
                                                                                           Pool-Gesellschaft eine AG, verbietet § 57
 1. Was sind Cash-Pools?                                             AktG darüber hinaus jede Ausschüttung an den Aktionär außerhalb
                                                                     des Bilanzgewinns.
  Cash-Pools sind ein Instrument der Innen-
  finanzierung von Konzernen. Die Barmit-                            Lange war man davon ausgegangen, dass diese Kapitalerhaltungs-
  tel, die auf den Konten der Konzernunter-                          vorschriften auf Cash-Pool-Systeme nur in Ausnahmefällen an-
  nehmen eingehen, werden täglich auf ein                            wendbar sind. Denn bilanziell handelt es sich bei der Vergabe eines
  zentrales Konto des Pool-Führers, üblicher-                        Darlehens nicht um eine Ausschüttung, sondern um einen neutralen
  weise der Konzernobergesellschaft, bei ei-                         Aktivtausch. Kassenbestand oder Guthaben bei Kreditinstituten der
  ner Bank weitergeleitet und dort gebün-                            Tochtergesellschaft werden zu einer Forderung in gleicher Höhe
  delt. Umgekehrt stellt der Pool-Führer den                         gegen den Pool-Führer. Kritisch wurde das Ganze nur dann, wenn
  Konzernunternehmen bei Bedarf Liquidi-                             die Forderung gegen den Pool-Führer nicht mehr voll werthaltig
  tät zur Verfügung. Dadurch wird vermie-                            war, also nicht in gleicher Höhe hätte eingebucht werden dürfen. Das
  den, dass bei einem Konzernunternehmen                             System funktionierte also so lange, wie der Pool-Führer noch kre-
  niedrig verzinste Liquidität vorhanden ist,                        ditwürdig war.
  während ein anderes Konzernunternehmen
  teureres Fremdkapital bei einer Bank auf-
                                                                     2.2 Abkehr des BGH von bilanzieller Betrachtungsweise
  nehmen muss. So sinken die Finanzierungs-
  kosten für den Konzern. Wegen der höhe-                            2.2.1 Urteil vom 24. 11. 2003: Forderung nach liquider
  ren Anlagevolumina erreicht der Pool-                              Haftungsmasse
  Führer gleichzeitig eine bessere Verzinsung
                                                                     Dieser bilanziellen Betrachtungsweise ist der BGH in einer viel be-
  der bei ihm gebündelten Liquidität. Das
                                                                     achteten Entscheidung aus dem Jahr 2003 entgegengetreten3. Ver-
  Cash-Pooling führt also sowohl auf der
                                                                     mögensschutz, so der BGH, erschöpft sich nicht in der Garantie einer
  Soll- als auch auf der Habenseite zu einer
  effizienteren Konzernfinanzierung. Tech-
  nisch wird dies regelmäßig dadurch er-
  reicht, dass die Bargeldkonten der Konzern-                         1 Dr. Olaf Müller-Michaels ist Partner der eingetragenen Partnerschaft Hölters &
                                                                        Elsing, Düsseldorf.
  gesellschaften täglich zugunsten des Pool-
                                                                      2 Zu den Möglichkeiten des Cash-Pooling siehe detailliert: Reidenbach, WM 2004
  Führers auf Null gestellt werden (sog. Zero                           S. 1421, 1423.
  Balancing)2.                                                        3 BGH v. 24. 11. 2003 – II ZR 171/01, BGHZ 157 S. 72.

© Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 2006
Erschienen in: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (KSI), Heft 3/06, Seite 100-105

                                                   Finanzierung über Cash-Pools                            KSI 3/06            101    Die Kapital-
                                                                                                                                      aufbringung im
                                                                                                                                      Konzern unter-
                                                                                                                                      liegt strengen
                                                                                                                                      BGH-Regeln.

