"Es wird normaler, Hilfe zu suchen" - Universitäre ...

 
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"Es wird normaler, Hilfe zu suchen" - Universitäre ...
7. September 2021
                                                                        Nationale Tageszeitung
                                                                        Seite 1-3 / 147'880 mm²

      BZ Berner Zeitung                                                 CHF 31'457 Werbewert
      031 330 33 33                                                     174'162 Auflage

                                   "Es wird normaler,
                                   Hilfe zu suchen"
                                   Suizidprävention Jeden Tag ster-      che, die tatsächlich Hilfe holen
                                   ben in der Schweiz zwei bis drei      würden, sagt Kaess. Er plädiert
                                   Menschen durch Suizid. Darun-         für eine solide Finanzierung der
                                   ter sind oft jüngere Personen. Su-    Kinder- und Jugendpsychiatrie.
                                   izid ist bei den 12- bis 15-Jähri-    Immerhin sei das Thema in den
                                   gen nach Verkehrsunfällen die         letzten Jahren stärker an die Öf-
                                   zweithäufigste Todesursache.          fentlichkeit gekommen und es
                                   Sehr oft liege einem Suizid eine      werde normaler, Hüte zu suchen.
                                   psychische Erkrankung zugrun-            Suizidgedanken waren für die
                                   de, sagt Michael Kaess, der die       27-jährige Chantal Ruchti der
                                   Universitätsklinik für Kinder-        Auslöser, Hilfe zu holen. Heute
                                   und Jugendpsychiatrie und Psy-        weiss Ruchti um ihre psychische
                                   chotherapie Bern leitet. Es gebe      Erkrankung, sie ist in Behand-
                                   deutlich mehr psychisch kranke        lung und möchte Jugendliche
                                   Kinder und Jugendliche als sol-       sensibilisieren,   (lea)

Seite 1 | 3   Clip #1112262568 lizenziert für                                 Kundenservice: 044 500 4460
              Universitäre Psychiatrische Dienste Bern (UPD), Bern 60               service@bluereport.net
"Es wird normaler, Hilfe zu suchen" - Universitäre ...
7. September 2021
                                                                                                                          Nationale Tageszeitung
                                                                                                                          Seite 1-3 / 147'880 mm²

         BZ Berner Zeitung                                                                                                CHF 31'457 Werbewert
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     "Vertraue dich jemandem an"
     Zum Tag der Suizidprävention Ihre Suizidgedanken waren für sie der Auslöser, Hilfe zu holen. Jetzt weiss Chantal Ruchti
     um ihre psychische Erkrankung und möchte Jugendliche sensibilisieren.

     Lea Stüber

     Und dann sagt sie diesen Satz,
     der hart wirken könnte, bei ihr
     aber vor allem erleichtert klingt.
     "Retrospektiv betrachtet: Man
     hätte schon früher merken kön-
     nen, dass etwas nicht stimmt mit
     mir", sagt Chantal Ruchti, heute
     27 Jahre alt und damals die
     17-Jährige, die halbprofessionell
     Fussball spielte beim FC Basel,
                      -

