Smart-Grid-Geschäftsmodelle für Verteilnetzbetreiber
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Smart-Grid-Geschäftsmodelle für Verteilnetzbetreiber
Dr. Harald Schäffler, Schäffler Consult, Freiburg, hs@schaeffler-consult.de
Ullrich C.C. Jagstaidt, Georg-August-Universität Göttingen, ullrich.jagstaidt@wiwi.uni-goettingen.de
Janis Kossahl, Georg-August-Universität Göttingen, janis.kossahl@wiwi.uni-goettingen.de
Kurzfassung
Verteilnetzbetreiber (VNB) sind von der Energiewende in besonderem Maße betroffen. Nur durch Smart Grid können
VNB auch in Zukunft einen sicheren und wirtschaftlichen Netzbetrieb gewährleisten [1]. Neben der Bewältigung der
technologischen Herausforderungen müssen VNB auch ihre Geschäftsmodelle überprüfen und weiterentwickeln. Hier-
zu hat eine Arbeitsgruppe der VDE-ITG ein Positionspapier erarbeitet, in dem Optionen für künftige Geschäftsmodelle
für VNB im Spannungsfeld zwischen Regulierung und Markt entworfen und bewertet werden. Daraus werden Empfeh-
lungen für die Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen abgeleitet und den Eckpunkten des Positions-
papiers der BNetzA gegenübergestellt [2].
Abstract
Distribution system operators (DSOs) are particularly affected of the energy transition process. Only by smart grid
DSO will provide and guarantee a safe and efficient network operation in future [1]. Besides the implementation of
new technologies, new business models for DSOs are required, as well. A dedicated working group of the VDE-ITG
elaborated a position paper with options for new business models for DSOs in the area of conflict between regulated
areas and liberalized markets. Based on the findings recommendations for the further development of the legal frame-
work, in particular with regard to the smart grid position paper of the Federal Network Agency will be presented [2].
1 Einführung sischen Aufgaben des sicheren und wirtschaftlichen
Netzbetriebs auch weitere Optionen für künftige Wert-
Im Rahmen von Forschungsprogrammen und Fachdis- angebote der VNB eingeflossen. Aus dem genannten
kussionen wird die Entwicklung der künftigen Ener- Untersuchungsgegenstand wurden Vorschläge für
gieversorgung im Kontext der Energiewende, deren künftige Geschäftsmodelle herausgearbeitet und be-
Auswirkungen auf das Netz und auf die Marktmecha- wertet. Das Ziel des Positionspapiers ist, diese über den
nismen untersucht. Wesentliche Schwerpunkte bilden derzeitigen Status hinausgehenden Geschäftsmodelle
dabei der Aufbau von „intelligenten“ Energieinfra- und deren Wertangebote für Verteilungsnetzbetreiber
strukturen (Smart Grid) durch die Vernetzung von (VNB) in Deutschland vorzustellen.
Netzbetriebsmitteln mit technischen Komponenten der
Marktteilnehmer (Erzeuger, Verbraucher, Speicher) Das Positionspapier nimmt dabei auch Stellung zu dem
mittels Informations- und Kommunikations- Eckpunktepapier „Smart Grid und Smart Market“ der
Technologie (IKT) sowie die Zusammenarbeit der Bundesnetzagentur (BNetzA) vom Dezember 2011 [2].
Markt- und Netzakteure in einen „smarten“ Markt Mit dem Eckpunktepapier hat die BNetzA eine Dis-
(Smart Market). Hierdurch ändern sich fundamentale kussionsgrundlage vorgelegt und aufgefordert, Lösungs-
Rahmenbedingungen für wesentliche Geschäftsmodel- ansätze auch für die „hybriden“ Bereiche, die nicht ein-
le der Verteilungsnetzbetreiber (VNB), wie z. B. die deutig dem regulierten Netzbetrieb (Smart Grid) und dem
Netzführung. liberalisierten Markt (Smart Market) zuzuordnen sind, zu
diskutieren.
Diese Herausforderungen hat die Fokusgruppe „Ge-
schäftsmodelle“ der VDE-ITG Energieinformations-
In dem vorliegenden Beitrag wird beispielhaft die Ergeb-
netze und -systeme aufgegriffen und mit Beteiligung
von zahlreichen Experten aus den Bereichen Energie- nisse des Positionspapiers bzgl. des Geschäftsmodells
versorgung, Telekommunikation, IT, Sicherheit und Netzführung vorgestellt.
