Mehr Tempo, mehr Flexibilität, mehr Kooperation - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
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1/2018 REHAvision Chancen und Perspektiven der Beruflichen Rehabilitation Mehr Tempo, mehr Flexibilität, mehr Kooperation Was eine zukunftsfeste berufliche Rehabilitation braucht Die Faktenlage ist grundsätzlich gut: In den kommenden Jahren kann Deutschland mit einer Ausdehnung der Lebens- arbeitszeit und einer Zunahme von älteren Erwerbstätigen rechnen. Der medizinische Fortschritt ermöglicht es zudem Menschen, die noch vor wenigen Jahren aufgrund einer Erkrankung wie beispielsweise Krebs mit dem beruflichen „Aus“ rechnen mussten, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Doch der Fortschritt birgt auch Herausforderungen für die berufliche Rehabilitation. REHAVISION wirft einen Blick auf die zentralen Aufgaben der Zukunft. Seite 3 „Vielzahl von innovativen Arbeitslos und Modellideen entwickelt“ mehrfach-krank Interview mit Brigitte Gross, Früher war der Fall klar: Der Direktorin der Deutschen Dachdecker, der vom Dach Rentenversicherung Bund, fiel, war ein „typischer” Reha- über nahtlose Übergänge Fall. Heute gibt es immer mehr und neue Wege in der Rehabilitanden mit multiplen beruflichen Rehabilitation. Vermittlungshemmnissen. Seite 7 Seite 9 Die REHAVISION wird herausgegeben vom
VORWORT Liebe Leserin, lieber Leser, im Januar 1968 haben sich zunächst acht Berufsför- Bis heute ist es vor allem der stete Wandel, der die derungswerke in Heidelberg zur „Arbeitsgemeinschaft Berufsförderungswerke über all die Jahre geprägt Deutscher Berufsförderungswerke“ zusammenge- hat und auf den sie reagiert haben. Wir wollen daher schlossen. 50 Jahre später ist daraus der Bundesver- unser 50-jähriges Jubiläum auch zum Anlass nehmen, band Deutscher Berufsförderungswerke geworden, um den Blick in die Zukunft zu richten: Nachdem sich der mit 28 BFW-Hauptstandorten, etwa 100 Regio- die letzte Ausgabe mit den rasanten Veränderun- nalzentren, 12.000 Ausbildungs- und Umschulungs- gen am Arbeitsmarkt befasst hat, stellen wir in der plätzen ein bundesweites Kompetenznetzwerk für REHAVISION 1/2018 die konkreten Herausforderun- Gesundheit und Arbeit bildet. gen für die berufliche Rehabilitation der Zukunft in den Mittelpunkt. Lesen Sie in dieser Ausgabe, welche In den vergangenen fünf Jahrzehnten waren die zentralen Aufgaben auf die moderne berufliche Reha Berufsförderungswerke und ihr Verband immer aktiv zukommen und welche Lösungsansätze die BFW bei der Entwicklung von beruflichen Reha-Leistungen bereits verfolgen. und der Ausgestaltung des gesetzlichen Rahmens von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beteiligt. Ein goldenes Verbandsjubiläum ist deswegen ein be- Ihre deutender und willkommener Anlass, um auf politi- sche Meilensteine und das Erreichte zurückzublicken. Im Jubiläumsjahr 2018 haben wir deshalb eine Reihe Dr. Susanne Gebauer von Aktivitäten geplant, über die Sie sich im Web Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes und der REHAVISION informieren können. Deutscher Berufsförderungswerke Inhaltsverzeichnis Schwerpunkt Zukunftsfeste Reha . . . . . . . . . 3 Aktuelles aus den BFW . . . . . . . . . . . . . . 13 Mehr Tempo, mehr Flexibilität, Personalpolitik gemeinsam demografiefest mehr Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . 3 gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 „Vielzahl von innovativen Modellideen entwickelt“ . 7 Neue Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . 13 „Behinderung ist nicht gleich Behinderung“ . . . . 8 Arbeitslos und mehrfach-krank . . . . . . . . . . 9 Namen und Nachrichten . . . . . . . . . . . . 14 Bessere Chancen für psychisch Vom Wandel der Berufe und BFW-Ausbildungen . 14 erkrankte Menschen. . . . . . . . . . . . . . . . 10 Kurz notiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Gestern Inklusion, heute Digitalisierung, morgen…? . 11 Personalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Strategien für die Zukunft entwickeln . . . . . . . 12 Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Impressum Redaktion: Gestaltung: Dr. Susanne Gebauer, Frank Gottwald, zeichensetzen medienagentur GmbH Hans-Dieter Herter, Ellen Krüger, GDA Kommunikation − Gesellschaft für Marketing Frank Memmler, Niels Reith, Astrid Hadem und Service der Deutschen Arbeitgeber mbH (V.i.S.d.P.) Leserservice: Fotonachweise (Seite): Kontakt: Ellen Krüger iStockphoto.com (1, 3, 4, 9); Knobelsdorffstraße 92, 14059 Berlin BV BFW/Kruppa (2, 10, 12); Tel.: 030 3002-1253, Fax: 030 3002-1256 DRV Bund (7); BA (8); E-Mail: rehavision@bv-bfw.de Deutsche Bahn AG/Oliver Lang (13); Herausgeber: alamy stock photo (14/oben); Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke e. V. BV BFW/Simone Neumann (14/unten); Nikolauspflege (15/Hohler); Druck: Stephan Floss/DGUV (15/Breuer) Königsdruck – Printmedien und digitale Dienste GmbH 2 REHAVISION
