FARBE BEKENNEN FLÜCHTLINGE BRAUCHEN UNSEREN - HUMANITÄRE HILFE HEKS verstärkt sein Engagement in Krisenregionen
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MAI 2018 DAS MAGAZIN DES HILFSWERKS DER EVAN EIZ FARBE BEKENNEN HUMANITÄRE HILFE FLÜCHTLINGE HEKS verstärkt sein Engagement in Krisenregionen BRAUCHEN UNSEREN KIRCHLICHE ZUSAMMENARBEIT Kirchgemeinden als Hoffnungsträger SCHUTZ im Nahen Osten
INHALT IMPRESSUM NR. 340 / MAI 2018 HANDELN Das Magazin des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen Schweiz Erscheint 4-mal jährlich AUFLAGE 52 000 REDAKTIONSLEITUNG Dieter Wüthrich (dw) REDAKTION Bettina Filacanavo (fb) BILDREDAKTION Sabine Buri TITELBILD Ein Schulhof in Syrien. HEKS unterstützt kirchliche Schulen in Syrien und ermöglicht dadurch vielen Corina Flühmann Kindern einen Schulbesuch. KORREKTORAT korr.ch GESTALTUNG Joseph Haas und THEMA Corinne Kaufmann-Falk, Zürich Farbe bekennen DRUCK Im Zentrum der HEKS-Kampagne «Farbe bekennen» Druckerei Kyburz AG, steht auch dieses Jahr das Engagement für Menschen Dielsdorf auf der Flucht. Weltweit und in der Schweiz. PAPIER Refutura / Recycled / FSC IN DIESER NUMMER ABONNEMENT Fr. 10.– / Jahr 3 Editorial wird jährlich einmal von Ihrer Spende abgezogen 4 Kampagne Farbe bekennen für eine menschliche Schweiz ADRESSE HEKS 6 Sichere Flucht in die Schweiz Seminarstrasse 28 Die Geschichte der Familie Mohamed aus Schaffhausen Postfach 8042 Zürich 8 Resettlement Telefon 044 360 88 00 Ein direkter und sicherer Weg aus dem Krieg Fax 044 360 88 01 E-Mail info@heks.ch 14 Humanitäre Korridore www.heks.ch HEKS unterstützt ein italienisches Vorzeigeprojekt www.eper.ch 16 Interview HEKS-SPENDENKONTO: Hilfswerk der Evangelischen Die Leiterin der Humanitären Hilfe im Gespräch Kirchen Schweiz 18 Kirchen im Nahen Osten PC 80-1115-1 Sie geben Familien im Krieg Hoffnung 20 Persönlich Annelies Hegnauer geht in Pension 2
EDITORIAL LIEBE LESERIN LIEBER LESER Die Schweiz ist heute eines der reichsten zum Beispiel bereit ist, ihren Beitrag zur Länder der Welt. Krieg, Hunger und Elend Bewältigung des anhaltenden Flüchtlings- im eigenen Land kennen wir nur noch dramas zu leisten, indem wir insbesonde- aus verstaubten Geschichtsbüchern. Der re den Schwächsten und Verletzlichsten letzte Krieg auf Schweizer Boden fand eine sichere Zuflucht bieten. im November 1847 statt. Angesichts des heutigen Wohlstands eines grossen Teils Bereits zum dritten Mal, nach 2016 und der Bevölkerung können wir uns kaum 2017, lancieren wir von HEKS deshalb in noch vorstellen, dass noch bis Anfang des diesen Tagen die Kampagne «Farbe be- letzten Jahrhunderts Zehntausende von kennen für eine menschliche Schweiz». Schweizerinnen und Schweizern in ihrer Gemeinsam mit Ihnen möchten wir ein Heimat keine Existenzgrundlage und des- weiteres Mal ein weithin sichtbares halb keine Zukunftsperspektive hatten. Zeichen setzen für ein breites zivilge Von den rund 52 Mio. Menschen, die sellschaftliches, von Solidarität und Mit- zwischen 1824 und 1924 gefühl getragenes Enga aus Europa vornehmlich «Wir wollen ein gement für Menschen auf in die USA und nach La- der Flucht. Weltweit und teinamerika auswander- Zeichen des in der Schweiz. ten, stammten immerhin etwa 230 000 Personen Mitgefühls und Parallel zur Kampagne set- aus der Schweiz. Sicher, der Solidarität zen wir uns – gemeinsam manche von ihnen mag mit der Schweizerischen die Abenteuerlust hinaus mit Menschen Flüchtlingshilfe (SFH) – in die weite Welt getrie- mit der Petition «Sichere ben haben, doch wohl auf der Flucht Fluchtwege retten Leben» die meisten von ihnen ver liessen ihre Heimat kei- setzen.» zuhanden des Bundes rates für die Schaffung neswegs freiwillig und leichten Herzens, sicherer und legaler Zugangswege für sondern aus existenzieller Not. Und in der Menschen auf der Flucht und für eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Erhöhung des Aufnahmekontingents für Flüchtlinge auf 10 000 Personen ein. Warum erzähle ich Ihnen all das? Pure Mit Ihrer Unterschrift unter die Petition existenzielle Not von Millionen von Men- können auch Sie mithelfen, dass künftig schen, verursacht durch Krieg, Naturka- mehr besonders verletzliche Flüchtlinge tastrophen oder fehlende wirtschaftliche sicher in die Schweiz gelangen und hier Perspektiven – ist der Hauptgrund für den zumindest vorübergehend Schutz finden grössten Flüchtlingsstrom seit Menschen- und ein Leben in Würde führen können. gedenken, mit dem wir uns heute kon- frontiert sehen. Als Teil einer zunehmend Dafür, dass Sie uns helfen, im Kleinen globalisierten Welt stehen wir alle mit Grosses zu bewirken, danke ich Ihnen in der Verantwortung nicht nur für die von Herzen. Ursachen des zunehmenden sozialen und ökonomischen Ungleichgewichts zwischen den reichen Industrienationen Peter Merz und den armen Ländern des Südens, Direktor sondern auch für dessen Folgen – Armut, Perspektivenlosigkeit und Flucht. Verant- wortung zu übernehmen, heisst in die- sem Fall auch, sich einzusetzen und Farbe zu bekennen für eine menschliche und solidarische Schweiz – eine Schweiz, die 3
Im Jahr 2017 ist die Zahl der in der Schweiz gestellten Asyl- gesuche um mehr als einen Drittel zurückgegangen. Ein Erfolg? Mitnichten: Die traurige Realität ist, dass sich heute mehr Menschen denn je auf der Flucht befinden. Doch für die meisten gibt es kein Vor und kein Zurück mehr. Sie sit- zen seit Jahren unter menschenunwürdigen Bedingungen in Flüchtlingslagern in den Nachbarländern der Krisenregi- onen fest, ohne Perspektiven auf Rückkehr in ihre Heimat oder auf eine Weiterreise in ein sicheres Drittland. Diese Situation ist inakzeptabel. Flüchtlingen Schutz zu ge- währen, ist keine nette Geste, sondern eine humanitäre Verpflichtung. Gerade die Schweiz sollte hier eine Vorbild- funktion übernehmen. Denn wir können mehr tun für Flüchtlinge. Zum einen gilt es, besonders verletzlichen Flüchtlingen Wege zu öffnen, über die sie sicher und legal in die Schweiz kommen und hier Schutz finden können. Zum anderen sind wir alle in unserem Alltag gefordert, Ge- flüchteten nicht mit Ablehnung, sondern mit Menschlichkeit und Offenheit zu begegnen, damit sie sich hier nicht nur sicher, sondern auch willkommen fühlen. Denn Flüchtlinge gehören ebenso zur Schweiz wie Einheimische, unsere hu- manitäre Tradition ebenso wie unser Schweizer Brauchtum. Das menschliche Gesicht der Schweiz, das sind wir alle. Ob durch politisches oder soziales Engagement, wir alle kön- nen und sollen einen Beitrag leisten, damit Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen mussten, bei uns Schutz finden und ein Leben in Würde führen können. Bekennen wir Farbe für eine menschliche Schweiz. Jetzt. W W W.FARBE-BEKENNEN.JETZT Foto: Dragan Čulo
