Expertise - Mehr Rückenwind für den Sozialen Arbeitsmarkt - vorhandene Potenziale für eine bessere Finanzierung nutzen - Der Paritätische
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Expertise Mehr Rückenwind für den Sozialen Arbeitsmarkt – vorhandene Potenziale für eine bessere Finanzierung nutzen. DEUTSCHER PARITÄTISCHER WOHLFAHRTSVERBAND GESAMTVERBAND e. V. | www.paritaet.org
Inhalt Einleitung ................................................................................................................................................................................................... 1 Zentrale Aussagen im Überblick ................................................................................................................................................. 2 Zielsetzung und bereitgestellte Mittel in der 19. Legislaturperiode .................................................................................... 3 Regionale Unterschiede ................................................................................................................................................................ 5 Zur Entwicklung des Instrumentes – Teilnehmendenzahlen .......................................................................................... 6 „Teilhabe am Arbeitsmarkt” – ein „teures Instrument“ oder eine gute Investition? ................................................ 12 Passiv-Aktiv-Transfer optimieren ............................................................................................................................................... 16 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ............................................................................................................................... 21 Literatur ...................................................................................................................................................................................................... 23 Impressum Herausgeber: Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V. Oranienburger Str. 13–14 10178 Berlin www.paritaet.org Inhaltlich verantwortlich gemäß Presserecht: Dr. Ulrich Schneider Autor: Tina Hofmann, Der Paritätische Gesamtverband Dr. Andreas Aust, Paritätische Forschungsstelle unter Mitarbeit von Dr. Joachim Rock, Der Paritätische Gesamtverband Gestaltung: Christine Maier, Der Paritätische Gesamtverband Titelbild: © IRStone – Adobe Stock Berlin, November 2021
PARITÄTISCHE FORSCHUNGSSTELLE Einleitung Ein zentrales sozialpolitisches Vorhaben der letzten Für die Umsetzung des Sozialen Arbeitsmarkts sah Bundesregierung war es, mit einem neuen Angebot der Koalitionsvertrag der früheren Bundesregierung an geförderter sozialversicherungspflichtiger Be- aus dem Jahr 2018 vor, dass bis zu 150.000 Menschen schäftigung – dem „Sozialen Arbeitsmarkt” – eine bis erreicht werden sollen, die schon lange arbeitslos wa- dato bestehende Lücke im Unterstützungsangebot ren.2 Beginnend mit dem Jahr 2019 wurde der Soziale für langzeitarbeitslose Menschen zu schließen. Zu Be- Arbeitsmarkt eingerichtet und dafür zeitlich befristet ginn der Legislaturperiode wurde die Reduzierung der ein neues Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ im Langzeitarbeitslosigkeit als besonders vordringliches SGB II eingeführt. Vorhaben identifiziert. Diese Expertise nimmt eine Zwischenbilanz des Instru- Ausweislich der Statistik der Bundesagentur für Arbeit ments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ vor. Die bisherige wurden damals rund 850.000 Menschen als Langzeit- Umsetzung des neuen Regelinstruments soll darauf- arbeitslose erfasst. Die tatsächliche Zahl der Betrof- hin überprüft werden, inwieweit die in Aussicht ge- fenen lag weitaus höher, berücksichtigt man, dass stellten „bis zu 150.000 Menschen“ tatsächlich erreicht zehntausende Personen, etwa wegen langfristiger Er- wurden. Im Fokus steht dabei die Finanzierung des So- krankung oder der Teilnahme an einer Maßnahme der zialen Arbeitsmarkts. Es wird geprüft, ob die Mittel im Arbeitsförderung hierbei statistisch nicht als arbeitslos versprochenen Umfang zur Verfügung gestellt wurden erfasst sind. und wie diese bislang in der arbeitsmarktpolitischen Praxis umgesetzt wurden. In diesem Zusammenhang Die Bundesregierung erkannte „dass es nach wie vor wird auch geprüft, ob und inwieweit das neue Finan- eine zahlenmäßig bedeutsame Gruppe von arbeits- zierungsinstrument des Passiv-Aktiv-Transfers genutzt marktfernen Langzeitarbeitslosen (gibt), die seit langem wurde. Diskutiert wird dabei, ob dieses Instrument Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach auch noch ausgeweitet werden kann, wenn die Um- dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beziehen setzung des Sozialen Arbeitsmarkts finanziell auf eine und ohne besondere Unterstützung absehbar keine re- breitere Basis gestellt wird. alistische Chance auf Aufnahme einer Beschäftigung haben. Ziel ist es daher, auch dieser Personengruppe wie- der eine Perspektive zur „Teilhabe am Arbeitsmarkt” zu eröffnen.“1 Schon längere Zeit gab es die Erkenntnis und Erfah- rung, dass ein Angebot an öffentlich geförderter Be- schäftigung zielführend sein kann, um langzeitarbeits- losen Menschen wieder Teilhabe an Erwerbsarbeit und damit eine bessere soziale „Teilhabe” zu ermöglichen. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege haben sich nachdrücklich für eine Einführung eines umfang- reichen Sozialen Arbeitsmarkts ausgesprochen, um so- ziale Teilhabe auch für Menschen zu ermöglichen, die bereits seit längerer Zeit keine reguläre Beschäftigung hatten und dauerhaft im Hartz IV-Leistungsbezug wa- ren. 1 Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum 2 Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland.Ein Teilhabechancengesetz – 10. SGB II-ÄndG, Bundestagsdrucksache 19/4725 neuer Zusammenhalt für unser Land. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU vom 04.10. 2018, S.1. und SPD. Berlin 7. Februar 2018, S. 50 1
