FACHBEITRÄGE Wirkung und Nebenwirkung der Arzneimittel in der Therapie der ADHS
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4 Fachbeiträge ADHS Deutschland e. V. FACHBEITRÄGE Wirkung und Nebenwirkung der Arzneimittel in der Therapie der ADHS Dr. Ulrich Kohns Nach dem Überblick über bei ADHS eingesetzte Arz- • ob Begleitstörungen die ADHS-Symptomatik überlagern. neimittel werden die zu erwartenden Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen der Arzneimittel geschildert. Alle Arzneimittel in der Behandlung der ADHS dürfen In einem weiteren Artikel werden „Gründe der Behand- leitlinienkonform und fachinformationsbedingt nur „im lung der ADHS mit Arzneimitteln“ diskutiert. Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie“ bzw. „als Teil eines umfassenden Behandlungsprogramms“ eingesetzt Für die Behandlung der ADHS stehen Psychostimu- werden. Wirk- und Nebenwirkungsprofil sowie der Zulas- lanzien wie Methylphenidat und Amfetamine, Nicht-Psy- sungsstatus mit seiner Altersabhängigkeit sind zu berück- chostimulanzien wie Atomoxetin und Guanfacin zur Ver- sichtigen. (s.Tabelle) fügung. Als arzneimittel- und kassenrechtlich zugelassene Arzneimittel haben sie die evidenzbasierte Wirksamkeit Stimulanzien auf die ADHS bewiesen und ein tolerierbares Nebenwir- kungsprofil gezeigt. Psychostimulanzien erhöhen die Aktivität der Nerven- zellen; sie wirken bei Menschen ohne ADHS antriebs- und Die Wirkung der Arzneimittel hängt von mehreren konzentrationssteigernd. Zu ihnen gehören neben Arznei- Faktoren ab: mitteln z. B. Genussmittel wie Kaffee und Nikotin, auch • individuelle, genetisch und sozial bedingte Vorausset- Kokain oder Ecstasy. In der Behandlung der ADHS ver- zungen des Patienten, die das Ausmaß der Symptome mindern Stimulanzien die Unruhe, verbessern Aufmerk- und der Funktionsbeeinträchtigung mitbestimmen. samkeit, Handlungskompetenz und Selbstkontrolle. Mit • In Einzelfällen hat die Nahrungsaufnahme bei der Ein- Verminderung der ADHS-Symptome nimmt die Fähigkeit nahme Einfluss auf die Wirkstoffkonzentration im Blut. zu, sich altersentsprechend zu verhalten und die altersge- • Die Zeit bis zum Erreichen eines wirksamen Blutspiegels rechten Anforderungen zu erfüllen. und seine Dauer sind individuell verschieden. Die Behandlungseffekte der verschiedenen Stimulanzi- • Patienten bauen unterschiedlich langsam oder schnell en sind ähnlich und durch Studien belegt vergleichbar gut, das Arzneimittel ab; die Wirkdauer ist kürzer oder län- auf jeden Fall besser als bei Nicht-Stimulanzien und Place- ger als „üblich“. bos. • Das Verhältnis des Blutspiegels zur Symptomverbesse- rung ist individuell: die Höhe der Dosierung, orientiert Methylphenidat (MPH) am Körpergewicht, kann bei Patienten mit gleichem Mehrere hundertfache, weltweite, Placebo kontrol- Körpergewicht unterschiedlich starke Effekte auf die lierte, randomisierte, doppelblind geführte Studien haben Symptome haben. über Jahrzehnte den Nutzen von MPH bei ADHS bewie- sen. Weltweit ist MPH in Leitlinien das Mittel der ersten Zusätzlich meist vorhandene Begleitstörungen können Wahl zur Behandlung der ADHS. die erwarteten Effekte der Behandlung stören. Das Wissen um die Aufnahme, den Stoffwechsel und die Wirkungsorte von MPH im Zentralnervensystem ist MERKE: Sollte ein Arzneimittel nicht ausreichend oder gar seit Jahren durch bildgebende Untersuchungen wissen- nicht wirken, ist zu prüfen, schaftlich gesichert: • ob die Einnahme des Arzneimittels sicher gewährleistet • MPH wirkt vor allem über die Blockade des Dopamin- ist, transporters. Es erhöht die Konzentration des Neuro- • ob die aktuelle Dosierung zu niedrig oder zu hoch ist, transmitters Dopamin in verschiedenen, in ihrer Funk- • ob die Diagnose ausreichend gesichert ist oder tion vom Dopamin abhängigen Regionen des Gehirns. Nachdruck und Vervielfältigung aller Art nur mit Genehmigung des Verbandes. neue AKZENTE Nr. 115 1/2020