SCHWERPUNKT ZUKUNFTSFESTE REHA Mehr Tempo, mehr Flexibilität, mehr Kooperation Was eine zukunftsfeste berufliche Rehabilitation braucht D ie Veränderungen in Gesellschaft, Gesundheit und Arbeitswelt sind rasant, allerdings nicht überraschend. Die Megatrends werden bereits seit Nachfrage-Situation nach Arbeitskräften Betriebe deutlich bereiter machen für eigenständige betrieb- liche Reha-Maßnahmen. Dennoch ist damit zu rech- langem diskutiert: Die demografische Entwicklung, nen, dass die Anzahl der Personen, die aus gesund- verzahnte Prozesse und neue Krankheitsbilder gehö- heitlichen Gründen ihre Berufstätigkeit nicht mehr ren ebenso dazu wie Technisierung und Digitalisie- ausüben können, zunehmen wird. rung mit ihren Folgen für Arbeit und Qualifizierung. Diese Trends erfordern auch von den Berufsförde- Eine Entwicklung, die auch die Experten aus der rungswerken (BFW) als Kompetenzzentren für Arbeit beruflichen Rehabilitation erwarten – und die neue und Gesundheit Antworten darauf, wie wirksame Lösungen braucht. „Das wirft Probleme auf“; er- Reha-Angebote der Zukunft aussehen müssen. Fest klärt Jörg Barlsen, Geschäftsführer der drei nieder- steht, dass im Zentrum stets der Mensch steht. Auch sächsischen Berufsförderungswerke. Die Personen, er unterliegt Veränderungen, das belegen die Teil- die einen Bedarf an Leistungen zur Teilhabe am nehmerstrukturen in den bundesdeutschen Reha-Ein- Arbeitsleben haben, werden älter. Die Folge: Der richtungen eindrucksvoll. Die Herausforderungen Kreis derjenigen, die zwar ihren alten Beruf nicht mögen groß sein. Für die Berufsförderungswerke mehr ausüben, aber altersbedingt nicht mehr um- gehört ihre Bewältigung zum Alltag. Sie haben eine geschult werden können und wollen, wird größer. jahrzehntelange Erfahrung in der Weiterentwicklung Für diese Personengruppe gilt es, adäquate Ange- der beruflichen Rehabilitation und wissen, dass in der bote im Bereich der beruflichen Rehabilitation zu Gestaltung von Umbrüchen neue Chancen liegen. entwickeln, die an den vorhandenen Erfahrungen Rehavision listet die großen Trends und die damit und Qualifikationen ansetzen. verbundenen Herausforderungen auf. Schnell und verzahnt durch MBOR Mehr ältere Rehabilitanden Um auch mit steigendem Alter die Beschäftigung zu Der demografische Wandel mit der steigenden Zahl sichern, kommt es vor allem auf schnelle und inein- der 50- bis 60-Jährigen führt zu einem quantitativen ander verzahnte Reha-Maßnahmen an. Die Deutsche und qualitativen Anstieg des Fachkräftebedarfs, das Rentenversicherung hat darauf mit der Einführung bestätigen viele Studien, so das Institut der deutschen der Medizinisch-Beruflich-Orientierten Rehabilitation Wirtschaft Köln. Der Bedarf ist da. Was bleibt, ist (MBOR) reagiert. Durch eine stärkere Ausrichtung der die Aufgabe, die älteren Mitarbeiter bis zum Ein- medizinischen Rehabilitation auf die Wiedereinglie- tritt in die Rente beschäftigungsfähig zu halten. Die derung in Arbeit gelingt es zunehmend besser, ihre Deutsche Gesellschaft für medizinische Rehabilitati- Patienten wieder arbeitsfähig zu machen. Der Bedarf on (DEGEMED) erwartet daher, dass der Bedarf an an klassischen beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen Maßnahmen zur Prävention und Rehabilitation stei- für Menschen mit einfachen Problemlagen verringert gen wird. Anders als in der Vergangenheit wird die sich in der Folge immer weiter, schätzen Experten. REHAVISION 3
SCHWERPUNKT ZUKUNFTSFESTE REHA Bundesverbandes Deutscher Berufsförderungswerke. Während die „typischen“ Reha-Fälle heute aufgrund des Fachkräftemangels innerbetrieblich rehabilitiert werden, steigt in den Berufsförderungswerken der Anteil an Menschen in schwierigen Lebenslagen, die weit über eine diagnostizierte Erkrankung hinaus um- fänglich beeinträchtigt sind. „Wir haben heute mehr Personen mit multiplen Vermittlungshemmnissen“, un- terstreicht auch Jörg Barlsen die Veränderungen der Teilnehmerstruktur. Oftmals handele es sich um Men- schen, die sozial isoliert und von negativen Erfah- rungen geprägt sind. Hinzu kommen steigende Fall- zahlen psychisch Erkrankter, wie auch die Daten der gesetzlichen Krankenkassen belegen. Die Angebote der beruflichen Rehabilitation müs- sen für diesen Personenkreis neu konzipiert sein: „Ei- „Die MBOR leistet einen wichtigen Beitrag zur Si- nen neuen Beruf zu erlernen, ist dabei keine Lösung, cherung der Beschäftigungsfähigkeit und zur berufli- denn damit werden die bestehenden Problemlagen chen und sozialen Teilhabe der Betroffenen“, bestä- nicht behoben“, so Barlsen. Vielmehr brauche es psy- tigt Christoph Lawall, Geschäftsführer der DEGEMED. chosoziale Hilfen zur Überwindung ihres Grundmiss- Bislang werde MBOR aber regelhaft nur in den Indi- trauens. Um diese Menschen fit für das Arbeitsleben kationen Orthopädie und Psychosomatik angeboten. zu machen, müssen neue Kompetenzen gefördert „Wir wünschen uns deshalb, dass alle Rehabilitanden werden wie Entscheidungs- und Problemlösungskom- mit einer besonderen beruflichen Problemlage die petenz oder Stressresistenz, so beschreibt Dr. Susan- Möglichkeit erhalten, eine MBOR durchzuführen.