FARBE BEKENNEN NEUANFANG IN SCHAFFHAUSEN Familie Mohamed-Sheiko ist dem Krieg in Syrien entronnen. Dank dem Resettlement-Programm des UNHCR kann die fünfköpfige Familie aus Aleppo in Schaffhausen ein neues Leben beginnen. Text Corina Bosshard Foto Sabine Buri Midia Mohamed-Sheiko serviert Kaffee. Junge mit einem Sprengstoffgürtel in Der rettende Bescheid Arabischen natürlich, schwarz, stark und die Luft», erzählt Fouzi. «Wir wollten auf Das UNHCR erkannte die Notlage der Fa- mit dem gewohnten Kaffeesatz, der am keinen Fall, dass unsere Kinder das mitan- milie und prüfte eine Aufnahme ins Re- Boden der kleinen Tasse zurückbleibt. sehen müssen. Wir wollten weg.» settlement-Programm. Nach einem Jahr Dazu stellt sie ein Schälchen mit Schwei- und vier Monaten im Libanon und zahl- zer Schokolade auf den Couchtisch. Die 2013 ging Fouzi voraus, per Bus in den reichen Interviews und Abklärungen kam drei Kinder Mustafa, Jasmine und Rudin, Libanon, wo er eine Arbeit als Maler schliesslich der positive Bescheid: Die Fa- greifen zu und verschwinden nach einer fand – illegal und schlecht bezahlt, weil milie durfte per Resettlement in die scheuen Begrüssung wieder in ihren Zim- Flüchtlinge im Libanon praktisch keine Schweiz. «Als wir in Beirut auf den Flug- mern. Die helle und einfach eingerichtete Arbeitserlaubnis erhalten. Nach ein paar hafen fuhren, blieben uns nichts als unse- Wohnung im Schaffhauser Quartier Birch Monaten holte er seine Familie nach. In re Kleider und eine 10-Dollar-Note, die ist seit Sommer 2015 das neue Zuhause Beirut mieteten sie eine Einzimmerwoh- ich zur Erinnerung noch heute im Porte- von Familie Mohamed-Sheiko. nung, Strom und Wasser mussten sie ex- monnaie trage.» Stationen einer Flucht Die Flucht der kurdischen Familie beginnt vor rund sechs Jahren in Aleppo. Ein gu- «Die Leute hier müssen verstehen, tes Leben hätten sie dort gehabt, es habe ihnen an nichts gefehlt. Fouzi Mohamed warum wir nach Europa kommen. arbeitete als Maler. Midia hatte eben ihr Niemand verlässt seine Heimat freiwillig und drittes Kind zur Welt gebracht, die Ge- sundheitsversorgung in Aleppo sei top niemand verlässt sie gern. Es ist etwas vom gewesen. Doch dann kam der Krieg nach Traurigsten, das es gibt. Wir sind hierher- Aleppo. «Es begann schleichend, jede Woche Demonstrationen nach dem Frei- gekommen, um das Leben zurückzugewinnen, tagsgebet. Das machte uns Sorgen», er- innern sie sich. ein Leben für unsere Kinder.» Fouzi Mohamed 2012 verliessen sie Aleppo und zogen in ihr Heimatdorf auf dem Land nahe Afrin, wo Fouzis Grossvater noch einige Oliven- tra bezahlen. Vom UNHCR erhielten sie Die Familie bestieg das Flugzeug und haine besass. «Wir nahmen nicht viel mit, monatlich Essensgutscheine, doch das machte sich auf in ein Land, von dem sie denn wir dachten, wir kämen ja bald zu- Leben in Beirut ist teuer und bald hatten noch nie zuvor gehört hatte – ausser in rück.» Doch im Sommer 2012 kam es zu sie all ihr Erspartes, sogar den Erlös aus einem vom UNHCR organisierten, zwei- heftigen Kämpfen in Aleppo, ein grosser den verkauften Eheringen, aufgebraucht. tägigen Vorbereitungskurs. «Sie sagten Teil der Stadt wurde zerstört, die Woh- «Vor allem für die Kinder war es schlimm», uns: In der Schweiz sind die Leute pünkt- nung der Familie geplündert. erinnert sich Fouzi. «Sie konnten keine lich, eher ruhig und die Waschmaschinen richtige Schule besuchen. Was sollte aus stehen im Keller unten», erinnert sich Mi- «In Afrin konnten wir uns keinen Lebens- ihnen werden? Uns war klar: Hier können dia lachend. unterhalt verdienen. Zudem sahen wir wir nicht bleiben. Aber einen Schlepper über unseren Köpfen die Kampfflugzeuge, hätten wir nicht bezahlen können. Wahr- Wie ein Uhrwerk leben hörten die Raketenwerfer. Einmal spreng- scheinlich wären wir wieder nach Syrien Schwierig sei es gewesen am Anfang. te sich in einer Autokolonne vor uns ein zurück.» Und alles neu. In der Schweiz müsse man 6
Die Familie Mohamed lebt heute in Schaffhau- sen. Die Eltern Fouzi und Midia Mohamed mit ihren Kindern Mu- stafa (11), Jasmine (9), Rudin (7). wie ein Uhrwerk leben, alles sei durchge- taktet, alles reguliert. «Doch wir konnten die Sprache nicht, kannten die Regeln nicht», erzählt Fouzi. «Was mache ich zum Beispiel mit dem Sperrmüll? Wie be- zahle ich Rechnungen? Was sind das alles für Briefe, die uns die Schule der Kinder schickt, was steht da drin?» Fouzi hat im vergangenen Sommer – trotz zwanzigjähriger Berufserfahrung – eine Ausbildung zum Maler beginnen können und arbeitet fünf Tage die Wo- che. Auch seine Frau Midia kann stun- denweise als Köchin in einem Sozialpro- jekt arbeiten. Beide schätzen es, Arbeit zu haben, weil sie gerne bald wieder auf eigenen Beinen stehen möchten und weil es ihnen hilft, die Sprache zu lernen. Doch bei komplizierte Briefen oder E- Mails wenden sie sich meist an ihre Kin- der, die schon fast perfekt Schweizer- deutsch sprechen. Alle drei gehen sie gern zur Schule. Die Jungs spielen im FC Schaffhausen Fussball, Jasmine hat mit Klavierstunden begonnen. Von Syrien sprächen sie nie, sagt Fouzi. «Es ist gut, weil sie sich hier zu Hause fühlen wer- den. Aber gleichzeitig tut es ein bisschen weh: Ich will nicht, dass sie vergessen, wo sie herkommen.» Das Heimweh bleibt Ein normales Leben für ihre Kinder – der Herzenswunsch von Fouzi und Midia, ja von allen Eltern, ist dank dem Resettle- ment-Programm in Erfüllung gegangen. Für sie beide aber ist es schwieriger: Sie haben nur wenig Kontakte zu Schwei- zern. «Neue Freundschaften würden uns wahrscheinlich helfen, nicht ständig an unsere Heimat zu denken», sagt Fouzi. «Ich verbringe sicher zwei bis drei Stun- den pro Tag auf Facebook, um zu erfah- ren, wie es meiner Familie in Syrien geht. Ich will ständig wissen, was gerade im Dorf passiert, wer wohin geflüchtet ist. Es ist wie eine Sucht, wie Zigarettenrau- chen.» Fouzis und Midias betagte Eltern und auch viele Geschwister sind noch in Af rin. Seit einigen Wochen ist der Kontakt zu ihnen abgebrochen. Es sei unsicher, ob sie sich je wiedersehen werden, sagt Fouzi. «Unsere Familie ist wie ein abge- Diese 10- Dollar-Note war alles, was die Familie noch hatte, als sie in Beirut das Flugzeug brochener, geretteter Zweig von einem bestieg. Die Note trägt Fouzi noch heute als Erinnerung in seinem Portmonnaie. Baum, dessen Stamm noch in Syrien steht.» 7