Forschung, Optionen für künftige Geschäftsmodelle für
VNB im Spannungsfeld zwischen Regulierung und 2 Referenzarchitektur für Ge-
Markt erarbeitet. Die Ergebnisse sind im Teil B „Ge-
schäftsmodelle“ des VDE-ITG-Positionspapiers Ener- schäftsmodelle
gieinformationsnetze und -systeme zusammengefasst.
2.1 Definition
Unter Berücksichtigung intelligenter Technologien und Trotz einer fehlenden allgemeingültigen Definition hat
der Möglichkeiten der Steuerung des Energieversor- sich der Begriff „Geschäftsmodell“ seit den 1990er Jahren
gungssystems durch Smart Grids sind neben den klas- in Theorie und Praxis fest etabliert [3]. Den meisten Be-griffsbestimmungen gemeinsam ist, dass ein Geschäfts- Die Kunden des Teilgeschäftsmodells Netzführung sind
modell Antworten auf die Grundfragen einer Organisation die Netznutzer, die Energie aus dem Netz beziehen (Be-
bzw. eines Unternehmens gibt; nämlich wie eine Organi- zieher) und einspeisen (Einspeiser). Die Einspeiser wiede-
sation Werte schafft, vermittelt und erfasst [4]. In der rum können in zwei Gruppen eingeteilt werden, wobei
Energiewirtschaft sind Geschäftsmodelle keineswegs be- eine Gruppe bereits nach geltendem EEG verpflichtet ist,
grenzt auf die wettbewerblichen Bereiche, sondern auch am Netzmanagement teilzunehmen, die andere nicht. Die
VNB agieren nach einer Logik, gemäß der sie Werte Anlagen jener Netznutzer können im Bedarfsfall vom
schaffen, vermitteln und erfassen. VNB abgeschaltet werden. Die andere Gruppe ist hierzu
nicht verpflichtet.
2.2 Modellierungsrahmen eines Geschäftsmodells
Die Kundenbeziehung zu den Netznutzern ist eine lang-
In der Energiewirtschaft wurde der Begriff Geschäftsmo- fristige Vertragsbeziehung und gesetzlich vorgeschrieben.
dell bisher relativ selten verwendet. Durch die Einführung Allerdings hat der VNB zu den Netznutzern in den Berei-
von IKT in die Energieversorgung, verbunden mit den chen Privat- und Gewerbekunden in der Regel nur eine
Begriffen E-Energy bzw. Smart Energy, werden aller- indirekte Kundenbeziehung, da der Lieferant die Ver-
dings inzwischen über zahlreiche neue Geschäftsmodelle tragsbeziehung hält und pflegt. Die Netzentgelte für den
diskutiert. Allerdings fehlt bei vielen Beiträgen ein schlüs- VNB werden den Netznutzern vom Lieferanten in Rech-
siges Konzept für die Darstellung und Analyse von Ge- nung gestellt.
schäftsmodellen [5]. Daher wurde in der VDE-ITG Ar-
beitsgruppe das Konzept des Geschäftsmodellrahmens Wertangebote
(Business Model Canvas) von Osterwalder und Pigneur
[4] verwendet und als allgemeine Referenzarchitektur für Zur Netzführung gehören die Aufgaben Schaltung und
die Visualisierung und Analyse von Geschäftsmodellen Sicherung der Belastungsgrenzen der Betriebsmittel so-
genutzt. Demnach umfasst das Geschäftsmodell folgende wie der Netzqualität (Spannung, Frequenz, Wirkleistung
neun Bausteine: 1. Kundensegmente, 2. Wertangebot, 3. und Blindleistung) in festgelegten Toleranzbereichen. Für
Kundenbeziehungen, 4. Kanäle, 5. Einnahmequellen, 6. die Frequenzführung ist primär der ÜNB verantwortlich.
Schlüsselaktivitäten, 7. Schlüsselressourcen, 8. Schlüssel- Dieser fordert im Rahmen der Netzführung ein Eingreifen
partnerschaften, 9. Kostenstruktur (vgl. Bild 1). des VNB, welcher Anlagen der Netznutzer über entspre-
chende Feldkommunikationsnetze abschalten kann, um
zur Frequenzstabilisierung beizutragen, sofern dies nicht
bereits automatisiert seitens der Erzeugungseinheiten er-
folgt.
Ein weiteres Wertangebot im Zusammenhang mit der
Netzführung ist die Prüfung von Einrichtungen zur Steue-
rung der Einspeiser (Anlagenautomationsmittel) sowie die
Prüfung und Sicherstellung von Einrichtungen zum Netz-
schutz.
