Einleitung - Die Couch als Ort besonderer Raumerfahrung

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© 2007 W. Kohlhammer, Stuttgart                                                   www.kohlhammer.de

         Einleitung – Die Couch als Ort besonderer Raumerfahrung

         Es ist wie ein blinder Fleck: Die Couch des Psychoanalyseraums ist seit der gro-
         ßen Arbeit von Herold Stern (1978) nicht mehr im Mittelpunkt einer umfassen-
         den wissenschaftlichen Untersuchung gewesen. Und doch ist sie das hervorste-
         chende Andere, sie ist das, was die Psychoanalyse schon von weitem kennzeich-
         net. Sie ist so entwaffnend einfach und doch so geheimnisvoll potent in ihrer
         Fähigkeit, Zugang zum menschlichen Unbewussten zu gewähren.
            Die Couch macht den Psychoanalyseraum zu dem einzigartigen Behandlungs-
         zimmer, das sich im medizinischen Bereich kein zweites Mal findet. Doch es ist
         natürlich nicht die Couch als selbständiges Subjekt, sondern der Analysand als er-
         kennendes Subjekt seiner selbst, der sich zum Zwecke der Erkenntnis auf die
         Couch begibt. Nur von der Couch aus entfaltet der Raum seine besonderen Ei-
         genschaften, die wir im analytischen Sprechzimmer antreffen. Es ist also die hori-
         zontale Position zum Zwecke der Erkenntnisgewinnung, die aus dem Raum einen
         anderen Raum macht, aus der Couch einen anderen Ort, und aus der Couch-Ses-
         sel-Gemeinschaft, dem Setting, eine symbiotische Gemeinschaft zu schweißen ver-
         mag. Wer auf der Couch die Reise zu sich selbst antritt, lässt sich auf eine große
         Veränderung nach einem geheimnisvollen Plan ein.
            Aber so zufällig oder beliebig ist die Selbstveränderung nicht. Vielmehr ge-
         schieht sie in enger Korrelation mit der Raumwahrnehmung von der Couch aus;
         und so wird der Analysand nacheinander vom Fremdling zum willkommenen Be-
         sucher, wird zum alleinigen Besitzer des Analyseraums und schließlich zum heftig
         kritisierenden Selbständigen, der, oft unter Protest, seinen Abschied nimmt und
         einen eigenen Raum bezieht, den er jedoch in der Zwischenzeit durch seine analy-
         tische Arbeit hervorgebracht hat. Kehrt er nach Jahren in seinen Analyseraum zu-
         rück, betrachtet er ihn befremdet als unbegreiflich fern.
            Nach diesem „Bauplan“ durchlaufen die Analysanden den Analyseraum –
         oder sollte man besser sagen: „durchliegen“? Denn es ist die liegende Position auf
         der Couch, die sie zu dieser geheimnisvollen Reise durch ferne Zeiten, Beziehun-
         gen und Schmerzen befähigt.
            Wenn also im Folgenden vom „Raum“ die Rede ist, so ist es in Wirklichkeit
         der „auf der Couch erlebte Raum“. Grotstein (1995, 396) hat darauf verwiesen,
         dass Freud durch seine Anweisung, den Patienten während der Behandlung liegen
         zu lassen, eine wichtige physiologische Entdeckung gemacht hat: er hatte nämlich
         die Funktion der rechten Hirnhälfte entdeckt. Sobald der Patient liegt und ohne
         Blickkontakt mit dem Analytiker spricht, schaltet die für Logik und Kontinuität
         zuständige Hirnhälfte ab (bei Rechtshändern die linke) und die für Emotionen,
         Phantasien und Illusionen zuständige Hirnhälfte (die jeweils andere) wird aktiv.
         Dieser Umschaltprozess lässt sich auch im EEG nachweisen. Der Raum wird nun

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          Einleitung – Die Couch als Ort besonderer Raumerfahrung

          nicht mehr als nüchterner Behandlungsraum erlebt, sondern bekommt all jene be-
          sonderen Eigenschaften, die sich aus der Biographie des Analysanden daran hef-
          ten lassen.
             Die Reise kann beginnen.