FARBE BEKENNEN RESETTLEMENT: EIN DIREKTER WEG 65 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht – 22,5 Millionen von ihnen ausserhalb ihres Heimatlandes. Die grosse Mehrheit dieser Menschen wagt nicht die gefährliche Reise nach Europa, sondern sucht Schutz in einem der Nachbarländer. Doch diese sind völlig überlastet und nicht in der Lage, so vie- len Menschen angemessene Lebensbedingungen zu bieten. Viele Flüchtlinge sitzen seit Jahren in überfüllten Lagern fest, ohne Chance auf Integration vor TÜRKEI Ort, aber auch ohne Perspektive auf Rückkehr in ihre Heimat. Für Frauen mit kleinen Kindern, kranke oder alte Menschen ist die Situation untragbar. LIBANON Das Resettlement-Programm des UNHCR ermöglicht es, eine begrenzte Anzahl besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge aus diesen Hauptaufnahmeländern JORDANIEN direkt, per Flugzeug, in sichere Drittstaaten wie die Schweiz zu holen. Der Schutzbedarf der Flüchtlinge wird vor Ort vom UNHCR abgeklärt. Im Aufnah- meland erhalten sie sofort den Flüchtlingsstatus. Auch die Schweiz beteiligt sich am Resettlement-Programm und legt jährlich auf freiwilliger Basis die Aufnahmequoten sowie die zu begünstigenden Per- sonengruppen fest. Seit 2013 wurden rund 1500 Flüchtlinge, vor allem Syrer Innen aus dem Libanon und aus Jordanien, bei uns aufgenommen. Bis 2019 ÄTHIOPIEN wurden weitere 2000 Plätze angekündigt. Kriterien für eine Aufnahme in die Schweiz sind ein hohes Schutzbedürfnis, Integrationswille und -potenzial. UGANDA Zudem möchte die Schweiz rund 40-60 Prozent Frauen oder Mädchen und 7 Prozent behinderten, betagten oder kranken Menschen Schutz bieten. Foto: Hansgrohe SE MITTELMEER Wer eine Flucht nach Europa wagt, setzt sich grössten Gefahren aus: In den Jahren 2016 und 2017 sind über 8000 Menschen bei ihrer Flucht übers Mittelmeer ums Leben gekommen. DIESE 7 LÄNDER HABEN DIE MEISTEN TÜRKEI PAKISTAN LIBANON IRAN 2,9 MILLIONEN 1,4 MILLIONEN 1 MILLION 979 400 Flüchtlinge Flüchtlinge Flüchtlinge Flüchtlinge v. a. aus Syrien und dem Irak v. a. aus Afghanistan v. a. aus Syrien v. a. aus Afghanistan 8
AUS DEM KRIEG PETITION: WEIL SICHERE FLUCHT- In diesen WEGE LEBEN RETTEN Ländern leben am meisten Menschen, die eine Flucht Richtung Europa wagen, setzen Flüchtlinge sich heute nicht nur grössten Gefahren aus, sie stossen in Libyen und in der Türkei auf praktisch undurchdringliche Schutzmauern Europas. Für die meisten Flüchtlinge gibt es kein Vor und kein Zurück mehr: Sie leben unter menschen IRAN unwürdigen Bedingungen in Flüchtlingslagern, ohne ge- sundheitliche Versorgung, ohne Arbeits- oder Bildungsmög- lichkeiten, ohne Perspektiven. PAKISTAN Das Resettlement-Programm des Uno-Hilfswerks für Flücht- linge (UNHCR) öffnet besonders schutzbedürftigen Men- schen einen direkten Weg aus dem Krieg in eine sichere Zukunft. In einer gemeinsamen Petition fordern HEKS und die Schweizerische Flüchtlingshilfe den Bundesrat auf, solche legalen Zugangswege für jährlich 10 000 besonders verletz- liche Flüchtlinge auszubauen. Wir wollen dem Sterben auf dem Mittelmeer und den Zu- ständen in den Flüchtlingslagern nicht länger tatenlos zuse- hen. Die Petition bietet eine Möglichkeit, sich zu engagieren und mit einer Unterschrift ein klares Zeichen für die Mensch- lichkeit zu setzen. Jetzt Petition unterzeichnen unter www.zuflucht.jetzt WELTWEIT SCHWEIZ 1,2 Millionen Flüchtlinge sind 2018 laut UNHCR Schweizer Wohnbevölkerung auf ein Resettlement angewiesen. Die Lage Derzeit sind 1,4 Prozent (oder 121 400 Pers.) dieser Menschen in ihrem Erstzufluchtsland ist der Schweizer Wohnbevölkerung anerkannte so prekär, dass eine dauerhafte Umsiedlung Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene in einen sicheren Drittstaat als einzige Lösung Personen. in Frage kommt. Würde die Schweiz fünf Jahre lang jährlich Rund 125 000 Aufnahme-Plätze pro Jahr 10 000 Flüchtlinge aufnehmen, so stiege werden von 35 aufnahmebereiten Drittstaaten ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung um derzeit zur Verfügung gestellt. 0,6 Prozent an. (s. Petition) FLÜCHTLINGE AUFGENOMMEN UGANDA ÄTHIOPIEN JORDANIEN 940 800 791 600 685 200 Flüchtlinge Flüchtlinge Flüchtlinge v. a. aus dem Südsudan v. a. aus dem Südsudan, v. a. aus Syrien Somalia und Eritrea 9
FARBE BEKENNEN Pierino Niklaus engagiert sich freiwillig für Flüchtlinge. Hier als Schiedsrichter am Strassenfussball-Turnier in der Reithalle Bern. FREIWILLIGE ARBEIT LEBT VOM HERZBLUT Pierino Niklaus engagiert sich freiwillig für junge Flüchtlinge in der Schweiz. Wir besuchten ihn bei seinem Einsatz als Schiedsrichter in der Reithalle in Bern, wo jedes Jahr das Turnier «United in Sports» der Strassenliga Kanton Bern stattfindet. Text Priya Koch Foto Sabine Buri Es ist ein eiskalter Februarnachmittag, als wir uns auf den Weg Mitten im Gewimmel finden wir Pierino Niklaus. Der 29-Jährige in die Reithalle in Bern machen. Wir besuchen das Street-Soccer- ist Jugendarbeiter in Rubigen und heute zum dritten Mal als Turnier für und mit Asylsuchenden unter 18 Jahren. Wie man Schiedsrichter dabei. Während dreier Wochen stehen hier in der wohl Fussball spielen will in der unbeheizbaren grossen Halle? Reithalle die Begegnung und der Austausch zwischen Menschen Drinnen ist die Stimmung aufgeregt. Laute Popmusik tönt aus unterschiedlicher Herkunft im Zentrum. Das Turnier sei eine gute einem Lautsprecher, der Turnierorganisator macht seine An Sache, meint Pierino Niklaus. sagen. Gespielt wird auf zwei kleinen Fussballfeldern, jeweils vier gegen vier. Dementsprechend schnell ist das Spiel. Da fällt Er selber ist sehr bewandert in der Freiwilligenarbeit: Mit ein es manchmal schwer, die Emotionen unter Kontrolle zu halten. paar Freunden führt er regelmässig Freizeitaktivitäten für Asyl- Abseits der Spielfelder wird mitgefiebert, einige wärmen sich suchende durch – ein Projekt, das sie selber aufgebaut haben. auf, indem sie sich den Ball im Kreis zupassen. An der Bar gibt Er engagiert sich weiter in einem Unihockey-Club als Trainer und es Sirup und Kekse. geht als Leiter mit Jugendlichen ins Ferienlager. Er weiss, wie 10
«Man bekommt sehr viel zurück. Die Arbeit wird nicht monetär belohnt, sondern durch positive Emotionen.» Der Verein Strassenliga Kanton Bern führt jährlich den Anlass «United in Sports» in der Reitschule Bern durch. Die Begegnung und der Austausch zwischen jungen Menschen unterschiedlicher Herkunft stehen im Zen- trum des Turniers. schwierig es ist, freiwillige HelferInnen zu finden. «Es hat gene- rell ein Rückgang an freiwilligen Mitarbeitenden stattgefunden, ich weiss nicht warum, es ist einfach meine Beobachtung.» Er empfindet das freiwillige Engagement immer wieder als schö- nes Erlebnis: «Man bekommt sehr viel zurück. Die Arbeit wird nicht monetär belohnt, sondern durch positive Emotionen. Die freiwillige Arbeit lebt vom Herzblut.» Dies sei besonders wichtig, da bezahlte Arbeit immer Grenzen habe. Gerade im sozialen FREIWILLIGE Bereich sei es wichtig, auch manchmal über die Grenze hinaus HELFERINNEN GESUCHT! zu gehen. Als Reaktion auf die grossen Fluchtbewegungen der letz- Mit den geflüchteten Jugendlichen, für die Pierino Niklaus sich ten Zeit zeigen sich in der Schweiz viele solidarisch mit freiwillig engagiert, pflegt er ein freundschaftliches Verhältnis. Flüchtlingen. Dies äussert sich auch darin, dass sich viele Bei den Begegnungen gehe