Die gesetzlichen Vorgaben zur Mitwirkung des Vertei-
lungsnetzbetreibers bei der Steuerung der Einspeisung
Bild 1 Neun Bausteine eines Geschäftsmo- werden auch durch vertragliche Vereinbarungen für den
dells (nach [4], eigene Darstellung) Einzelfall genau festgelegt. Die Verträge zum Einspeise-
management werden zwischen Verteilungsnetzbetreiber
und Anlagenbetreiber geschlossen. Eine Ausnahme be-
3 Geschäftsmodell Netzführung steht bei Anlagen mit einer Anschlussleistung von mehr
als 50 MW. Diese kann der ÜNB direkt steuern, was im
3.1 Status Quo Verteilungsnetz allerdings zu Problemen führen kann.
Ein wesentliches Geschäftsmodell von VNB ist die siche-
re Netzführung. Um jederzeit eine qualitativ hochwertige Schlüsselaktivitäten, -ressourcen und -partner
und möglichst unterbrechungsfreie Stromversorgung für
alle Netznutzer zu gewährleisten, muss der VNB im Der VNB überwacht die relevanten Netzkennwerte auf
Normalbetrieb durch die entsprechende Steuerung der Hochspannungsebene (HS) und, in Abhängigkeit von der
Betriebsmittel die Einhaltung von Grenzwerten überwa- Netztopologie und den Netzkunden, auch auf Mittelspan-
chen und gewährleisten. Auf der Niederspannungs- und nungsebene (MS). Die tatsächlichen Belastungswerte auf
Mittelspannungsebene wird dies durch die wachsende Niederspannungsebene sind heute in der Regel nicht be-
Anzahl von Einspeisern aber zunehmend schwierig. Im kannt. Für die Netzführung nutzt der VNB die eigenen
Folgenden werden die neun Bausteine des Geschäftsmo- Netzautomationsmittel. Weiterhin kann der VNB Netzlas-
dells Netzführung gemäß Status Quo erläutert. ten und Netzeinspeisungen von Netznutzern direkt schal-
ten, wie z.B. Nachtspeicherheizungen und dezentrale Er-
Kundensegmente, Kundenbeziehung und Kanäle zeugungsanlagen, die gemäß EnWG ab einer Anschluss-
leistung in Höhe von 30 kW mit einer Einrichtung zumferngesteuerten Abregeln durch den VNB ausgestattet
werden müssen. Die erforderlichen Ressourcen für die
Netzführung sind dementsprechend ein Netzleitsystem,
ein Feldkommunikationsnetz und die Netzautomations-
mittel sowie bei den Netznutzern die Anlagenautomati-
onsmittel.
Schlüsselpartner sind die ÜNB (Frequenzhaltung), die
Energielieferanten, die die Netzentgelte bei den Kunden
erheben und die Vertragsbeziehung zu den Netznutzern
halten, sowie die Lieferanten für die jeweiligen Systeme
bzw. Systemkomponenten.
Bild 2 Netzführungszustände gemäß „Ampelregelung“
Kostenstruktur und Erlösquellen
Grüner Bereich - Absehbar unkritische Netzsitua-
Die Kosten umfassen im Wesentlichen die Abschreibun- tion
gen für die Investitionen in die Netzautomationsmittel
Im sogenannten Grünen Bereich stehen genügend Netz-
und Netzleitsysteme sowie die laufenden Netzführungs-
kapazitäten zur Verfügung, auch die Verletzung von
kosten. Die laufenden Netzführungskosten umfassen auch
Grenzwerten ist nicht zu befürchten. Die Netznutzer kön-
alle anteiligen Kosten für Personal, Gebäude, Fuhrparkt
nen ihre Anlagen gemäß ihren Handelsabschlüssen bzw.
usw.
gemäß ihren Energiemanagementsystemen betreiben.