Zentrale Aussagen im Überblick Die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hatte sich Die im Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2022 in der vergangenen Legislaturperiode die Reduzierung vorgesehene Mittelabsenkung im Umfang von 200 der Langzeitarbeitslosigkeit zum Ziel gesetzt und da- Mio. Euro für Leistungen zur Eingliederung nach dem für im Jahr 2019 einen Sozialen Arbeitsmarkt mit einer SGB II ist kontraproduktiv und darf nicht bestätigt wer- neuen, zeitlich befristeten Förderung zur „Teilhabe am den. Ansonsten wäre der Spielraum für die Jobcenter, Arbeitsmarkt“ im SGB II geschaffen. Bisherige Praxiser- über das Bestehende hinausgehende Förderungen zu fahrungen mit der Förderung und erste Evaluationser- ermöglichen, sehr begrenzt. gebnisse sind überwiegend positiv. So hat sich auch Bundesarbeitsminister Heil anlässlich der positiven Nach unseren Recherchen ergibt sich ein erhebliches Zwischenergebnisse3 der wissenschaftlichen Evaluati- Optimierungspotenzial beim Passiv-Aktiv-Transfer on der „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ Anfang des Jahres (PAT). Die Bundesregierung hat die Pauschalen zum dafür ausgesprochen, den Sozialen Arbeitsmarkt zu PAT sehr niedrig angesetzt. In der Umsetzung der För- entfristen und auszubauen. derung fallen im Regelfall mehr und höhere passive Leistungen weg, als durch die Bundesregierung in Von der in der Koalitionsvereinbarung festgelegten ihrer Kalkulation unterstellt. Sozialversicherungsbei- Zielgröße, bis zu 150.000 langzeitarbeitslosen Men- träge der geförderten Teilnehmer*innen bleiben bei schen eine Beschäftigung anzubieten, ist man in der der bisherigen Bemessung ebenso unberücksichtigt Umsetzung aber weit entfernt. Der Auf- und Ausbau wie zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen bei des Sozialen Arbeitsmarkts ist von den Jobcentern im dem Anteil des Bundes an den Kosten der Unterkunft Wesentlichen im ersten Jahr nach seiner Einführung, und Heizung. Die Pauschalen können demnach noch mit Abstrichen dann auch bis in das zweite Jahr hinein, einmal erhöht werden. Alleine durch die Anhebung realisiert worden und stagniert seitdem auf einem re- der PAT-Pauschale würde man Finanzmittel im Umfang lativ stabilen Niveau. Im Juni 2021 wurden damit gera- von rund 168 Mio. Euro mobilisieren können, ohne de einmal 42.300 Personen gefördert. Dabei liegt die dass hierfür zusätzliche Haushaltsmittel bereitgestellt Langzeitarbeitslosigkeit infolge der Pandemie mit ak- werden müssten. Hiervon könnten zusätzlich rund tuell über 1 Mio. langzeitarbeitslosen Menschen weit 10.000 weitere Teilnehmer*innen gefördert werden. über dem Niveau bei Einführung des Sozialen Arbeits- Zusätzliche Finanzreserven wären dadurch zu erschlie- markts; damals waren rund 774.000 Menschen lang- ßen, dass die Jobcenter den PAT bei jeder Förderung zeitarbeitslos. verbindlich nutzen und dies nicht länger in ihr Belie- ben gestellt wäre; dies wäre im Rahmen einer gesetz- Der Paritätische fordert vor diesem Hintergrund, die lichen Verankerung des PAT zu regeln. Förderung zu entfristen und auszubauen, damit mehr Menschen von ihr profitieren können. In einem ersten Zudem gilt es auch, die Einsparungen bei den kom- Schritt sollten dies mindestens 100.000 Arbeitsplätze munalen Ausgaben für die Wohnkosten durch einen sein. Damit dies möglich ist, müssen die beiden Finan- „Kommunalen PAT“ für die Umsetzung des Sozialen zierungsquellen des Sozialen Arbeitsmarkts – Mittel Arbeitsmarkts zu nutzen. Es kann nicht länger so sein, für Eingliederung und die über den sog. Passiv-Aktiv- dass von dieser Möglichkeit nach allen vorliegenden Transfer (PAT) nutzbar gemachten Einsparungen des Praxiserkenntnissen nur in wenigen Fällen Gebrauch Bundes bei den Leistungen zur Sicherung des Lebens- gemacht wird und die Bundesregierung nichts über unterhaltes- gestärkt und für diesen Zweck gebunden die Umsetzung weiß. Der Paritätische fordert die Kom- werden. munen dazu auf, auf diesem Feld aktiver zu werden. Regelungen der Länder für die unter Haushaltsaufsicht stehenden Kommunen und ein übergreifendes Bund- 3 Bauer, Frank u. a. / IAB (2021): Evaluation der Förderinstrumente nach Länder-Monitoring sollen zusätzliche Unterstützung § 16e und § 16i SGB II – Zwischenbericht. (IAB-Forschungsbericht, 03/2021), Nürnberg. für den Kommunalen PAT leisten. 2
PARITÄTISCHE FORSCHUNGSSTELLE Zielsetzung und bereitgestellte Mittel in der 19. Legislaturperiode Die Einführung eines Sozialen Arbeitsmarktes war munale Arbeitgeber. Die Förderung besteht aus einem eines der Kernprojekte der früheren Koalitionsregie- degressiv gestalteten Lohnkostenzuschuss, der für die rung aus CDU/CSU und SPD. Bereits mit Abschluss der Dauer von bis zu fünf Jahren gewährt wird (100 Prozent Sondierungsgespräche wurde das Projekt verabredet in den ersten beiden Jahren, 90 Prozent im dritten Jahr, mit den zentralen Festlegungen zur Schaffung eines 80 Prozent im vierten Jahr und 70 Prozent im fünften neuen Regelinstruments zur Realisierung von „Teilha- Jahr). Für die erfolgreiche Anbahnung und Stabilisie- be am Arbeitsmarkt für alle“: Bis zu 150.000 Langzeitar- rung der geförderten Arbeitsverhältnisse ist eine ganz- beitslose sollten erreicht werden und zur Finanzierung heitliche und beschäftigungsbegleitende Betreuung solle der Eingliederungstitel um 1 Mrd. Euro jährlich (sog. „Coaching“) vorgesehen. Das Coaching wird vom aufgestockt werden. Diese Vereinbarung hat dann Jobcenter selbst oder einem „beauftragten Dritten“ auch Eingang in den finalen Koalitionsvertrag der Re- durchgeführt. Es soll die Aufnahme des Arbeitsverhält- gierungsparteien gefunden.4 nisses begleiten, das Arbeitsverhältnis stabilisieren, vorzeitige Abbrüche verhindern helfen, Integrations- Der Soziale Arbeitsmarkt wurde mit dem sog. „Teilha- fortschritte überprüfen und Übergänge in angefor- bechancengesetz“ gesetzlich umgesetzt. Das neue derte Beschäftigung unterstützen. Des Weiteren sind Gesetz trat am 01.01.2019 in Kraft. Mit diesem Gesetz betriebliche Praktika und Weiterbildungen förderfä- wurden insbesondere die „Beschäftigung schaffenden hig. Das Instrument ist gesetzlich befristet bis Ende Instrumente“ der Arbeitsmarktpolitik neu aufgestellt. 2024; Förderungen können dann längstens bis Ende Kernstück des Gesetzes war neben der Neufassung 2029 erbracht werden. des Lohnkostenzuschusses nach § 16e SGB II das neue, befristete Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ gem. Das neue Instrument baut auf den Erfahrungen min- § 16i SGB II zur Förderung von sozialversicherungs- destens zweier Vorläuferprogramme der Bundesebene pflichtiger Beschäftigung. Die Förderung ist im Grund- auf: das Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Ar- satz gedacht für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, beitsmarkt” sowie das „ESF-Bundesprogramm zur Ein- die das 25. Lebensjahr vollendet haben, für insgesamt gliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter mindestens sechs Jahre innerhalb der letzten sieben nach dem SGB II auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt”. Jahre im Langzeitleistungsbezug des SGB II waren und Beide Programme sind vor bzw. mit der Einführung des in dieser Zeit nicht oder nur kurzzeitig beschäftigt wa- neuen Regelinstruments ausgelaufen (Bauer u. a. 2021, ren. Im Rahmen einer gesonderten Potenzialabschät- S. 8).6 zung ging man von 570.000 bis 900.000 Förderberech- tigten aus.5 Die Bundesregierung hat es nicht bei der Erweiterung des gesetzlichen Rahmens zur Förderung von lang- Die Förderung richtet sich an unterschiedliche Arbeit- zeitarbeitslosen Menschen belassen, sondern auch die geber, privatwirtschaftliche, gemeinnützige und kom- Finanzen aufgestockt. So stellt die Bundesregierung nach ihren regelmäßigen Aussagen den Jobcentern 4 Das Ergebnis der Sondierungsgespräche vom 12.01.2018 ist ebenso zusätzliche