es ums Kennenlernen, um Austausch engagieren und diese Menschen unterstützen möchten. und Information. «Die jungen Flüchtlinge haben viele Fragen Die Plattform «engagiert.jetzt» möchte die Handlungs- zum Leben in der Schweiz», sagt er. Die Freiwilligenarbeit biete fähigkeit der Zivilgesellschaft fördern und somit die Situ- auch die Möglichkeit, sich zu vernetzen. Zwei seiner Jobs in der ation von geflüchteten Menschen verbessern. Die Platt- Vergangenheit hat er zum Beispiel über Freiwilligeneinsätze er- form vereinfacht die Arbeit der Organisationen und halten. ermöglicht eine bessere Koordination. Engagieren auch Sie sich! Durch einfache Formen der Am Turnier sei der beste Moment der freundschaftliche Hand- Alltagsbegleitung können Sie für Flüchtlinge bereits eine schlag nach einem besonders intensiven Match. «Egal wie hart wichtige Unterstützung leisten. es zur Sache geht, die Jugendlichen kommen und bedanken sich und wollen wissen, wann das nächste Turnier stattfindet.» Auf der Plattform www.engagiert.jetzt finden Sie Pro- Hat er einen Tipp für Menschen, die sich ebenfalls freiwillig für jekte für und mit Flüchtlingen in Ihrer Umgebung. Flüchtlinge engagieren möchten? «Man soll sich ganz unvorein- genommen auf die Begegnung einlassen. Denn das, was man zurückbekommt, ist viel mehr, als man gedacht hätte.» 11
MigrantInnen, die versuchten, das Mittelmeer in einem Gummiboot zu überqueren, schlafen erschöpft und in Folie eingehüllt auf Deck des Bootes «Golfo Azzurro». Die NGO «Proactiva Open Arms» hat die Menschen rund 40 Kilometer nördlich von Sabratha (Libyen) gerettet. Keystone/AP Photo/Emilio Morenatti
REPORTAGE Osama Alhendi und seine Frau Suhaila Al Assaf haben mit ihren fünf Kindern in Italien eine neue Lebens perspektive gefunden. Begleitet und unter- stützt werden sie bei ihrer Integration von Giorgia Corò, Koordi- natorin beim Projekt «Corridori umanitari» der Waldenserkirche (Foto links oben). DEM ALBTRAUM DES KRIEGES ENTRONNEN Über tausend besonders verletzliche syrische Flüchtlinge haben in den vergangenen zwei Jahren vom italienischen Staat ein humanitäres Visum erhalten. Mit der Möglichkeit der direkten Einreise nach Italien ist diesen Menschen der lebensgefährliche Fluchtweg über das Mittelmeer erspart geblieben. Das Projekt der «Humanitären Korridore» könnte auch für die Schweiz beispielgebend sein. Text Dieter Wüthrich Fotos Corina Flühmann 14
Ein trüber und eiskalter Februarmorgen. Blutarmut, bei der das Hämoglobin im wurde von Beirut nach Rom ausgeflogen. Nieselregen vermischt sich mit dem Blut nicht ausreichend gebildet bzw. «Wir wurden in Italien herzlich empfan- Schnee, der in der vergangenen Nacht die übermässig abgebaut wird. Die Kinder gen. Und wir fühlten uns erstmals seit Dächer und Strassen in ein weisses Kleid mussten deshalb drei- bis viermal im Mo- langer Zeit wieder sicher», blickt Suhaila gehüllt hat. Wir fahren mit der Strassen- nat zu einer Bluttransfusion ins Spital – zurück. bahn über den Damm, der das auch in eine grosse Belastung für die junge Familie. dieser Jahreszeit von unablässigen Touris- Hoffnung auf Heilung tenströmen heimgesuchte Venedig mit Flucht in letzter Minute Seit ihrer Ankunft in Italien sind nun acht dem Festland verbindet. Unser Ziel ist Und dann kam der Krieg. Aleppo wurde Monate vergangen. Osama hat eine Prak- Mestre, diese von anonymen Mietskaser- zum Schauplatz von Gewalt und Zerstö- tikumsstelle gefunden – in einer Auto- nen geprägte Agglomeration, in die sich rung. Osama nimmt sein Mobiltelefon werkstatt. Noch ist die Stelle befristet, mangels Sehenswürdigkeiten kaum je ein hervor und zeigt uns ein Bild: Trümmer doch sein Chef sei sehr zufrieden mit ihm Tourist verirrt. eines Gebäudes sind darauf zu sehen. und wolle ihn künftig unbefristet anstel- «Das war einmal unser Haus», erzählt er len, weiss Giorgia Corò. Die Kinder gehen Kirchen machen es möglich mit stockender Stimme. in Mestre zur Schule und seien dort sehr In einem kleinen Café haben wir uns mit Die Situation der Zivilbevölkerung wurde gut integriert. «Fatima ist sogar Klassen- Giorgia Corò verabredet. Die junge Frau immer unerträglicher, und so beschloss beste und kann im kommenden Schuljahr ist als Koordinatorin der Waldenserkirche Osama, seine Familie in Sicherheit zu eine Klasse überspringen», erzählt Mutter verantwortlich für die Betreuung mehre- bringen. Doch auf dem Weg von der Suhaila sichtlich stolz. rer Flüchtlingsfamilien, die im Rahmen Arbeit zurück nach Aleppo geriet er in Auch der Gesundheitszustand der drei des Projekts «Corridoi umanitari» in Ita eine Strassensperre der Schergen des Isla Geschwister habe sich dank der ausge- lien Aufnahme gefunden haben. Die Ver- mischen Staates (IS). Weil diese in seinem zeichneten Betreuung einer italienischen einigung der Evangelischen Kirchen in Auto zwei Stangen Zigaretten fanden, Ärztin verbessert, ergänzt Vater Osama. Italien (FCEI) haben gemeinsam mit der wurde er gefangen genommen und ver- Ihre ganze Hoffnung setzen er und Suhai- katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio schleppt. la nun auf eine Knochenmark-Transplan- das Projekt ins Leben gerufen und von Doch er hatte Glück im Unglück. Ein tation, die den Kindern gute Chancen auf den italienischen Behörden die Erlaubnis, Luftangriff der syrischen Armee auf das eine definitive Heilung bietet. tausend Flüchtlinge sicher und legal nach IS-Gefängnis rettete ihm das Leben. Im Italien zu bringen. HEKS unterstützt die- allgemeinen Durcheinander nach dem Für die Zukunft der Kinder ses Projekt finanziell. Bombardement gelang ihm in buchstäb- Ende gut, alles gut? In die Worte der Mit Giorgia fahren wir zu einem mehr- lich letzter Minute die Flucht aus seinem Dankbarkeit und der Hoffnung auf eine stöckigen Mietshaus. Hier wohnen seit Verlies. Er kehrte auf schnellstem Wege bessere Zukunft mischen sich vor allem ihrer Ankunft in Italien im Juli 2017 der zurück zu seiner Familie und noch in der bei Osama auch Unsicherheit und Ängste. 