Der VNB erhält für das Wertangebot Netzführung von
den Netznutzern keine eigenständigen Erlöse. Die Erlöse Roter Bereich - Grenzwertverletzungen im Netz
sind Bestandteil der Netzentgelte, die die Netznutzer für
alle Wertangebote des VNB insgesamt entrichten. Aller- Im sogenannten Roten Bereich liegt ein grundlegendes
dings entrichten nach der derzeitigen Regelung nur die Leistungsungleichgewicht vor oder bestimmte Grenzwer-
Bezieher der Energie Netzentgelte. Wenn die Bezieher te werden überschritten. Hierbei kann es sich um die Ver-
dem VNB gestatten, ihre Anlagen in die Netzführung mit letzung von Spannungsbändern oder um die Überschrei-
einzubeziehen, sind reduzierte Netzentgelte zu entrichten. tung der Strombelastbarkeit von Betriebsmitteln und Lei-
Keine Netzentgelte entrichten derzeit die Einspeiser. Die- tungen handeln. Der verantwortliche VNB muss zur Si-
se zahlen nur (einmalige) Entgelte für den Netzanschluss, cherstellung der Netzstabilität durch eigene oder anzuwei-
nicht jedoch Netzgebühren für Netzbetrieb und Netzfüh- sende Maßnahmen steuernd eingreifen, auch auf die An-
rung. lagen der Netznutzer (vergl. EnWG § 13 (1)). Routinen
von Energiemanagementsystemen müssen unterbrochen
3.2 Herausforderungen im Smart Grid oder ausgesetzt werden. Ziel der Handlungen ist es, das
Um auch künftig den sicheren Netzbetrieb zu gewährleis- Verteilnetz wieder in den Grünen Bereich zurückzufüh-
ten muss ersten die Netzinfrastruktur auf der Mittel- und ren.
Niederspannungsebenen mit Netzautomationsmitteln aus-
gestattet werden und zweitens die (steuerbaren) Netznut- Gelber Bereich - Präventives Netzmanagement
zer mit den für den VNB zugänglichen Anlagenautomati- und Energiemanagement, Vermeidung der Ver-
onsmittel ergänzt und entsprechend in die Netzführung schärfung der Situation
einbezogen werden.
Der Gelbe Bereich ist dadurch charakterisiert, dass die
Gefahr droht, dass in einem gewissen Prognosezeitraum
Die Netznutzer auf der Mittel- und Niederspannungsebe-
die Belastungs- und Qualitätsgrenzwerte von Betriebsmit-
ne – Einspeiser und Bezieher gleichermaßen – beteiligen
teln des Verteilungsnetzes verletzt werden könnten.
sich allerdings auch aktiv am Energiemarkt, entweder di-
In solchen Situationen müssen
rekt oder eingebunden z.B. in virtuelle Kraftwerke, und
steuern ihre Anlagen nach Marktgesichtspunkten. Die ak- erstens die Marktakteure über die Situation und die
tuell diskutierte Frage ist daher, wie die beiden „Mana- voraussichtliche Dauer informiert werden, um eine
gementsysteme“, also das „Netzmanagement“ (hier nur weitere Verschlechterung des Betriebszustandes zu
die Netzführung) und das „Energiemanagement“ koordi- verhindern
niert werden können. zweitens präventive Maßnahmen ergriffen werden, um
die Wahrscheinlichkeit der Grenzwertverletzungen zu
3.3 Ampelregelung reduzieren und um das Verteilungsnetz in den Grünen
Bereich zurückzuführen.
Ein Vorschlag, der in Forschungsprojekten und bei den
Verbänden diskutiert wird, ist die Differenzierung der Wie die Maßnahmen im Gelben Bereich organisiert wer-
Netzführung nach drei Netzbetriebszuständen. Diese Zu- den können, ist allerdings noch offen. In Anlehnung an
stände können bildlich als Ampel wiedergegeben werden BDEW [7] wurden im Positionspapier folgende sechs Va-
(Bild 2). rianten vorgestellt und diskutiert:
Variante 1: Autonome Handlung des VNB Variante 2: Variable Netzentgelte nach Prioritätsstufe eine hohe Motivation, in der Gelben Phase zu agieren,
Variante 3: Engpass-Auktionierung des VNB weil sie in der Roten Phase nur eine geringe Kompensati-
on erhalten. Möglicherweise können Mitnahmeeffekte
Variante 4: Dynamische Netzentgelte
auftreten, sodass Netznutzer gezielt die Gelbe Phase mit
Variante 5: Dynamische Arbeitspreise verursachen oder verstärken, um anschließend zu reagie-
Variante 6: Anreizkompensation ren und von der Kompensation zu profitieren. Dies muss
durch eine entsprechende Ausgestaltung der Kompensati-
Die Vor- und Nachteile der Varianten sind vielfältig und on vermieden werden.
müssen im Rahmen von wissenschaftlichen Arbeiten noch
weiter untersucht werden. Da noch keine abschließende 3.5 Neues Geschäftsmodell Netzführung mit Vari-
Bewertung und Empfehlung ausgesprochen werden kann, ante Anreizkompensation
wird im Folgenden beispielhaft das Geschäftsmodell von Im Folgenden wird diskutiert, wie die Bausteine des Ge-
Variante 6 näher ausgeführt. schäftsmodells Netzführung bei der Variante Anreizregu-
lierung sich ändern (Bild 3).