“ Es ne Gebauer die Lösungsansätze. Das brauche eine sei davon auszugehen, dass das die Erfolge der me- verstärkte Einzelfallbetrachtung und interdisziplinäre dizinischen Reha noch erhöhen würde. Teams. „Komplexe Problemlagen erfordern Multipro- fessionalität“, sagt Gebauer. Das wiederum bedeute Mehr schwere Problemlagen eine enge Zusammenarbeit mit Partnern. Und die Zahl der Betroffenen wächst: Dass immer Ein Beispiel dafür ist die Kooperation zwischen mehr Teilnehmer mit schwerwiegenden beruflichen dem BFW Nürnberg und der ERPEKA Nürnberg, Problemlagen in der Rehabilitation zu verzeichnen einer Rehabilitationseinrichtung für psychisch kran- sind, wird von allen Dienstleistern in der Reha-Land- ke und behinderte Menschen. Im engen Dialog von schaft bestätigt. „Die Ausgangssituationen der Reha- Fachdiensten und auf Ausbildungsebene werden ER- bilitanden werden differenzierter und komplexer“, PEKA-Teilnehmer, die den Übergang in ein Berufsför- sagt Dr. Susanne Gebauer, Vorstandsvorsitzende des derungswerk schaffen, gezielt begleitet. Teilweise sind Entwicklung von Arbeitsunfähigkeitsfällen und -tagen aufgrund psychischer Erkrankungen in Deutschland in den Jahren 2006 bis 2016 200 180 Indexwert (2006 = 100) 160 140 120 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 AU-Fälle AU-Tage 100 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 AU-Fälle AU-Tage Quelle: Statista 2017 AU-Fälle AU-Tage 4 REHAVISION
SCHWERPUNKT ZUKUNFTSFESTE REHA zudem bereits während der ERPEKA die Angebote Neue Chancen, um auch Teilnehmer mit selteneren des BFW nutzbar, wie beispielsweise ein berufliches Krankheitsbildern beruflich zu rehabilitieren, bietet die Training, das zur Steigerung der Belastbarkeit, Sozi- weiterentwickelte Technisierung in der Medizin. So ist alkompetenz und zur beruflichen (Re)Qualifizierung man in Dortmund beispielsweise eine telemedizinische dient. Die unmittelbare Nachbarschaft erleichtert es Kooperation mit dem Epilepsie-Zentrum der Uni-Klinik Teilnehmern bei Überforderung oder erneuter Erkran- in Erlangen eingegangen und plant die Zusammenar- kung zudem, ihre Therapie in die berufliche Rehabili- beit mit dem Schlafmedizinischen Zentrum der Uni-Kli- tation zu integrieren und Abbrüche zu vermeiden. nik Münster. „Über Telemedizin können neue zielgrup- penspezifische Angebote in die berufliche Rehabilitation Kooperationen bei kleineren Fallzahlen eingephast werden.” Das heißt, eine indikationsbezoge- ne medizinische Unterstützung wird in die berufliche Re- Kooperationsmodelle sind gerade in der Rehabilitation habilitation integriert, um krankheitsbedingte Abbrüche neuer Zielgruppen gefragt, ebenso wie Netzwerke mit zu vermeiden und den Integrationserfolg zu erhöhen. Kliniken. Das gelte sowohl bei Menschen mit psychischen Die Berufliche Reha wird durchlässiger und effektiver. Erkrankungen als auch bei Rehabilitanden in kleineren Fallzahlen, die aufgrund telemedizinischer Ansätze gut Die Reha-Konzepte bei kleinen Fallzahlen und Re- zu behandeln sind, wie beispielsweise Epilepsie- oder habilitanden mit multiplen Vermittlungshemmnissen ma- Adipositas-Patienten. Darauf verweist Prof. Dr. Andreas chen deutlich, worauf es zunehmend ankommt, wenn Weber. Der Leiter des medizinischen Dienstes des die Rückkehr in den Beruf gelingen soll: „Es braucht BFW Dortmund hat in den vergangenen Jahren rund individuelle Konzepte und eine hohe Flexibilität bei der 50 Teilnehmer mit schwerem Übergewicht begleitet, Gestaltung der Leistungsangebote“, so die BFW-Exper- die in Kooperation mit dem Excellenzzentrum für Adi- ten. Unumgänglich sei es zudem, die Ausbilder für den positas-Chirurgie des Klinikum Vest in Recklinghausen Umgang mit schwierigen Menschen zu qualifizieren, die erfolgreich in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden psychosozialen Unterstützungsbedarf haben. konnten. „Wir haben immer mehr stark übergewichti- ge Menschen“, so seine Erfahrung. Mehr als 200 Kilo- Andere Kompetenzen erforderlich gramm sind dabei keine Ausnahme. „Eine Reduzierung des Körpergewichts durch Bewegung und Umstellung Zu den aktuell am meisten diskutierten Herausforde- der Ernährung ist ab einem bestimmten Gewicht nur rungen gehört der technologische Fortschritt mit sei- begrenzt mit nachhaltigem Erfolg realisierbar. Zudem nen Auswirkungen auf die Arbeitswelt: Anforderungen stellt eine ausgeprägte Adipositas im Regelfall auch ein an Berufe und Kompetenzen der Mitarbeiter ändern wesentliches Integrationshemmnis dar“, erklärt Weber. sich. Insgesamt sprechen die Befunde dafür, dass Jobs Hier bietet die Adipositas-Chirurgie mit der Möglichkeit der Zukunft weniger körperlich anstrengend, da- einer Magenverkleinerung eine wirksame Hilfe. „Kom- für anspruchsvoller werden. So die Ergebnisse eines biniert mit Verhaltens- und Bewegungstherapie haben IAB-Forschungsberichtes zu Wirtschaft 4.0. Danach die Teilnehmer anschließend eine realistische Chance steigen die Anforderungen vor allem im Bereich des auf Vermittlung in Arbeit“, so der Mediziner nach sechs Prozess-Knowhows sowie im Hinblick auf eine interdis- Jahren Zusammenarbeit mit dem Adipositaszentrum. ziplinäre Arbeitsweise und überfachliche Fähigkeiten. Ansprüche an Fachkräfte steigen Hinsichtlich dieser Faktoren stellen Fachkräfte eine Zunahme im Arbeitsalltag fest 100 % Anforderungen des Unternehmens Arbeitstempo Berufliche Nutzung 80 % Änderung interner von Projekten Anzahl der E-Mails Personenkontakten Komplexität Tägliche Arbeitszeit des Internets 60 % Prozesse Zeit für Meetings Anzahl von Arbetisalltag Konflikte im 40 % 20 % 54 54 47 42 41 33 33 30 29 25 0% Quelle: QZ-online.de Quelle: QZ-online.de REHAVISION 5