31-jährige Osama Alhendi und seine um gleichen Nacht verliessen sie Aleppo Rich- «Wir haben durch den Krieg fast alles ver- ein Jahr jüngere Frau Suhaila Al Assaf zu- tung Libanon. Erster Zufluchtsort war das loren, das kann uns nichts und niemand sammen mit ihren fünf Kinder Hanin (10), Haus seines Bruders in der Kleinstadt Aa- mehr zurückbringen. Und solange er keine Fatima (9), Mays (7), Mohamad (5) und ramoun. Festanstellung habe, sei er mit seinem Ahmar (3). Während Mutter Suhaila für aktuellen Praktikumslohn von 400 Euro uns in der Küche einen Tee zubereitet, Eine fremde Kultur, eine neue auf die Unterstützung durch die Walden- bittet uns Vater Osama in das karg Lebensart serkirche angewiesen. Für Osama keine möblierte Wohnzimmer. Weil ihre Kinder dringend ärztlicher Be- einfache Situation: «Ich bin es nicht ge- handlung bedurften, wandten sich Osa- wohnt, von anderen abhängig zu sein. «Wir hatten ein sehr gutes Leben» ma und Suhaila an die Hilfsorganisation Manchmal fühle ich mich deswegen wie Osamas Familie stammt ursprünglich aus «Ärzte ohne Grenzen», die sie wiederum gefangen», räumt er ein. Aleppo. Während seine Frau sich zuhause an das Projekt «Corridori umanitari» wei- Den Entscheid, in Italien einen Neuanfang um den Haushalt kümmerte, arbeitete er tervermittelte. Zunächst hätten sie sich zu wagen, hätten sie vor allem w egen als Automechaniker. Daneben besass die sehr schwer getan mit der Vorstellung, ihrer Kinder getroffen. «Sie sollen in Familie in Aleppo mehrere Ladengeschäf- nach Italien zu emigrieren. «Wir hatten Sicherheit aufwachsen können und später te, die sie an lokale Geschäftsleute wei- keine Vorstellungen von Europa, von ein gutes Leben haben – dann bin auch tervermietete. «Wir hatten wirklich ein einer für uns völlig fremden Kultur und ich glücklich», sagt Suhaila mit einem sehr gutes Leben», erinnert sich Osama Lebensart.» Doch schliesslich liess ihnen Lächeln und schenkt uns nochmals etwas wehmütig. der sich stetig verschlechternde Gesund- von ihrem würzigen Tee ein. Einzig die Gesundheit ihrer Kinder war heitszustand ihrer drei Kinder keine ande- Anlass zu steter Sorge. Denn Fatima, re Wahl. Weitere Informationen zum Projekt: Mays und Ahmar leiden seit ihrer Geburt Im Juli 2017 war es dann so weit: Die Fa- www.heks.ch/was-wir-tun/nothilfe-italien an Thalassämie, einer erblich bedingten milie erhielt ein humanitäres Visum und 15
HUMANITÄRE HILFE HUMANITÄRE PROJEKTE FÜR ENTWICKLUNG Die steigende Zahl humanitärer Katastrophen und andauernde Konflikte zwingen immer mehr Menschen auf die Flucht. HEKS verstärkt deshalb seine Nothilfe-Pro- jekte. Nathalie Praz, die Verantwortliche für humanitäre Projekte bei HEKS, gibt einen Überblick. Text Joëlle Herren Laufer Foto Sabine Buri Wer die Nachrichten verfolgt, be- nen, seit vielen Jahren andauernden Kon- genen Stadt Jérémie aus tätig werden kommt den Eindruck, dass sich die flikt, der sich von Syrien aus auf den Irak konnte, da wir bereits vor Ort waren. Un- humanitären Katastrophen häufen. und den Jemen ausgeweitet hat, ohne mittelbar nach der Katastrophe fingen Ist dies tatsächlich so? dass eine Lösung in Sicht wäre. Dies führt wir mit den Menschen vor Ort an, die Durch den Klimawandel bedingte huma- zu Migrationsströmen, die sich entspre- Bäume von den Strassen zu räumen. An- nitäre Katastrophen nehmen in der Tat chend den Frontlinien verändern. schliessend ist unsere Resilienz-Arbeit zu. El Niño hat beispielsweise einen gros- angelaufen. sen Einfluss auf die Dürren in Afrika – und HEKS fokussierte bisher vor allem auf auch auf das Klima in Europa. Ein Beleg nachhaltige Entwicklung und Konflikt Was bedeutet Resilienz? dafür sind zum Beispiel die Waldbrände prävention. Welche Erfahrung hat das Resilienz bedeutet, besonders verwund- in Portugal. Die klimatischen Veränderun- Hilfswerk mit humanitärer Hilfe? bare Menschen besser gegen künftige gen führen zu einer neuen Migration Bereits bei der Gründung von HEKS, als Katastrophen zu wappnen. Das können bewegung. Deshalb hat Neuseeland als es noch «Evangelische kirchliche Hilfs- neue, resistentere landwirtschaftliche An- erstes Land die Kategorie des «Klima und Wiederaufbauarbeit» hiess, ging es baumethoden oder effektive Evakuie- flüchtlings» eingeführt. darum, dem durch den Zweiten Welt- rungspläne sein. Die humanitäre Hilfe von krieg verursachten Leid mit humanitärer HEKS zielt darauf ab, die soziale und wirt- Hilfe zu begegnen. Der Aspekt der huma- schaftliche Widerstandsfähigkeit von nitären Hilfe ist bei HEKS also nicht neu. Zivilgesellschaften gegenüber zerstöreri- Später hat sich HEKS auf die Entwick- schen Naturereignissen oder bewaffne- lungszusammenarbeit spezialisiert. Den- ten Konflikten langfristig zu stärken. Neh- noch hat die Organisation immer auch men wir als Beispiel Haiti, wo es nach Projekte der humanitären Nothilfe umge- «Matthew» unmöglich war, an Saatgut setzt, etwa nach dem Tsunami in Sri Lan- zu kommen, von importiertem Saatgut ka und Indonesien, dem Erdbeben in einmal abgesehen. Daraufhin startete Haiti oder jetzt im Libanon, um nur die HEKS ein Projekt, das lokale Saatguther- grössten Einsätze der jüngeren Vergan- steller unterstützt, Lagerbestände aufzu- Nathalie Praz genheit zu nennen. bauen, die vor künftigen Katastrophen geschützt sind. Über welches Knowhow verfügt HEKS? Wie entscheidet HEKS, ob es bei einer Nimmt auch die Zahl bewaffneter HEKS gestaltet seine humanitären Hilfs Katastrophe humanitäre Hilfe leistet? Konflikte und der davon betroffenen projekte immer auch mit dem Ziel, eine Priorität haben für uns die Länder, in de- Menschen zu? Entwicklung in Gang zu setzen. Es ver- nen wir bereits präsent sind oder in de- Ob die Konflikte weltweit zunehmen, knüpft humanitäre Hilfe mit dem Wieder- nen wir früher schon einmal aktiv waren. lässt sich schwer sagen, aber sie dauern aufbau und längerfristigen Entwicklungs- Denn wir arbeiten hauptsächlich mit lokal heute tendenziell länger an. In fragilen projekten. Wir sind keine NGO, die bloss ansässigen Partnerorganisationen zusam- Staaten wie dem 2011 unabhängig ge- als Feuerwehr agiert und direkt nach der men, die die Bedürfnisse der notleiden- wordenen Südsudan ist es schwierig, ei- Katastrophe wieder abzieht. Als Hurrikan den Menschen besser beurteilen können nen Ausweg aus dem Konflikt zu finden. «Matthew» über Haiti hinwegfegte, wa- und die Ärmsten unter ihnen für unsere Auch im Nahen Osten gibt es einen offe- ren wir die erste NGO, die von der entle- Hilfeleistungen auswählen. 16
Oben: Verteilung von Hilfspaketen für Nachkriegsdeutschland ca. 1946. Foto: HEKS Archiv Unten: HEKS unterstützte von August 2015 bis April 2016 Menschen auf der Flucht in Serbien. Foto: András D. Hajdú Was macht HEKS, wenn die grösste Not gelindert ist? Nach der Rehabilitationsphase steht die Wiederbelebung des lokalen Wirtschafts- lebens im Vordergrund, dazu gehören zum Beispiel die Sicherung der Lebens- grundlagen der betroffenen Menschen oder auch der Wiederaufbau zerstörter Wohnhäuser, wie wir das zum Beispiel auf den Philippinen gemacht haben. Die Humanitäre Hilfe gerät zuneh- mend in die öffentliche und mediale Kritik. Wie begegnet HEKS dieser Kri- tik? Wir arbeiten vorwiegend in Ländern, in denen wir bereits im Rahmen der Entwick- lungszusammenarbeit tätig sind. Huma- nitäre Hilfe ist dort immer Bestandteil eines Entwicklungsprojekts, und die Mit- arbeitenden unserer Partnerorganisatio- nen werden regelmässig geschult. In all unseren Projekten werden die Gegeben- heiten vor Ort berücksichtigt und lokale Entscheidungsgremien beigezogen. Wir versuchen wenn immer möglich, einhei- mische Mitarbeitende zu beschäftigen