Mittel in Höhe von 4 Mrd. Euro für den wie der Koalitionsvertrag u. a. dokumentiert auf der Homepage der CDU. Paul Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Zeitraum 2018 bis 2022 über den Titel 1101/685 11 – Jugendberufshilfe (BIAJ) hat bereits anlässlich der Sondierungsergebnisse „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ im Bundes- darauf hingewiesen, dass 1 Mrd. Euro pro Jahr nicht ausreichen kann, haushalt zur Verfügung. Hiervon wurden 300 Mio. Euro um jahresdurchschnittlich 150.000 Personen zu fördern. Pro Monat und Förderfall ergibt sich rechnerisch eine Förderhöhe von 556 Euro. Für das im Jahr 2018, 900 Mio. Euro im Jahr 2019 und jeweils ähnlich konzipierte Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ 1 Mrd. Euro für die Jahre 2020 und 2021 veranschlagt. wurden dagegen bereits 2016 durchschnittlich 1.253 Euro pro Kopf und Monat ausgegeben, siehe URL:(http://biaj.de/images/2018-01-15_ 800 Mio. Euro sind für das Jahr 2022 vorgesehen. Der sondierungs-milliarde-eingliederungstitel-haushaltswahrheit.pdf ), letzter aufgestockte Ansatz des Jahres 2022 soll in den Fol- Abruf vom 01.10.2021. Frühzeitig war damit klar, dass das geplante Budget gejahren fortgeschrieben werden. Die entsprechende nicht ausreichen würde, um die Förderkosten für 150.000 Beschäftigungen zu finanzieren. 5 Siehe Bundestags-Drucksache 19/17486, S. 3 6 Bauer Frank, u.a., a.a. O.. 3
Finanzplanung fällt aber in die Verantwortung der ansonsten in der Grundsicherung für Arbeitsuchende 2021 neu gewählten Bundesregierung. angefallen wären, erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom Eine Mittelzweckbindung zur ausschließlichen Nut- März 2020 zum Passiv-Aktiv-Transfer. (Bundestags- zung der bereitgestellten Haushaltsmittel für die „Teil- drucksache 19/17486). habe am Arbeitsmarkt” gibt es nicht. Wie die Bundes- regierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Die Bundesregierung wirbt gegenüber den Jobcen- Fraktion Die LINKE erklärte, entscheiden vielmehr die tern dafür, den PAT zu nutzen. Denn die Nutzung des „Jobcenter im Rahmen des ihnen zur Verfügung ste- Passiv-Aktiv-Transfers ist für die Jobcenter freiwillig. henden, aufgestockten Budgets in dezentraler Ent- Eine gesetzliche Regelung oder eine anderweitige Ver- scheidungskompetenz über Einsatz und Umfang der pflichtung die Möglichkeit prinzipiell zu nutzen, gibt es Förderungen mit Blick auf die spezifischen Bedarfe nicht. In der Praxis entscheiden danach die jeweiligen und den lokalen Arbeitsmarkt“ (Bundestagsdrucksa- Jobcenter, ob sie den Passiv-Aktiv-Transfers nutzen und che 19/29176, S. 13). Der strategischen Ausrichtung wenn ja, für welche Förderungen nach § 16i SGB III. Die der Arbeitsförderung vor Ort kommt damit eine wich- Jobcenter haben damit die Möglichkeit, Förderungen tige Rolle bei der konkreten Umsetzung des Instru- nach § 16i SGB II alleine aus ihren Eingliederungsmit- ments zu. teln zu finanzieren oder Mischfinanzierungen aus Ein- gliederungsmitteln und dem Passiv-Aktiv-Transfer zu Es gibt eine wichtige zweite Finanzierungsquelle für ermöglichen. Letztgenannter Weg führt dazu, dass die den Sozialen Arbeitsmarkt: den Passiv-Aktiv-Transfer örtlichen Budgets für Eingliederung entlastet werden (PAT). Der Passiv-Aktiv-Transfer ist ein zusätzlicher Fi- bzw. den Jobcentern eine finanzielle Handhabe ge- nanzierungsweg für den Sozialen Arbeitsmarkt, für geben wird, um mehr Förderfälle gem. § 16i SGB II zu den im Vorfeld auch die Wohlfahrtsverbände intensiv finanzieren. geworben hatten. Kernidee des Passiv-Aktiv-Transfers ist es, die mit Eintritt in die sozialversicherungspflichti- Offen bleibt bei dieser Handhabe des Passiv-Aktiv- ge Beschäftigung erzielten Einsparungen bei passiven Transfers zudem, wie mit den aufkommenden Einspa- Leistungen – den Leistungen zur Sicherung des Le- rungen der Kommunen zu verfahren ist. Denn infolge bensunterhalts und Unterkunftskosten („Passiv“) – zur der geförderten Beschäftigung realisieren auch die Finanzierung der Förderkosten für die sozialversiche- Kommunen Einsparungen bei ihren anteiligen Kosten rungspflichtige Beschäftigung („Aktiv“) einzusetzen. der Unterkunft und Heizung, die sie in die Finanzie- Die Bundesregierung hat diese Idee aufgegriffen. Mit rung und Ausgestaltung des Sozialen Arbeitsmarkts einem Haushaltsvermerk zum Arbeitslosengeld II im einbringen könnten. Zu einem solchen vollständigen Bundeshaushalt 2019 wird es den Jobcentern ermög- Passiv-Aktiv-Transfer, der alle relevanten Kostenbe- licht, die durch einen konkreten Förderfall nach § 16i standteile auf der Passiv-Seite umfasst, ist vom Bund SGB II eingesparten Bundesmittel zur Sicherung des nichts geregelt. Lebensunterhaltes (Bundesleistungen ALG II und den Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft ) zusätz- Im Folgenden wird beleuchtet, in welcher Größenord- lich zur Finanzierung der Förderung einzusetzen. Die nung bzw. Förderintensität und mit welchem finanzi- Finanzierung wird damit erleichtert, weil auf diesem ellen Aufwand der Soziale Arbeitsmarkt bislang reali- Wege die Förderkosten nicht alleine über den Einglie- siert wurde. derungstitel finanziert werden müssen. Der Passiv- Aktiv-Transfer ermöglicht insofern auch eine höhere Anzahl an Förderungen nach § 16i SGB II. Führen diese Förderungen langfristig zu einer ungeförderten Inte- gration in den Arbeitsmarkt, trägt der Passiv-Aktiv- Transfer zudem dazu bei, Ausgaben zu vermeiden, die 4
PARITÄTISCHE FORSCHUNGSSTELLE Regionale Unterschiede Bei der Förderintensität zeigen sich zunächst deutliche Auffällig ist die Konzentration in einigen Bundesländern: regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern Fast ein Drittel aller Beschäftigten bei der „Teilhabe am und den jeweiligen Jobcentern.7 Die entsprechende Arbeitsmarkt” findet sich im Mai 2021 in Nordrhein-West- regionale Aufteilung der Teilnehmenden im Mai 2021 falen. Ebenso fällt ein häufiger Einsatz des Instruments in zeigt das folgende Schaubild. Dargestellt wird die Ver- Berlin auf: Mehr als ein Zehntel der Teilnehmenden lebt teilung der Teilnehmenden auf die Bundesländer. und arbeitet in Berlin. Daneben sticht Niedersachsen mit einem Anteil von fast 10 Prozent hervor. Schaubild: Regionale Verteilung. Teilnehmende in Land, absolute Zahlen, Mai 2021 Soziale Teilhabe Teilnehmende nach Bundesland 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 - Mai 20 Mai 21 © Der Paritätische 2021 Quelle: Bundesagentur für Arbeit – Statistik: Förderung svpfl. Beschäftigung von Teilnehmenden mit der Kostenträgerschaft SGB II. Mai 2021. 7 Siehe nähere Angaben zu den einzelnen Jobcentern in Bundestags- drucksache 19/18854, Tabelle 2, S. 20. 5