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                                                          Raumerwartung des Analysanden

         1        Der analytische Behandlungsraum in der
                  psychoanalytischen Diskussion

         1.1      Raumerwartung des Analysanden

         Ein Analysand1, der zum ersten Mal den Weg zu seinem künftigen Psychoanalyti-
         ker sucht, registriert sehr wach, in wessen Hände er sich begeben wird. Noch be-
         vor er dem Analytiker gegenübersteht, hat er sich über den Klang der Stimme am
         Telefon ein von ihm Bild gemacht, Sympathie oder Antipathie registriert. Aber die
         Person des Psychoanalytikers ist auch räumlich determiniert. Stadt oder Ort, die
         Lage im Stadtviertel und deren soziale Konnotation werden vom künftigen Ana-
         lysanden ebenso vermerkt wie die Anmutung der Straße, eventuell der Institution,
         und des Gebäudes, in dem der Analytiker seine Praxis hat, ist doch jede Behau-
         sung ein äußerer Ausdruck der inneren Verfassung ihrer Bewohner.
            Mit großer Sorgfalt registriert er also alle Signale, durch die der Analytiker et-
         was von sich preisgibt und dadurch auch Auskunft über seine Vertrauenswürdig-
         keit erteilt: Sein Aussehen, seine persönliche Ausstrahlung, seine Interaktionsfä-
         higkeit sowie den geheimnisvollen Raum selbst, in dem ihm auf so unbegreifliche
         Weise ohne chemisch-mechanische Hilfsmittel geholfen werden soll. Denn bislang
         kennt er vom Körper des Analytikers nur die Stimme, die er bei der telefonischen
         Vereinbarung des ersten Termins hörte.2
            Der Analysand erwartet nun gespannt zweierlei: die körperliche Präsenz des
         Analytikers, sein Aussehen, seine persönliche Aura und Interaktionsfähigkeit und
         die Gestaltung des Raumes. Von beidem wünscht er, dass sie dieselbe „Wellen-
         länge“ haben sollen wie er selbst. Höchst selten wird ihm dies bewusst sein. Er
         sieht sich einem komplexen Ganzem gegenüber: dem neuen Prozess, der Räum-
         lichkeit, dem Menschen, und schließlich dem eigenen Ich, das er neu erfahren
         wird, und zu dem er in Kontakt kommen will. Das erzeugt gemischte Gefühle:
         Angst vor den Einblicken in die Abgründe des eigenen Seelenlebens, Angst vor
         Manipulation und Kontrollverlust mischen sich mit der Hoffnung auf Besserung
         desolater Lebensumstände. Ihm sind seine neurotischen Verstrickungen bewusst
         und das Leiden, mit dem ihm sein Leben nicht mehr lebenswert erscheint. Die be-
         vorstehende Psychoanalyse sieht er als existentielle Infragestellung, als Bedro-
         hung, aber zugleich als Lebenschance. Es ist daher nur natürlich, dass sich ein
         künftiger Analysand mit allen Mitteln ein Bild von der Vertrauenswürdigkeit sei-
         nes künftigen Analytikers zu machen versucht. Dazu bedient er sich aller ihm zu
         Gebote stehenden Hilfsmittel. Die äußeren Determinanten und Statussymbole –
         Wohnort, Wohnviertel, Straße, Institution, Gebäude, Praxisraum – sind dabei
         Orientierungspunkte in einem neuen Kosmos, sichtbare Repräsentanten einer un-
         sichtbaren Funktion, die darin ausgeübt wird, der psychoanalytischen Arbeit.

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          Der analytische Behandlungsraum in der psychoanalytischen Diskussion

