Expertenchat am 13.08.2018 Erziehung: Umgang mit digitalen Medien
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Expertenchat am 13.08.2018 Erziehung: Umgang mit digitalen Medien Medien spielen im Familienalltag eine immer größere Rolle und verändern das Zusammenleben. Konflikte sind an der Tagesordnung, denn Eltern und Kindern, aber auch die Partner, haben häufig unterschiedliche Vorstellungen, wie viel Mediennutzung „normal“ ist. Unsere Expertin zum Thema, Dr. Iren Schulz, hat in Erfurt zum Thema „Mediatisierte Sozialisation im Jugendalter. Kommunikative Praktiken und Beziehungsnetze im Wandel“ promoviert. Frau Dr. Schulz führt seit über zehn Jahren Workshops, Fortbildungen und medienpädagogische Praxisprojekte durch. Im Mittelpunkt stehen dabei aktuelle Themen wie Cybermobbing, Mediensucht und Datenschutz sowie Fake News, YouTube und Sexualisierung. Mit diesen Angeboten richtet sich Frau Dr. Schulz nicht nur an Eltern und Pädagogen, sondern auch direkt an Kinder und Jugendliche. Derzeit arbeitet sie als freie Dozentin an der Universität Erfurt und als Mediencoach beim Online-Elternratgeber SCHAU HIN!. In unserem anonymisierten Protokoll können Sie alle Fragen und Antworten zum Thema noch einmal nachlesen. Wieviel Zeit können Kinder täglich mit Internet, Handy, Fernseher verbringen, ohne dass es bedenklich wird? Eigentlich ist das eine sehr individuelle Frage, weil jedes Kind in der Entwicklung unterschiedlich weit ist und es verschiedene Schwellen in punkto Überforderung oder Angst gibt. Trotzdem gibt es Orientierungen, die sich nach dem Alter richten: Kinder bis 5 Jahre sollten nicht länger als eine halbe Stunde am Tag vor dem Bildschirm verbringen, bei Kindern zwischen 6 und 9 Jahren ist es eine Stunde. Bei Kindern ab 10 Jahren empfiehlt sich ein Wochenkontingent, das sich die Kinder selbständig einteilen können. Als eine andere Orientierung gilt ein Limit der Medienzeit von 10 Minuten pro Lebensjahr am Tag oder eine Stunde pro Lebensjahr in der Woche. Die Mediennutzung für die Schule ist dabei nicht anzurechnen. Mehr dazu findet sich unter https://www.schau-hin.info/informieren/extrathemen/medienzeiten.html Neben den Zeiten geht es natürlich auch immer um die Inhalte, die das Kind schaut – und darum, dass es wichtig ist, gemeinsam zu schauen und Gesehenes und Genutztes besprechen zu können. Wie kann man Teenager zum verantwortungsvollen Umgang mit sozialen Medien sensibilisieren (nicht nach der Methode aus Schaden wird man klug)? Ein ganz wichtiger Punkt ist die Vorbildrolle von Eltern: Kindern einen verantwortungsvollen Umgang vorzuleben und selbst kritisch und datenbewusst in sozialen Medien unterwegs zu sein, legt ein wichtiges Fundament für die Mediennutzung der Kinder. Daneben geht es um klare Absprachen und Regeln: Wenn Kinder damit beginnen, sich in sozialen Medien zu bewegen, dann sollten sie das in einem gewissen Rahmen tun: keine kritischen Fotos online stellen, keine privaten Infos preisgeben, sorgsam mit den Daten der Anderen umgehen. All das sind Eckpfeiler, die zu einem sicheren Bewegen in sozialen Medien beitragen. Wichtig ist es auch, Kinder bei ihren ersten Schritten und in der weiteren Nutzung zu begleiten: Dazu gehört das gemeinsame Einrichten von Profilen, das Besprechen von Erfahrungen und Interesse an den Aktivitäten der Kinder. Mehr dazu findet sich auch unter https://www.schau-hin.info/informieren/medien/chatten/goldene- regeln/11-13-jahre.html. Ab wie vielen Jahren kann mein Kind (altersgerechte) Kinderserien schauen und wie lange? 1
