In Zukunft wird mit mehr Abfall gerechnet - HK-Gebäudetechnik

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In Zukunft wird mit mehr Abfall gerechnet - HK-Gebäudetechnik
52   | HK-Gebäudetechnik 6-7/19 |             Energie | Wärme | Strom |

     Recycliertes Material aus PV-Modulen: hinten Glas und Rahmen-Metalle, vorne ein Haufen von           Wiedergewonnene Metalle aus gebrauchten Batterien werden
     Verbundfolie-Material.                                                                               (Bilder: Stiftung Sens E-Recycling)

     Entsorgungs- und Recycling-Ströme aus der PV-Nutzung werden sich langfristig stark erhöhen

     In Zukunft wird mit mehr Abfall gerechnet
     Stationäre oder mobil genutzte Lithium-Ionen-Batterien oder PV-Module sind erstaunlich langlebig. Dennoch werden
     Kapazitäten für die Entsorgung und fürs Recycling laufend erweitert. Denn mittelfristig erwartet man bedeutend
     mehr Mengen dieser Komponenten im Materialrücklauf.

     Manuel Fischer
     ■ Generell wird von der Industrie und                 Infrastruktur steht bereit, diese Aufgabe      Entsorgungsfinanzierung ist zurzeit immer
     von der Bauwirtschaft das Schliessen von              auch langfristig ohne Probleme zu bewälti-     noch freiwillig», sagt Roman Eppenberger,
     Materialkreisläufen gefordert. Da ist es nur          gen. Analog der sehr gut ausgebauten Ent-      Bereichsleiter Operations bei Sens eRecyc-
     folgerichtig, dass auch die solare Stromer-           sorgungslogistik mit zahlreichen anderen       ling. Momentan gibt es nur eine Rücknah-
     zeugung und -speicherung dem Anspruch                 Werkstoffen (Glas, Metall, PET usw.) wird      mepflicht für defektes Elektromaterial. Die
     einer umfassenden Umweltverträglichkeit               das Sammeln gebrauchter elektrischer oder      Revision der Verordnung über die Entsor-
     nachkommt. Verständlich, wenn beispiels-              elektronischer Geräte durch eine vorgezoge-    gung elektrischer und elektronischer Geräte
     weise folgende Frage formuliert wird:                 ne Recycling-Gebühr (vRG) finanziert. Vom      sieht künftig eine PV-Rücknahmepflicht für
     «Schadet eine Batterie der Umwelt mehr, als           Rasenmäher über den Toaster bis zum Han-       alle Unternehmen vor.
     dass sie ihr nützt?» Viele Faktoren führen            dy, Computer und Fotoapparat: In jedem
     dazu, dass die Antwort keinesfalls knapp              elektrischen bzw. elektronischen Gerät ste-    Alte PV-Module – Menge wird wachsen
     und einfach ausfallen kann. Denn Umwelt-              cken wertvolle Rohstoffe, die nach dem Re-     Seit Beginn 2015 werden Altmodule ausran-
     belastungspunkte fallen bereits bei der Ge-           cycling wieder verwertet werden können.        gierter PV-Anlagen offiziell an den Sammel-
     winnung der Rohstoffe an, bei der Herstel-            Diese Aussage gilt ebenso für PV-Module        stellen entgegengenommen. Im Vergleich
     lung, dem Transport und der Verteilung                und für Lithium-Ionen-Batterien, die aktuell   zu den rund 130 000 Tonnen (t) Elektro-
     von Gütern (Batterie, PV-Modul), bei der              in Hausspeichern oder E-Mobilen verwen-        schrott, die in der Schweiz jährlich anfallen,
     mehrjährigen Einsatzdauer der Geräte und              det werden. Die Stiftung «Sens eRecycling»     stammten im Jahre 2017 nur rund 337 t aus
     schliesslich der fachgerechten Entsorgung             hat sich aufgrund eines Vertrags mit Swis-     ausgedienten PV-Anlagen. Roman Eppen-
     und dem Recycling. Wir befassen uns hier              solar verpflichtet, ausgediente Photovolta-    berger spricht von «homöopathisch kleinen
     nachfolgend mit letzterem Aspekt.                     ik-Anlagen (PV) kostenlos zu übernehmen.       Mengen». Im Folgejahr ging die Menge auf
                                                           Die Hersteller und Importeure von PV-Mo-       277 t zurück, entgegen dem Trend, da offen-
     Entsorgungsinfrastruktur steht                        dulen bezahlen die Entsorgung über eine        bar viele der 2017 rückgeführten PV-Modu-
     Die Schweiz ist für die Entsorgung solar-             vRG, wobei die meisten, aber nicht alle, Ak-   le Mängel aufwiesen. Dennoch rechnet er
     technischer Anlagen gut gerüstet. Denn die            teure mitmachen. «Die Teilnahme an der         langfristig mit einem Mengenwachstum um
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                                                      Kupfer oder Aluminium sowie Kunststof-
                                                      fen. Der eigentliche Kern des PV-Moduls,
                                                      die Halbleiter aus Silicium, macht kaum 2 %
                                                      des Modulgewichts aus, Tendenz sinkend.
                                                      Aus Altmodulen werden Sekundärrohstoffe
                                                      gewonnen: Aluminium geht in Aluminium-
                                                      hütten, Glas wird zu Dämmwolle und
                                                      Kunststoff gelangt in die Kehrichtverbren-
                                                      nungsanlage. Nur beim Metall ist der Kreis-
                                                      lauf vollständig geschlossen, beim Glas nur
                                                      teilweise.
                                                      In der Schweiz besteht die Hauptaufgabe in
                                                      der geordneten Rückführung der PV-Modu-
                                                      le und der Aufbereitung der Stoffe Glas und
                                                      Metall. «Glas ist ein Werkstoff mit wenig