             In seiner akut angespannten Verfassung nimmt der Analysand den Raum nicht
          bewusst wahr, registriert aber die von ihm ausgehenden Signale. Im psychoanaly-
          tischen Geschehen selbst scheint der Raum dann von untergeordneter Bedeutung
          zu sein. Der Analysand spricht ihn selten an, geht es ihm doch um die Bewälti-
          gung drängender aktueller Konflikte. Und auch die psychoanalytische Fachdis-
          kussion hat dieses Problem bislang nicht scharf fokussiert. Da der Raum vom
          Analysanden nicht thematisiert wird, wird ihm auch keine besondere Bedeutung
          zugeschrieben. So misst selbst Harold Stern, der Autor des Standardwerks über
          die Couch, dem Raum keine besondere Bedeutung bei:
          Meiner Ansicht nach ist das gegenständliche Bild der Analytiker-Praxis hauptsächlich beim
          Erstinterview wichtig. Ist die Behandlung erst einmal in Gang, gewöhnt sich der Patient an
          die Ausstattung der Praxis und erwartet schließlich das, was immer er in der Behandlung
          zuerst angetroffen hat. Die Ausstattung der Praxis wird vom Analysanden oft als eine Er-
          weiterung der Persönlichkeit des Analytikers angesehen. (Stern 1978, 145)
          Sterns Beobachtungen treffen nach allgemeiner Erfahrung zu. Der Analysand
          macht beim Erstinterview eine Art Momentaufnahme und trägt dieses Bild des
          Behandlungsraums dann in sich, wie lückenhaft es auch sein mag. Er benötigt es
          nur, um sich topographisch zu orientieren. Neue Details im Praxisraum registriert
          er in den probatorischen Sitzungen und über einen langen Zeitraum hinweg
          nicht. Er unterscheidet zunächst lediglich, ob er sich unter diesen äußeren Bedin-
          gungen auf eine Psychoanalyse einlassen will oder nicht. Wichtiger als der diffe-
          renzierende Blick darauf, mit welchen Mitteln welche Atmosphäre hergestellt
          wurde, ist zu Beginn der Analyse das Gefühl des Aufgehobenseins, der Geborgen-
          heit, des bedingungslosen Akzeptiertseins. Die analytische Arbeit steht im Vorder-
          grund, und der Analysand scheint über Monate, wenn nicht Jahre, die Praxis des
          Analytikers wie in Trance zu betreten und den Weg zur Couch mit einem Tunnel-
          blick zurückzulegen.
             Man könnte daraus schließen, dass demnach die Inneneinrichtung des psycho-
          analytischen Behandlungsraums, das Interior Design, und die Art der Gestaltung
          des Couch-Settings für die Psychoanalyse nicht weiter relevant wären.

          1.2      Konzeptualisierung des Behandlungsraums und
                   Literaturbericht

          Dies ist jedoch nicht der Fall. Freud selbst hat die Gestaltung seines Raumes, ver-
          mutlich in Anlehnung an antike Praktiken, recht genau festgelegt. So gab es im
          klassischen Griechenland ein Äquivalent, das durch den Gebrauch der Couch
          charakterisiert ist, in dem auch Traumanalyse, die spezifische Art der Rhetorik,
          Dialektik und Katharsis praktiziert wurden.3 Freud hat die Vorschriften zur Ge-
          staltung des analytischen Raumes 1913 in seiner Schrift „Zur Einleitung der Be-
          handlung“ zusammengefasst. Sein Text wimmelt übrigens von Raum- und Zeit-
          bezügen aller Art, bis er schließlich die berühmte knappe Anweisung gibt:
          Ehe ich diese Bemerkungen zur Einleitung der analytischen Behandlung beschließe, noch
          ein Wort über ein gewisses Zeremoniell der Situation, in welcher die Kur ausgeführt wird.
          Ich halte an dem Rate fest, den Kranken auf einem Ruhebett lagern zu lassen, während
          man hinter ihm, von ihm ungesehen, Platz nimmt. Diese Veranstaltung hat einen histori-
          schen Sinn, sie ist der Rest der hypnotischen Behandlung, aus welcher sich die Psychoana-