3.4 Variante Anreizkompensation
Bei der Variante Anreizkompensation werden die Netz-
nutzer (Einspeiser und Bezieher) nach Anschlussleistung
und gemäß des möglichen Beitrags zum Netzmanagement
(Art und Umfang der Anlagenautomatisierung) qualifi-
ziert. Die Gelbe Phase wird dabei in zwei Stufen unter-
teilt. In der ersten Stufe werden alle qualifizierten Netz-
nutzer über die wahrscheinliche Dauer der Gelben Phase
informiert. Jeder Netznutzer, der reagiert, erhält eine
Kompensation in Höhe 1. Der Nachweis erfolgt über die
Anlagenautomation. Die jeweilige Höhe der Kompensati-
on kann dabei nach Netzabschnitt und Anlass differen-
ziert werden. In Stufe 2 werden wiederum alle qualifizier-
ten Netznutzer informiert. Jeder qualifizierte Netznutzer,
der reagiert, erhält eine höhere Kompensation in Höhe 2.
Wirken die Anreize in Stufe 1 und 2 nicht, dann tritt die Bild 3 Bausteine des Geschäftsmodells Netzführung (ei-
Rote Phase ein, in welcher der VNB nach eigenem Er- gene Darstellung)
messen schalten kann. Die Netznutzer erhalten dabei eine
wesentlich geringe Kompensation im Vergleich zur Gel- Kundensegmente, Kundenbeziehung und Kanäle
ben Phase.
Kundensegmente, Kundenbeziehungen und Kanäle blei-
Vorteil dieser Variante ist, dass die gleiche IKT- ben unverändert. Allerdings müssen nun auch die Netz-
Infrastruktur für die Gelbe und die Rote Phase genutzt nutzer (NU) mit Energiebezug in „aktive“ Netznutzer, die
werden kann. Hierdurch werden Doppeltinvestitionen verpflichtet sind, an dem Netzmanagement teilzunehmen
vermieden. Die Klassifizierung der Netznutzer ist bereits (TN-Pflicht), sowie in „passive“ Netznutzer differenziert
ein gängiges Verfahren und kann entsprechend auf einen werden.
größeren Kreis von Netznutzern ausgeweitet werden. Die
Variante ermöglicht weiterhin eine individuelle, auf die Wertangebot
Situation der jeweiligen Netzabschnitte abgestimmte Re- Das Wertangebot bleibt im wesentlichen unverändert; das
gelung. Das Problem der „Reihenfolge“ ist gelöst und für Netzmanagement wird allerdings auf die Mittel- und die
die Netznutzer bietet sich die Möglichkeit, individuell Niederspannungsnetzebene ausgedehnt und die Prüfung
gemäß ihren Fahrplänen und Möglichkeiten zu reagieren. der Anlagenautomationsmitteln (AMM) wird erweitert.
Weiterer Vorteil ist, dass der VNB die Maßnahmen im Schlüsselaktivitäten, -ressourcen und –partner
Bereich Netzmanagement der Netzbetriebsmittel, der
Netznutzer sowie Investitionen in den Netzausbau gegen- Für das künftige Netzmanagement müssen die Schlüssel-
einander abwägen und optimieren kann, weil sie alle aktivitäten und Schlüsselressourcen des VNB wesentlich
gleichermaßen als Kosten anfallen. Die Einspeiser können erweitert werden, um die qualifizierten Netznutzer in das
– müssen aber nicht – mit Netzentgelten beaufschlagt Netzmanagement auf der Mittel- (MS) und Niederspan-
werden. Die Netzentgelte können dabei auch variabel ge- nungsnetzebenen (NS) einzubeziehen.
staltet werden, z.B. niedrigere Netzentgelte für Netznut-
Die entsprechenden Ressourcen sind hierfür zu erweitern
zer, die im Bereich Netzmanagement mitwirken, oder hö-
und die entsprechenden Netzbetriebsmittel mit Netzauto-
here Netzentgelte für Netznutzer, die nicht teilnehmen.