Kinder unter 3 Jahren sollten vor allem die „reale Welt“ buchstäblich begreifen und erfahren und noch nicht in Bildschirmmedien unterwegs sein. Mit dem Älterwerden spielen dann vor allem Bücher und Hörbücher bzw. CDs eine Rolle. Im Kindergartenalter werden dann aber auch Serien und Kinderangebote im Fernsehen und im Internet (YouTube etc.) interessant. Hier ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Inhalte eher kurz sind, klare einfache Handlungen und Rollen zeigen und nicht verängstigend oder verstörend wirken. Ein Happy End ist ganz wichtig! Grundsätzlich sollten Kinder in diesem Alter nicht alleine schauen, sondern bei ihren Medienerlebnissen begleitet werden. Wichtige Tipps und zusätzliche Hinweise finden sich hier: https://www.schau- hin.info/informieren/medien/schauen/wissenswertes/wie-lang-duerfen-kinder-fernsehen.html Informationen zu YouTube und YouTube Kids sind hier zusammengefasst: https://www.schau- hin.info/informieren/medien/chatten/wissenswertes/youtube.html Ich werde seit 10 Jahren auf Arbeit gemobbt. Ich habe ständig Angst davor, auf die Arbeit zu gehen – richtige Todesangst. Wir möchten Sie bitten, sich zu Ihrem Anliegen um Hilfe zu bemühen. In vielen Städten finden Sie Krisentelefone, an die Sie sich jederzeit kostenfrei wenden können. Hier finden Sie eine Auflistung des Angebots in Berlin: https://www.berliner-krisendienst.de/ (Anm. d. Red.). Kann man den Altersempfehlungen der FSK/USK trauen? Die Altersempfehlungen der FSK/USK basieren auf dem Jugendschutzgesetz und sind eine Orientierung, welche Inhalte für Kinder geeignet sind. Sie sind keine Einschätzung der pädagogischen Qualität, sondern geben wieder, ob ein Film oder ein Spiel für eine bestimmte Altersgruppe in Ordnung oder entwicklungsbeeinträchtigend ist. Für Eltern sind diese Empfehlungen eine wichtige Grundlage, auf die sie vertrauen können. Natürlich ist es daneben immer wichtig zu schauen, wie weit das eigene Kind entwickelt ist und wie sensibel oder robust es ist: Manche Kinder haben große Angst bei bestimmten Inhalten, über die andere Kinder lachen können. Mehr Infos zu den Einstufungen der USK und FSK finden sich hier: https://www.schau- hin.info/informieren/medien/spielen/wissenswertes/altersfreigaben-fuer-games.html und hier: https://www.schau-hin.info/service/initiativenatlas/detail/show/freiwillige-selbstkontrolle-der- filmwirtschaft-fsk.html Mein Sohn ist 8 und darf bis zu einer Stunde Medien konsumieren (TV, Tablet, oder PS4) momentan ist Minecraft sein Lieblingsspiel. Wenn seine Kumpels da sind, dürfen die länger zocken. Er kann schon Google, Wikipedia und vor allem YouTube bedienen. Mit dem Aufhören gibt's aber fast immer Diskussionen. Ich überlege gerade, ob er E-Books über ein Tablet lesen sollte. Wie würden Sie das einschätzen? Spielen, Surfen, neues Entdecken, Ausprobieren und Austesten – die Vielfalt der digitalen Medien und Dienste ist schier unendlich und natürlich für Kinder besonders reizvoll und spannend. Umso schwieriger ist es, ein Ende zu finden und auszuschalten. Dementsprechend sind Diskussionen und Konflikte vorprogrammiert. Das ist ganz normal und geht fast allen Eltern so. Eine große Hilfe ist der Mediennutzungsvertrag, der unter https://www.mediennutzungsvertrag.de/ zu finden ist. Hier kann man gemeinsam in der Familie festlegen, welche Regeln für alle gelten sollen. Das kann Nutzungszeiten betreffen, aber auch Inhalte oder medienfreie Zeiten und Tage. Wichtig ist, dass sich alle daran halten! Davon abgesehen ist es natürlich auch sinnvoll, neben medialen Unterhaltungsangeboten Inhalte auszuwählen, die Bildungsprozesse und das Lernen in den 2
Mittelpunkt stellen – und dafür taugt ein Buch aus Papier noch genauso, wenn man das Ganze gut gestaltet und gemeinsam angeht. Wie kann man Computerspiele einfach auf ihren pädagogischen Wert hin beurteilen? Ich bin da komplett überfordert, weil man die Spiele dafür ja eigentlich spielen müsste. Eine gute Unterstützung ist hier der Spieleratgeber NRW unter https://www.spieleratgeber- nrw.de/. Hier werden Computerspiele auch pädagogisch beurteilt. Davon abgesehen und neben den Alterseinstufungen der USK sind folgende Fragen wichtig: Welche privaten Daten werden im Spiel abgefragt und hinterlegt? Ist das Spiel werbefrei und gibt es In-App-Käufe? Gibt es eine Chatfunktion, über die Kinder mit allen Spielern in Kontakt kommen können? Findet eine Vernetzung mit anderen Social-Media-Angeboten statt? Was ist das Ziel des Spiels und welche Rolle spielt dabei Gewalt? Mehr und