SCHWERPUNKT ZUKUNFTSFESTE REHA Gefragt sind dann vor allem soziale Kompetenzen wie stehende Qualifizierungsformen immer wieder an neue etwa beim Kundenmanagement oder Kreativität, das Rahmenparameter anzupassen. Ein Beispiel dafür sind heißt Kompetenzen, in denen Menschen nach wie vor Qualitätsfachleute, die unter anderem seit über 40 einen Vorteil gegenüber Maschinen haben. Zu den Jahren im BFW München ausgebildet werden: „Der Nebenwirkungen dieser Entwicklungen gehört jedoch Beruf des geprüften Qualitätsfachmannes Fertigungs- auch eine zunehmend hohe mentale Belastung. So ge- prüftechnik ist ein Beruf mit Zukunft“, sagt Ralf Ewe- ben laut Risikobeobachtungsstelle für die Unfallversi- ring, Qualitätsmanagementbeauftragter im BFW cherungsträger zwei Drittel der Beschäftigten an, dass München und Ausbildungsverantwortlicher in diesem technologische Neuerungen zu einer „Verdichtung der Bereich. „Unsere Absolventen werden sehr vielfältig in Arbeit“ führen und immer mehr Aufgaben gleichzeitig Unternehmen eingesetzt.“ Die Integration der Rehabili- erledigt werden müssen. Arbeitnehmer müssen ihre tanden gelinge, weil sie auf modernste Messtechnik vor- Fähigkeiten kontinuierlich weiterentwickeln, um den bereitet werden – und damit auf die zunehmende Au- gestiegenen Anforderungen Rechnung zu tragen. Das tomatisierung im Zuge von Industrie 4.0: „Unsere neu Tempo der Veränderungen nimmt zu und die Arbeitsin- gestalteten Unterrichtsräume und Messlabore sind nach halte werden vielfältiger und komplexer. höchstem Industrie-Standard ausgestattet“, so Ewering. Hier sind angepasste Qualifikationsinhalte und Expertise für Veränderungen -methoden erforderlich, um den rasch wechselnden Anforderungen des technologischen und insbesondere Die Veränderungen sind weitreichend. Dass die Berufs- digitalen Wandels gerecht zu werden, aber auch den förderungswerke Experten in der Gestaltung von Ver- veränderten Arbeitsformen, die zudem mehr Flexibilität änderungen sind, daran erinnert Ulrich Wittwer, der von den Beschäftigten verlangen: „Informelles Lernen, frühere Vorstandsvorsitzende des heutigen BV BFW an- mobiles Lernen, arbeitsintegriertes Lernen oder alterns- lässlich des 50-jährigen Jubiläums, das der Bundesver- gerechtes Lernen“, so beschreibt die Deutsche Ge- band in diesem Jahr feiert. Dazu gehörten im Übrigen setzliche Unfallversicherung in ihrem Kommentar zum nicht selten finanzielle Engpässe aufgrund politischer Grünbuch „Arbeiten 4.0“ Beispiele, die die zukünftigen Entwicklungen, wie dem 20. Rentenanpassungsgesetz qualifikationsbezogenen Aufgaben wiedergeben. (RAG), in dem die Zuständigkeit für die berufliche Reha- bilitation weitgehend auf die damalige Bundesanstalt Qualifizierungsangebot muss sich am für Arbeit übertragen wurde, oder den „Gesetzen für Fachkräftebedarf orientieren moderne Dienstleistungen“ (Hartz-Gesetze). „Die BFW haben immer mit konstruktiven Maßnahmen reagiert. Dass es zukünftig nicht nur um neue Fachkenntnisse Sie haben die Struktur sowie die Methodik und Di- geht, sondern auch um die Fähigkeit mit Veränderun- daktik weiterentwickelt, zum Beispiel durch Einführung gen und neuem Wissen umzugehen, wirkt sich auch der ‘Handlungsorientierten Ausbildung’“, sagt Wittwer. auf die Berufsbilder aus. Manche fallen ganz weg, Nicht zuletzt haben die BFW durch Qualitätssteigerung neue kommen hinzu und andere werden an die ver- und Verbesserung ihres Angebotes überzeugt. Dabei änderten Anforderungen angepasst. Arbeitsnah und waren sie vielfach Vorreiter: Schon 1990 gab es spezi- zukunftsfest auszubilden, heißt daher nicht nur, in neue elle Angebote für psychisch behinderte Menschen und Qualifizierungen zu investieren. Fachkräftebedarf be- auch bei den Unternehmenskooperationen gehörten steht zukünftig auch in bewährten Berufen – vor allem die BFW zu den ersten Reha-Dienstleistern, nachdem in der Gesundheitsbranche und im technischen Bereich, sie auch für die erfolgreiche Vermittlung ihrer Rehabi- so prognostizieren es Untersuchungen. Hier gilt es, be- litanden in den ersten Arbeitsmarkt zuständig waren. Und der wesentliche Gelin- Top 10: Entwicklungen der Arbeitswelt auf Sicherheits- und gensfaktor einer berufliche Reha- Gesundheitsrisiken – Untersuchungen der RIBEO UV* bilitation? Sie lebt auch in Zukunft von der Zusammenarbeit. Denn gerade im Reha-Prozess kommt 1. Arbeitsverdichtung und längere Arbeitszeiten es auf die reibungslose Gestal- 2. Zunehmender Anteil älterer Menschen tung an den Schnittstellen an. 3. Vernetzung, Erreichbarkeit und Kontrolle durch Computer und IT Das gilt insbesondere bei einem 4. Mobilitätsanforderungen/Verkehrsdichte Wechsel zwischen unterschiedli- chen, spezialisierten Leistungs- 5. Langanhaltende und/oder einseitige Belastungen des Muskel-Skelett-Systems anbietern oder der Beteiligung 6. Zunehmende Verantwortungsausweitung zusätzlicher Rehabilitationsträ- 7. Mangel an Fachkräften ger. Vor diesem Hintergrund hat 8. Arbeitsplatzunsicherheit und zunehmende prekäre Arbeitsverträge die Politik mit dem Bundesteilha- begesetz eine der Weichen für 9. Exposition gegenüber Lärm eine zukunftsfeste Rehabilitation 10. Mangel an körperlicher Aktivität in der Freizeit gestellt. Es bleibt zu hoffen, dass *Risikobeobachtungsstelle für die Unfallversicherungsträger die neue Bundesregierung hieran anknüpfen wird. 6 REHAVISION