Zur Entwicklung des Instrumentes – Teilnehmendenzahlen Das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt” ist zum Ja- bruch der Corona-Pandemie im März 2020 auf 38.200 nuar 2019 eingeführt worden. Gestartet ist das Instru- Teilnehmende an. Während der Corona-Pandemie ment mit etwa 2.000 Teilnehmenden. Der Bestand der stieg die Zahl der Teilnehmenden nur noch wenig an Teilnehmenden stieg seit der Einführung 2019 bis zum und erreichte mit 42.900 Teilnehmenden im Dezember Jahresende 2020 stetig an. Im Dezember 2019 vermel- 2020 einen Höchststand. Seitdem stagniert die Anzahl dete die Bundesagentur für Arbeit insgesamt 34.000 der Teilnehmenden auf diesem Niveau, bzw. sie geht Teilnehmende. Diese Zahl stieg dann bis vor dem Aus- sogar leicht zurück. Teilhabe am Arbeitsmarkt Entwicklung des Bestands 50.000 45.000 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 - Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 21 21 21 21 21 21 Deutschland © Der Paritätische 2021 Quelle: Bundesagentur für Arbeit – Statistik: Förderung svpfl. Beschäftigung von Teilnehmenden mit der Kostenträgerschaft SGB II. Juni 2021. 6
PARITÄTISCHE FORSCHUNGSSTELLE Um die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die gegen die Anzahl der monatlichen Eintritte deutlich. Entwicklung der Teilnehmendenzahlen einzuordnen, Zu Beginn der Corona-Pandemie ist die Anzahl der Ein- bietet sich ein Blick auf die Eintritte an. Hier zeigt sich, tritte auf ein Niveau von 1.000 pro Monat gesunken. dass bereits vor der Pandemie die Ausweitung an ein In Zeiten des ökonomischen und sozialen Lockdowns Ende kam. Konkret zeigt sich bei den Eintritten fol- wurde auch die Anbahnung neuer Beschäftigungs- gende Entwicklung: Einem deutlichen Aufwuchs der möglichkeiten im Sozialen Arbeitsmarkt erschwert: Eintritte bis auf monatlich 4.500 im April 2019 folgte Während der Corona-Pandemie kommen kaum neue eine Phase bis in den Herbst 2019, in der weiter zwi- Teilnehmende hinzu. Neue Eintritte ersetzen nunmehr schen 3.000 und 4.000 Teilnehmende pro Monat hin- lediglich Austritte, sodass die Bestandszahlen weitge- zukamen. Bereits seit August 2019 reduzierte sich da- hend unverändert bleiben. Teilhabe am Arbeitsmarkt Eintritte 5.000 4.500 4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 - Aug 19 Aug 20 Jun 21 Jun 19 Jun 20 Dez 19 Dez 20 Jul 19 Jul 20 Sep 19 Sep 20 Jan 21 Feb 21 Jan 19 Feb 19 Jan 20 Feb 20 Nov 19 Nov 20 Apr 19 Apr 20 Apr 21 Okt 19 Okt 20 Mrz 21 Mrz 19 Mrz 20 Mai 19 Mai 20 Mai 21 Deutschland © Der Paritätische 2021 Quelle: Bundesagentur für Arbeit - Statistik: Förderung svpfl. Beschäftigung von Teilnehmenden mit der Kostenträgerschaft SGB II. Juni 2021. 7
Im Vergleich zu der Zielmarge im Koalitionsvertrag der mit potenziellen Arbeitgebern ein funktionierendes Bundesregierung, im Sozialen Arbeitsmarkt ein bun- Matching organisiert wird. Auch das breite Reservoir desweites Angebot für bis zu 150.000 Menschen zu unterschiedlicher Arbeitgeber kann für die Förderung schaffen, bleibt die bisherige Umsetzung damit weit noch weiter aufgeschlossen werden. dahinter zurück. Eine noch größere Lücke klafft zum Kreis der potenziell Förderberechtigten, die die Bun- Es scheinen demnach andere Gründe zu sein, die einem desregierung zum Start des Sozialen Arbeitsmarkts in weiteren Ausbau des Instruments im Wege standen. einer Spannweite von 570.000 bis 900.000 potenziell Förderberechtigten ermittelt hatte. Bundesweit wurde Im folgenden Abschnitt fragen wir daher, ob und in- rund die Hälfte der Förderungen zunächst nur für bis wieweit die Finanzierungsbedingungen (unzurei- zu zwei Jahre ausgesprochen; eine einmalige Verlän- chende Planungssicherheit und / oder unzureichende gerung der Förderung wäre jedoch möglich. Der volle Mittelausstattung) auch ein Faktor für die noch aus- Förderzeitraum von fünf Jahren wird nur bei jeder baufähige Nutzung des Instruments darstellt. vierten Förderung ausgeschöpft.8 Wie dargestellt, ist der Aufbau des Sozialen Arbeits- markts im Wesentlichen im ersten Jahr nach seiner Ein- führung vollzogen worden. Der Großteil dieser Eintritte entfiel auf das erste Jahr 2019 (39.200), im Jahr 2020 kamen dann lediglich noch 17.200 neue Teilnehmende hinzu. Ein Teil dieses erheblichen Rückgangs kann man auf die Corona-Pandemie zurückführen. Gleichwohl deutet der zeitliche Ablauf der Eintritte eher auf eine Reduktion der Eintritte bereits deutlich vor dem Aus- bruch der Pandemie in Deutschland hin. Hatten die Jobcenter also schon einige Monate nach dem Start des neuen Instruments sämtliche Förderpotenziale ausgeschöpft? Das heißt, insbesondere den Kreis der möglichen Teilnehmer*innen für die Förderung erkun- det und die in der Region verfügbaren Arbeitsplätze ausfindig gemacht? Das ist offenkundig nicht der Fall. Denn zum aufgezeigten Höchststand der Förderung haben die Jobcenter im Durchschnitt maximal zwi- schen rund fünf und acht Prozent der im Jahr 2018 als potenziell Förderberechtigten gefördert.9 Nach vor- liegenden Praxiserfahrungen könnten deutlich mehr Leistungsberechtigte an der Förderung partizipieren, wenn sie beim Einstieg in die geförderte Beschäfti- gung gut angesprochen und unterstützt werden und 8 Siehe Bundestags-Drucksache 19/17486 und Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2021): Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Umsetzung des Teilhabechancengesetzes auf Grundlage des Zwischenberichts der Evaluation durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. 9 Der Bestand der Teilnehmenden aus Dezember 2020 mit 42.900 Teilnehmenden wird dazu ins Verhältnis zum angegebenen Förderpotenzial gesetzt, siehe auch Fußnote 5. 8
PARITÄTISCHE FORSCHUNGSSTELLE Umsetzung – Finanzierung Verfügung. Im Ergebnis standen im Jahr 2018 300 Mio. Euro zusätzliche Eingliederungsmitteln und in 2019 Die Finanzierung des Instruments „Teilhabe am Arbeits- 700 Mio. Euro zusätzliche Eingliederungsmittel bereit. markt” speist sich aus zwei Quellen: der angekündigten Für die Jahre 2020 und 2021 stieg der Betrag sogar Erhöhung der Eingliederungsmittel im Bundeshaus- auf 800 Mio. Euro zusätzliche Eingliederungsmittel an, halt und der Nutzung des sog. Passiv-Aktiv-Transfers. während für das Jahr 2022 eine nach dem Regierungs- entwurf zum Bundeshaushalt schon wieder eine Mit- a. Finanzielle Entwicklung des Eingliederungs- telabsenkung auf dann 600 Mio. Euro bevorsteht.11 titels – Ausgaben für „Teilhabe am Arbeitsmarkt” Wie sieht nun die Entwicklung bei dem neuen Instru- Die Einführung des Sozialen Arbeitsmarkts war mit der ment „Teilhabe am Arbeitsmarkt” aus? Die entspre- Ankündigung versehen worden, den Eingliederungsti- chende Entwicklung ist in der folgenden Tabelle dar- tel aufzustocken und zwar in 2018 um 300 Mio. Euro, gestellt. Die Ausgaben steigen nach der Einführung in 2019 um 900 Mio. Euro und in den Jahren 2020 und des Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt” deutlich 2021 um je 1 Milliarde Euro. In welchem Umfang sind an. Fast 300 Mio. Euro flossen im ersten Jahr des In- die angekündigten Mittel tatsächlich bereitgestellt krafttretens des Instruments, in 2019 in die „Teilhabe und für die „Teilhabe am Arbeitsmarkt” eingesetzt wor- am Arbeitsmarkt”. Die Ausgaben aus dem