und uns vor Ort zu versorgen. Wir sind sehr darauf bedacht, dass unsere Huma- nitäre Hilfe keine negativen bzw. uner- wünschten Nebeneffekte erzeugt. Kann der Zusammenschluss mehrerer Organisationen im Falle einer Krise problematisch sein? Nein, im Gegenteil. Der Bedarf an Hilfe ist dann enorm. Während die Hilfe beim Tsu Setzt HEKS auch Experten aus dem Aus- Da die Zahl humanitärer Katastrophen nami in Asien noch schlecht koordiniert land für Hilfsprojekte ein? zunimmt, Kriege immer länger dauern war, gibt es jetzt sogenannte «Cluster», In der Regel gibt es einen lokalen Lan und es weltweit noch nie so viele Flücht- die nach Handlungsschwerpunkten wie desdirektor, der auch die humanitären linge und Vertriebene wie heute gab, etwa Nahrung, Zugang zu Wasser oder Projekte überwacht. Aber ab einem be- sieht es HEKS als seine Pflicht an, zu han- Bildung organisiert sind. Um Überschnei- stimmten Komplexitätsgrad und wenn deln. Unsere Strategie sieht also vor, das dungen oder Doppelspurigkeiten zu ver- das Budget eine Million Franken über- Budget für humanitäre Hilfseinsätze zu meiden, sprechen sich die Organisationen steigt, setzen wir zur Koordination der erhöhen. Ohne Allianzen einzugehen und untereinander ab und koordinieren ihre Projekte ausnahmsweise auch Experten mit Blick auf die weltweite Entwicklung Hilfsaktionen. aus dem Ausland ein. Dieses Vorgehen im Bereich der humanitären Hilfe, wird es kann gerade bei Konflikten hilfreich sein, für eine kleine NGO immer schwieriger, Könnte HEKS humanitäre Hilfsprojek- bei denen es einer neutralen Person für etwas zu bewirken. Aus diesem Grund te ohne die Unterstützung der «Glücks- die Leitung des Landesbüros bedarf. Dies haben wir uns mit unseren Aktivitäten kette» durchführen? ist zum Beispiel im Südsudan der Fall. dem Netzwerk «Act Alliance» ange- Die Glückskette unterstützt unsere Arbeit schlossen, das je nach Region Konsortien sehr, indem sie über die Medien auf Kata Aktuell leistet HEKS in neun Ländern bildet. Auf diese Weise bringt jede NGO strophen aufmerksam macht, nationale humanitäre Hilfe. Ist ein weiterer Aus- ihre Stärken ein, was uns wiederum hilft, Sammeltage organisiert und umfangrei- bau geplant? grosse Geldgeber zu erreichen. che finanzielle Mittel bereitstellt. 17
KIRCHLICHE ZUSAMMENARBEIT HOFFNUNG FÜR DIE KINDER IM KRIEG Seit zwei Jahren unterstützt HEKS in Syrien und im Libanon Kirchgemeinden, die Schulen betreiben und Freizeitangebote für Kinder durchführen. Nach einer zweijährigen Pilotphase hat der Schweizerische Evangelische Kirchen- bund HEKS offiziell das Mandat erteilt, mit evangelischen Kirchen in Syrien und im Libanon eine Partnerschaftsvereinbarung abzuschliessen. Text Matthias Herren und Bettina Filacanavo Foto HEKS/NESSL/UACNE Takouhy Sazian, das 10-jährige Mädchen ten Bildungsniveaus in kirchliche Schulen, aus Aleppo, kann sich an kaum etwas an- schätzen jedoch auch den offenen Geist, deres als den Krieg erinnern. Sie war ge- verbunden mit Werten, die in der christli- rade einmal vierjährig, als die Kämpfe chen Ethik verwurzelt sind. In den Schu- ausbrachen. Ein Jahr später, im Oktober len ist das Miteinander von Christen und 2012, war der schwärzeste Tag in ihrem Muslimen selbstverständlich. Die Kinder noch jungen Leben. Das Mädchen, das sitzen nebeneinander und es entstehen damals den Kindergarten besuchte, verlor Freundschaften, die oft fürs Leben halten. seinen Vater. Ein Scharfschütze erschoss Seit Ausbruch des Bürgerkriegs ist dieses ihn, als er nachschauen wollte, ob der La- Zusammenleben verschiedenster Grup- den eines Freundes zerstört wurde. pen in Gefahr. Die Menschen vertrauen «Wir hatten kein Wasser, keinen Strom einander immer weniger und grenzen und kein Essen. Wegen der Bomben sich ab. Umso wichtiger ist es, dass dieser konnten wir nicht nach draussen. Viele offene Geist an den kirchlichen Schulen Male habe ich meine Augen und Ohren weiter gepflegt wird. Auf diese Weise geschlossen, damit ich die Zerstörung leisten die Kirchen einen wichtigen Bei- nicht sehen und die Schreie nicht hören trag für ein gutes und friedliches Zusam- musste. Ich habe viel geweint und meine menleben in Syrien. Mutter gefragt, wie lange wir hier noch bleiben müssen. Oft hat mir meine Mut- Krieg gefährdet Schulbetrieb ter gesagt, dass Gott uns beschütze und Durch den Krieg und die damit verbunde- alles Böse vorbeigehen werde. Das gab nen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist mir Kraft», erzählt Takouhy Sazian. jedoch der Betrieb der kirchlichen Schu- len gefährdet. Die Eltern haben Schwie- Christen und Muslime lernen rigkeiten, die Schulgebühren zu bezahlen. gemeinsam Takouhy Sazian vor dem Eingang der Schule Mit einem Stipendienprogramm für Fa Neben ihrer Mutter, ihrem Bruder Sarkis der armenisch-evangelischen Kirchgemeinde milien in wirtschaftlich schwierigen Ver- und der Grossmutter ist die Bethel-Se- Bethel in Aleppo. hältnissen konnte HEKS eine Entlastung kundarschule ein wichtiger Anker in ih- schaffen. Im Schuljahr 2017/18 profitie- rem Leben. 180 Schülerinnen und Schüler in the Near East» (UACNE), betreiben in ren mit 1500 Schülerinnen und Schülern vom Kindergarten bis zur zwölften Klasse Syrien zehn Schulen. Für sie ist es wichtig, mehr als ein Drittel von den Stipendien. besuchen diese Schule. Sie gehört zur ar- über die Bildung einen Beitrag an die Durch die Stipendien hat sich nicht nur menisch-evangelischen Kirchgemeinde ganze Gesellschaft zu leisten und dabei die finanzielle Situation der Schulen ver- Bethel in Aleppo. Werte wie Offenheit, Respekt und Nächs- bessert, auch die Zahl der Schülerinnen Die beiden von HEKS unterstützten pro- tenliebe zu vermitteln. und Schüler konnte erhöht werden. Die testantischen Kirchen, die «National S ynod Die Schulen werden von 3756 Kindern Stipendien sind auch im folgenden Schul- of Syria and Lebanon» (NESSL) und die besucht, davon sind zwei Drittel Muslime. jahr dringend nötig, damit die Schulen «Union of Armenian Evangelical Churches Deren Eltern schicken sie wegen des gu- ihre wichtige Aufgabe erfüllen können. 18
