"Es schmerzt, wenn Adler abgeschossen werden" - BirdLife Luzern
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Im Gespräch «Es schmerzt, wenn Adler abgeschossen werden» Zugvogelprojekt im Libanon. Martin Käch – Vorstandsmitglied von BirdLife Luzern – hat diesen Herbst ein Projekt im Libanon durchgeführt. Dank einem Zugvogel-Beobachtungsposten und Öffentlichkeitsarbeit konnte er zahlreiche Menschen über die Vögel informieren und sie davon überzeugen, dass die Wilderei den teils gefährdeten Arten massiv schadet. Im Interview erzählt Martin Käch, was er erlebt hat. Stefan Bachmann che, Pelikane und Bienenfresser ge- den von der Gemeinde ausserordent- André Béchara/SPNL zählt. Dabei haben wir rund 28 500 lich grosszügig aufgenommen und Vögel notiert, darunter 24 Greifvogel- unterstützt. Zudem pflegten wir Kon- arten. Eindrücklich war insbesonde- takte zu libanesischen NGOs und re die Menge an Schreiadlern und empfingen rund 200 Schülerinnen Kurzfangsperbern. Unsere Zählstati- und Schüler an der Zählstation. Wir on war jedoch für die ganz grossen sind dadurch weit im Land herum be- Zahlen, wie man sie zum Beispiel aus kannt geworden, ganz sicher auch dem georgischen Batumi kennt, lei- bei den Jägern und Wilderern. der nicht ganz ideal gelegen. Dafür Viele Einheimische redeten uns konnten wir einzelne Vögel aus sehr gut zu und waren froh über unseren geringer Distanz beobachten: Schlan- Einsatz gegen die sinnlose Vogeljagd, gen-, Zwerg- und Schreiadler zeigten welche sie selber als eine Schande für sich bei besten Lichtverhältnissen. ihr Land ansehen. Sie wollen, dass D er Libanon liegt an der östlichen Hauptroute für Europas Zugvö- gel. Jeden Herbst und Frühling flie- Wie verliefen die Gespräche über den Vogelschutz und die Wilderei – haben das eigentlich moderne Jagdgesetz angewendet wird. Auch der Kontakt zu den verantwortungsvollen Jägern gen Hunderttausende von Greifvö- sie etwas gebracht? war gut. geln und Störchen über das kleine Unser Projekt hat eine sehr grosse Land am Mittelmeer. Leider ist der Wirkung, davon bin ich überzeugt. Trotzdem: Viele Libanesen scheinen Libanon auch ein Hotspot der Wilde- Nur schon die regelmässigen Berichte das illegale Abschiessen von Vögeln rei: Es wird auf alles, was durchfliegt, auf Facebook erreichten viele, und in als Sport zu betreiben. geschossen. Der Schweizer Martin der Gemeinde Hammana standen wir Die Lage ist im Libanon in der Tat Käch – Vorstandsmitglied von Bird- in sehr engem Kontakt mit der Bevöl- dramatisch. Ich bange grundsätzlich Life Luzern – hat deshalb im Herbst kerung und den Behörden. Wir wur- um jeden Vogel, der tief fliegt oder 2019 ein Projekt im Land durchge- Martin Käch (3) führt, um die Bevölkerung für den Vogelschutz zu sensibilisieren. Zu- sammen mit Einheimischen und un- ter Mitwirkung von BirdLife-Partnern organisierte er einen Vogelbeobach- tungsposten. Das Projekt erhielt viel Aufmerksamkeit. Martin Käch, du warst während zehn Wochen in Hammana östlich von Bei- rut. Dort hast du einen Beobachtungs- posten betrieben. Wie viele Vögel flo- gen über eure Köpfe? Wir haben «nur» vom 10. Septem- ber bis am 3. Oktober systematisch alle durchziehenden Greifvögel, Stör- 14 ornis 6/19