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                            Konzeptualisierung des Behandlungsraums und Literaturbericht

         lyse entwickelt hat. Sie verdient aber aus mehrfachen Gründen festgehalten zu werden. Zu-
         nächst wegen eines persönlichen Motivs, das aber andere mit mir teilen mögen. Ich
         vertrage es nicht, acht Stunden täglich (oder länger) von anderen angestarrt zu werden. Da
         ich mich während des Zuhörens selbst dem Ablauf meiner unbewussten Gedanken über-
         lasse, will ich nicht, daß meine Mienen dem Patienten Stoff zu Deutungen geben oder ihn
         in seinen Mitteilungen beeinflussen. Der Patient faßt die ihm aufgezwungene Situation ge-
         wöhnlich als Entbehrung auf und sträubt sich gegen sie, besonders wenn der Schautrieb
         (das Voyeurtum) in seiner Neurose eine bedeutende Rolle spielt. Ich beharre aber auf dieser
         Maßregel, welche die Absicht und den Erfolg hat, die unmerkliche Vermengung der Über-
         tragung mit den Einfällen des Patienten zu verhüten, die Übertragung zu isolieren und sie
         zur Zeit als Widerstand scharf umschrieben hervortreten zu lassen. Ich weiß, daß viele
         Analytiker es anders machen, aber ich weiß nicht, ob die Sucht, es anders zu machen, oder
         ob ein Vorteil, den sie dabei gefunden haben, mehr Anteil an ihrer Abweichung hat. (Freud
         1913, 467)
         Selbstverständlich ist Freuds „Rat“ als Vorschrift zu lesen, und mit seinem Seiten-
         hieb auf diejenigen, die es „anders machen“, meint er vermutlich Adler, Stekel
         und Jung.4
            In der „Selbstdarstellung“ gibt Freud noch einmal einen Überblick über die
         Entwicklung seiner Methode und beschließt das Kapitel mit dem Satz:
         Ich gab also die Hypnose auf und behielt von ihr nur die Lagerung des Patienten auf einem
         Ruhebett bei, hinter dem ich saß, so daß ich ihn sah, aber nicht selbst gesehen wurde.
         (Freud 1925, 53)
         Mit diesem Aufsatz ist die Konzeptualisierung der Raumgestaltung in der psycho-
         analytischen Theorie abgeschlossen. Freud erwähnt die Couch nur noch ein einzi-
         ges Mal in seinem publizierten und unpublizierten Gesamtwerk5, nun aber aus
         der Warte des Patienten, der sich von einer seiner anstrengenden Kiefernoperatio-
         nen erholen mußte. Er schreibt am 21. März 1938 aus Wien an Arnold Zweig,
         drei Monate vor der Emigration:
         Ich habe einige besonders ungünstige Wochen hinter mir. Vor 4 Wochen eine meiner ge-
         wohnten Operationen, darauf ungewohnt heftige Schmerzen, so daß ich durch 12 Tage
         meine Arbeit einstellen mußte und mit Schmerzen und Wärmflaschen auf der Couch lag,
         die für andere bestimmt ist. (Freud, S. 1938)
         Zu diesem Zeitpunkt ist aus Freuds Sicht längst alles publiziert, was es zur Couch
         und ihrer Verwendung im analytischen Prozess zu sagen gibt. Als er 1938 diesen
         Brief schreibt, benutzt er die Couch, die in Wien neben seinem Arbeitszimmer im
         Behandlungsraum steht, in ihrer Funktion als Tagesruhemöbel; und als solches
         hat sie auch ihren angestammten Platz in den abendländischen Gelehrtenstuben
         der letzten tausend Jahre.6

         1.2.1    Freuds Praxis der Raumgestaltung
         Freud hat aber nicht nur dekretiert, wie er sich die Gestaltung des analytischen
         Behandlungsraums vorstellt, er hat es auch selbst praktiziert. Er hat den Archetyp
         des „Couch-Settings“ hergestellt, und daran orientieren sich bis heute Analytiker
         in aller Welt.
            Über sein eigenes Setting ist in möbelkundlicher Hinsicht erstaunlich wenig be-
         kannt. Die wenigen Nachforschungen beschränken sich auf die Couch. Sie ist,
         nach einer mündlichen Mitteilung von Martha Freud an Marie Bonaparte – für