Eingliede- den? rungstitel für die „Teilhabe am Arbeitsmarkt” stiegen in 2020 auf 650 Mio. Euro an. Schaut man genauer in die Haushaltsdokumente des Bundes für die Arbeitsförderung bei Hartz IV, so zeigt sich, dass effektiv deutlich weniger Geld zur Verfügung gestellt wurde als öffentlich kommuniziert. In den Haushaltsdokumenten für das Jahr 2019 wer- den die zusätzlichen Mittel gegenüber der Finanzpla- nung 2017 aufgeführt bei der Ermittlung des neuen Haushaltsansatzes für die Arbeitsförderung. Die Ge- samtsumme entspricht gegenüber der Planung einer Steigerung in dem genannten Umfang; die Einglie- derungsmittel wurden damit erheblich aufgestockt. Gleichzeitig wurden aber für den Zeitraum 2019 bis 2022 pauschal 200 Mio. Euro pro Jahr im Bundeshaus- halt unmittelbar zugunsten der Verwaltungskosten umgeschichtet.10 Zur Finanzierung der Maßnahmen der Arbeitsförderung und insbesondere der „Teilhabe am Arbeitsmarkt” stehen diese Gelder nicht mehr zur 10 Einzelplan 11. Kapitel 1101: Leistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch und gleichartige Leistungen. Diese Vorgehensweise wurde damit begründet, dem zunehmenden Umschichtungsbedarf der Jobcenter in den letzten Jahren zum Verwaltungskostenbudget SGB II zu Lasten des Eingliederungsbudgets 11 Im Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2022 sind für Rechnung zu tragen. Damit sollte der Druck auf die Jobcenter, „Leistungen zur Eingliederung nach dem SGB II“ 4,809 Milliarden Eingliederungsmittel umschichten zu müssen, gemindert werden. Euro veranschlagt (Soll 2022), 200 Millionen Euro weniger als im Tatsächlich haben die Jobcenter trotz dieser Regelung im Jahr 2019 Bundeshaushalt 2021, siehe URL:http://biaj.de/archiv-materialien/1567- insgesamt 668 Mio. Euro bzw. 13,6 Prozent des Soll-Ansatzes für jobcenter-2022-bundesmittel-fuer-leistungen-zur-eingliederung-nach- Leistungen zur Eingliederung in Arbeit in ihre Verwaltungskostenbudgets dem-sgb-ii-und-gesamtverwaltungskosten-ausblick.html, letzter Abruf am umgeschichtet, siehe Bundestags-Drucksache 19/23409. 23.09.2021 9
Tabelle: Eingliederungsmittel12 und Ausgaben „Teilhabe am Arbeitsmarkt” (§ 16i SGB II) – mit und ohne Passiv-Aktiv-Transfers in Mio. Euro. „Zusätzliche Ein- EGT: „Teilhabe am Ausgaben Anteil PAT Eingliederung insgesamt: gliederungsmittel” Arbeitsmarkt” inkl. PAT an Ausgaben in % tatsächliche Ausgaben 2017 3.276 2018 300 3.070 2019 700 286 435 34 % 3.887 2020 800 648 842 23 % 3.995 2021 800 2022 600 Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Eingliederungsbilanzen 2018 – 2020 Gleichwohl bleibt auch dieser Aufwuchs hinter den b. Der Passiv-Aktiv-Transfer als zweite Säule politisch geschürten Erwartungen zurück. Für eine der Finanzierung Bewertung muss außerdem berücksichtigt werden, dass vor der Einführung des neuen Instruments an- Die zweite Säule der Finanzierung der „Teilhabe am dere Maßnahmen mit einer ähnlichen Ausrichtung Arbeitsmarkt” war die Einführung des Passiv-Aktiv- außerhalb des Eingliederungstitels – das „ESF-Bun- Transfers. Die Nutzung ist für die Jobcenter freiwillig. desprogramm zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Nach Angaben der Bundesregierung wurden im Haus- Leistungsberechtigter nach dem SGB II auf dem all- haltsjahr 2020 im Rahmen des PAT insgesamt rund gemeinen Arbeitsmarkt” und das Bundesprogramm 211 Mio. Euro aus dem Ansatz Arbeitslosengeld II für „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt”– ausgelaufen sind. Maßnahmen nach § 16i SGB II eingesetzt. Dies bedeu- Werden diese Sonderprogramme in die Analyse ein- tet zwar im Gesamtansatz eine deutliche Steigerung bezogen, so kompensieren die zusätzlichen Ausgaben gegenüber dem Jahr 2019, in dem rund 95,1 Mio. Euro für die „Teilhabe am Arbeitsmarkt” 2019 im Wesent- an „passiven“ Ausgaben des Lebensunterhalts und der lichen die finanziellen Rückgänge bei den Sonderpro- Wohnkosten für den PAT herangezogen worden wa- grammen. Im Jahr 2020 kommt es dagegen zu einer ren.13 Allerdings ist der Finanzierungsanteil des PAT nennenswerten zusätzlichen Aufstockung der Mittel. an den durchschnittlichen Förderkosten mit rund 23 Prozent (Monat/Person) gegenüber dem Vorjahr stark zurückgegangen: In 2019 ließen sich noch 34 Prozent der durchschnittlichen Förderkosten über den Passiv- Aktiv-Transfer refinanzieren. Dies ist umso erstaunlicher, als nach Angaben der Bundesregierung im Jahr 2020 99 Prozent der Job- center den PAT nutzten. Keine Erkenntnisse liegen jedoch der Bundesregierung dazu vor, bei wie vielen Förderungen die Jobcenter den PAT nutzen.14 Für 2020 12 Im Bundeshaushalt zusätzlich bereitgestellte 13 Siehe BT-Drucksache 19/17486 und Bundesministerium für Arbeit Eingliederungsmittel abzüglich vorgenommener Umschichtungen zum und Soziales 2021a, a.a.O. Verwaltungskostenbudget. 14 Siehe Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2021a, a.a.O. und BT-Drucksache 19/17486 10
PARITÄTISCHE FORSCHUNGSSTELLE berichtet das BMAS für die zugelassenen kommunalen an Eingliederungsmitteln wurden für die „Teilhabe am Träger von rund 10.000 Förderfällen, in denen der PAT Arbeitsmarkt” tatsächlich ausgegeben. genutzt wurde. Analoge Angaben der Jobcenter in gemeinsamen Einrichtungen („gE“) liegen nicht vor. Teilweise wird vorgetragen, dass mangelnde Finan- Die Erhebung dieser Informationen wäre nach Aus- zierung kein begrenzender Faktor für die weitere Aus- kunft des BMAS „sehr aufwändig“. Daher werde auf weitung des Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt” eine regelmäßige Erhebung verzichtet.15 sei, weil die verfügbaren Eingliederungsmittel in der Praxis nicht ausgeschöpft wurden. Diese Perspektive Im Dunkeln bleibt für die Bundesregierung auch, ob ignoriert jedoch zentrale Aspekte. und ggf. welche Kommunen den PAT ergänzen, indem sie kommunale Anteile der Kosten der Unterkunft und Die Jobcenter bewirtschaften die ihnen zugewiesenen Heizung in die Finanzierung einbrachten16 (Bundes- Finanzmittel für Eingliederung und Verwaltung im tagsdrucksache 19/29176). Hinweisen, nicht nur aus Rahmen eines Gesamtbudgets, innerhalb dessen sie der Praxis Paritätischer Mitgliedsorganisationen fol- regelmäßig Eingliederungsmittel in ihre Verwaltungs- gend, dürfte die Beteiligung der Kommunen an der kostenbudgets umschichten. In einer bundesweiten Flankierung der Förderung mittels kommunalem PAT Betrachtung geben die Jobcenter die ihnen insgesamt eher die Ausnahme als die Regel darstellen. zugeteilten Mittel nahezu vollständig aus.17 Die Jobcenter müssen ihren Instrumenten- und Mitte- c. Zwischenfazit leinsatz mittel- bis langfristig planen. Das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt” bindet aber langfristig In einer vorläufigen Bilanz der Finanzierung können Finanzen der Arbeitsförderung, wenn – wie vom Ge- wir daher festhalten, dass die Mittel für die Arbeitsför- setzgeber gewünscht – Arbeitsverträge von bis zu fünf derung insgesamt deutlich erhöht wurden. Allerdings Jahren abgeschlossen