SCHWERPUNKT ZUKUNFTSFESTE REHA „Vielzahl von innovativen Modellideen entwickelt“ Interview mit Brigitte Gross, Direktorin der Deutschen Rentenversicherung Bund REHAVISION: Primär- und Sekundärprävention wer- und/oder Lebensstilrisiken den mit Blick auf älter werdende Belegschaften frühzeitig erkannt werden, wichtiger. Welche Ansätze gibt es hier? so dass eine notwendige Intervention bei Bedarf Brigitte Gross: Die DRV erbringt Präventionsleistungen rechtzeitig eingeleitet wer- an Versicherte, die unter ersten gesundheitlichen Beein- den kann, wenn der Versi- trächtigungen leiden. Diese sollen sie dazu befähigen, cherte dies wünscht. eigenverantwortlich einen gesundheitsförderlichen Le- bensstil zu entwickeln und beizubehalten. Hierfür wer- Beratung spielt künftig eine den zu den Themen Bewegung, Ernährung, Stressma- noch wichtigere Rolle. Wie nagement, psycho-edukative und praktische Trainings- erreicht die DRV Firmen? inhalte vermittelt. Die Versicherten nehmen über meh- rere Wochen berufsbegleitend an den Trainingseinhei- Eine gute Beratung über ten teil und üben, ihren neuen Lebensstil im Alltag dau- gesetzliche Ansprüche erhaft umzusetzen. Ziel ist es, der Entwicklung chroni- und Gestaltungsmöglich- scher Krankheiten vorzubeugen, die insbesondere bei keiten war schon immer Risikofaktoren wie Bewegungsarmut, Über- und Fehl- Auftrag und Anliegen der DRV. Für die Beratung der Brigitte Gross, ernährung sowie übermäßiger Stressbelastung auftreten. Beschäftigten zu Fragen der Rehabilitation unterhält Mitglied des die DRV ein bundesweites Netz an Auskunfts- und Direktoriums bei der Nahtlose Übergänge sind gefragt: Welche An- Beratungsstellen und Reha-(Fach)-Beratungsdiens- Deutschen Renten- gebote gibt es an der Schnittstelle zwischen Reha ten. Um speziell auf die Bedürfnisse von Betrieben versicherung Bund und Arbeitsleben? einzugehen, hat die DRV den Firmenservice ge- schaffen, ein umfassendes Beratungs- und Informa- Die DRV hat ihre Reha-Leistungen unter anderem durch tionsangebot über Prävention und Rehabilitation. Die die Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation Firmenberater der DRV kommen bei Bedarf auch di- (MBOR) noch stärker auf die berufliche Integration aus- rekt in die Firma und vermitteln auch den Kontakt zu gerichtet. Leitgedanke ist dabei die Orientierung an anderen Leistungsträgern. Der Beratungsservice ist den Anforderungen der Arbeitswelt und besonders den kostenfrei und soll insbesondere kleine und mittlere aktuellen Arbeitsplatz. Über die spezifische Reha-Diag- Unternehmen unterstützen, die in der Angebotsviel- nostik und Reha-Therapie kann die MBOR gezielt auf falt des gegliederten Systems Orientierung benötigen. gesundheitlich bedingte berufliche Problemlagen ein- gehen. Ergeben sich dabei Anhaltspunkte dafür, dass Das BTHG setzt auf Modellvorhaben, um die Er- diese Problemlagen zur Sicherstellung der Erwerbsfä- werbsfähigkeit der Betroffenen zu sichern. Wie higkeit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) können neue Wege aussehen? erfordern, dokumentiert die Reha-Einrichtung das im Entlassungsbericht. Der Rentenversicherungsträger Mit der Initiative zur Erprobung innovativer Modellvor- prüft auf Grundlage dieser Empfehlung, ob und wel- haben in der Neufassung des Bundesteilhabegesetzes che LTA erforderlich sind. Dieses Vorgehen sichert (BTHG) wird ein wichtiger Impuls gesetzt, die Rehabili- einen reibungslosen Übergang an der Schnittstelle tation weiterzuentwickeln und zu stärken. Gerade die in zwischen medizinischer und beruflicher Rehabilitation. den letzten Jahren zunehmenden psychischen Störungen sind besonders häufig für einen vorzeitigen Ausstieg aus Ein zweiter wichtiger Ansatz ist die Entwicklung ei- dem Erwerbsleben verantwortlich. Im Rahmen des För- nes Konzepts für ein bedarfsorientiertes Fallmanage- derprogramms „rehapro“ sollen innovative Konzepte er- ment. Damit möchte die DRV Versicherte unterstützen, probt werden, die einer Chronifizierung von psychischen bei denen herkömmliche Leistungen für eine erfolgrei- Erkrankungen frühzeitig entgegenwirken sollen. Die Ren- che berufliche Wiedereingliederung nicht ausreichen. tenversicherungsträger haben bereits im Vorfeld der Kernelemente sind eine personenorientierte Beratung Förderung eine Vielzahl von innovativen Modellideen ent- sowie Planung und Begleitung des Reha-Prozesses. In wickelt. Dabei geht es vor allem um den frühzeitigen Zu- einem koordinierten Verfahren sollen die verschie- gang zu Reha-Leistungen sowie um Personengruppen mit denen Akteure bei der beruflichen Eingliederung besonderen Bedarfslagen. Über die Weiterentwicklung zusammenarbeiten. Mit dem Flexirentengesetz hat der Reha-Nachsorge kann auch die Nachhaltigkeit ver- der Gesetzgeber zudem zur Stärkung der Prävention bessert werden. Ein wesentliches Ziel der Fördermaß- eine berufsbezogene Vorsorgeuntersuchung einge- nahme ist die Vernetzung der Akteure. Hier zeichnen führt, eine freiwillige, individuelle Gesundheitsunter- sich bereits verschiedene Kooperationen der DRV mit suchung für Versicherte ab dem 45. Lebensjahr. Hier- Jobcentern ab. Wir hoffen, dass die ersten Modellpro- durch sollen erste gesundheitliche Beeinträchtigungen jekte Mitte 2018 beginnen können. REHAVISION 7