Reformierte Kirchgemeinden in Syrien ermöglichen Kindern wöchentliche Treffen mit unbeschwertem Zusammensein. Dank der Unterstützung von HEKS konnten die traditionellen Sonntagsschultreffen zu kleinen Freizeitprogrammen ausgebaut werden. Kirchliche Zusammenarbeit ligionsgemeinschaften besucht werden. Grauens hat das Vertrauen der Syrerinnen im Nahen Osten Der siebenjährige Krieg hat den Kindern und Syrer in Regierung, Opposition, aber Während Jahrzehnten lag der Fokus der die unbeschwerten Jahre ihres Lebens auch in die internationale Gemeinschaft Kirchlichen Zusammenarbeit (KiZa) von gestohlen. Viele können sich an nichts stark gelitten. Zu oft hat man Hilfe erwar- HEKS auf der Unterstützung der protes- anderes mehr erinnern als an Unsicher- tet und wurde dann bitter enttäuscht. tantischen Partnerkirchen in Osteuropa. heit, Gewalt, Misstrauen und Chaos und Umso wichtiger seien die Religionsge- HEKS hat nun im Nahen Osten ebenfalls sehnen sich daher nach Gemeinschaft meinschaften, sagt Haroutune Selimian, ein Programm mit verschiedenen Projek- und Normalität. Die Kinder hören bibli- Pfarrer einer Kirchgemeinde der Arme- ten aufgebaut mit dem Ziel, dass die Part- sche Geschichten, singen Lieder und be- nisch-Evangelischen Christen: «Wenn wir nerkirchen in dieser Region in der Lage ten gemeinsam, machen Bastelarbeiten, nicht unsere Kirchgemeindearbeit wei sind, sich für ein friedliches Zusammenle- spielen im Vorhof der Kirche, machen terführen würden, wären innert weniger ben und für sozial Benachteiligte einzu- Ausflüge und bekommen eine Mahlzeit. Monate alle Christen aus Aleppo ver- setzen. schwunden.» Seine Kirche ist am Sonn- Neben den Schulen unterstützt HEKS in Kirchen sind Hoffnungsträger tag jeweils voll. «Die Menschen kommen zwölf syrischen Kirchgemeinden auch Für die Zurückgebliebenen sind die Kir- zu uns, weil die Kirche ihnen Zuflucht Freizeitprogramme, die wöchentlich von chen im kriegszerstörten Syrien ein wich- bietet und bleibende Werte wie Gemein- 1500 Kindern der unterschiedlichsten Re- tiger Bezugspunkt. In den Jahren des schaft und Hoffnung vermittelt.» Bomben, Zerstörung, Hunger und Angst prägen den Alltag der Menschen in Aleppo. SPENDEN SIE JETZT FÜR DIE KINDER DES KRIEGES. Unterstützen Sie unsere Arbeit in zwölf protestantischen Kirchgemein- den in Syrien und Libanon, die Freizeit- programme und Unterricht für Kinder und Jugendliche anbieten! Spendenkonto: PC 80-1115-1, IBAN: CH37 0900 0000 8000 1115 1 Spendengrund: «Kirchliche Zusammen- arbeit Naher Osten» 19
PERSÖNLICH 10 FRAGEN AN ANNELIES HEGNAUER Über 18 Jahre arbeitete Annelies Hegnauer bei HEKS und leitete während 13 Jahren die Marketing/Fundraising-Abteilung. Ende Mai 2018 tritt sie in den wohlverdienten Ruhestand. Wir danken Annelies Hegnauer für ihren grossen Einsatz und ihre tolle Arbeit und wünschen ihr alles Gute für den kommenden Lebensabschnitt. Text Bettina Filacanavo Foto Sabine Buri Annelies Hegnauer, wie fühlt es sich Beziehungen zu Mitarbeitenden, Spen- Was sind Ihre Pläne nach der Pensio- an, HEKS nach so vielen Jahren zu ver- denden und zu Kirchgemeinden. nierung? lassen? Wir haben ein Wohnmobil gekauft und Es sind gemischte Gefühle: Dankbarkeit Ein Highlight Ihrer HEKS-Zeit? möchten damit Europa bereisen. Das für die vielen Jahre, in denen ich sehr in- Eindrücklich und berührend waren die Pflegen von Freundschaften wird einen teressante und sinnstiftende Aufgaben Begegnungen mit Begünstigten auf mei- grossen Stellenwert haben. Ich werde viel erfüllen durfte. Wehmut, dass ein span- nen Projektreisen. Ein Höhepunkt war lesen, ausgedehnte Spaziergänge machen nender Lebensabschnitt zu Ende geht das von mir verantwortete Benefizkonzert und sportlich noch aktiver werden. Ich und ich viele liebgewonnene Menschen in der Tonhalle. Es war mit über 1200 Be- baue einfach alles aus, was mir Spass im Alltag nicht mehr treffen werde. Freu- sucherinnen und Besuchern restlos aus- macht und wofür ich in den vergangenen de, dass ich in Zukunft mehr Zeit haben verkauft, und wir konnten 60 000 Fran- Jahren zu wenig Zeit hatte. werde für das, was all die Jahre zu kurz ken Gewinn für Menschen auf der Flucht gekommen ist. einsetzen. Sie sind in der Kirche stark engagiert – inwiefern? Ein Tiefpunkt? Ich engagiere mich auf allen Ebenen der Als ich während einer Projektreise in der Kirche: lokal als Präsidentin, auf Stadt Demokratischen Republik Kongo schwer ebene in der Zentralkirchenpflege, kanto- erkrankte und in ein Spital eingeliefert nal in der Synode und national beim Kir- wurde, das ziemlich unter den gewohn- chenbund. ten Standards war, und ich nicht wusste, wie es gesundheitlich und mit der Heim- Behalten Sie Ihr kirchliches Engage- reise weitergeht. ment auch nach der Pensionierung bei? Was sind die grössten Veränderungen, Die Entwicklung der reformierten Kirche die Sie im Bereich Fundraising erlebt liegt mir am Herzen. Deshalb stelle ich haben? mich für die Synode zur Wiederwahl. Den Ich bin immer aufs Neue beeindruckt Reformprozess der Stadt Zürich werde ich davon, wie viele Menschen bereit sind, weiter begleiten, bis aus den 32 Kirch für diejenigen zu spenden, die auf der gemeinden der Stadt Zürich am ersten Wie sind Sie zu HEKS gekommen? Schattenseite des Lebens stehen. Die aus Januar 2019 eine einzige Gemeinde wird. Ich bewarb mich zusammen mit rund meiner Sicht grösste Veränderung ist die 80 anderen Personen über ein Stellenin- kritischere Haltung im Vergleich zu früher. Was wünschen Sie HEKS für die Zu- serat und beeindruckte anscheinend mit Die Spendenden wollen wissen, was ihr kunft? meinem Auftreten, der Ausbildung, der Geld bewirkt. Ich finde diese Entwicklung Dass es ein erlebbares Hilfswerk bleibt Erfahrung und den kreativen Ideen. sehr positiv, denn sie fordert uns auf allen mit Stiftungsrat, Geschäftsleitung, Kader Ebenen heraus: in der Projektarbeit, beim und Mitarbeitenden, welche die Aufga- Sie sind viele Jahre geblieben, wieso? Reporting und bei der Kommunikation ben motiviert anpacken und wenn nötig Es stimmte einfach alles. Ich hatte eine mit unseren Spendenden. Eine grosse auch eine «Extrameile» gehen. Dass die spannende, sehr vielseitige Aufgabe. Veränderung ist ebenfalls die «Kanalviel- Projekte von HEKS viele Menschen dabei Marketing ist ein sehr dynamisches Feld, falt». Heute wird über unterschiedliche unterstützen, einen Weg aus Armut und das heisst, der Arbeitsbereich veränderte Zahlungskanäle auf die verschiedensten Elend zu finden und ein eigenständiges sich laufend und es wurde mir deshalb Aufrufe wie Newsletter, Website, Crowd- Leben zu führen. Dass HEKS nahe bei den nie langweilig. Ich genoss grosses Ver- funding, E-Mail-Aufrufe, Spendenmail- Menschen bleibt, auch wenn die Strate- trauen von meinen Vorgesetzten und ings, Magazine und Kampagnen reagiert. gie ein Wachstum vorsieht. pflegte viele gute, teils freundschaftliche Und es wird immer heterogener. 20