werden. In der mittelfristigen reichten die Mittel schon rechnerisch nicht aus, um Finanzplanung war den Jobcentern schon frühzeitig 150.000 Beschäftigungsmöglichkeiten in einem Sozia- klargemacht worden, dass bereits im Jahr 2022 eine len Arbeitsmarkt zu finanzieren. Zudem wurden Teile Kürzung der Eingliederungsmittel bevorsteht, die des Eingliederungsbudgets im Bundeshaushalt unmit- einem weiteren Aufwuchs des Instruments Grenzen telbar in den Verwaltungstitel umgeschichtet. setzt. Hinzu kommt Ungewissheit über die Mittelaus- stattung in den Folgejahren. Damit müssen die Job- Die Ausgaben für die „Teilhabe am Arbeitsmarkt” liegen center umgehen. im Ergebnis im Jahr 2019 noch deutlich unterhalb der zusätzlich bereitgestellten Eingliederungsmittel. Im Die zusätzlich bereitgestellten Eingliederungsmittel Laufe des Jahres 2019 ist die Nutzung des Instruments scheinen dennoch für diejenigen Jobcenter ausrei- deutlich ausgeweitet worden. Demzufolge stiegen chend zu sein, deren Geschäftspolitik der „Teilhabe am auch die Ausgaben. In der Summe blieben aber auch Arbeitsmarkt” keine oder nur wenige Bedeutung bei- noch 2020 – unter den besonders schwierigen Bedin- misst. Schließlich gibt es bei der Nutzung des Instru- gungen der Pandemie aus teilweise nachvollziehbaren Gründen – die Ausgaben unterhalb der zusätzlich be- 17 So liegen Daten für die Ausgaben der gemeinsamen Einrichtungen reitgestellten Eingliederungsmittel. Etwa 650 Mio. Euro in 2020 vor. Vom zugewiesenen „Gesamtbudget“ in Höhe von 7,808 Milliarden Euro für den Bundesanteil (84,8 Prozent) an den „Gesamtverwaltungskosten“ und „Leistungen zur Eingliederung nach dem 15 Antworten des BMAS auf Fragekomplex zur „Teilhabe am Arbeitsmarkt” SGB II“ wurden von den Jobcentern gE im Haushaltsjahr 2020 insgesamt nach § 16i SGB II zu 2020 von Dr. Gesine Lötzsch (MdB), Juni 2021. 464,2 Millionen Euro (5,9 Prozent) nicht ausgegeben. Betrachtet man 16 Vgl. dazu die Antwort der Bundesregierung zu einer Zwischenbilanz einzelne Jobcenter, zeigen sich gleichwohl einige Unterschiede bei den der neuen Regelinstrumente zum sozialen Arbeitsmarkt und zu Ausgaben, siehe URL: http://biaj.de/archiv-materialien/1529-jobcenter- Lohnkostenzuschüssen, dokumentiert in der Bundestagsdrucksache ge-sgb-ii-eingliederungsleistungen-und-umschichtungen-2020- 19/29176 vom April 2021. verwaltungskosten-2017-bis-2020.html, letzter Abruf am 06.10.2021 11
ments in der Praxis der Jobcenter große Unterschiede.18 Bei denjenigen Jobcentern aber, in denen der Soziale Arbeitsmarkt zur Integration von Langzeitarbeitslo- sen eine strategisch wichtige Rolle einnimmt, wird das Instrument auch umfangreicher eingesetzt und das begrenzte finanzielle Budget in Kombination mit der unzureichenden Planungssicherheit ein erheblicher beschränkender Faktor für eine stärkere Nutzung des Instruments. „Teilhabe am Arbeitsmarkt” – ein „teures Instrument“ oder eine gute Investition? Die Ausgaben für eine im Sozialen Arbeitsmarkt ge- Zudem werden mit der „Teilhabe am Arbeitsmarkt” förderte Person lagen 2020 bei durchschnittlich 1.764 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhält- Euro pro Person und Monat. Teilweise wird die Ansicht nisse – allerdings ohne Arbeitslosenversicherung – ge- vertreten, das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt” schaffen. Werden daher zusätzliche Aspekte wie die sei daher ein teures Instrument der Arbeitsförderung. Rückflüsse an die öffentliche Hand, die Produktion von Diese Einschätzung speist sich anscheinend aus einem gesellschaftliche wie individuellen Nutzen und nicht Vergleich mit der Arbeitsgelegenheit, die mit 483 Euro über den PAT eingepreiste Einsparungen bei den SGB Förderkosten deutlich geringer ausfällt. Bei diesem II-Leistungen beachtet, so erweist sich eine Investiti- Vergleich wird aber komplett ignoriert, dass bei der on in das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt” ge- „Teilhabe am Arbeitsmarkt” die Hilfebedürftigkeit zu- sellschaftlich wie individuell als äußerst sinnvoll und meist überwunden wird, während bei den Arbeitsge- zudem für die öffentliche Hand vergleichsweise preis- legenheiten die kompletten sonstigen Kosten für den wert. Lebensunterhalt, die Wohnung und die Sozialversiche- rung noch hinzuaddiert werden müssten. Auch ein Vergleich mit den Pro-Kopf-Kosten anderer a. Gesellschaftlicher Nutzen / gesamtfiskalische arbeitsmarktpolitischer Instrumente zeigt, dass die Effekte „Teilhabe am Arbeitsmarkt” keineswegs besonders kostenträchtig ist. So weist die Eingliederungsbilanz Eine Besonderheit der Förderung liegt darin, dass da- 2020 etwa 2.135 Euro für Maßnahmen der freien För- mit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung derung, 2.221 Euro bei Maßnahmen zur Aktivierung begründet wird. Die geförderten Teilnehmenden er- und beruflichen Eingliederung oder auch 1.297 Euro bringen darin eine Arbeitsleistung, die zur produktiven für Maßnahmen der außerbetrieblichen Berufsausbil- Wertschöpfung (etwa in technischen Berufen) bzw. zur dung aus. Im Vergleich zu diesen Aktivitäten der Ar- Erbringung von Dienstleistungen (etwa im sozialen beitsförderung fallen die Ausgaben für die „Teilhabe Bereich, im Handel) beiträgt. Mit einer sozialversiche- am Arbeitsmarkt” keineswegs „teuer“ aus – zumal auch rungspflichtigen Beschäftigung gehen zudem finanzi- bei diesen Instrumenten die „passiven“ Leistungen der elle Rückflüsse einher. Jobcenter weitergezahlt werden. Die Fördersumme geht fast vollständig in einen Lohn- 18 Jobcentergenaue Berechnungen zum Anteil der geförderten kostenzuschuss für ein nahezu reguläres Arbeitsver- Personen an der Anzahl der Langzeitleistungsbeziehenden liegen für November 2019 vor. Danach variierte der Anteil der Teilnehmenden an hältnis. Wie bei jedem anderen abhängigen Arbeits- den Langzeitleistungsbeziehenden von nur 0,1 Prozent im Jobcenter verhältnis wird ein Arbeitslohn gezahlt, der sowohl Groß-Gerau bis zu 4,8 Prozent im Jobcenter der Stadt Suhl, siehe Bundestags-Drucksache 19/18854. steuer- als auch sozialversicherungspflichtig ist – aus- 12