Doug Radford Jérôme Vonarburg Links: Martin Käch empfängt eine Schul- klasse. Unten: Am Beobachtungsstand wurden fast 30 000 Vögel beobachtet, so auch dieser Schreiadler (oben). sich irgendwo zur Rast niederlässt. Es wird vielerorts auf alles, was fliegt, geschossen. Das Wissen über die Vo- gelarten und ihre Verletzlichkeit ist gering. Man nimmt seine Schrotflin- te und legt los, auch mitten im Wohn- gebiet. Von der Beute wird meist das Fleisch gegessen, aber oft wird auch nur zum Spass geschossen. Die ewige Knallerei ist eine hässli- che Seite des Libanons. Man sieht grundsätzlich nur wenige Vögel, und alle sind sehr scheu. Die Spuren der Jagd sind stets sichtbar: Es gibt kaum einen Ort, wo man keine leeren Schrothülsen finden würde… Gibt es denn neben eurem Projekt kei- abhängig von unserem Projekt wurde den Vogelmord machten in den letz- ne Fortschritte? der Zugvogelschutz auf höchster Ebe- ten drei Jahren die Hotspots der ille- Doch, es gibt grosse Fortschritte. ne zu einem wichtigen Thema er- galen Jagd ausfindig, und es fanden Die Standortgemeinde unseres Pro- klärt. Selbst der Präsident des Landes zahlreiche Festnahmen statt. Zurzeit jekts hat sich selber zu einem siche- sprach sich für einen Frieden zwi- gibt es wirklich viele Zeichen der Bes- ren Ort für Zugvögel erklärt, und die schen Menschen und Natur aus und serung! Polizei ging unseren Hinweisen auf wies die Sicherheitsbehörden an, ge- Wilderei nach, konfiszierte illegale gen die Wilderei vorzugehen. Bird- Hat denn ein Greifvogel überhaupt die Fanggeräte und stellte Wilderer. Un- Life Libanon und das Komitee gegen Chance, den Zug entlang der Mittel- meerküste zu überleben? Die Zahl der Greifvögel, die den Libanon überfliegen, ist unglaublich Seite 14 oben: Gruppenfo- gross. Viele fliegen hoch, und man- to mit dem Projektteam che schaffen die Reise in einem Tag und Besucherinnen und und ohne zu rasten, das zeigen Ergeb- Besuchern. nisse aus Forschungsprojekten. Es Seite 14 unten: Die schmerzt natürlich, wenn prächtige Gemeinde Hammana hat Schlangen- oder Schreiadler abge- sich zur vogelfreundlichen schossen werden. Doch gemessen an Zone erklärt. der Zahl reicht das alleine kaum für Rechts: Andernorts ist die einen Bestandesrückgang. Anders Vogeljagd allgegenwärtig. sieht es etwa bei viel selteneren Ar- 6/19 ornis 15
Rechts: Dieser Sperber mit verletztem Flügel Doug Radford wurde wohl angeschossen. Unten: Der Projektmitarbeiter Valentin Moser (rechts) von der Ornithologischen Gesellschaft Basel im Gespräch mit jungen Jägern. Martin Käch Ideen. Schliesslich bot sich die Mög- lichkeit für eine berufliche Auszeit, während BirdLife Libanon mich gleichzeitig um die Errichtung eines Zugvogelbeobachtungsstandes bat. Daraus ist in Zusammenarbeit mit Partnern das Projekt entstanden. Wie geht es nun weiter? Alle Beteiligten haben den star- ten aus, so zum Beispiel beim Warum brauchen diese Organisationen ken Willen, 2020 weiterzumachen. Schmutzgeier. Dessen Population ist Hilfe aus dem Ausland? Die diesjährige Pilotphase hat aller- im Balkan sehr klein, und es gibt ein Die Hilfe ist sehr wichtig. Zum ei- dings gezeigt, dass der gewählte Ort Auswilderungsprojekt. Wenn dann nen, was das Know-how und die Fi- nicht ganz optimal liegt. Darum die Reise eines besenderten Vogels im nanzen betrifft, zum anderen aber braucht das Projekt eine geografische