  bilanzmäßigen Rechnungsziffer, sondern           2.2.2 Urteile vom 16. 1. 2006: Kein Sonderrecht für
  gebietet die Erhaltung einer die Stammkapi-      Cash-Pools
  talziffer deckenden Haftungsmasse. Nach
                                                   Diese strenge Linie hat der BGH in seinen jüngsten Entscheidungen
  Sinn und Zweck des § 30 GmbHG solle das
                                                   zu Cash-Pools vom 16. 1. 2006 weiter ausgebaut4. Während sich das
  Vermögen der Gesellschaft bis zur Höhe des
                                                   Urteil aus dem Jahr 2003 mit der Kapitalerhaltung befasste, ist Ge-
  Stammkapitals dem Zugriff der Gesellschaf-
                                                   genstand der neuen Urteile, die zwei Parallelfälle betreffen, die Ka-
  ter entzogen werden. Mit diesem Ziel sei es
                                                   pitalaufbringung im Konzern. Bei der Kapitalaufbringung geht es
  nicht vereinbar, wenn die Gesellschafter der
                                                   um die Frage, wie und in welcher Weise bei einer Kapitalerhöhung
  GmbH zu Lasten des gebundenen Gesell-
                                                   die erforderlichen neuen Einlagen zur Verfügung gestellt werden.
  schaftsvermögens Kapital entziehen könn-
                                                   Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 GmbHG kommt es darauf an, dass der Ge-
  ten und der GmbH im Austausch für das fort-
                                                   genstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der
  gegebene reale Vermögen nur ein zeitlich hi-
                                                   Geschäftsführer befindet. Genau dies ist bei Cash-Pool-Systemen
  nausgeschobener schuldrechtlicher Rückzah-
                                                   das Problem.
  lungsanspruch verbliebe. Bei einer Unterbilanz
  der Gesellschaft sei deshalb, so der BGH, ge-    So hatten im vom BGH entschiedenen Fall die Gesellschafter extra
  genüber den Gesellschaftern nicht nur der        für die Kapitalerhöhung ein Termingeldkonto außerhalb des Cash-
  bilanzielle Wert des Gesellschaftsvermögens      Pools eingerichtet. Auf dieses Termingeldkonto zahlten sie ihre Bar-
  zu wahren, sondern auch dessen reale Sub-        einlagen. Einen Monat später, unmittelbar nach Eintragung der Ka-
  stanz zusammenzuhalten und vor einer Auf-        pitalerhöhung im Handelsregister, wurden die Einlagen allerdings
  spaltung in schuldrechtliche Ansprüche ge-       auf ein in den Pool einbezogenes Konto der Gesellschaft überwiesen.
  gen die Gesellschafter zu schützen.              Dort wurden sie – entsprechend der Cash-Pool-Abrede – am Schluss
                                                   des gleichen Tages zugunsten der Pool-Führerin abgebucht und das
  Damit hat der BGH ein grundsätzliches Ver-
                                                   Konto der Gesellschaft „auf Null gestellt“. Der Insolvenzverwalter
  bot der Gewährung von Darlehen aus dem
                                                   über das Vermögen der Gesellschaft klagte auf Zahlung der Barein-
  zur Deckung des Stammkapitals nötigen
                                                   lagen an die Schuldnerin. Das Landgericht hatte die Klagen abge-
  Vermögen an den Gesellschafter geschaffen.
                                                   wiesen; das Berufungsgericht hatte ihnen im Wesentlichen stattge-
  Ob Ausnahmen möglich sind, lässt der BGH
                                                   geben.
  offen. In jedem Fall müssen aber, so der
  BGH, folgende Kriterien erfüllt sein:            Der BGH wies die Revision der Beklagten zurück. Die Einlagebeträge
                                                   seien nicht, wie es im GmbHG gefordert sei, zur freien Verfügung der
     Die Darlehensvergabe muss im Interesse
                                                   Geschäftsführer der Gesellschaft geleistet worden. Vielmehr sei der
      der Gesellschaft liegen,
                                                   gesamte Vorgang als ein verrechnungsähnliches Hin- und Herzahlen
     die Darlehensbedingungen müssen dem
                                                   zu werten, bei dem der Gesellschaft wirtschaftlich lediglich die teil-
      Drittvergleich standhalten und
                                                   weise Befreiung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Pool-Führer
     die Kreditwürdigkeit des Gesellschafters
                                                   zugeflossen sei. Ein Sonderrecht für Cash-Pools lehnt der BGH aus-
      muss selbst bei Anlegung strengster Maß-
                                                   drücklich ab.
      stäbe außerhalb jeden vernünftigen Zwei-
      fels stehen oder                             Die Anwendung der Regeln über die verdeckte Sacheinlage und der
     die Rückzahlung des Darlehens muss           Grundsatz der effektiven Kapitalaufbringung seien nicht etwa des-
      durch werthaltige Sicherheiten voll ge-      halb suspendiert, weil die Kapitalerhöhung im Rahmen eines Cash-
      währleistet sein.                            Pool-Systems stattgefunden habe. Auch die in ein Cash-Pool-Sys-
                                                   tem einbezogenen GmbH unterliegen – ohne dass ein „Sonderrecht“
  Gerade dann, wenn die Kapitalerhaltungs-         für diese Art der Finanzierung anerkannt werden könnte – bei der
  vorschriften relevant werden, nämlich im         Gründung und der Kapitalerhöhung den Kapitalaufbringungsvor-
  Vorfeld einer Insolvenz, dürften diese Krite-    schriften des GmbH-Gesetzes und den dafür von der Rechtsprechung
  rien selten erfüllt sein. Denn in einer finan-   entwickelten Grundsätzen. Dies sei im Übrigen auch den an der Ka-
  ziellen Krise des Konzerns dürfte die Dar-       pitalerhöhung Beteiligten bewusst gewesen. Nur deswegen hätten
  lehensgewährung schon nicht im Interesse         sie es für erforderlich gehalten, die Einlagen nicht sogleich auf ein
  der Konzerngesellschaft liegen. Außerdem         Konto im Cash-Pool, sondern zunächst auf ein Termingeldkonto au-
  dürften sich erhebliche Zweifel an der Kre-      ßerhalb des Cash-Pools einzuzahlen.
  ditwürdigkeit des Pool-Führers ergeben.
                                                   Schließlich stellte der BGH auch fest, dass die Einlage auch nicht
  Freie Sicherheiten dürften erst recht nicht
                                                   durch die Gewährung erneuter „Auszahlungen“ in Form weite-
  vorhanden sein. Im Regelfall bleibt es also
                                                   rer Darlehen nachträglich geleistet wurde. Das ständige automati-
  bei dem generellen Verbot, Darlehen an den
  Gesellschafter zu gewähren, wenn dies aus
  dem zur Deckung des Stammkapitals erfor-          4 BGH v. 16. 1. 2006 – II ZR 75/04 und 76/04, vgl. dazu erste Stellungnahme von
  derlichen Vermögen geschieht.                       Müller-Michaels, FB-NEWS 2/06 S. 8.

© Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 2006
Erschienen in: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (KSI), Heft 3/06, Seite 100-105

  Folgerungen für    KSI 3/06            102   Finanzierung über Cash-Pools
  die Finanzierung
  der GmbH als
  Cash-Pool-Teil-
  nehmer.

                     sche Zero-Balancing im Rahmen des Cash-                     Fall B                                  Fall C
                     Management-Systems lasse eine klare Zu-
                                                                       AV = 600        SK = 200               AV = 500        SK = 100
                     ordnung zu der noch ausstehenden Einlage-
                                                                       K = 100         FE = 0                 CF = 100        FE = 100
                     schuld nicht einmal ansatzweise erkennen.
                                                                                       V = 500                K = 100         V = 500
                     Man kann sich also auch nicht darauf be-
                     rufen, dass zwischenzeitlich ein positiver
                                                                      In Fall A kann der Kassenbestand von 100 000 € an den Cash-Pool-
                     Saldo zugunsten der Gesellschaft, bei der
                                                                      Führer als Darlehen abgeführt werden. Das Nettovermögen beträgt
                     das Kapital erhöht wurde, bestand.
                                                                      200 000 € (700 000 € gesamtes Aktivvermögen – 500 000 € Verbind-
                                                                      lichkeiten). Werden 100 000 € in eine Forderung gegen einen Gesell-
                     3. Folgerungen für die Praxis                    schafter umgewandelt, bleiben immer noch 100 000 €, um das Stamm-
                                                                      kapital in gleicher Höhe abzudecken.
                     3.1 GmbH als Cash-Pool-Teilnehmer
                                                                      In Fall B ist eine Darlehensvergabe des Kassenbestands dagegen
                     3.1.1 Darlehensgewährung nur aus
                                                                      nicht möglich. Das Nettovermögen von 200 000 € entspricht genau
                     Nettovermögen
                                                                      dem Stammkapital. Eine Reduzierung des Kassenbestands zuguns-
                     Die Urteile des BGH betreffen die GmbH           ten einer mit Null zu bewertenden Forderung gegen den Cash-Pool-
                     unmittelbar. Aus beiden lässt sich die Aus-      Führer würde dazu führen, dass kein ausreichendes Nettovermögen
                     sage ableiten, dass mindestens in Höhe des       mehr zur Abdeckung des Stammkapitals vorhanden wäre.
                     Stammkapitals liquide Haftungsmasse vor-
                                                                      Vereinfacht kann man aus diesen beiden Beispielen ableiten, dass die
                     handen sein muss. Bei Unterbilanz der Ge-
                                                                      Weiterleitung von Barmitteln als Darlehen an den Cash-Pool-Führer
                     sellschaft ist demnach die Begründung neuer
                                                                      nur zulässig ist, soweit und solange noch freies Eigenkapital (freie
                     oder Vergrößerung bestehender Darlehens-
                                                                      Rücklagen und laufender Gewinn) existiert.
                     ansprüche gegen den Cash-Pool-Führer un-
                     zulässig. Dies gilt wie oben gesehen unab-       Diese Regel greift jedoch nicht mehr ohne weiteres, wenn die Gesell-
                     hängig davon, ob der Gesellschafter kredit-      schaft dem Cash-Pool-Führer bereits Darlehen eingeräumt hat. Dies
                     würdig ist und ob das Darlehen marktüblich       zeigt sich an Fall C. Das Nettoaktivvermögen beträgt wiederum
                     verzinst ist. Barmittel der am Cash-Pool teil-   200 000 €. Das Stammkapital beträgt nur 100 000 €, so dass eine
                     nehmenden GmbH dürfen also nur insoweit          Umwandlung des Kassenbestands in eine Darlehensforderung ge-
                     an den Pool-Führer weitergeleitet werden,        genüber dem Gesellschafter möglich erscheint. Hier ist jedoch zu
                     wie die Gesellschaft über Nettovermögen          beachten, dass bereits eine Forderung in Höhe von 100 000 € gegen
                     verfügt. Das Nettovermögen berechnet sich        den Cash-Pool-Führer besteht. Diese kann bei der Berechnung des
                     aus der Differenz zwischen Aktivvermögen         Nettoaktivvermögens nicht berücksichtigt werden. Denn der BGH
                     und Verbindlichkeiten. Dabei sind die übli-      legt in seinem Urteil vom 24. 11. 2003 eindeutig fest, dass die reale
                     chen handelsrechtlichen Bewertungsmetho-         Substanz des Vermögens zusammenzuhalten und vor einer Aufspal-
                     den anzuwenden. Stille Reserven dürfen           tung in schuldrechtliche Ansprüche gegen die Gesellschafter zu
                     nicht berücksichtigt werden5. Darlehensfor-      schützen ist. Das Aktivvermögen ohne solche schuldrechtlichen An-
                     derungen gegen den Cash-Pool-Führer oder         sprüche gegen den Gesellschafter reicht aber nicht mehr aus, um
                     andere Konzerngesellschaften sind mit Null       weitere Cash-Pool-Darlehen der GmbH zu ermöglichen.
                     zu bewerten6.
                                                                      Die Regel, dass Cash solange an den Pool-Führer abgeführt werden
                                                                      kann, wie freies Eigenkapital vorhanden ist, ist also zu modifizie-
                     3.1.2 Beispiele
                                                                      ren. Vom freien Eigenkapital sind die bereits zugunsten des Cash-
                     Dazu drei Beispiele (Beträge = Tsd. €):          Pool-Führers bestehenden Darlehen abzuziehen7. Nur aus dem ver-
                                                                      bleibenden Betrag dürfen Cash-Leistungen an den Pool-Führer er-
                     AV = Aktivvermögen (ohne Kasse und
                                                                      folgen.
                          Cash-Pool-Forderungen)
                     CF = Cash-Pool-Forderung
                     K = Kasse                                        3.1.3 Folgerungen und Kritik
                     SK = Stammkapital + gesetzliche Rücklagen
                                                                      Bei jeder am Cash-Pool beteiligten GmbH muss demzufolge re-
                     FE = Freies Eigenkapital
                                                                      gelmäßig überprüft werden, ob – unter Berücksichtigung des Dar-
                     V = Verbindlichkeiten und Rückstel-
                                                                      lehenssaldos mit dem Pool-Führer – noch ausreichend freies Eigen-
                          lungen
                                Fall A
                                                                       5 Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 30 Rn. 11.
                      AV = 600      SK = 100
                                                                       6 OLG München v. 24. 11. 2005 – 23 U 380/05, ZIP 2006 S. 25, 26, nicht rechts-
                      K = 100       FE = 100                             kräftig, Revision beim BGH anhängig.
                                                                       7 OLG München, a. a. O. (Fn. 6); Schilmar, DStR 2006 S. 568, 573.

© Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 2006
Erschienen in: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (KSI), Heft 3/06, Seite 100-105

                                                     Finanzierung über Cash-Pools                             KSI 3/06            103     Den Geschäfts-
                                                                                                                                          führern der am
                                                                                                                                          Cash-Pool teil-
                                                                                                                                          nehmenden Toch-
                                                                                                                                          tergesellschaften
                                                                                                                                          droht neben der
                                                                                                                                          zivilrechtlichen
                                                                                                                                          auch eine straf-
  kapital vorhanden ist. Ist dies nicht mehr         3.1.4 Strafrechtliche Sanktionen
  der Fall, darf das Unternehmen kein Cash                                                                                                rechtliche Verfol-
                                                     In jedem Fall sollten bestehende Cash-Pool-Systeme intensiv auf
  mehr an den Pool-Führer weiterleiten. Ferner                                                                                            gung.
                                                     ihre Vereinbarkeit mit der neuen BGH-Rechtsprechung überprüft
  ist ein schriftliches Vertragswerk zu erstellen,
                                                     werden. Denn neben zivilrechtlichen Ansprüchen (§ 43 Abs. 3 GmbHG)
  das diesen Grundsätzen Rechnung trägt8.
                                                     droht den Geschäftsführern der am Cash-Pool teilnehmenden Toch-
  Diese Rechtsprechung stellt hohe Anforde-          tergesellschaften auch eine strafrechtliche Verfolgung.
  rungen an die Praxis. Zu Recht weisen Teile
                                                     Nach der Bremer Vulkan Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH
  der rechtswissenschaftlichen Literatur da-
                                                     vom 13. 5. 2004 kann eine strafbare Untreue (§ 266 StGB) vorliegen,
  rauf hin, dass eine solche Diskriminierung
                                                     wenn innerhalb eines Cash-Management-Systems Vermögenswerte
  konzerninterner Darlehen dem Bilanzrecht,
                                                     in einem solchen Umfang ungesichert im Konzern angelegt werden,
  aber auch dem Gesellschaftsrecht fremd
                                                     dass im Fall ihres Verlustes die Erfüllung von Verbindlichkeiten der
  sei9.
                                                     Tochtergesellschaft oder deren Existenz gefährdet wäre15.
  Ein Ausweg könnte sein, das Verbot von
  Darlehenszahlungen erst dann greifen zu
                                                     3.1.5 Überlagerung durch konzernrechtliche Vorschriften
  lassen, wenn bereits eine Unterbilanz bei der
  Gesellschaft besteht10. In den Beispielen B        Viel diskutiert wird die Frage, ob sich ein Ausweg aus den neu
  und C wäre dann eine Weiterleitung des             aufgestellten Beschränkungen für Cash-Pool-Systeme aus den
  Cash-Bestands möglich. Unzulässig wäre sie         konzernrechtlichen Vorschriften ergeben kann16. Bei der Aktien-
  nur, wenn das freie Eigenkapital bereits           gesellschaft überlagern die Vorschriften über Unternehmensver-
  negativ ist, wenn also keine freien Rückla-        träge (§§ 291 ff. AktG) die Kapitalerhaltungsvorschriften. Nach
  gen, sondern Verlustvorträge oder ein Bi-          § 291 Abs. 3 AktG gelten Leistungen der Gesellschaft aufgrund
  lanzverlust vorhanden sind. Im Fall B etwa         eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags nicht als
  wäre eine Weiterleitung des Kassenbestands         Verstoß gegen die §§ 57, 58 und 60 AktG. Das heißt, die Ausschüt-
  an den Cash-Pool-Führer nach diesem Kon-           tungssperre gilt im AG-Vertragskonzern nicht. Zum Ausgleich
  zept erst unzulässig, wenn das freie Ei-           muss aber die herrschende Gesellschaft sämtliche Verluste der ab-
  genkapital –50 und die Verbindlichkeiten           hängigen Gesellschaft übernehmen (§ 302 Abs. 1 AktG). Zwischen
  550 wären.                                         herrschendem und beherrschten Unternehmen wird eine Haftungs-
                                                     einheit hergestellt.
  Diese Auffassung ist jedoch wegen des
  Schutzzwecks des § 30 GmbHG nicht haltbar.         Diese Vorschriften gelten analog im GmbH-Vertragskonzern. § 30
  Es kann keinen Unterschied machen, ob durch        GmbHG ist in einem solchen Konzern aufgehoben. Damit fällt die
  eine Auszahlung eine Unterbilanz begrün-           Rechtsgrundlage, auf die der BGH die Sperre für Cash-Pool-Zahlun-
  det oder vertieft wird11. Entscheidend ist, so     gen bei Unterbilanz begründet, weg. Weiter gültig bleibt allerdings
  auch der BGH in seinem Urteil vom 24. 11.          die These des BGH, dass bloße schuldrechtliche Ansprüche gegen
  2003, dass das Vermögen der Gesellschaft           den Gesellschafter nicht mit liquider Haftungsmasse gleichzusetzen
  bis zur Höhe des Stammkapitals dem Zugriff         sind. Dieses Argument greift jedoch im Vertragskonzern zu kurz.
  der Gesellschafter entzogen werden muss12;         Durch die Eintragung des Beherrschungsvertrags im Handelsregister
  dann sind aber Kredite der GmbH an Gesell-         der abhängigen Gesellschaft (§ 294 AktG) ist das Abhängigkeitsver-
  schafter schon unzulässig, wenn die Valuta         hältnis öffentlich. Die Gläubiger wissen, dass der Schutz des Stamm-
  dem zur Erhaltung des Stammkapitals erfor-         kapitals der beherrschten Gesellschaft aufgehoben ist17.
  derlichen Vermögen entnommen würde13.
  Immerhin wird man die Rechtsprechung
                                                      8 OLG München, a. a. O. (Fn. 6).
  aber dahingehend verstehen können, dass             9 Siehe etwa kritisch: Hentzen, ZGR 2005 S. 480, 490 ff.; Fuhrmann, NZG 2004
  die Nullbewertung von Forderungen gegen               S. 552, 553 f.; Schilmar, a. a. O. (Fn. 7), S. 571 ff.
  den Gesellschafter nur für solche Forderun-        10 Hentzen, a. a. O. (Fn. 9), S. 489; Goette, ZIP 2005 S. 1481, 1484.
                                                     11 Dies entspricht der allgemeinen Meinung zu § 30, siehe z. B.: Lutter/Hommel-
  gen gilt, die ein Darlehenselement enthalten.         hoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 30 Rn. 13; Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl.
  Forderungen aus Lieferung und Leistung ge-            2005, § 30 Rn. 9.
  gen den Gesellschafter können weiter bei der       12 BGH, a. a. O. (Fn. 3), S. 75 f.
  Berechnung des Nettovermögens berück-              13 Stimpel, Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz 1992, S. 335, 352; auf diesen
                                                        Beitrag beruft sich der BGH mehrfach in seiner Entscheidung vom 24. 11. 2003.
  sichtigt werden14. Dies gilt nur dann nicht,       14 Stimpel, a. a. O. (Fn. 13), S. 352 f.; Bayer/Lieder, ZGR 2005 S. 133, 141 ff.
  wenn wie bei einem Darlehen eine Stundung          15 BGH v. 13. 5. 2004 – 5 StR 73/03, BGHSt. 49 S. 147; dazu jüngst Krause, JR 2006
  erfolgt. Nur bei einer solchen Stundung ist           S. 51.
                                                     16 Siehe z. B. Hentzen, a. a. O. (Fn. 9), S. 480, 506 ff.; Bayer/Lieder, a. a. O.
  das Element des „zeitlichen Hinausschie-
                                                        (Fn. 14), S. 147 ff.; Reidenbach, WM 2004 S. 1421, 1423 ff.; Seidel, DStR 2004
  bens“, auf das der BGH entscheidend abhebt,           S. 1130, 1133 f.
  erfüllt.                                           17 Wie hier: Fuhrmann, NZG 2004 S. 552, 554.

© Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 2006
Erschienen in: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (KSI), Heft 3/06, Seite 100-105

  Ungeklärt ist,      KSI 3/06         104     Finanzierung über Cash-Pools
  inwieweit Aktien-
  gesellschaften
  als Teilnehme-
  rinnen an Cash-
  Pools betroffen
  sind.
                      Festzuhalten bleibt also, dass bei GmbH, die       3.2.2 Cash-Pool-Leistungen aus freien Rücklagen
                      Objekt eines Beherrschungsvertrags sind,
                                                                         Dies entspricht der Theorie vom Aktivtausch, die vor dem BGH-Ur-
                      Cash-Pool-Zahlungen möglich sind. Die
                                                                         teil vom 24. 11. 2003 auch bei der GmbH vertreten wurde. Der BGH
                      Grenze liegt in der Existenzgefährdung der
                                                                         möchte jedoch diese „bilanzrechtliche“ Betrachtungsweise bei der
                      GmbH18.
                                                                         Kapitalerhaltung und -aufbringung der GmbH nicht mehr gelten
                      Im faktischen Konzern sind die Kapital-            lassen. Fraglich ist, wie sich das auf die AG auswirkt. Der BGH hat
                      erhaltungsvorschriften dagegen nicht sus-          sich dazu noch nicht geäußert. Denkbar ist zweierlei:
                      pendiert. Der faktische Konzern, also das
                                                                         Eine nicht durch Beherrschungsvertrag gebundene Aktiengesell-
                      Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses
                                                                         schaft kann nicht an Cash-Pool-Systemen teilnehmen. Da nach § 57
                      ohne Abschluss von Beherrschungsverträ-
                                                                         AktG das gesamte Kapital und nicht nur das Grundkapital gebunden
                      gen, ist gerade die typische Situation in
                                                                         und vor Zersplitterung in schuldrechtliche Ansprüche gegen den
                      Cash-Pool-Systemen. Zwar gibt § 311 Abs. 2
                                                                         Aktionär zu schützen ist, ist die Einräumung von Darlehen an den
                      AktG der Gesellschaft einen Ausgleichsan-
                                                                         Aktionär generell unzulässig22.
                      spruch gegen schädigende Handlungen der
                      herrschenden Gesellschaft. Diese Vorschrift        Diese strikte Anwendung schießt allerdings über den vom BGH für
                      ist jedoch nur auf Aktiengesellschaften,           die GmbH bezweckten absoluten Schutz des Stammkapitals hinaus.
                      nicht aber auf GmbH analog anwendbar19.            Naheliegend ist es, die absolute Darlehenssperre wie bei der GmbH
                      Im faktischen Konzern gilt die oben skiz-          auf das Stammkapital, bei der AG auf das Grundkapital (und die
                      zierte BGH-Rechtsprechung also ohne Ein-           gesetzlichen Rücklagen) zu beschränken23. § 57 AktG würde damit
                      schränkungen.                                      nicht ausgehöhlt24. Bei Cash-Pool Leistungen, denen ausreichende
                                                                         freie Rücklagen gegenüberstehen, käme es weiterhin darauf an, dass
                                                                         das Darlehen marktübliche Konditionen hat. Die Beispiele in Ab-
                      3.2 Aktiengesellschaft als
                                                                         schn. 3.1.2 würden dann identisch bei der Aktiengesellschaft gelten.
                      Cash-Pool-Teilnehmer
                      Die BGH-Rechtsprechung betraf bisher nur           3.2.3 Überlagerung durch konzernrechtliche Vorschriften
                      die Darlehensvergabe einer GmbH an ihren
                                                                         Ebenso wie bei der GmbH gilt auch bei der Aktiengesellschaft, dass
                      Gesellschafter. Wie der Inhalt der Entschei-
                                                                         im Vertragskonzern Cash-Pool-Zahlungen ohne Rücksicht auf § 57
                      dungen auf eine Aktiengesellschaft als Teil-