ausführlichere Infos gibt’s unter https://www.schau- hin.info/informieren/medien/spielen/wissenswertes/computerspiele-fuer-kinder.html. Eine sehr gute Idee ist es übrigens, das Spiel zu Beginn gemeinsam mit den Kindern einzurichten und zu spielen. So bekommen Sie einen Einblick und können besser einschätzen, ob das Spiel geeignet ist oder nicht. Und nebenbei haben Sie vielleicht sogar gemeinsam Spaß und können besser mitreden! Eigentlich geht es doch um "Medienkompetenz". Denn ich finde, man sollte Medien weniger verbieten, als Kinder richtig zu erziehen, sodass sie da mögliche Gefahren selbst richtig einschätzen können. Wie aber bekommt man das hin? So wie Kinder Fahrrad fahren lernen, braucht es auch auf den medialen Wegen am Anfang Hilfe und „Stützräder“. Kinder müssen die Regeln und Grenzen der digitalen Welten kennenlernen. Eltern sollten ihre Kinder immer begleiten, für Fragen da sein und vor allem ihre Vorbildrolle ernst nehmen. Wenn man damit frühzeitig beginnt, sind Kinder auch zunehmend in der Lage, sich sicher und kritisch in den digitalen Medien zu bewegen. Dementsprechend kann man dann auch als Eltern von klaren Geboten und technischen Schutzlösungen zu mehr Freiräumen und Flexibilität übergehen und sollte Vertrauen haben in die Mediennutzung der Kinder. Wichtig ist, dass Kinder immer wissen, dass sie bei ihren Eltern auf offene Ohren stoßen, wenn doch mal etwas schief gegangen ist. Was tue ich, wenn mein Kind (12 Jahre) bedenkliche Inhalte auf Facebook unreflektiert teilt? Er tut sich schwer damit, "Fake News" von echten Inhalten zu unterscheiden - wie soll das in dem Alter auch funktionieren? Ich kann ihm doch nicht direkt Facebook verbieten, oder? Verbieten kann kein genereller erzieherischer Weg sein, höchstens ein kurzfristiges „Warnsignal“, wenn Regeln oder Vereinbarungen immer wieder gebrochen wurden. Insofern ist es natürlich viel besser, sich gemeinsam damit auseinanderzusetzen, was Fake News eigentlich sind, woran man sie erkennen kann und was sie anrichten können. Das ist selbst für Erwachsene nicht immer leicht zu beantworten. Hier gibt es eine Übersicht zu den Formen und Ausprägungen von Fake News https://www.schau-hin.info/informieren/medien/surfen/wissenswertes/fake-news.html. Hilfreich und nebenbei spaßig ist es, mal selbst Fake News zu erstellen und so die Mechanismen kennenzulernen und zu durchschauen. Unter http://www.24aktuelles.com/ ist das ganz einfach umzusetzen. Eine weitere Möglichkeit ist es, das Thema Fake News in der Schule im Unterricht aufzugreifen und vielleicht mal eine ganze Pinnwand mit Fake News über die Schule oder die Stadt zu gestalten. Über dieses spielerischen Weg lernen Kinder und Jugendliche die Mechanismen von Fake News kennen, ohne dass Verbote nötig sind. 3
Wie erkenne ich, dass mein Kind reif genug für ein eigenes Smartphone ist? Wozu braucht Ihr Kind en Smartphone? Diese Frage sollten Sie gemeinsam in Ihrer Familie beantworten. Denn zum Erreichbarsein auf dem Schulweg reicht ein Mobiltelefon aus. Ein eigenes Smartphone sollten Kinder erst dann bekommen, wenn sie in der Lage sind, die Tragweite und die Konsequenzen dieses kleinen, multifunktionalen Alleskönners einzuschätzen. Dabei geht es vor allem um Fragen des Datenschutzes, des Einstellens von Privatsphäre-Optionen usw. Kinder unter 11 Jahren sollten kein vollumfängliches Smartphone besitzen. Natürlich gibt es auch hier Unterschiede in der Entwicklung der Kinder. Die folgenden beiden Links sind eine Hilfe bei der Entscheidung für ein Smartphone: https://www.schau- hin.info/fileadmin/content/downloadcenter/Smartphone/SpickzettelErstesSmartphonefinal.pdf und https://www.schau- hin.info/fileadmin/content/downloadcenter/Smartphone/Checkliste_Erstes_Smartphone.pdf Mein Kind ist in englischsprachigen Foren aktiv. Mein Problem dabei ist, dass ich selbst diese Sprache nicht spreche und daher nur spekulieren kann, was dort genau diskutiert wird. Sollte ich ihm das daher verbieten? Ich mache mir einfach Sorgen, habe aber auch keine konkreten