mationsmitteln (NAM) sowie (auf Seiten der Netznutzer,
Einspeiser wie Bezieher) mit Anlagenautomationsmitteln
Die Steuerung ist weiterhin allerdings nur indirekt. Der
(AAM) auszustatten. Weiterhin muss die Kommunikati-
Effekt der Anreize in der Gelben Phase muss in der Praxis
onsinfrastruktur zu den Netzteilnehmern erweitert bzw.
ermittelt werden. Allerdings besteht für die Netznutzer
eine öffentliche Kommunikationsinfrastruktur (Mobil-funknetz, DSL) genutzt werden. Durch die höhere Anzahl Option 3: Eine Kombination der Optionen 1 und 2; d.h.,
der Teilnehmer im Netzmanagement müssen auch die sowohl die Einspeiser als auch die Bezieher werden an
Netzleitsysteme automatisiert werden. Diese Subsysteme den erhöhten Kosten beteiligt. Aus genannten Gründen
des Netzleitsystems werden dann voraussichtlich auch plädiert der VDE für diese Option.
dezentral auf den jeweiligen Netzebenen bzw. -
abschnitten angesiedelt werden (zelluläres Konzept). 3.6 Zusammenfassung
Neue Aufgaben sind die Prüfung der Automationsmittel
Es wurde aufgezeigt, dass das Teilgeschäftsmodell Netz-
bei den Netznutzern sowie die erforderliche Abrechnung
und Bezahlung der Kosten bzw. Kompensationen. Die führung im Smart Grid in den Grundzügen gleich bleibt,
Qualifizierung der Automationsmittel kann wie bereits aber deutlich erweiterte Aktivitäten und Ressourcen er-
forderlich sind. Um künftig auch auf den Mittel- und Nie-
heute durch die Hersteller typbasiert erfolgen.
derspannungsebenen einen sicheren Netzbetrieb zu ge-
währleisten, müssen die Netzautomationsmittel, die Anla-
Kostenstruktur und Erlösquellen
genautomationsmittel sowie die Kommunikationsinfra-
struktur ausgebaut und ein weitgehend automatisiertes
Durch den Ausbau und die Erweiterung der Ressourcen
Netzleitsystem auch für die Mittel- und Niederspannungs-
und Aktivitäten steigen sowohl die Investitions- als auch
ebenen eingeführt werden. Für die in der Branche disku-
die Abschreibungskosten und die Betriebskosten deutlich
tierte „Ampelregelung“ wurden verschiedene Regelungen
an. Die Kosten für die Netzautomationsmittel und die
vorgestellt und die jeweiligen Vor- und Nachteile disku-
kommunikative Anbindung müssen durch den VNB ge-
tiert. Eine abschließende Bewertung und Empfehlung ist
tragen werden, da dieser aus Gründen der Systemsicher-
an dieser Stelle allerdings noch nicht möglich.
heit allein zugreifen sollte.
Ein zentraler Diskussionspunkt ist dabei, ob in einem
Die Kosten für die Anlagenautomationsmittel müssen die
Smart Grid nicht mehr nur die Bezieher, sondern auch die
Netznutzer tragen. Die Kosten für die Kommunikation
Einspeiser Netznutzungsentgelte entrichten sollten, um
(Kommunikationsinfrastruktur bzw. für die Nutzung von
die Netzführung praktikabel und gerecht zu gestalten. Da
öffentlichen Kommunikationsnetzen) hingegen könnten
aber das zukünftige Marktdesign und die Rahmenbedin-
zwischen dem VNB und dem Netznutzer aufgeteilt wer-
gungen für Erneuerbare Energien, sowohl in Hinblick auf
den, da die Kommunikationsinfrastruktur für das Ener-
weitere Förderung als auch in Bezug auf die zukünftige
giemanagement auch vom Netznutzer für Marktzwecke
Marktintegration noch nicht abschließend definiert sind,
genutzt werden kann.
kann an dieser Stelle noch keine endgültige Bewertung
Bei der Variante Anreizkompensation muss der VNB zu- abgegeben werden.