                                                                         AktG zulässig sind. Das folgt aus § 291 Abs. 3 AktG, nach dem Leis-
                      nehmerin an einem Cash-Pool zu übertragen
                                                                         tungen der Gesellschaft aufgrund eines Beherrschungs- oder eines
                      ist, ist ungeklärt.
                                                                         Gewinnabführungsvertrags nicht als Verstoß gegen § 57 AktG gel-
                                                                         ten. In AG-Vertragskonzernen sind demnach wie bei der GmbH
                      3.2.1 § 57 AktG: Vermögensbindung
                                                                         Cash-Pool-Systeme bis zur Grenze der Existenzgefährdung zulässig.
                      Nach § 57 Abs. 1 AktG dürfen den Aktionä-
                                                                         Umstritten ist die Lage im faktischen AG-Konzern. Hier ist eine AG
                      ren die Einlagen nicht zurückgewährt wer-
                                                                         von einer anderen AG oder einer GmbH abhängig, ohne dass ein
                      den. Abs. 3 bestimmt, dass vor Auflösung der
                                                                         Beherrschungsvertrag besteht. § 317 Abs. 1 AktG verpflichtet das
                      Gesellschaft unter die Aktionäre nur der Bi-
                                                                         herrschende Unternehmen, Nachteile der abhängigen Gesellschaft
                      lanzgewinn verteilt werden darf. Anders als
                                                                         auszugleichen. Nun könnte man argumentieren, dass § 317 Abs. 1
                      bei der GmbH (§ 30 GmbHG) ist das komplette
                                                                         insoweit § 57 AktG vorgeht. Danach wären Cash-Pool-Leistungen
                      Eigenkapital und nicht nur das registrierte
                                                                         wie im Vertragskonzern erlaubt, sofern tatsächlich ein Nachteilsaus-
                      Grundkapital vor Ausschüttungen an die Ge-
                                                                         gleich nach § 317 Abs. 1 AktG stattfindet25.
                      sellschafter geschützt. Auch eine Leistung an
                      den Aktionär aus den Aktiva, denen freie           Diese Auffassung dürfte jedoch nicht haltbar sein. Denn auch bei
                      Rücklagen gegenüberstehen, ist eine verbo-         dem Anspruch aus § 317 Abs. 1 AktG handelt es sich lediglich um
                      tene Einlagenrückgewähr, wenn sie nicht als        einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Gesellschafter. Anders
                      Verteilung von Bilanzgewinn oder anderwei-         als beim Vertragskonzern besteht keine Publizität. Gläubiger können
                      tig gerechtfertigt ist20. § 57 AktG bewirkt also
                      eine über die Kapitalerhaltung hinausgehende       18 BGH v. 17. 9. 2001 – II ZR 179/99 – Bremer Vulkan, BGHZ 149 S. 10, Leitsatz 2;
                      Vermögensbindung. Allerdings gilt auch hier           Habersack/Schörnbrand, NZG 2004 S. 689, 690.
                      grundsätzlich, dass die AG mit ihren Aktio-        19 BGHZ 95 S. 330, 340; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, Anh. § 13
                                                                            Rn. 16 m. w. N.
                      nären wie mit jedem Dritten Geschäfte ma-          20 Hüffer, AktG, 6. Aufl. 2004, § 57 Rn. 3.
                      chen und entsprechende Leistungen erbrin-          21 Hüffer, a. a. O. (Fn. 20), Rn. 8 ff.
                      gen kann. Darin liegt keine Einlagenrückge-        22 Cahn, Der Konzern 2004 S. 235, 243 f.; Seidel, a. a. O. (Fn. 16), S. 1132.
                                                                         23 Henze, WM 2005 S. 717, 720 f.
                      währ, weil die Leistung der AG durch eine
                                                                         24 Bayer, in: Münchener Komm. z. AktG, 2. Auflage 2003, § 57 Rn. 133.
                      Gegenleistung kompensiert wird, die der            25 So etwa Hentzen, a. a. O. (Fn. 9), S. 506 ff; Grothaus/Halberkamp, GmbHR 2005
                      Aktionär wie ein fremder Dritter erbringt21.          S. 1317, 1318 f.

© Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 2006
Erschienen in: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (KSI), Heft 3/06, Seite 100-105

                                                     Finanzierung über Cash-Pools                         KSI 3/06         105    Einrichtung
                                                                                                                                  von Cash-Pool-
                                                                                                                                  Systemen als
                                                                                                                                  unsichere Grat-
                                                                                                                                  wanderung?

  sich also nicht darauf einstellen, dass der        sind Cash-Pool-Systeme bis zur Grenze der Existenzgefährdung zu-
  Kapitalschutz der Aktiengesellschaft auf-          lässig. Durch einen solchen Vertragskonzern wird jedoch eine Haf-
  gehoben ist. Sofern keine freien Rücklagen         tungseinheit kreiert, was diese Lösung für viele Konzerne unattrak-
  vorhanden sind, sind also Cash-Pool-Leis-          tiv macht. Außerhalb des Vertragskonzerns sollten Cash-Pool-Sys-
  tungen der AG im faktischen Konzern un-            teme nur aus dem freien Eigenkapital gespeist werden. Entspre-
  zulässig26. Es gilt das Gleiche wie bei der        chende schriftliche Vereinbarungen sind notwendig. Bei einem
  GmbH.                                              Zugriff auf das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Ver-
                                                     mögen drohen Schadensersatz und strafrechtliche Sanktionen. Die
  4. Zusammenfassung und Ausblick                    Problematik lässt sich dadurch abfedern, dass man das Stamm- bzw.
                                                     Grundkapital der Konzerngesellschaften möglichst niedrig wählt
  Zusammenfassend lässt sich für die Praxis
                                                     (Mindestkapital von 25.000 € für die GmbH und 50.000 € für die AG).
  Folgendes festhalten. Die neuere BGH-Recht-
                                                     Möglicherweise wird das Thema auch durch die geplante Reform des
  sprechung macht die Einrichtung und den
                                                     GmbH-Rechts entschärft. Diskutiert werden eine Herabsetzung des
  Betrieb von Cash-Pool-Systemen zu einer
                                                     Mindestkapitals sowie Lockerungen des Kapitalschutzes.
  Gratwanderung. Am Sichersten ist, die Kon-
  zerngesellschaften über Beherrschungsver-
  träge an die Obergesellschaft zu binden. Dann      26 Ähnlich: Reidenbach, a. a. O. (Fn. 2), S. 1428.