ADHS Deutschland e. V. Fachbeiträge 5 Defizitäre Funktionen bei Reizaufnahme, -verarbeitung venzellen verstärkt. Daraus resultiert eine erhöhte Konzen- und -beantwortung werden verbessert oder normalisiert. tration dieser Neurotransmitter. Amfetamin hat etwa die Dies findet nur im Zeitfenster der Wirkung eines indivi- dreifache Bindung an den Noradrenalintransporter zur- duellen, notwendig hohen MPH-Spiegels statt. Wiederaufnahmehemmung und die zweieinhalbfache Bin- • MPH wirkt darüber hinaus im Gehirn durch Erhöhung dung an den Dopamintransporter wie MPH. Dadurch ist der Konzentration des Neurotransmitters Noradrenalin. die Dopaminerhöhung sehr viel ausgeprägter als bei MPH, Die Informationsweiterleitung von Sinnesorganen ins was zu besseren Behandlungseffekten führt. Eine Netz- Gehirn wird verbessert; gleichzeitig wird die Reaktion werk-Analyse zeigte, dass bei Kindern, Jugendlichen und auf unwichtige Reize verhindert. Diese Doppelstrategie Erwachsenen Amfetamine effektiver sind als Methylphen- trägt zur Konzentrationsverbesserung bei. Sie vermin- idat, aber bei Kindern und Jugendlichen schlechter vertra- dert auch Aggressivität und Impulsivität, oft ADHS be- gen werden. Daher wird in dieser Altersgruppe MPH der gleitende Symptome. Vorzug vor Amfetaminen gegeben. • MPH hat Einfluss auf Funktionen des Mittelhirns, wie z. Lisdexamfetamin wird nach Aufnahme im Magen- B. des Mandelkerns. Emotionales Gedächtnis, Verarbei- Darm-Trakt zu Dexamfetamin umgewandelt, das für die tung und Beantwortung der Emotionen werden besser Wirkung verantwortlich ist; es wirkt zudem auf zusätzlich moduliert. bestehende Symptome ähnlich einer Depression. • MPH verbessert oder normalisiert - die fokussierte Aufmerksamkeit, MERKE: Die Effekte der Stimulanzien treten nur während - die Reizwahrnehmung und -beantwortung, des Vorhandenseins einer notwendigerweise ausreichen- - das Arbeitsgedächtnis, den Wirkstoffkonzentration im Körper auf. Dabei ist die - die Handlungsplanung, -umsetzung, -kontrolle und den Abhängigkeit der Wirkung und Wirkdauer interpersonell -aufschub, unterschiedlich und sehr individuell. - das Setzen von Prioritäten und - die Emotionsmodulation. Nebenwirkungen • MPH hat Einfluss auf die altersabhängige motorische Hyperaktivität, das Sozialverhalten bei der Interaktion Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW), mit Eltern, Geschwistern, Gleichaltrigen und Kontakt- Nebenwirkungen, der Stimulanzien ähneln sich. Sie sind personen. meist dosisabhängig und treten unterschiedlich häufig oder ausgeprägt auf. Bei Patienten mit klinisch diagnostizierter ADHS und • Meist nur in der Aufdosierungsphase, besonders bei mit für ADHS typischer Genetik wurde durch Bildgebung schneller Aufdosierung zu Beginn, können vorüber- eine Reifungsverzögerung um 2 - 6 Jahre in von Dopamin gehend Übelkeit, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, abhängigen Hirnregionen nachgewiesen. Bei Verlaufsun- Schwindel, Verstimmung und Symptomverstärkung nach tersuchungen wurde festgestellt, dass eine kontinuierliche Ende der Wirkung des Arzneimittels auftreten („Re- Therapie mit MPH günstigen Effekt auf