sätzlich die Kompensationskosten in den Phasen Gelb und
Rot tragen. Denn durch den (externen) Eingriff in die
Fahrpläne können die Netznutzer ihren vertraglichen Ab- 4 Fazit und Ausblick
nahme- oder Lieferverpflichtungen teilweise nicht mehr Die Diskussionen im Rahmen der Ausarbeitung der Ge-
nachkommen bzw. sie müssen Regelenergie beanspru- schäftsmodelle haben verdeutlicht, dass die aktuelle Si-
chen. tuation mit einer hohen Unsicherheit behaftet ist. Diese
Bei den Erlösen gibt es drei Optionen: betrifft einerseits die Aufgaben, die VNB zukünftig über-
nehmen sollen und anderseits die Art und Weise, wie die
Option 1: Anpassung der bestehenden Netzentgelte für erforderliche Sicherheit für Investitionen gewährleistet
die Netznutzer mit Energiebezug. Die höheren Kosten werden kann. Es gilt, die Bereitschaft für den aktiven
werden im Rahmen der Anreizregulierung berücksichtigt Wandel der Energiewirtschaft zu fördern und somit auch
und führen zu steigenden Netzentgelten. Dies ist aller- den Rahmen für neue Geschäftsmodelle zu schaffen.
dings keine verursachergerechte Lastenverteilung, weil
die verursachenden Netznutzer (im Wesentlichen die Ein- Hierfür sind Anpassungen der derzeitigen gesetzlichen
speiser) zwar das Netz in Anspruch nehmen, aber keinen und regulatorischen Rahmenbedingungen erforderlich.
Beitrag hierfür leisten. Dabei wird nicht erwartet, dass die Liberalisierung und
das Unbundling rückgängig gemacht werden, aber dass
Option 2: Einführung von (neuen) Netzentgelten für Ein- die zukünftigen Aufgaben dort zugeordnet werden, wo sie
speiser. Hierfür spricht, dass diese Netznutzer das Wert- volks- und betriebswirtschaftlich am sinnvollsten durch-
angebot des VNB mitnutzen und gleichzeitig den Auf- geführt werden können. Die in diesem Dokument vorge-
wand für die Netzführung erhöhen. Die Einspeisenetzent- stellten Geschäftsmodelle haben Möglichkeiten aufge-
gelte können, je nach Regelung, fix oder variabel gestaltet zeigt, wie VNB effizient und sinnvoll beteiligt werden
und pro Einspeiseleistung (angemeldet/maximale Leis- können.
tung pro Jahr) oder pro eingespeister Arbeit (kWh) be-
rechnet werden. Weiterhin können die Netzentgelte auch
mit Bezug auf die Steuerfähigkeit (keine, nur Abschal- Das Geschäftsmodell Netzführung im Smart Grid erfor-
tung, flexible Steuerung) variiert werden. Wenn die er- dert die Anpassung der Regulierung auf eine Form der
höhten Kosten für die Netzführung allerdings allein den „Ampelregelung“. In der vorgestellten Variante Anreiz-
Einspeisern aufgebürdet werden würde, wäre die Einspei- kompensation für Netzführung müsste hierzu eine Klassi-
sung voraussichtlich wirtschaftlich unattraktiv. fizierung der Netznutzer, sowohl Einspeiser als auch Be-zieher nach Anschlussleistung und nach dem möglichen Viele derzeitige Business Cases zum Thema Smart Grid
Beitrag zum Netzmanagement (Art und Umfang der An- sind negativ, da meist der Aufbau im engeren Sinne be-
lagenautomatisierung) vorgenommen werden. Die Ein- trachtet wurde und teilweise künftige Geschäftsmodelle
führung von gestuften Kompensationen für Beteiligung in und Wertangebote aufgrund der vorherrschenden regula-
Gelber Phase 1 und 2 ist abzustimmen, sowie die Höhe torischen und gesetzlichen Rahmenbedingen nicht be-
der Kompensation nach Netzabschnitt und Anlass zu dif- rücksichtig wurden.
ferenzieren.
Die vorgestellten Geschäftsmodelle sollen daher als Opti-
onenraum einfließen, anhand dessen die spezifischen An-
Im VDE-ITG Positionspapier „Künftige Geschäftsmodel-
forderungen an die technische Infrastrukturumsetzung ab-
le für Verteilungsnetzbetreiber im Smart Grid der Zu-
geleitet und somit eine anforderungsbezogene Differen-
kunft“ werden daneben noch weitere Geschäftsmodelle
zierung in die Infrastrukturplanung ermöglicht werden
aufgeführt und ebenso Empfehlung im Hinblick auf die
kann. Dies wird die Genauigkeit der Investitionsvolu-
Verantwortlichkeiten der VNBs gegeben [8].
menplanung erhöhen und unter Berücksichtigung der zu-
sätzlichen Wertangebote auch die Argumentation zur
Wesentlich ist, dass die Rahmenbedingungen für die Aus-
Umsetzung und zur Finanzierung unterstützen.