  Daten & Fakten aus der Wirtschaft

  Wirkungen des Kontenabrufverfahrens                Über 30 000 Limiteds in Deutschland                  verständigt (zum Gesetzentwurf vgl. unter
                                                                                                          www.bundesrat.de).
  Das zum 1. 4. 2005 durch das Gesetz zur För-       Nach einer Studie der Universität Hamburg
  derung der Steuerehrlichkeit eingeführte steu-     wurden im Zeitraum von November 2002 bis             So sollen z. B. die steuerliche Buchführungs-
  erliche Kontenabrufverfahren hat sich nach         Dezember 2005 bereits über 30 000 Limiteds           pflichtgrenze von 350 000 € auf 500 000 €
  im April 2006 herausgegebener Mitteilung           in Deutschland gegründet. Allerdings zeigt           angehoben und damit etwa 150 000 Unter-
  des BMF „in der Praxis hervorragend be-            die Analyse auch, dass 2600 Limiteds mit             nehmen von umfänglichen Buchführungs-
  währt“. Zwischen dem 1. 4. 2005 und dem            Verwaltungssitz in Deutschland bereits wie-          pflichten befreit werden. In der Statistik des
  31. 3. 2006 hat das Bundeszentralamt für           der aufgelöst wurden; seit Ende 2002 wurden          Produzierenden Gewerbes werden nur noch
  Steuern demnach 15 464 Kontenabrufe nach           2500 Insolvenzanträge gegen diese Limiteds           Unternehmen mit mindestens 50 statt bis-
  § 93 Abs. 7 und 8 AO durchgeführt. Allein im       gestellt. Ferner mangelt es den Limiteds an          her 20 Beschäftigten erfasst. Damit werden
  März 2006 ist von dieser Möglichkeit in            der Pflichterfüllung zur Offenlegung ihrer           25 000 von bisher 48 000 Unternehmen nur
  2393 Fällen Gebrauch gemacht worden. Der           Geschäftsdaten: Nach Untersuchungen von              noch einmal jährlich befragt. Die Pflicht zur
  Bundesregierung liegen zwar keine Zahlen           Schall/Westhoff von der Univ. Hamburg ha-            Bestellung von Datenschutzbeauftragten wird
  darüber vor, in wie vielen Fällen durch einen      ben nur 43 % der publizitätspflichtigen Li-          auf Unternehmen reduziert, die mindestens
  Kontenabruf Steuerhinterziehungen oder             miteds ihre Jahresabschlüsse rechtzeitig ein-        10 (bisher 5) mit Personendatenverarbeitung
  Leistungsmissbräuche aufgedeckt werden             gereicht. Um hier gegenzusteuern, sind Ge-           betraute Mitarbeiter beschäftigen. Zugleich
  konnten. Fest steht jedoch, dass auf diesem        setzentwürfe in der Diskussion, die das er-          wird auch Berufsgeheimnisträgern wie z. B.
  Weg eine Vielzahl bislang unbekannter Kon-         forderliche Mindeststammkapital der GmbH             Ärzten, Rechtsanwälten und Steuerberatern
  ten und Depots aufgedeckt werden konnte.           auf 10 000 € (Entwurf BMJ) oder sogar nur            gestattet, ggf. externe Datenschutzbeauf-
  Die Finanzämter haben dabei wertvolle Er-          2500 € (Entwurf NRW, s. Bericht auf S. 120)          tragte zu bestellen.
  mittlungsansätze gewonnen. In Einzelfällen         begrenzen wollen. Kontaktaufnahme mit den
  konnten mehrere 100 000 € durch Vollstre-          Verfassern der Studie (Dr. Alexander Schall /        Mittelfristig sollen mit dem Gesetzentwurf
  ckung eingenommen werden. Ebenso wich-             Dr. André Westhoff) unter aow@aow.ch.                spürbare Erleichterungen bei der Unterneh-
  tig ist nach Meinung des BMF die präven-                                                                mensgründung und -übertragung geschaf-
  tive Wirkung eines möglichen Kontenab-                                                                  fen, z. B. durch eine Novelle des GmbH-Ge-
                                                     Abbau bürokratischer Hemmnisse
  rufs. Das Bundesverfassungsgericht hatte                                                                setzes und eine Reform des Handels- und
  in seinem Beschluss vom 22. 3. 2005 deut-          Dem vom Bundesministerium für Wirtschaft             Unternehmensregisters. Im Umsatzsteuer-
  lich gemacht, dass die Kontenabrufmöglich-         und Technologie vorgelegten Entwurf des              recht wird die Summe verdoppelt, ab der
  keit ein geeignetes Mittel ist, um einen gleich-   Ersten Gesetzes zum Abbau bürokratischer             die Steuer nur auf tatsächlich vereinnahmte
  mäßigen – und aus Sicht des BMF gerech-            Hemmnisse insbesondere in der mittelstän-            Rechnungsbeträge zu entrichten ist (sog. Ist-
  teren – Vollzug der Steuergesetze zu ge-           dischen Wirtschaft hat das Bundeskabinett            Besteuerungsgrenze). Der Lohnsteuerjahres-
  währleisten. Der BFH halte die steuerliche         am 25. 4. 2006 zugestimmt und sich auf ei-           ausgleich des Arbeitgebers sowie die her-
  Kontenabrufmöglichkeit sogar für verfas-           nen umfangreichen Katalog weiterer mit-              kömmliche Lohnsteuerkarte sollen nach den
  sungsrechtlich geboten.                            telstandsfreundlicher Entlastungsregelungen          Überlegungen im BMWi entbehrlich werden.

© Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 2006
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