PARITÄTISCHE FORSCHUNGSSTELLE genommen ist dabei allerdings die Arbeitslosenver- Hinzu kommen die Einkommenssteuern auf den Brut- sicherung. Ein Teil der Förderkosten wandert somit tolohn. Diese belaufen sich nach dem Einkommen- wieder in die öffentlichen Kassen zurück. Das Ausmaß, steuerrechner des BMF bei Alleinstehenden auf etwas in dem die Fördersumme unmittelbar wieder in den weniger als 1.000 Euro im Jahr oder etwa 80 Euro im öffentlichen Kassen landet, ist nicht exakt zu beziffern, Monat. In einer vereinfachten Betrachtung würden bei da weder das BMAS noch die BA oder das IAB Daten jahresdurchschnittlich 40.000 Teilnehmenden somit über den Beschäftigungsumfang oder die vereinbarten 40 Mio. Euro als Einkommenssteuer an die öffentlichen Stundenlöhne veröffentlichen und dies auch statistisch Haushalte zurückfließen.20 nicht erheben. Insofern fehlen grundlegenden Informa- tionen, um die Rückflüsse angemessen zu berechnen. Diese Rückflüsse an die Sozialversicherungen und den Fiskus bleiben zumeist unbeachtet. Sie fließen auch Um trotzdem eine Idee für die Größenordnung der nicht unmittelbar in die Finanzierung der Maßnahme Rückflüsse zu bekommen, können die durchschnitt- ein. Ungeachtet dessen handelt es sich aber in einer lichen Ausgaben pro Fall und Monat als Ausgangsla- gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise um sehr ge betrachtet werden. Fast die kompletten Ausgaben relevante Effekte. dienen der Finanzierung des Lohnkostenzuschusses.19 Da die Lohnkosten in den ersten beiden Jahren zu 100 Nach allen Erfahrungen mit vergleichbaren Förde- Prozent von den Jobcentern getragen werden, ent- rungen, die es schon in der Vergangenheit gab, wird es sprechen diese Gelder damit in etwa dem Arbeitgeber- einem Teil der geförderten Teilnehmenden auch nach brutto. Auch wenn die Förderkosten und der zeitliche Auslaufen der Förderung gelingen, weiterhin beschäf- Umfang der Beschäftigung höchst unterschiedlich tigt zu sein. Diese ungeförderten Integrationen in den ausfallen, soll mit einem Durchschnittswert eine grobe Arbeitsmarkt reduzieren die (zumal ansonsten langfri- Idee für die Rückflüsse gewonnen werden. Dann ergibt stig anfallenden) Ausgaben im SGB II.21 sich in etwa folgende Rechnung: Die Förderkosten 2020 belaufen sich etwa auf 842 Mio. Euro (EGT plus Nicht zuletzt erhalten die Jobcenter mit dem Sozialen PAT). Jahresdurchschnittlich gab es etwa 40.000 Teil- Arbeitsmarkt eine sinnvolle Förderalternative. Sie kön- nehmende. Die durchschnittliche Fördersumme pro nen bei diesem Personenkreis auf weithin unwirksame Fall und Monat liegt damit bei etwas weniger als 1.800 Aktivierungsbemühungen mit lediglich kurzfristigen Euro. Die Eingliederungsbilanz 2020 weist entspre- Maßnahmen verzichten. Sie werden zugleich vor der chend auch eine Summe von 1.764 Euro pro Förderfall dauerhaft nur schwer zu rechtfertigenden Alternative aus. Nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge der bewahrt, gar kein Unterstützungsangebot mehr zur Arbeitgeber (Gesundheit und Pflege sowie Rente in Integration in den Arbeitsmarkt für diese Menschen zu der Summe 18,5 Prozent) verbleiben im Durchschnitt unterbreiten. aller Teilnehmenden 1.467 Euro monatlicher Brutto- lohn. Davon gehen wiederum 18,5 Prozent Sozialver- sicherungsbeiträge ab. Damit fließen insgesamt über ein Drittel der Förderausgaben – 600 Euro pro Förder- fall – in die Kassen der Sozialversicherungen zurück. 19 Nach den Angaben des BMAS auf die Fragen von Dr. Gesine Lötzsch (MdB) wurden von den gemeinsamen Einrichtungen 2020 rund 650 Mio. Euro für die Lohnkostenzuschüsse aufgewendet, für beschäftigungsbegleitendes Coaching rund 25 Mio. und rund 2 Mio. 20 Es handelt sich hierbei um eine großzügige Kalkulation, die vereinfacht für die Qualifizierung. Die Mittel fließen damit ganz überwiegend in davon ausgeht, dass die Teilnehmenden alleinstehend sind. In der den Lohnkostenzuschuss. Für die zugelassenen kommunalen Träger Förderpraxis gehört mehr als die Hälfte der Geförderten einer Single-BG an. liegen dem Ministerium keine Angaben vor. Antworten des BMAS auf 21 Nähere Erkenntnisse zur Arbeitsmarktbeteiligung der geförderten Fragenkomplex zur „Teilhabe am Arbeitsmarkt” nach § 16i SGB II zu 2020 Personen in der „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ soll die wissenschaftliche von Dr. Gesine Lötzsch (MdB), Juni 2021. Evaluation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung liefern. 13
b. Individueller Nutzen: Stärkung der sozialen Mit der Förderung nach § 16i SGB II werden längerfri- Teilhabe und Überwindung von Hilfebedürf- stige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungs- tigkeit verhältnisse bei unterschiedlichen Arbeitgebern aller Branchen und Arbeitgeber erschlossen. Das sind wich- Der Soziale Arbeitsmarkt unterstützt langzeitarbeitslo- tige Rahmenbedingungen für eine sinnstiftende Be- se Menschen in mehrfach positiver Art und Weise. Eine schäftigung, die den geförderten Menschen Gelegen- wesentliche Begründung der „Teilhabe am Arbeits- heiten zur Leistungsentfaltung und die notwendige markt“ ist die Verbesserung der sozialen Teilhabe der Zeit zur Verbesserung ihrer Beschäftigungsfähigkeit Betroffenen. Denn die Ermöglichung von Erwerbsar- gibt.23 beit für ansonsten vom Arbeitsmarkt dauerhaft ausge- schlossene Personen wird als wesentlicher Beitrag zur Die bisherige Umsetzung der Förderung zeigt wei- Verbesserung ihrer sozialen Teilhabe aufgefasst. Evalu- ter, dass es einem sehr großen Anteil an geförderten ationen zu Vorgängerinstrumenten wie dem früheren Personen gelingt, mit ihrer Beschäftigung die Hilfe- Beschäftigungszuschuss (§ 16e SGB II a.F.) und Vor- bedürftigkeit zu beenden, also keine Leistungen zur läuferprogrammen bzw. Modellversuchen (so unter Sicherung des Lebensunterhalts und Zuschüsse zu anderem das Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am ihren Unterkunftskosten mehr zu benötigen. Mit Be- Arbeitsmarkt“) haben den positiven Beitrag entspre- standsdaten von Mai 2020 hat das Bundesministerium chender Förderungen auf das Empfinden der sozialen für Arbeit und Soziales ermittelt, wie viele der (damals) Teilhabe aus Sicht der Betroffenen in der Praxis gut be- rund 39.000 geförderten Teilnehmenden die Hilfebe- legt.22 Auch aus der Praxis der Freien Wohlfahrtspflege dürftigkeit beenden konnten.24 Die entsprechenden wird über positive Erfahrungen mit entsprechenden Informationen sind in der folgenden Abbildung nach Förderungen berichtet. Langzeitarbeitslose Menschen Bedarfsgemeinschaftstypen differenziert dargestellt. und ihre Familienangehörigen profitieren davon, ihren Lebensunterhalt wieder durch eigene Erwerbsarbeit zu finanzieren und ihre jeweilige materielle Situati- on zu verbessern. Eine größere Unabhängigkeit vom Jobcenter, zumal wenn mit der Förderung die Hilfebe- dürftigkeit überwunden werden kann, wird von vielen Betroffenen als Erleichterung erlebt. Viele Geförderte erleben mit der Übernahme der Rolle, Arbeitnehmer*in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu sein, eine persönliche Aufwertung. Dass die Förderung in der Praxis von den Betroffenen nach vorliegenden Kenntnissen fast ausnahmslos freiwillig wahrgenom- men wird, ist hierfür eine wichtige Voraussetzung. 23 Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wird im Rahmen einer umfassenden und bis Ende 2023 fortlaufenden Evaluation zum Teilhabechancengesetz unter anderem die Wirkungen des §16i SGB II auf 22 Siehe etwa Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Hrsg): die Soziale Teilhabe und die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit Sicherung Sozialer Teilhabe für Langzeitarbeitslose. IAB-Stellungnahme untersuchen. 12/2018 24 Antworten des BMAS, a.a.O. 14