                                                      Wert, da braucht es riesige Mengen», sagt
                                                      Roman Eppenberger. Der gesammelte Ab-
                                                      fall wird in spezialisierten Hightech-Anla-
                                                      gen der Firma Reiling ins deutsche Ruhrge-
                                                      biet verfrachtet. Dort sind spezielle
                                                      Werkzeuge im Einsatz, denen die abrasive
                                                      Eigenschaft von Glas nichts anhaben kann.
u.a. zu Zinkbarren gegossen.                          So gesehen lässt sich auch in mittelfristiger
                                                      Zukunft kaum ein Investor dazu bewegen,
                                                      in der Schweiz ein auf PV-Abfall speziali-
                                                      siertes Recyclingwerk zu betreiben.
       den Faktor 20 bis 50 bis im Jahre 2030. Eine
       Prognose ist mit vielen Unsicherheiten be-     Rücklauf und Recycling der Batterien
       haftet, da man nicht weiss, ob die PV-Anla-    Zuständig für die Rücknahme von wieder
       genbetreiber ihre Module tatsächlich erst      aufladbaren Lithium-Ionen-Akkumulatoren
       am Ende ihrer voraussichtlichen Lebenszeit     ist hingegen die Organisation Inobat in
       von 25 oder 30 Jahren von ihren Dächern        Bern, welche die Zielvorgabe vom Bundes-
       demontieren.                                   amt für Umwelt (BAFU) verfolgt, die Recyc-
       Der Löwenanteil (9 von 10 Teilen) des Mate-    lingquote von Batterien aller Typen von ak-
       rials, das in PV-Modulen verbaut wird, be-     tuell unter 70 % auf mindestens 80 %
       steht aus Flachglas, der Rest besteht aus      anzuheben. Inobat orchestriert heute ein
                                                      sehr dichtes Netz von Sammelstellen für
                                                      Altbatterien in der Schweiz. Alle Inverkehr-
                                                      bringer von Batterien sind verpflichtet, Bat-
                                                      terien zurückzunehmen.
                                                      Das Unternehmen Batrec in Wimmis be-
                                                      sorgt das Recycling von Batterien aller Art.
                                                      Bei grösseren Batterien (Traktionsbatterien
                                                      oder stationäre Energiespeicher) wird als
                                                      erster Schritt nach deren Entladung das Bat-
                                                                     teriesystem in Einzelteile zer-
                                                                          legt. Dabei werden bei-
                                                                             spielsweise Gehäusetei-
                                                                             le, das Batteriemanage-
                                                                             mentsystem       (Elektro-
                                                                            nik) oder das Kühl-
                                                                            system demontiert und
                                                                           einer Verwertung zuge-
                                                                           führt. Im Anschluss kann
                                                                           dann die Verwertung der
                                                                           eigentlichen Zellen erfol-
                                                                            gen. Das Schreddern der
                                                                                      Zellen und ein
                                                                                        erster mecha-
       Inobat stellt spezielle Stahlfässer zur                                           nischer Auf-
       Verfügung, welche mit einem feuer-
                                                                                          bereitungs-
       hemmenden Material ausgerüstet sind,
       um Lithium-Ionen-Batterien sicher zu                                            schritt erfolgen
       entsorgen. (Bild: Inobat)                                                     in der Schweiz,
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     die nachfolgende nass-chemische Auf-              von 400 km pro Batterieladung würden                            Second Life
     bereitung erfolgt in einer Schwesterfir-          300 volle Zyklen pro Jahr einer Jahres-                         Der heute beobachtete Anstieg in den
     ma (Veolia-Konzern) in Frankreich.                laufleistung von 120 000 km entsprechen                         Verkaufszahlen von Elektroautos wird
                                                       bzw. bei 10 Jahren einer Gesamtleistung                         in mittelfristiger Zukunft eine Auswir-
     Batterie überlebt E-Auto                          von 1,2 Mio. km. Diese Zahlen verdeut-                          kung auf die Entsorgung der Batterien
     Das künftige Volumen aus Lithium-Bat-             lichen bereits die enorme Lebensdauer                           haben. Der Anstieg im Rücklauf wird
     terien aus Hausspeichern oder Elektro-            der Batterien, die mitunter jene des Au-                        erst mit einer Verzögerung von 8 bis 10