SCHWERPUNKT ZUKUNFTSFESTE REHA „Behinderung ist nicht gleich Behinderung“ Interview mit Eva Strobel, Geschäftsführerin der Bundesagentur für Arbeit REHAVISION: Welche Verän- zustellen und die Betroffenen mit in den Reha-Prozess derungen kommen auf die einzubinden. Unsere Fachdienste, der Ärztliche Dienst berufliche Rehabilitation zu? und der Berufspsychologische Service, führen sozial- medizinische und berufseignungsdiagnostische Begut- Eva Strobel: Durch die Globa- achtungen nach der ICF durch. Individualität, Perso- lisierung, die Digitalisierung der nenzentrierung und Partizipation sind dabei wichtige Arbeitswelt und die Folgen der Grundsätze. Im Beratungsgespräch werden deshalb demografischen Entwicklung gemeinsam mit dem Menschen mit Behinderungen befindet sich die Arbeitswelt im Förderangebote auf den individuellen Bedarf abge- Umbruch. Vor allem die Tech- stimmt und so betriebsnah wie möglich umgesetzt. nisierung und Digitalisierung Unsere Erfahrung zeigt, dass das die Aussichten auf durch barrierefreie Software nachhaltige Beschäftigung spürbar erhöht. und neuartige Hilfsmittel er- möglichen auch Menschen mit Welche Herausforderungen gibt es bei einer psychi- schweren Beeinträchtigungen schen Behinderung? eine Teilhabe am Arbeitsleben. Eva Strobel, Besonders hoch qualifizierte Menschen können davon Auch hier gilt: Psychische Behinderungen sind viel- Geschäftsführerin profitieren. Gleichzeitig sind Menschen mit kognitiven schichtig – zum Beispiel Psychosen, Depression, Essstö- der Bundesagentur oder psychischen Beeinträchtigungen in einer sich ver- rungen oder durch Drogen induzierte Behinderungen. für Arbeit ändernden Arbeitswelt davon bedroht, durch die stei- Menschen mit einer psychischen Behinderung können genden Anforderungen an Qualifikation, Reaktions- in der Regel nicht mehr wie gewohnt am gesellschaft- schnelligkeit und Konzentrationsfähigkeit abgehängt lichen Leben teilnehmen. Sich selbst zu versorgen zu werden. Hinzu kommt, dass in einer immer älter kann Menschen mit einer psychischen Behinderung werdenden Gesellschaft Behinderungen zunehmen. schwerfallen oder gar nicht gelingen. Die Bereitschaft zur Arbeit zu gehen, kann abnehmen. Der Kontakt zu Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen? anderen Menschen gestaltet sich schwierig. Manche Menschen verlieren den Bezug zur Realität. Sie hören In einigen Branchen zeichnet sich schon jetzt ein Fach- oder sehen Dinge, die nicht da sind. Andere fühlen sich kräftemangel ab. Menschen mit Behinderungen ver- verfolgt. Während eine Körperbehinderung mit Hilfs- fügen oft über gute Qualifikationen und besondere mitteln wie einem Rollstuhl oder einer Prothese ausge- Fähigkeiten. Viele Arbeitgeber sind hier inzwischen glichen werden kann, ist das bei psychischen Behinde- sensibilisiert und betrachten Vielfalt in ihrer Beleg- rungen nur begrenzt möglich. Hinzu kommt, dass ein schaft als Chance. Die Beschäftigung von Menschen dem Krankheitsbild entsprechender Rückfall sehr häu- mit Behinderungen gelingt dennoch nicht immer und fig die Integration in den Arbeitsmarkt erschwert. Hier überall. Nach wie vor ist es wichtig, Vorurteile zu besei- kann die Teilhabebegleitung bestehende Hemmnisse tigen und Barrieren abzubauen. Aus diesem Grund en- mindern. Sie ist eine individuelle und bedarfsorientierte gagieren wir uns seit langem als Mitinitiator des Inklusi- Begleitung zur Anbahnung und Stabilisierung einer be- onspreises. Wir wollen gute Beispiele sichtbar machen. trieblichen Umschulung oder einer sozialversicherungs- pflichtigen Beschäftigung. Das ist ein Gewinn, sowohl Wie ist die Entwicklung der Behinderungsarten? für den Menschen mit einer psychischen Behinderung, als auch für den Arbeitgeber. Als Bundesagentur für Arbeit sind wir einer von meh- reren Reha-Trägern im Bereich der beruflichen Rehabi- Welche Verbesserungen bringt das BTHG? litation. In der Wiedereingliederung sind unverändert Körperbehinderungen des Stütz- und Bewegungsap- Ziel des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) ist es, die parates vordergründig. Bei gut einem Drittel der Re- Selbstbestimmung und Partizipation von Menschen mit habilitanden werden psychische oder neurologische Behinderungen zu stärken. Die Reha-Träger stehen in Behinderungen erfasst. der Verantwortung, die individuellen Leistungen „wie aus einer Hand“ zu erbringen. Dies erfordert bei kom- Was zeichnet eine berufliche Rehabilitation aus? plexen Bedarfssituationen eine trägerübergreifende Abstimmung. Der neue Teilhabeplan und die Teilhabe- Behinderung ist nicht gleich Behinderung. Berufliche plankonferenz sollen das unterstützen. Wenn es zum Teilhabeleistungen sind darauf ausgerichtet, die in- Beispiel um eine Kombination von medizinischer und dividuell sehr verschiedenen Hemmnisse abzubauen beruflicher Rehabilitation geht, müssen die Reha-Trä- und nach Möglichkeit zu beseitigen. Wichtig ist, sehr ger nun viel enger zusammen arbeiten. Für Menschen frühzeitig den persönlichen individuellen Bedarf fest- mit Behinderungen ist das ein Vorteil. 8 REHAVISION