PARITÄTISCHE FORSCHUNGSSTELLE Teilhabe am Arbeitsmarkt - aktueller SGB II Regelleistungsbezug 45.000 39.209 40.000 35.000 30.000 25.289 25.000 22.344 20.000 15.682 15.000 10.000 4789 4.351 4.189 5.000 2.365 2.487 1.695 2.814 2.695 722 365 0 insgesamt Single-BG AE Partner ohne Partner mit nicht ohne Angabe Kinder Kinder zuordenbare BG insgesamt aktuell SGB II aktuell nicht SGB II © Der Paritätische 2021 Quelle: BMAS, Antworten auf Fragen der Abgeordneten Dr. Lötzsch, Juni 2021 Von den fast 40.000 Teilnehmenden im Mai 2020 be- beitsmarkt“ stellt sich insofern als eine besonders hilf- finden sich etwa 25.000 zu diesem Zeitpunkt nicht reiche Förderung dar, die einen hohen individuellen im SGB II-Leistungsbezug. Etwa zwei Drittel der Teil- Nutzen für die geförderten Personen und auch posi- nehmenden (64 Prozent) sind nicht mehr hilfebedürf- tive Effekte für die Gesellschaft schafft. Und auch in tig und haben den Leistungsbezug verlassen.25 Der finanzieller Hinsicht handelt es sich um eine lohnende Großteil der Beschäftigten lebte vor Eintritt alleine, d. Investition, weil damit unmittelbar finanzielle Rück- h. in einer Single-Bedarfsgemeinschaft (22.300 Teil- flüsse in das Steuer- und Sozialversicherungssystem nehmende oder 57 Prozent der Förderfälle). In dieser verbunden sind, eine übergroße Mehrheit der geför- Konstellation reichte das Entgelt in dem meisten Fällen derten Personen die Hilfebedürftigkeit im SGB II mit (etwa 70 Prozent) aus, um Hilfebedürftigkeit zu ver- der Aufnahme der geförderten Beschäftigung hinter meiden. Bei den annähernd 5.000 Alleinerziehenden sich lassen kann und dies bei einem derzeit noch nicht reichte das Entgelt bei der Hälfte der Beschäftigten zur zu beziffernden Anteil an geförderten Personen auch Vermeidung von Hilfebedürftigkeit aus. Ähnliche An- nach dem Auslaufen der Förderung so bleiben wird. teile zeigen sich bei den weiteren Haushaltskonstella- tionen. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die Finanzierungs- grundlagen des Sozialen Arbeitsmarkts noch verbes- Der Soziale Arbeitsmarkt in Form der „Teilhabe am Ar- sert werden können. Hierbei rückt bei näherer Be- trachtung seiner Umsetzung der Passiv-Aktiv-Transfer 25 2.800 Personen waren vor der Förderung nicht im SGB II- Leistungsbezug, weil sie in einem der Vorgängerprogramme einbezogen in den Blick. waren. 15
Passiv-Aktiv-Transfer optimieren die Einsparungen beim Arbeitslosengeld II sowie der Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterkunft und Mit dem Passiv-Aktiv-Transfer ist wie gesagt eine zwei- Heizung, differenziert nach drei verschiedenen Be- te Finanzierungsquelle für den Sozialen Arbeitsmarkt darfsgemeinschaftskonstellationen. Im Grundsatz gibt eingeführt worden. Der Gedanke, Beschäftigung statt es folglich drei Pauschalen: Arbeitslosigkeit zu finanzieren, ist mit diesem Prinzip institutionalisiert worden. • Bedarfsgemeinschaft mit einem Erwachsenen und keinem Kind („1-Personen BG“): 500 Euro im Monat Allerdings gibt es hier noch erhebliche Verbesserungs- potenziale, die es zu nutzen gilt. • Bedarfsgemeinschaft mit einem Erwachsenen und mindestens einem Kind: 600 Euro im Monat • alle anderen Fallkonstellationen: 700 Euro im Monat. a. Gesetzliche Verankerung des PAT im SGB II Sofern die Fördersumme 1.000 Euro pro Monat unter- Der PAT sollte im SGB II verbindlich geregelt26 und nicht schreitet, sind um 50 Prozent verminderte PAT-Pau- länger nur über einen Haushaltsvermerk organisiert schalen zu verwenden. Unterschreitet der Lohnko- werden, der einer jährlichen Bestätigung in den Haus- stenzuschuss an den Arbeitgeber die um 50 Prozent haltsberatungen des Deutschen Bundestages bedarf. verminderte PAT-Pauschale, so ist der PAT nicht nutz- Auf diesem Wege sollen auch die Jobcenter angehal- bar.27 Mit dieser Einschränkung soll vermieden werden, ten werden, den PAT verbindlich zu nutzen. Die Inten- dass die PAT-Pauschale die Einsparungen beim Arbeits- sität der Nutzung des PAT nicht in jedem Einzelfall ins losengeld II und dem Bundesanteil bei den Kosten der Belieben der Jobcenter zu stellen, sondern verbindlich Unterkunft überschreitet. zu machen, hilft, das Finanzierungspotenzial des PAT besser auszuschöpfen und es ersetzt bürokratieauf- Die Kalkulationen des BMAS sind sehr vorsichtig und wändige Einzelfallprüfungen in den Jobcentern. nutzen das Potenzial der tatsächlichen Einsparungen bei weitem nicht aus. Dies zeigt sich, wenn die PAT- Pauschalen mit den durchschnittlichen Bedarfen der jeweiligen Bedarfsgemeinschaften abgeglichen wer- b. PAT-Pauschalen anpassen den.28 Als Bedarf wird der Geldbetrag benannt, der zur 27 Vgl. Bundesagentur für Arbeit: § 16i SGB II „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat für Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung am sozialen die Umsetzung des Passiv-Aktiv-Transfers ein pauscha- Arbeitsmarkt. Weisung vom 14.10.2020. 28 Die Daten zu den Bedarfen der Bedarfsgemeinschaften entstammen der liertes Abrechnungsverfahren gewählt, um eine mög- regelmäßigen Publikation „Grundsicherung für Arbeitsuchende. Analysereport“. lichst unbürokratische Handhabe zu gewährleisten. Herangezogen wurde hier der Bericht April 2021 mit Daten für Dezember Der über den Passiv-Aktiv-Transfer aktivierbare Betrag 2020. Alternativ könnten die „Zahlungsansprüche“ der Bedarfsgemeinschaften als Kontrastfolie genutzt werden. Die Zahlungsansprüche entsprechen der („PAT-Anteil“) wird pauschal festgelegt und bleibt auf Summe der Leistungen, die den Berechtigten tatsächlich gewährt werden. Im die Bundesmittel begrenzt. Nach Auskunft des BMAS Gegensatz zum Bedarf wird hier ggf. vorhandenes Einkommen angerechnet. liegen den Bestimmungen der PAT-Pauschalen Modell- Mögliche Minderungen der Leistungen aufgrund von Sanktionen werden ebenfalls abgezogen. Im Gegenzug erhält der Zahlungsanspruch aber auch rechnungen zugrunde, die allerdings – soweit erkenn- Beitragszahlungen für die Sozialversicherung, die in der Kalkulation des Bedarfs bar – nicht veröffentlicht wurden. Ermittelt wurden nicht enthalten sind. Unter dem Strich ergibt diese -hier nicht dokumentierte– Berechnung in Bezug auf die Single-Bedarfsgemeinschaften im Durchschnitt 26 Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge hatte ähnliche Ergebnisse. Bei den anderen beiden Konstellationen –insbesondere sich im Gesetzgebungsverfahren zum Teilhabechancengesetz für eine den Alleinerziehenden-Bedarfsgemeinschaften– fällt der durchschnittliche entsprechende Regelung in § 46 SGB II ausgesprochen, siehe Stellungnahme Zahlungsanspruch aufgrund von anzurechnenden Erwerbseinkommen spürbar der Geschäftsstelle des Deutschen Vereins zum Referentenentwurf eines geringer aus. Für den hiesigen Zweck ist aufgrund der Fördervoraussetzung Zehnten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (10. „langzeiterwerbslos“ nicht von Erwerbseinkommen vor dem Eintritt SGB II-ÄndG) Teilhabechancengesetz vom 11.06. 2018 auszugehen. Daher ist die Bezugnahme auf den Bedarf sachgerecht. 16
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