Libanon tödlich endet, dann war der auch rein ideell. Die Libanesen sind Ausdehnung, was den Einbezug wei- ganze Aufwand für nichts. Da kann stolze Menschen und fühlen sich ge- terer Gemeinden bedingt. Wichtiger die Wilderei für einzelne Arten in schmeichelt, wenn jemand sich für als das Zählen ist die Aufklärungsar- der Tat existenzbedrohend sein. ihr Land interessiert. Dabei darf man beit und Bewusstseinsschulung. Da Man darf nicht vergessen, dass natürlich nicht belehrend auftreten. braucht es jemanden, der das Ganze auch die Singvögel intensiv gejagt Das ehrliche Interesse ist wichtig, professionell managt. Ideal wäre es, werden. Der Schutz der Greifvögel und es hinterlässt einen grossen Ein- wenn ein grosser BirdLife-Partner das steht im Libanon deshalb auch für ei- druck, wenn Leute in ihr Land kom- Projekt übernehmen würde, denn es nen neuen, friedlicheren Umgang men, um Vögel zu zählen und dafür sprengt den Rahmen eines ehren- mit der Natur, das Beenden eines fa- erst noch etwas bezahlen! amtlichen Engagements. natischen Waffengebrauchs und eine gesetzestreue Regierung und Gesell- Wie ist die Sicherheitslage im Land? Stefan Bachmann ist Redaktor von Ornis. schaft ohne Korruption. Wir Europäer haben eine falsche Weitere Infos: www.birds-libanon.ch Vorstellung vom Libanon, zu sehr Du hast mit dem libanesischen Bird- haftet das Stigma des Bürgerkriegs Life-Partner zusammengearbeitet. Ha- noch an diesem Land. Weite Teile des ben solche Naturschutzorganisationen Landes können gefahrlos bereist wer- Flaschenhals Libanon im Libanon einen grossen Einfluss? den. In einigen Landesteilen ist aber Die Society for the Protection of Vorsicht geboten, und man sollte sie Der Libanon ist ein Flaschenhals in Nature in Lebanon (BirdLife Libanon) nicht ohne gute Reiseführer besu- der östlichen Zugvogelroute. Über ist seit über 30 Jahren aktiv und hat chen. Das gilt leider auch für einige eine Million Greifvögel und andere bestimmt schon vieles erreicht. Die ornithologisch besonders interessan- grosse thermiksegelnde Vögel, von Organisation ist zwar relativ klein, te Landesteile im Norden. denen einige weltweit bedroht sind, verfügt aber über ein sehr gutes Netz- fliegen durch den Korridor. Der Fla- werk und hat beste Verbindungen zu Wie ist eigentlich die Idee zu deinem schenhals wird gebildet durch die den höchsten politischen Stellen. Na- Projekt entstanden? Mittelmeerküste, das Libanongebir- tur- und Umweltschutz sind auch im Am Anfang stand der Besuch ei- ge und die Wüste. Von ausseror- Libanon ein Anliegen von immer nes Freundes, der im Libanon für die dentlicher Bedeutung sind die mehr Leuten. Der Druck aus der Zivil- DEZA arbeitete. Dabei erlebte ich erst- grossen Zahlen an Weissstörchen, bevölkerung wächst. Das hat zur mals den intensiven Vogelzug. Ich Schreiadlern und Kurzfangsperbern. Gründung neuer Naturschutzorgani- lernte die libanesische Gastfreund- Von den letzteren beiden ziehen sationen geführt, wie z. B. «Lebanese schaft kennen und traf auf Libane- praktisch die ganzen Populationen Wildlife» oder die «Association for sen, die eine ähnliche Passion für Vö- durch den Libanon. Bird Conservation in Lebanon». gel pflegen wie ich. So keimten erste 16 ornis 6/19
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