SCHWERPUNKT ZUKUNFTSFESTE REHA Arbeitslos und mehrfach-krank Immer mehr Teilnehmer mit multiplen Vermittlungshemmnissen Früher war der Fall klar: Der Dachdecker, der vom Dach fiel, der Installateur mit Verschleißerkrankung oder die Friseurin, die eine Allergie hatte – wer eine berufliche Rehabilitation absolvierte, litt meist unter „klassischen“ Erkrankungen des Muskel- und Skelett- systems oder an den Folgen eines Unfalls. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Es gibt heute weitaus mehr Erkrankungen, die dazu führen, dass Menschen ihren erlernten Beruf nicht mehr ausüben. Oft kommen zudem Mehrfach-Diagnosen hinzu. D ie Ursachen der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbs- minderung haben sich in Richtung der psychi- schen Erkrankungen verschoben, das belegen Sta- tistiken der Deutschen Rentenversicherung. Mit über 31.000 ist ihre Fallzahl fast dreimal so hoch wie die nachfolgende Gruppe mit Kreislauferkrankun- gen (11.423). Aber nicht nur die Krankheitsbilder haben sich verändert. „Der Bedarf an Förderung von Menschen mit multiplen Beeinträchtigungen im Rahmen der Rehabilitation ist gestiegen“ – das bestätigt die Vorstandsvorsitzende der Bundesar- beitsgemeinschaft der medizinisch-beruflichen Re- habilitation Andrea Nordmann. Die Gründe sind mehrschichtig. Die veränderten Anforderungen des Arbeitsmarktes, die demografischen Entwicklungen Dass die Vermittlungschancen von Menschen mit zunehmend älteren und chronisch erkrankten mit gesundheitlichen Mehrfachbeeinträchtigungen Arbeitnehmern sowie die steigende Anzahl psychi- sich auch deshalb verringern, weil die komplexe scher Erkrankungen stellt die Reha-Experten dabei Reha-Landschaft sowie Zugangs- und Zuständig- vor vielfältige Herausforderungen. keitshürden viele Betroffene überfordern, ist eine weitere Erkenntnis der Dienstleister in der beruflichen Mehrfacherkrankungen nehmen zu Rehabilitation. Hier besteht Optimierungsbedarf. Rolf Limbeck: „Es gibt immer noch eine zu geringe Diagnostiziert werden immer mehr komorbide Er- Verzahnung der medizinischen und der beruflichen krankungsbilder, d. h. zusätzliche Erkrankungen im Rehabilitation, was dazu führt, dass eventuelle Fort- Rahmen einer definierten Grunderkrankung. Das schritte und Änderungsansätze aus der medizinischen stellen alle Reha-Dienstleister gleichermaßen fest. Vor Rehabilitation durch zu lange Übergangszeiten in allem ist die „Zunahme von körperlichen zusätzlich zu die berufliche Rehabilitation wieder verloren gehen.“ psychischen Erkrankungsbildern zu beobachten“, so Dass ein erfolgreiches Zusammenspiel der Schlüssel der Vorstandsvorsitzende der Bundesarbeitsgemein- zur Wiedereingliederung ist, bestätigt Andrea Nord- schaft der beruflichen Trainingszentren Rolf Limbeck. mann: „Die guten Beispiele der engen Verzahnung im Erschwerend sei, dass immer mehr Teilnehmer schon Rahmen der medizinisch-beruflichen Rehabilitation länger aus dem Arbeitsprozess herausgefallen seien. belegen, dass berufliche Teilhabe für Menschen mit Ein Teufelskreislauf, erklärt Limbeck: „Die Teilnehmer multiplen Einschränkungen nachweisbar gelingt, wenn sind zunehmend länger aus dem Arbeitsprozess her- wir sektorenübergreifend und engmaschig agieren.“ aus, was zu einer Zunahme von psychischen und kör- Allerdings seien die Hürden oft sehr hoch gesteckt perlichen Störungen führt.“ Das wiederum erschwere und kosteten enormen Kraftaufwand. die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Reha-Wege vereinfachen Eine Feststellung, die Dr. Susanne Gebauer teilt. Auch in den Berufsförderungswerken nimmt die Komplexität erfordere daher eine Vereinfachung der Zahl der Teilnehmer mit multiplen Vermittlungs- Reha-Wege sowie eine enge Zusammenarbeit der An- hemmnissen zu. „Es gibt mehr Menschen, die lang- bieter. „Die besten Chancen haben wir, wenn alle – Be- zeitarbeitslos sind und schwere Brüche in ihrer Le- troffene, Leistungsanbieter, Kostenträger, Arbeitgeber bens- und Erwerbsbiographie erlebt haben“, sagt – ihre Möglichkeiten fallbezogen und lösungsorientiert die Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes der ausschöpfen“, ist Andrea Nordmann überzeugt. Zu- Berufsförderungswerke. Diese Teilnehmer wieder fit gangs- und Handlungshürden könnten bereits an der für das Berufsleben zu machen, erfordere neue und Basis abgebaut werden – über verständliche Kommu- kombinierte Ansätze. „Wir fördern heute verstärkt nikationswege und gut funktionierende Netzwerke. andere Kompetenzen – wie Stressresistenz oder die Hier müssen Lösungen ansetzen, die berufliche Rehabi- Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen“, erklärt sie. litation für die Herausforderungen der Zukunft rüsten. REHAVISION 9