     fahrzeugen ausser Dienst ist noch über-           tos weit überschreiten.»                                        Jahren ab heute beobachtbar sein. Bei
     haupt nicht absehbar. «Die Lebensdauer            Man darf annehmen, dass auch E-Fahr-                            Hausspeichern wird die Lebensdauer
     der Lithiumbatterien in diesen Anwen-             zeuge nach zehn Jahren ihre Einsatz-                            der Batterien vermutlich noch länger
     dungen ist sehr lang. 3000 Ladezyklen             dauer beenden werden. Übliche Abnut-                            sein. Inzwischen gibt es bereits Projekt-
     sind durchaus machbar», sagt Dieter               zungserscheinungen (z. B. Karosserie)                           ideen, das ganze Potenzial der sehr lan-
     Offenthaler, Geschäftsführer von Batrec,          oder neue Ansprüche ans Design, an                              gen Lebensdauer dieses Batterietyps zu
     und macht ein Rechenbeispiel: «Eine               die Geräumigkeit usw. werden zu                                 nutzen. Aus technischer Sicht sei es
     Batterie (des Typs NMC) müsste an 6               Neukäufen animieren. «Der Lifecycle                             zwar sinnvoll, so Offenthaler, eine Bat-
     Tagen in der Woche (300 Tage pro Jahr)            des Akkumulators ist definitiv kein                             terie mit einer Restkapazität von 70 bis
     über einen Zeitraum von zehn Jahren               begrenzender Faktor, ein neues E-Fahr-                          80 % für eine stationäre Energiespeiche-
     (10 x 300 Zyklen) jeweils vollständig             zeug kaufen zu müssen», so Offent-                              rung zu verwenden. Für solche Anwen-
     entladen werden. Bei einer Reichweite             haler.                                                          dungen seien jedoch auch die Fragen
                                                                                                                       rund um die Produkthaftung oder die
                                                                                                                       Akzeptanz von Hauseigentümern für
                                                                                                                       ein «gebrauchtes Produkt» noch unge-
                                                                                                                       klärt.
                                                                                                                       Als vielversprechender schätzt Offen-
                                                                                                                       thaler Second-Life-Projekte ein, die im
                                                                                                                       industriellen Massstab ausprobiert wer-
                                                                                                                       den. Er erwähnt ein ambitioniertes Vor-
                                                                                                                       haben des Automobilbauers Daimler
                                                                                                                       und weiterer Industriepartner. Der che-
                                                                                                                       mische Stromspeicher in Lünen (Nord-
                                                                                                                       rhein-Westfalen) setzt sich aus rund
                                                                                                                       tausend Batterien aus bislang elektrisch
                                                                                                                       betriebenen Smart-Autos zusammen.
                                                                                                                       Dieser ging 2017 ans Netz. Der aktuell
                                                                                                                       grösste Second-Life-Batteriespeicher der
                                                                                                                       Welt hat die Aufgabe, Schwankungen
                                                                                                                       im deutschen Stromnetz auszugleichen
                                                                                                                       (13 MWh).                              ■

                                                                                                                       www.batrec.ch
                                                                                                                       www.inobat.ch
     Ein Lithium-Ionen-Akku ist teurer als ein Blei-Akku und dennoch eine wirtschaftliche Anschaffung                  www.erecycling.ch
     dank der höheren Lebensdauer und dem höheren Wirkungsgrad. Die beiden – hier dargestellten –                      www.swissolar.ch
     Subtypen unterscheiden sich hinsichtlich Energiedichte und Betriebssicherheit graduell.
     (Bild: EnergieSchweiz)

     Es bestehen diverse Typen von Lithium-Ionen-Batterien, die sich v. a. in der Wahl des Kathodenmaterials unterscheiden.
     Der Batterietyp LFP (Lithium-Eisenphosphat-Akku) hat eine lange Lebensdauer und verfügt über eine hohe Betriebssicherheit.
     Batterien des Typs NMC (Lithium-Mangan-Nickel-Kobalt) werden in Elektrofahrzeugen verbaut. (Bild: Batrec Industrie AG)
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