gestaltung eines Energieinformationsnetzes und dessen
Finanzierung definieren werden. Die Zuständigkeit für
den Aufbau des Energieinformationsnetzes als Basisinfra-
struktur sollte bei den Verteilungsnetzbetreibern liegen,
da der Bedarf an Informationen und übergeordneten Steu- 5 Literatur
erungsmöglichkeiten zunächst von den Gegebenheiten im [1] acatech Studie: Future Energy Grid, Appelrath, H.-
individuellen Verteilungsnetzbereich abhängt. J., Kagermann, H., Mayer, C. (München, Berlin
2012)
Um den Aufbau und Betrieb des Energieinformationsnet- [2] BNetzA: Smart Grid – Smart Markt. Eckpunktepa-
zes zu ermöglichen, sollte die Zuordnung der Rolle zu ei- pier der Bundesnetzagentur zu den Aspekten des sich
nem Akteur mit der Möglichkeit zur Delegation erfolgen. verändernden Energieversorgungssystems (Bonn,
Es wird hier empfohlen, diese Rolle dem Verteilungs- 2011)
netzbetreiber (VNB) zuzuteilen, da eine derartige Infra- [3] vgl. Bieger, Th.; zu Knyphausen-Aufseß, D.; Krys,
struktur allen Akteuren im Energiesystem diskriminie- Chr. (2011) Innovative Geschäftsmodelle. Berlin,
rungsfrei zur Verfügung stehen muss und der VNB ohne- Heidelberg: Springer sowie Welz, J. (2011). Ge-
hin gesetzlich zur diskriminierungsfreien Bereitstellung schäftsmodelle und Erfolgsfaktoren von deutschen
seiner Infrastruktur verpflichtet ist. Bioenergiedörfern. Leuphana Universität Lüneburg.
Lüneburg.
Der Aufbau einer Informations- und Diensteplattform [4] Osterwalder, A.; Pigneur, Y. (2011): Business Model
durch den VNB bildet auch die Grundlage für weitere Ge- Generation. Frankfurt a.M. : Campus, S. 18ff.
schäftsmodelle. Der Betrieb und die Bereitstellung der [5] vgl. Leprich, U. et. al. (2010): Der Marktplatz E-
Daten und Dienste durch einen VNB und/oder einen dedi- Energy aus elektrizitätswirtschaftlicher Perspektive.
zierten Informations-Plattform-Dienstleister sind sowohl Zeitschrift für Energiewirtschaft, Vol. 34, Nr. 2, S.
volkswirtschaftlich und im Sinne der Zuverlässigkeit 79–89; sowie: Kerssenbrock, N.; Ploss, M.: Ge-
sinnvoll und sollten dementsprechend vorangetrieben schäftsmodelle in der Energiewirtschaft. et 61. Jg.,
werden. Weiterhin wird der regionale Leistungsausgleich (2011), Heft 11, 72-75.
künftig eine Aufgabe, die nicht nur als Methode zur Netz- [6] siehe zur Differenzierung von Marktrolle und Markt-
führung zu sehen ist, sondern als eine erforderliche Unter- teilnehmer BMWi-Fachforum Marktrollen und Ge-
stützung der Akteure auf Marktebene. Es ist davon auszu- schäftsmodelle am 25.11.2011
gehen, dass die zukünftig verteilte und immer dezentrale- [7] BDEW: Anwendungsfälle (Use Cases) im Smart
re, volatile Erzeugung zu zunehmenden Leistungsdiffe- Grid: Fokus Strom, 16.04.2012
renzen und Abweichungen auch im Verteilungsnetze füh- [8] VDE-ITG: VDE Positionspapier Energieinforma-
ren wird. Der VNB sollte daher eine aktivere Rolle mit tionsnetze und -systeme Teil B Geschäftsmodelle
zunehmender Verantwortung für Systemdienstleistungen (Frankfurt 2012)
zum regionalen Leistungsausgleich erhalten.
Die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle erfolgt auf Basis
von Smart Grids. Bisher sind die Kosten für den Aufbau
von geeigneter IKT dafür zu hoch und stellen somit eine
Markteintrittsbarriere dar. Nach dem Aufbau eines Smart
Grid mit Basis-Funktionalitäten und der Möglichkeit zur
günstigen Erweiterbarkeit auf neue Anlagen sinken diese
Kosten. Alle Marktakteure können das Energie-
Informations-System als Teil des Smart Grid nutzenSie können auch lesen