     im U-20-Nationalteam und nur
                              -

     noch weinte, weil sie Angst hat-
     te, ins Training zu gehen.
        Retrospektiv. Ein Wort, das
     Chantal Ruchti gerne benutzt.
     Wenn sie also zurückblickt,
     10 Jahre, 15 Jahre, in ihre Jugend,
     dann sieht sie, was sie in dieser
     Zeit nicht sah: Sie hat eine psy-
     chische Erkrankung. Jetzt weiss
     sie wenigstens, was mit ihr los ist.
        Darum also verletzte sie sich
     selber, darum hörte sie die Stim-
     menin ihrem Kopf, schon seit sie
     12 Jahre alt ist. Darum auch hat-
     te sie Suizidgedanken. Heute ist
     Chantal Ruchti in psychiatrisch-
     psychologischer Behandlung,
     fünf Stunden pro Woche. Das war
     sie viele Jahre nicht, sie machte
     vieles mit sich selber aus.
     Mit der bestenFreundin
     zum Psychiater
     Es dauerte drei Jahre, bis sie mit
     dem Fussball aufhörte. Weitere
     vier, bis sie sich ihrer besten
     Freundin anvertraute.
        Sie war mitten in ihrem Me-
     dizinstudium, als wegen eines
     Streits gar nichts mehr ging. Sie
     ass nichts, trank nichts, ging
     nicht aus dem Haus, auch nicht
     in die Vorlesungen an der Uni.
     Nach einigen Tagen besuchte
     ihre beste Freundin sie. Es war
     der Moment,als Chantal Ruchti
     zum ersten Mal erzählte, wie es        "Ich will nicht,
     ihr wirklich geht. Von den Selbst-
     verletzungen sprach sie erst zwei
                                            dass jemand
     Monate später. Bis sie auch die        getriggert wird."
     Stimmen erwähnte, die sie hör-
     te, dauerte es noch länger.            Chantal Ruchti                         Lange wusste Chantal Ruchti nicht, dass das, was sie fühlt, eine psychische Erkrankung ist.     Foto: BeatMathys
        Am nächsten Tag schaffte sie
     es wieder an die Uni, sass neben
     der Freundin. Mitten in der Vor-       häufigsten sind im Jugendalter         ihre Freundinnen oder Bekannte        Wenn sie suizidal ist, ruft sie ih-    Es gebe deutlich mehr psychisch       Es brauche eine solide Finanzie-
     lesung kamen ihr die Tränen.           Depressionen, gefolgt von Angst-       jedes Mal von neuem schwierig         ren Mann an oder auch ihre Spi-        kranke Kinder und Jugendliche         rung der Kinder- und Jugendpsy-
     "Ich kann nicht mehr", habe sie        erkrankungen, Essstörungen             sei und die Beziehungenbelas-
                                                                                      -
                                                                                                                         texbetreuerin. Einmal habe die-        als solche, die tatsächlich Hilfe     chiatrie, so Kaess. Nur so könne
     ihrer Freundin gesagt und die-
                             -
                                            und Persönlichkeitsstörungen.          te -, könne sie verstehen. "Egal,     se sie per Telefon in die Klinik       holten, sagt Psychiater Michael       das Angebo t vergrössert werden.
     se reagierte.                                                                 ob ich es war, die das tun wollte,    gelotst. Oder sie wählt den psy-       Kaess, er stellt einen sogenann-      Aber nicht nur das. Das grösste
        Zusammen verliessen sie den         Mit der psychischen                    oder ein Persönlichkeitsanteil:       chiatrischen Notfall. Dort wird        ten "Help-Seeking-Gap" fest.          Problem sieht Kaess im Fach-
     Hörsaal und gingen zum Psych-          Erkrankung leben                       Die Konsequenz ist dieselbe."         entschieden, wie akut und drin-                                              kräftemangel. "Ohne qualifizier-
     iater. Während sie Suizidgedan-        Bei Chantal Ruchti waren ihre             Sie ist froh um Verständnis,       gend die Situation ist, ob sie sta-    Monate auf ein                        tes Personal können wir nicht
     ken hatte, klärte die Freundin das     Suizidgedanken der Auslöser für        wenn sie kurzfristig ein Treffen      tionär bleiben muss. Chantal           Erstgespräch warten                   ausbauen." Jüngstmussten, wie
     Organisatorische mit den Versi-        die Suche nach ihrer psychischen       mit Freundinnen absagt,weil es        Ruchti erlebt es als langes, müh-      Woran liegt das? Einerseits, so       das "Regionaljournal" von Ra-
     cherungen. "Sie hat mir alles ab-      Erkrankung. Erst hiess es, sie         ihr nicht gut geht. Mehr erwarte      sames Prozedere. "Es wäre              Kaess, am nach wie vor vorherr-       dio SRF berichtete, im Kanton
     genommen, das war so wertvoll."        habe eine Borderline-Persön-           sie aber nicht. "Es ist der Klassi-   schön, wenn dieser Weg zu Hil-         schenden Stigma     -
                                                                                                                                                                                        gegenüber     Bern zwei Akutabteilungen der
        Jeden Tag sterben in der            lichkeitsstörung. Seit Dezember        ker", sagt sie und schmunzelt.        fe noch kürzer wäre", sagt sie.        dem Label einer psychischen Er-       Erwachsenenpsychiatrie schlies-
     Schweiz zwei bis drei Menschen         lautet die Diagnose: Dissoziati-       "Ich möchte niemandem zur Last        Gerade am Anfang kostete es sie        krankung, aber auch gegenüber         sen, wegen Personalmangels.
     durch Suizid, zur Anzahl von Su-       ve Identitätsstörung (DIS). Ver-       fallen."                              Überwindung, dort anzurufen.           den Psychiatrien als Institutio-
     izidversuchen fehlen zuverlässi-       schiedene Persönlichkeitsantei-                                                                                     nen. "Die Androhung von Eltern:       Den Alltag
     ge Daten. Bei den 12- bis 25-Jäh-      le übernehmen dabei abwech-
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7. September 2021
                                                                            Nationale Tageszeitung
                                                                            Seite 1-3 / 147'880 mm²