die Reifungsver- boundhyperaktivität“). zögerung hat und diese verkürzt. • Bei Amfetaminen treten bei größerer Effektivität, aber enger therapeutischer Breite, eher Überdosierungssymp- Amfetamine tome und Nebenwirkungen auf. Dexamfetamin und Lisdexamfetamin gehören zu • In einzelnen Fällen und länger bestehenbleibend gibt den Psychostimulanzien. Dexamfetamine sind „second es Schwierigkeiten mit späterem Einschlafen als vor der line“ Arzneimittel zur Behandlung der ADHS bei Kindern Behandlung und Appetitminderung in der Wirkungszeit im Alter von 6 Jahren bis 17 Jahren zugelassen, wenn das des Arzneimittels. Ansprechen auf eine zuvor erhaltene Behandlung mit Methyl- phenidat als klinisch unzureichend angesehen wird oder war. Verstärkung von Tics und Stereotypien, Psychosen, Lisdexamfetamin als Elvanse® Adult kann ohne Vorbehand- Puls- oder Blutdruckerhöhung sind seltene Gründe für das lung mit MPH aber bei Erwachsenen angewendet werden. Absetzen der Therapie. Der Mechanismus der therapeutischen Wirkung von Bei Nebenwirkungen empfiehlt sich zunächst die Ob- Amfetamin bei ADHS ist nicht vollständig aufgeklärt. Am- jektivierung der Symptome, ein Abgleich von Selbst- und fetamin blockiert die Wiederaufnahme von Dopamin- und Fremdanamnese und ein kurzes Abwarten des Verlaufs Noradrenalin in Nervenzellen anders als Methylpheni- unter enger Symptomkontrolle. In der Aufdosierungspha- dat. Zusätzlich wird die Ausschüttung von Dopamin und se hilft eine langsamere Dosissteigerung, später eine klein- Noradrenalin auch unabhängig vom Signalimpuls der Ner- schrittige Dosisverminderung. Probleme des Einschlafens neue AKZENTE Nr. 115 1/2020
6 Fachbeiträge ADHS Deutschland e. V. und des Appetits mit Gewichtsverlust werden durch eine Atomoxetin ist besonders geeignet, um eine Wirk- andere Verteilung des Arzneimittels über den Tag, ein An- samkeit über den ganzen Tag auch am Abend (z. B. in der passen der Einzeldosis an die Tageszeit oder ein Verlegen Zu-Bett-Geh-Situation) oder bei abendlicher Einnahme der Essenszeit in ein Zeitfenster mit nachlassender Wir- in der Aufstehsituation am Morgen zu erreichen. Es ver- kung des Arzneimittels verbessert. bessert oft eine begleitende, sozial-ängstliche oder emotio- nal-instabile Symptomatik. Atomoxetin wird besonders bei In Einzelfällen kann das Absetzen des Arzneimittels Vorliegen von Begleitstörungen wie Ticstörung, Touret- nötig sein. Zur Behandlung stehen dann alternativ andere te-Syndrom, Angsterkrankung oder Substanzmissbrauch Stimulanzien und Nicht-Stimulanzien zur Verfügung. eingesetzt. Methylphenidat-Präparate mit verzögerter Freisetzung MERKE: Lethargie bis Apathie, Weinerlichkeit, Ängstlich- haben eine bessere Ansprechrate als Atomoxetin auf die keit, depressive Verstimmung, Fehlen altersentsprechender ADHS-Symptomatik. In Fällen unzureichender Verbes- Fröhlichkeit oder ein „komisches“, ausgebremst wirkendes serung der ADHS-Symptome am Tage bei morgendlicher Verhalten bei Kindern oder Jugendlichen unter der Thera- Einnahme von Atomoxetin und/oder bei sozial-ängstlicher pie weisen meist auf eine Überdosierung hin. Eine Dosis- oder emotional-instabiler Symptomatik hat sich die Kom- anpassung bis zu ausreichender Wirkung auf die Kern- bination von Stimulanzien am Tag und Atomoxetin am symptome und Ausbleiben von Nebenwirkungen hilft in Nachmittag oder Abend bewährt. der Regel. Das Nebenwirkungsprofil entspricht dem der Stimulan- zien. Bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen, su- Gesichert ist, dass die Behandlung einer