Anhaltspunkte, dass dabei etwas problematisch ist. Diese Verunsicherung ist sehr verständlich, denn neben den vielschichtigen Mechanismen von Foren, die schwer zu durchschauen sind, kommt dann noch die sprachliche Hürde dazu. Nehmen Sie doch diese Differenz als Anlass, um sich mit Ihrem Kind genau darüber auszutauschen! Machen Sie transparent, was Ihre Sorgen sind und was Sie verunsichert und lassen Sie sich von Ihrem Kind erklären und zeigen, was das Spannende und Interessant ist, wie das alles funktioniert und wer noch mitmacht. Dabei lernen Sie die wichtigsten Aspekte kennen, zeigen Interesse an dem, was Ihr Kind begeistert und haben gleichzeitig auch einen Anhaltspunkt, um Regeln und Grenzen festzulegen und gemeinsam auszuhandeln! Mein Kind (männlich, 13 Jahre) sagt, es würde gemobbt werden, weil es kein modernes Handy besitzt. Nach Gesprächen mit der Lehrerin weiß ich nicht, ob es hier wirklich ein Problem gibt. Mir scheint es auch so, als sei das lediglich ein Argument, um ein neues Telefon zu bekommen. Wie gehe ich hier am besten vor? Der Wunsch von Kindern in dem Alter nach einem eigenen Smartphone ist sehr groß. Dabei werden eine Menge Argumente und Gründe angeführt, wenn diese dazu beitragen können, dass das neue Handy gekauft wird. Die Frage ist natürlich, ob es hier wirklich Mobbing-Situationen gibt, von denen vielleicht auch die Lehrerin nicht weiß (das kann ja durchaus sein) oder ob einfach der Wunsch nach einem eigenen Gerät so groß ist. Wichtig ist es jedenfalls, dass Sie Ihr Kind ernst nehmen und dass Sie gemeinsam besprechen, wann und unter welchen Bedingungen Sie bereit sind, ein Smartphone anzuschaffen. Hilfreich sind hier die Checklisten von Schau Hin!, die Sie unter https://www.schau- hin.info/fileadmin/content/downloadcenter/Smartphone/SpickzettelErstesSmartphonefinal.pdf und unter https://www.schau- hin.info/fileadmin/content/downloadcenter/Smartphone/Checkliste_Erstes_Smartphone.pdf finden können. Sollte es sich wirklich um Mobbing handeln, dann kann der alleinige Erwerb eines Smartphones dieses Problem ja nicht lösen – da müssten dann weitere Aktivitäten folgen. Mehr zu Mobbing finden Sie hier: https://www.schau- hin.info/informieren/extrathemen/cybermobbing.html 4
Gibt es spezielle Soziale Netzwerke extra für Kinder? Ja es gibt einige Soziale Netzwerke für Kinder, die ein sicheres Surfen und die ersten Schritte im Internet für Eltern und Kindern erleichtern. Gute Angebote sind www.kindernetz.de oder https://www.mein-kika.de/startseite.html. Hilfreich sind auch die Lernmodule zu Sozialen Netzwerken vom Internet ABC: https://www.internet-abc.de/lm/soziale-netzwerke.html sowie die Goldenen Regeln zu Sozialen Netzwerken von Schau Hin!: https://www.schau- hin.info/informieren/medien/chatten/goldene-regeln/11-13-jahre.html Eine pädagogische Beurteilung der beliebtestes Sozialen Netzwerke findet sich hier: https://www.schau- hin.info/informieren/medien/chatten/netzwerkatlas/netzwerkatlas-soziale-netzwerke-und-co- paedagogisch-beurteilt.html Ist es völlig absurd, Kinder heutzutage ohne digitale Medien zu erziehen? Ich finde: In der Schule lernen sie diese ja ohnehin kennen - da muss man es doch nicht noch früher tun. Kinder werden heute in einer Gesellschaft groß, die in allen Lebensbereichen von digitalen Medien geprägt ist: Das fängt bei der Bluetooth-Zahnbürste an und hört bei Virtual-Reality-Brillen noch längst nicht auf. Insofern ist es pädagogisch betrachtet wenig sinnvoll, digitale Medien aus der Kindheit zu verbannen. Viel wichtiger ist es, den Mädchen und Jungen Rüstzeug auf den Weg zu geben, mit dem sie sich sicher und kreativ in digitalen Medien bewegen können. Dabei hat die Schule einen wichtigen Auftrag – die Eltern sind aber, wie in vielen anderen Erziehungsbereichen, mindestens genauso gefragt. Denn nur wer lernt, mit Süßigkeiten, mit dem Fahrrad – oder eben mit digitalen Medien – in Maßen und nach Regeln umzugehen, kann sich sicher und gesund in unserer Welt bewegen! 5
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