      BZ Berner Zeitung                                                     CHF 31'457 Werbewert
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                                                               Seit einigen Monaten schreibt sie    Weg geben, retrospektiv, dann
                                                               in ihrem Blog "Be Many!" über        würde sie ihm heute sagen:
                                                               psychische Gesundheit, und auch      "Höre auf mit dem Fussball, das
                                                               über DIS. "Die Leute wissen da-      tut dir nicht gut." Und: "Vertraue
                                                               rüber zuwenig", sagt sie. Sie hät-   dich jemandem an." Denn wie
                                                               te sich gewünscht, dass psychi-      solle man wissen, sagt Chantal
                                                               sche Gesundheit in der Schule        Ruchti, dass etwas nicht normal
                                                               ein Thema gewesenwäre, etwa          ist Stimmen hören etwa
                                                                                                        -

                                                               in einer der vielen Projektwo-       wenn man gar nicht weiss, dass
                                                               chen. "Ich bin mir sicher: Ich war   es nicht normal ist?
                                                               nicht die Einzige, die psychische
                                                               Probleme hatte."                     Zum Welttag der Suizidprävention
                                                                  Bald wird sie für Zeta Move-      findet am 10. September von 16 bis
                                                               ment Schulbesuche machen und         18 Uhr in Bern auf dem Waisen-
                                                               über ihre persönlichen Erfahrun-     hausplatz die Vernissage zur Pla-
                                                               gen sprechen. "Ich möchte, dass      katkampagne "Takecare.me" des
                                                               es gar nicht so weit kommt wie       Berner Bündnisses gegenDepres-
                                                               bei mir bis zu Suizidgedanken
                                                                        -

                                                                                                    sion und der Hochschuleder
                                                               und Suizidversuchen. Und dass        Künste Bern statt.
                                                               die Jugendlichen wissen, dass sie
                                                               niederschwellig Hüfe bekommen
                                                               können", sagt sie.                   Geht es dir nicht gut?
                                                                  Mit Schulbesuchen will das        Hast du Suizidgedanken?
                                                               2019 entstandene Projekt Zeta
                                                               Movement, mit Sitz in Bern, psy-     Pro Juventute berät Kinder und
                                                               chische Erkrankungen in der          Jugendliche via Tel. 147 vertrau-
                                                               Schweiz enttabuisieren und Ju-       lich, kostenlos   und rund   um die
                                                               gendliche für die Thematik sen-      Uhr. Die Dargebotene Hand ist
                                      "Ich war nicht           sibilisieren. Co-Präsident Dami-     via Telefon, Mail und Chat erreich-
                                                                                                    bar: Tel. 143. Der psychiatrische
                                      die Einzige,             an Stähli sagt: "Mit einem offe-
                                                               nen Dialog wollen wir die            Notfall der Universitären Psychiat-
                                      die psychische           Hemmschwelle senken, über
                                                               psychische Probleme zu spre-
                                                                                                    rischen Dienste (UPD) ist unter
                                                                                                    UPD.ch erreichbar.
                                      Probleme hatte."         chen und sich Hilfe zu holen."           Hilfe findest du auch unter
                                                                  Könnte Chantal Ruchti ihrem       Reden-kann-retten.ch, Feel-ok.ch
                                      ChantalRuchti            17-jährigen Ich etwas auf den        oder Wie-gehts-dir.ch.

Seite 3 | 3   Clip #1112262568 lizenziert für                                         Kundenservice: 044 500 4460
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