ADHS mit Sti- izidalen Tendenzen oder Äußerungen, Lebererkrankungen mulanzien nicht zu Drogenkonsum oder Missbrauch ande- oder gleichzeitiger Behandlung mit Arzneimitteln, die im rer Substanzen führt. Mit Stimulanzien behandelte Perso- Noradrenalinsystem wirksam sind, ist eine besondere Auf- nen haben seltener Probleme mit Substanzmissbrauch als merksamkeit in Hinblick auf Nebenwirkungen notwendig. unzureichend behandelte oder unbehandelte Personen mit ADHS. Guanfacin Weitergehende Informationen zu einem Arzneimittel Guanfacin ist zur Behandlung der ADHS nur bei Kindern bezüglich des Anwendungsgebiets, der Art der Anwen- und Jugendlichen im Alter von 6 – 17 Jahren im Rahmen einer dung und Dosierung, der Gegenanzeige und der Warnhin- umfassenden therapeutischen Gesamtstrategie zugelassen, für weise bei der Anwendung sowie der Nebenwirkungen fin- die eine Behandlung mit Stimulanzien nicht in Frage kommt den sich in der Patienteninformation (Beipackzettel) des oder unverträglich ist oder sich als unwirksam erwiesen hat. Arzneimittels. Der genaue Wirkmechanismus von Guanfacin bei der Behandlung von ADHS ist nicht vollständig geklärt. Guan- Nicht-Stimulanzien facin wirkt auf Adrenorezeptoren im Gehirn bei Versuch- stieren und verbessert die Leistung des Arbeitsgedächtnis- Mit Atomoxetin und Guanfacin stehen zwei Arzneimit- ses, die Aufmerksamkeit und Impulskontrolle. Zusätzlich tel für die Behandlung der ADHS zur Verfügung, die keine wird bei einigen Patienten eine Verbesserung der Stim- Stimulanzien sind: Sie haben evidenzbasiert ihre Wirksam- mung und sozialen Interaktion sowie der Emotionsregula- keit auf die Symptome der ADHS bei guter Verträglichkeit tion beobachtet. Bei abendlicher Einnahme hat Guanfacin bewiesen. Sie unterliegen bei ihrer Verordnung nicht den mehr als ATMX einen guten, Schlaf anstoßenden Effekt. für Stimulanzien geltenden Bestimmungen. Guanfacin wird aus der Retardtablette rasch aufgenom- men, über einen längeren Zeitraum freigesetzt und zur Atomoxetin Hälfte in 18 Stunden ausgeschieden. Evidenzbasierte Da- Atomoxetin ist für die Behandlung der ADHS bei Kin- ten für eine Überlegenheit des Wirkstoffs gegenüber ande- dern ab 6 Jahren, bei Jugendlichen und bei Erwachsenen als ren liegen nicht vor. Teil eines umfassenden Behandlungsprogramms zugelassen. Bei einer sorgfältig langsamen Dosissteigerung zu Es ist ein Hemmstoff des Transporters für den Neurotrans- Beginn der Behandlung ist eine enge Überwachung des mitter Noradrenalin und hat anders als MPH keine direkte Patienten erforderlich, da die Besserung der ADHS-Sym- Wirkung auf die Erhöhung von Serotonin- oder Dopamin ptome und die Risiken für das Auftreten verschiedener, im Gehirn. signifikanter, unerwünschter Reaktionen (Kreislaufkollaps, Die Wirkdauer bei einmal täglicher Gabe geht über den Hypotonie, Bradykardie, Somnolenz, Sedierung und Ge- Tag. Eine allmähliche Aufdosierung führt innerhalb von 1 - wichtszunahme) dosisabhängig sind. 4 Wochen zur Symptomverbesserung mit weiteren Verbes- Das Nebenwirkungsprofil unterscheidet sich deutlich serungen in folgenden Wochen. von Stimulanzien und Atomoxetin. Sehr häufige, uner- Nachdruck und Vervielfältigung aller Art nur mit Genehmigung des Verbandes. neue AKZENTE Nr. 115 1/2020