PATENSCHAFT BENACHTEILIGTE FRAUEN FORDERN IHRE RECHTE EIN In der Region Magdalena Medio in Kolumbien unterstützt HEKS gemeinsam mit der «Organización Femenina Popular» (OFP) sozial benachteiligte Frauen dabei, ihre Ernährungssituation und ihr Einkom- men zu verbessern und bei den Behörden ihr Recht auf Land und Nahrung einzufordern. Text Olivier Schmid Foto OFP In Magdalena Medio leben trotz des Res- Der langjährige bewaffnete Konflikt zwi- ihre Ernährungssituation zu verbessern sourcenreichtums 70 Prozent der Bevölke- schen der Regierung und den FARC-Re- und ein Einkommen zu generieren. Sie rung in Armut, 47 Prozent leiden an Hun- bellen verschlimmerte die Situation zu- erhalten Kredite für den Aufbau eines ei- ger oder sind fehlernährt. Grund für die sätzlich – nicht zuletzt für die Frauen. genen Betriebs, etwa zur Hühnerzucht schlechte Ernährungssituation ist die ein- Viele von ihnen haben familiäre oder po- oder zur Produktion und Verarbeitung seitige Förderung von Megaprojekten litische Gewalt erlebt. Oder sie haben von Nahrungsmitteln, die sie in einem und Monokulturen durch den Staat, wel- ihren Partner verloren und müssen ihre kleinen Verkaufsladen oder an einem der che die Umweltverschmutzung förderten, Familie nun alleine ernähren. Die «Orga- regionalen Bauernmärkte verkaufen. Ökosysteme zerstörten und zahlreiche nización Femenina Popular» (OFP) unter- HEKS und OFP unterstützen die Frauen Kleinbauernfamilien von ihrem Land ver- stützt deshalb 300 Frauen in sieben Ge- zudem dabei, die Umsetzung des Opfer- trieben. meinden von Magdalena Medio dabei, und Landrückgabegesetzes einzufordern. Die Frauen werden über ihr Recht auf Land und Nahrung informiert und lernen, Diese Frau in Kolumbien konnte mit Hilfe von HEKS eine Hühnerzucht aufbauen. dieses Recht im Dialog mit der Regierung einzufordern. Dabei erhalten sie juristi- sche Begleitung. Ausserdem erarbeitet die OFP aktuell ein Konzept, wie sie im Rahmen der Umsetzung des Friedensver- trags zwischen der Regierung und der FARC einen substanziellen Beitrag zu ei- nem nachhaltigen Frieden leisten kann. WERDEN SIE PATIN ODER PATE! Mit einer Patenschaft «Starthilfe für Frauen» für 360 Franken im Jahr ver- helfen Sie Frauen zu mehr Selbstbe- stimmung und Lebensqualität: HEKS und seine lokalen Partnerorganisatio- nen fördern die Alphabetisierung, Vernetzung und Weiterbildung von Frauen oder geben ihnen ein Startka- pital, damit sie eine Geschäftstätig- keit aufbauen können. Aus dem Erlös kaufen die Frauen Kleider für die Kinder, bezahlen Schul- oder Gesund- heitskosten und entwickeln ihr Ge- schäft weiter. Weitere Informationen zur Patenschaft sowie einen Einzah- lungsschein finden Sie in der Beilage. Kontakt: Sara Baumann, Tel. direkt 044 360 88 09, patenschaften@heks.ch. 21
AKTUELL TANZEN FÜR EINE MENSCHLICHE SCHWEIZ In diesen Tagen finden in den drei Städten Basel, Bern und Zürich Volkstanztreffen der besonderen Art statt: Regionale Volkstanzgruppen laden Flüchtlinge dazu ein, den Schweizer Volkstanz kennenzulernen und gemeinsam Tänze einzu- üben. Im Rahmen der Kampagne «Farbe bekennen für eine menschli- che Schweiz» bringt HEKS zusammen, was auf den ersten Blick vielleicht nicht zusammenpasst: Menschen mit und ohne Flucht- hintergrund treffen auf Schweizer Traditionen, den Schweizer Volkstanz. Tanzend finden Begegnungen statt und Grenzen werden überwunden. Es wird eine menschliche Schweiz gelebt, zu der Flüchtlinge ebenso gehören wie Einheimische, unsere humanitäre Tradition ebenso wie unser Schweizer Brauchtum. Als krönenden Abschluss dieses Volkstanzprojekts zeigen die über 150 beteiligten TänzerInnen ihr neu erlerntes Können in der Halle des Zürcher Hauptbahnhofs, an der «Farbe bekennen»- Volkstanz-Chilbi. Sonntag, 10. Juni 2018, ab 13 Uhr bis 19 Uhr im Zürcher Hauptbahnhof Sie sind herzlich zur Volkstanz-Chilbi eingeladen! Kennen Sie die Schritte des «Kettengalopps» oder «Bündner Alewanders» noch nicht? Keine Angst, auch Sie bekommen am 10. Juni die Gelegenheit, in den Schweizer Volkstanz hineinzu- schnuppern. Tanzen Sie mit, geniessen Sie ein Raclette und das spannende Rahmenprogramm und lassen Sie sich ein auf neue, anregende Begegnungen mit Menschen unterschiedlichster Herkunft. So setzen wir am 10. Juni 2018 gemeinsam ein Zeichen für eine menschliche Schweiz, die den interkulturellen Dialog pflegt und die Solidarität mit Flüchtlingen lebt. Mehr Informationen unter: www.farbe-bekennen.jetzt/volkstanz-chilbi 22
AGENDA Basel Flüchtlingstag der Region Basel: Ein Tag mit Ankunftsgeschichten von Flücht- lingen, Konzerten, spielerischen und sportlichen Aktivitäten zum Mitmachen und mit kulinarischen Köstlichkeiten aus aller Welt. SAMSTAG, 16. JUNI 2018, 11:30 BIS 18:30 UHR, Theaterplatz, Basel Andrea Schmid ist Geschichts- und Germanistikstudent und Volkstänzer im Volkstanzkreis Zürich. Für die Kam- Brugg pagne «Farbe bekennen» leitet er Volkstanz-Workshops für Flüchtlinge Flüchtlingstage Aargau in Brugg: und engagiert sich auf diese Weise Stadtrundgang «Unten_durch in Brugg», für eine menschliche Schweiz. Interviewreihe mit Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft, von Flüchtlin- Andrea Schmid, was hat dich mo- gen angeleitetes Veloflicken, eritreische tiviert, bei diesem Projekt mitzu- Kaffeezeremonie und Konzerte. In Brugg beim Neumarkt, auf dem Platz vor der machen? Neuen Aargauer Bank und im Eisipark. Die Kampagne «Farbe bekennen» soll Mehr Infos: http://www.fluechtlingstage- sensibilisieren und Vorurteile abbauen. aargau.ch/kantonaler-anlass/ Nicht nur die Geflüchteten, sondern auch die Schweizer Volkskultur sieht SAMSTAG, 16. JUNI 2018, sich mit solchen konfrontiert. Unser 10 BIS 17 UHR, Projekt bietet allen Beteiligten die Neumarkt, Brugg Möglichkeit, etwas Neues kennenzu- lernen und mit alten Meinungen über das Unbekannte aufzuräumen. St. Gallen Schweizer Volkstanz und Flücht Am interkulturellen Begegnungstag linge – wie passt das für dich zu- wird die Innenstadt St.Gallen zu einem bunten Festplatz mit Menschen, NGOs sammen? und Kulturvereinen. Was wir als Schweizer Volkstanz ver- Auch HEKS ist mit einem Stand vor Ort – stehen, ist ein Konglomerat verschie- kommen Sie vorbei! dener alpiner und voralpiner Tanz- Mehr Infos: www.begegnungstag.ch praktiken, die seit jeher auch vom Austausch mit ausländischen Traditio- 16. JUNI 2018, 10 BIS 20 UHR, nen leben. In solchen Kontakten fal- Marktgasse und Waaghausplatz, len Unterschiede, aber auch Gemein- St. Gallen samkeiten auf, die für die Reflexion und die dynamische Weiterentwick- lung der eigenen Traditionen uner- Zürich lässlich sind. Die «Plattform Zürcher Flüchtlingstag» Worauf freust du dich besonders? lädt ein zum Zürcher Flüchtlingstag 2018: am Mittwoch, 13. Juni wird im Kosmos Ich freue mich darauf, mit Menschen der Film «Facing Mecca» gezeigt mit zu tanzen, die sich absolut ohne Vor- einer Einführung durch Regisseur Jan-Eric wissen oder vorgeformte Meinungen Mack. Anschliessend Podiumsdiskussion auf Schweizer Volkstänze einlassen. «Das muess mer doch verstah als Mänsch» Dabei hoffe ich, den bisweilen etwas und Grusswort von Regierungsrätin in den Hintergrund getretenen, aber Jacqueline Fehr. Anschliessend Apéro. wohl urtümlichsten Zweck des Mehr Infos: https://www.gefluechtet.ch/ (Volks-)Tanzens zu pflegen: sich ein- fluechtlingstag-zuerich/ ander anzunähern und kennenzuler- 13. JUNI 2018, 18.00 UHR, nen. Kosmos, Lagerstrasse 104, Zürich 23
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