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          Der analytische Behandlungsraum in der psychoanalytischen Diskussion

          deren Freud-Biographie –, das Geschenk einer dankbaren Patientin, Madame
          Benvenisti (Gay 1988, 103; Jones 1993, 217; Davies et al. 1998, 52f.). Der junge
          Freud, der sie 1890 oder 1891 erhielt – beim Umzug in die Berggasse 19 im Sep-
          tember 1891 gehörte sie bereits zum Mobiliar seines Arbeitszimmers (Gay 1988,
          103) –, benutzte sie erst später zusammen mit dem Sessel als festes Möbel-Arran-
          gement für seine Patienten. Sie war von einem Perserteppich, granatroten Samt-
          kissen, einem Kopfkissen und einer Nackenrolle mit weißleinenem Bezug be-
          deckt. Hinter der Couch hing ein Wandteppich, ein weiterer Perser lag auf dem
          Boden davor (Behling-Fischer 2000, 53).
             Am Kopfende der Couch stand ein Sessel nebst Fußbänkchen für Freud. Dabei
          stand der Sessel seit 1934 so, dass Freuds linkes Ohr sich dem Patienten zuneigte,
          da er auf dem rechten stark schwerhörig geworden war. (Engelman 1998, 43)
             Zu dem Clubsessel, der mit grünem Samt bezogen ist und nicht zu einer über-
          mäßig entspannten Haltung einlädt – er bietet dem Kopf keinen Halt; der Rücken
          muss in einer aufrechten Position gehalten werden, und die Füße stehen auf dem
          Fußboden wie beim Sitzen auf einem Stuhl –, ist nichts bekannt als was der Au-
          genschein an Schlüssen erlaubt. Auf der Sitzfläche liegt ein offenbar selbstge-
          knüpftes Kissen mit einem Muster aus roter Wolle. Dem Stil nach könnte es eine
          Handarbeit von der jüngsten Tochter, Anna, sein.
             Die Couch hat Freuds Entwicklung vom Hypnotiseur zum Psychoanalytiker
          mitgemacht und ist quasi zufällig dabei übriggeblieben.
             Freud hat in seinem Leben zwischen zwanzig und dreißig Behandlungsräume
          benutzt, deren Geschichte noch geschrieben werden muss.7 Gut dokumentiert ist
          die Wiener Wohnung im Zustand von 1938, die Edmund Engelman mit seinen
          ausgezeichneten schwarz-weiß-Photographien festgehalten hat. Hier vermisst
          man nur Angaben der Farben von den dunklen Wänden, dem Mobiliar und der
          Ausstattung. Das Haus in London in 20, Maresfield Gardens, ist als Freud Mu-
          seum dem Publikum zugänglich. Der Praxisraum „mit der Couch“, wie üblicher-
          weise formuliert wird, in Freuds Arbeitszimmer ist zu besichtigen, allerdings nur
          in abgedunkeltem Zustand bei Kunstlicht, da andernfalls die Farben des Mobili-
          ars in dem nach Süden gelegenen Raum verbleichen würden. Freuds Sprechzim-
          mer waren überreichlich mit Skulpturen, Bildern und Büchern ausgestattet, die
          den Analysanden zu lebhaften Einfällen anregen sollten. Die blank screen war in
          Bezug auf den Behandlungsraum keinesfalls wörtlich zu nehmen.

          1.2.2    Abschluss der Theoriebildung zum psychoanalytischen Raum
          Diesem Praxismodell haben die Analytiker in den darauffolgenden sechzig Jahren
          unzählige Varianten hinzugefügt. Das geschah jedoch außerhalb der theoreti-
          schen Diskussion, in der Praxis des Behandlungsalltages. Mangabeira (1999,
          339) weist nach, dass die Konzeptbildung tatsächlich 1913 abgeschlossen und
          der Gebrauch der Couch seitdem institutionalisiert war. Alternativen für die psy-
          choanalytische Arbeit standen nicht zur Debatte. Ende der 1930er-Jahre hatte
          sich das von Freud entwickelte Verfahren stabilisiert. Ferenczi hatte 1919 und
          1920 zahlreiche Modifikationen der Behandlung vorgeschlagen; er war unzufrie-
          den mit der Aktivität, der Neutralität und der Abstinenz des Psychoanalytikers,
          der ohne Rücksicht auf die besonderen Bedürfnisse des Patienten handeln sollte,
          und entwickelte daher „Aktive Techniken“. Er definierte die Zeitgrenze und be-
          stimmte Verbote für die Patienten neu und bot Beruhigungsübungen als Teil einer

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