ADHS Deutschland e. V. Fachbeiträge 7 Zulassungsstatus von Arzneimitteln in der Behandlung der ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen (Stand Januar 2020) Psychostimulanz: Methylphenidat - nicht retardiertes MPH Equasym® 10 mg, Medikinet® 5-10-20 mg, *MPH-…® 10 mg, Ritalin® 10 mg Tbl. im Alter 6 - 17 Jahre Psychostimulanz: Methylphenidat - retardiertes MPH Concerta® 18, 27, 36, 54 mg Kps. ab Alter 6 Jahre Equasym® ret. 10-20-30 mg Kps. im Alter 6 - 17 Jahre Kinecteen 18, 27, 36, 54 mg Tbl. ® ab Alter 6 Jahre ab Alter 18 Jahre, nur wenn erfolg- reich vorbehandelt Medikinet® ret. 5-10-20-30-40-50-60 mg Kps. im Alter 6 - 17 Jahre Medikinet adult 5-10-20-30-40-50-60 mg Kps. ® ab Alter 18 Jahre *Methylphenidat …® Ret., 18, 27, 36, 54 mg Kps. ab Alter 6 Jahre ab Alter 18 Jahre, nur wenn erfolg- reich vorbehandelt Ritalin® LA 10-20-30-40-60 mg Kps. im Alter 6 - 17 Jahre Ritalin adult 10-20-30-40-60 mg Kps. ® ab Alter 18 Jahre Psychostimulanz: D-Amfetaminhemisulfat Attentin® 5-10-20 mg Tbl. im Alter 6 - 17 Jahre, „second line“ Mittel Amfetaminhemisulfat-Saft 0,2% (m/V) (NRF 22.4.) ab dem Alter von 3 Jahren bis 17 Jahre 1 ml = 2 mg DL-Amfetaminsulfat Psychostimulanz: Lisdexamfetamin Elvanse® 20-30-40-50-60-70 mg Kps. im Alter 6 - 17 Jahre „second line“ Mittel Elvanse® Adult 30-50-70 mg Kps. ab Alter von 18 Jahre Nicht-Stimulanz: Atomoxetin Strattera® , Agakalin®, * Atomoxetin …® ab Alter von 6 Jahren und Erwachsene 10-18-25-40-60-80-100 mg Kps./Filmtbl. Nicht-Stimulanz: Guanfacin Intuniv® 1-2-3-4 mg im Alter 6 - 17 Jahre Ret.Tbl. „second line“ Mittel * Methylphenidat …® , Atomoxetin …® : „ … steht für Firmennamen“ wünschte Wirkungen sind Somnolenz und Ermüdung, „Können Stimulanzien die ADHS heilen?“ Sedierung, Blutdruckabfall, Bradykardie und Rhyth- Nach jahrzehntelangen, weltweiten Erfahrungen und musstörungen. Die höhere Nebenwirkungsrate und der Forschungen kann diese Frage beantwortet werden. Ausschluss einer Kombinationstherapie mit Stimulanzien Stimulanzien wirken wie andere Arzneimittel auf das begrenzen den Einsatz von Guanfacin. Vorhandensein und die Schwere der Symptome, ohne die Die Behandlung mit Atomoxetin und Guanfacin muss Ursache der Symptome zu beseitigen; dies trifft z. B. auch unter Berücksichtigung Fachinformationen bzw. Patien- für die Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck, Störun- teninformationen (Beipackzettel) bezüglich des Anwen- gen von Schilddrüsen-, Nieren-, Leber- und Herzfunktion dungsgebiets, der Art der Anwendung, der Dosierung, der u. a. zu. Gegenanzeige und der Warnhinweise sowie der Nebenwir- Bei der ADHS mit leichtem Verlauf kommen auch kungen erfolgen. ohne Therapien im Zeitverlauf genetisch bedingte Symp- tomverbesserungen vor; in der Mehrheit dieser Fälle wer- den bei vorhandenen Restsymptomen die Diagnosekriteri- en nicht mehr erfüllt. neue AKZENTE Nr. 115 1/2020
8 Fachbeiträge ADHS Deutschland e. V. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich eine kon- die Aufklärung darüber von Patient/Eltern und ihre Zu- tinuierliche Behandlung mit Stimulanzien positiv auf die stimmung zur Therapieform schriftlich dokumentiert wer- bei ADHS nachgewiesene Reifungsverzögerung bestimm- den; Patienten in der gesetzlichen Versicherung müssen ter Regionen im Gehirn, den Verlauf von Schweregrad der zusätzlich einen Antrag auf Kostenübernahme bei ihrer Symptome und die Funktionsbeeinträchtigung auswirkt. Krankenkasse stellen. Die Arzneimitteltherapie der ADHS unter Berück- sichtigung des Zulassungsstatus der Arzneimittel, ihrer MERKE: Stimulanzien vermindern oder verhindern wie an- evidenzbasierten Wirkung und Nebenwirkungsprofile er- dere Arzneimittel das Vorhandensein oder die Schwere der möglicht eine individualisierte Verbesserung der Sympto- Symptome, ohne die Ursache der Störungen selbst zu besei- me und Verminderung von Funktionsbeeinträchtigungen. tigen. Dies hat Verbesserung des Schweregrads der ADHS Dazu stehen Stimulanzien in nicht retardierter oder retar- und der Funktionseinschränkungen zur Folge. Auf diese dierter Form und Nicht-Stimulanzien zur Verfügung. Die behandlungsbedingte Symptomverbesserung und die vor- Teilbarkeit der Tablette einer Stimulanz erleichtert es, eine handenen Leistungsmöglichkeiten des Patienten beruhen individuelle Dosierung zu finden. die Leistungserfolge und Erfahrungen zufriedenstellender In einzelnen Fällen kann die Kombination nicht retar- sozialer Teilhabe in und außerhalb der Familie. Sie ma- dierter mit retardierten Stimulanzien ebenso wie die Kom- chen ein altersentsprechend gelingendes Leben möglich. bination von Stimulanzien mit Nicht-Stimulanzien die Er- gebnisse medikamentöser Therapie der ADHS verbessern. AUTOR | Dr. Ulrich Kohns Weicht die Anwendung eines Arzneimittels von ihrer Kinder- und Jugendarzt/Psychotherapeut Zulassung entsprechend der Fachinformation ab, müssen Neurofeedback bei AD(H)S – mit ILF-Neurofeedback die Aufmerksamkeit verbessern Etwa fünf Prozent der Kinder im schulpflichtigen Alter Was ist Neurofeedback? leiden unter AD(H)S. Betroffene und deren Eltern sind auf der Suche nach effektiven Behandlungsmethoden, Viele psychiatrische und neurologische Erkrankungen insbesondere solchen, die ohne den Einsatz von Psycho- gehen mit Veränderungen in den Aktivitätsmustern des pharmaka anhaltende Behandlungserfolge bringen. Da Gehirns einher (Hammond, 2019). Mit Neurofeedback neurologische und psychiatrische Erkrankungen mit spe- können dem Patienten bestimmte Komponenten der eige- zifischen Veränderungen in der Gehirnaktivität einherge- nen Gehirnaktivität in Echtzeit visualisiert werden. Hierfür hen, kann Neurofeedback – eine nichtinvasive EEG-ba- werden Elektroden an der Kopfoberfläche angebracht und sierte und computergestützte Therapiemethode – eine mittels Elektroenzephalogramm (EEG) wird die kortikale sinnvolle Behandlungsoption sein. Um die Wirksamkeit Aktivität gemessen. Eine Software wandelt bestimmte An- von Neurofeedback zu untersuchen, wurde eine multi- teile der Aktivitätsmuster in Animationen auf einem Bild- zentrische Beobachtungsstudie mit 251 Kindern und Ju- schirm um. Beispielsweise sehen PatientInnen einen Jetski gendlichen mit AD(H)S-Diagnose durchgeführt. Diese fahren, dessen Position und Geschwindigkeit von den au- absolvierten vor und nach einer ambulanten Neurofee- genblicklichen EEG-Signalen abhängen. Somit werden be- dback-Therapie eine Aufmerksamkeitstestung. Es zeigte stimmte Komponenten der Gehirnaktivität umgewandelt sich über alle TeilnehmerInnen eine signifikante Verbesse- in sichtbare Vorgänge innerhalb einer Animation, d. h. die rung der Aufmerksamkeit und Impulskontrolle sowie eine Geschwindigkeit oder Position des Jetskis ändert sich. Die- subjektiv empfundene Verbesserung AD(H)S-typischer se visuellen Reize stellen ein Feedback-Signal dar, welches Symptome nach der Neurofeedback-Therapie. Die Ergeb- von den optischen Hirnzentren dekodiert werden kann. nisse sind vielversprechend und unterstützen existierende Ausgehend von der Visualisierung der Gehirnaktivität kön- Fallstudien und Berichte aus therapeutischer Beobach- nen – je nach Therapieziel – verschiedene Trainingsmodu- tung. le ansetzen. Nachdruck und Vervielfältigung aller Art nur mit Genehmigung des Verbandes. neue AKZENTE Nr. 115 1/2020
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