SCHWERPUNKT ZUKUNFTSFESTE REHA Bessere Chancen für psychisch erkrankte Menschen Kooperation zwischen BFW Birkenfeld und Mittelrhein-Klinik Bad Salzig Rehabilitation bedeutet, Menschen wieder fit für das Berufsleben zu machen. Der Erfolg der Wiedereingliederung hängt dabei oft von zwei Faktoren ab: Dem schnellen Übergang der verschiedenen Reha-Phasen und der frühzeitigen Berücksichtigung der beruflichen Aspekte. Das gilt in besonderer Weise bei psychischen Erkrankungen. Hier setzt „RehaTrail“ an, eine Zusammenar- beit zwischen der Mittelrhein-Klinik in Bad Salzig, einer Fachklinik für psychosomatische Rehabilitation, und dem BFW Birkenfeld. D ie Zahl der Frühverrentungen aufgrund der Di- agnose psychische Erkrankung wächst seit Jah- ren: Zwischen 1993 und 2015 stieg ihr Anteil an zeitig bei der Entwicklung von beruflichen Perspektiven zu unterstützen. Dieses MBOR-Angebot wurde mittler- weile erweitert: „Ganz entscheidend für den Verlauf allen Renten wegen Erwerbsminderung von 15,4 auf der Rehabilitation von psychisch erkrankten Menschen 42,9 %. Die Renten wegen Erwerbsminderung wer- ist nicht nur, wie schnell der Patient eine neue Perspek- den in der Regel zeitlich befristet, wegen der soge- tive aufgezeigt bekommt, sondern vor allem, wie eng- nannten „Heilungsbewährung“, also der Hoffnung, maschig er begleitet wird“, so die Erfahrung von Dr. dass der Betreffende wieder arbeiten gehen kann. Frank Matthias Rudolph. Um möglichst schnell die Wei- „Die Return-to-Work-Quote ist bei Menschen mit chenstellung für die beruflichen Möglichkeiten des Pati- psychischen Störungen im Gegensatz zu Menschen enten vorzunehmen, gibt es inzwischen ein Beratungs- mit somatischen Erkrankungen eher gering“, sagt angebot der DRV direkt in der Klinik. Ein Reha-Berater Dr. Frank Matthias Rudolph, Ärztlicher Direktor der informiert dabei jeden Rehabilitanden über konkrete Fachklinik. Die Gründe liegen auf der Hand: Wer an Maßnahmen und übernimmt die Antragsstellung für einem Mangel an psychosozialer Belastbarkeit leidet, die berufliche Rehabilitation, damit der Übergang in Probleme beim Abgrenzen sowie eine geringe Frus- die nächste Reha-Phase nahtlos erfolgen kann. Doch trationstoleranz hat und nur wenig konfliktfähig ist, eine engmaschige Begleitung für psychisch Erkrankte nimmt seine Probleme an jeden neuen Arbeitsplatz muss mehr sein. Sie muss eng verzahnt mit dem Berufs- mit. Allein mit einem Wechsel der Tätigkeit und des förderungswerk erfolgen, in dem der Rehabilitand an- Arbeitgebers ist es daher nicht getan. Im Gegenteil. schließend seine berufliche Qualifizierung absolviert. Wie das aussehen kann, zeigt ab 2018 RehaTrail, eine Kooperation zwischen der Mittelrhein-Klinik und dem Berufsförderungswerk Birkenfeld. BFW Birkenfeld: Spezielles Know-how Dass das BFW Birkenfeld Kooperationspartner wurde, kam nicht von ungefähr. „Wir haben eine spezielle und sehr erfolgreiche Reha-Vorbereitung für psychisch er- krankte Menschen entwickelt“, erklärt Franz Hermann Semrau, Leiter des Fachdienstes im BFW Birkenfeld. Dieses auf die Zielgruppe zugeschnittene Angebot hat deutlich dazu beigetragen, dass die Zahl der Abbrüche „Bei den meisten Menschen führt die Empfehlung aufgrund psychischer Überforderungen gesenkt wer- einer beruflichen Neuorientierung zu Ängsten, die den konnte. Das neue Angebot RehaTrail setzt nun noch aus Unsicherheit resultieren“, erklärt Dr. Frank Mat- vorzeitiger an – und schafft eine enge Zusammenarbeit thias Rudolph, „bei Menschen mit psychosomatischen mit den Klink-Ärzten. Sofern der Teilnehmer einverstan- Erkrankungen gilt das um ein Vielfaches mehr.“ Das den ist und die Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbin- erschwert die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben. det, legen die BFW-Experten in Abstimmung mit den Ärzten ein Trainingsangebot fest, das auf den indivi- DRV: Angebote für psychisch Erkrankte duellen Bedarf des Rehabilitanden ausgerichtet ist. Ein wichtiges Element ist dabei die Arbeit in Kleingruppen. Für die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Rhein- land-Pfalz und ihre Kliniken hat die Suche nach wirk- Das Training soll auf ausbildungstypische Situa- samen Wegen zur Re-Integration von Menschen mit tionen vorbereiten und psychosoziale Kompetenzen psychischen Erkrankungen daher einen hohen Stellen- steigern. „Die Maßnahme ist flexibel gestaltbar und wert. Vor diesem Hintergrund hat die DRV-Mittelrhein- am Ende ergebnisoffen“, sagt Semrau. Je nach Bedarf klinik in Bad Salzig bereits vor einigen Jahren die me- des Teilnehmers kann am Ende ein Eingliederungszu- dizinisch-berufliche Orientierung (MBOR) eingeführt: schuss stehen, eine Integrationsmaßnahme erfolgen Sie zielt darauf, Patienten mit langen Krankheitszeiten, oder eine Ausbildung im BFW. Dass der Bedarf an chronischer Überlastung, Konflikten im Berufsleben, dieser Maßnahme groß ist, zeigen die Anmeldungen: Burnout-Risiken oder drohender Arbeitslosigkeit früh- Noch vor dem Start waren alle Plätze belegt. 10 REHAVISION
SCHWERPUNKT ZUKUNFTSFESTE REHA Gestern Inklusion, heute Digitalisierung, morgen…? Die Herausforderungen in der beruflichen Bildung gestalten Berufsbilder unterliegen schon immer dem Wandel der Zeit. Neue Tätigkeitsprofile und steigende Anforderungen führen dazu, dass bewährte Berufsausbildungen angepasst werden müssen. Das gilt nicht erst seit der Digitalisierung. Ein Gastbeitrag von Kirsten Vollmer vom Bundesinstitut für Berufsbildung, Stabstelle Berufliche Bildung behinderter Menschen, über aktuelle Diskussionen und Herausforderungen einer effektiven Weiterentwicklung beruflicher Bildung. F ormeln und Begriffe finden mit zu- nehmender Beschleunigung und in immer kürzeren Intervallen Eingang „Bildungspolitische in bildungspolitische Diskussionen. Leitideen sollten Dort werden sie vorübergehend zu vielthematisierten Leitsternen, um als Brillen dienen” dann innerhalb kürzester Zeit von Kirsten Vollmer, anderen abgelöst zu werden. Ihr Auf- Bundesinstitut für Berufsbildung, stieg zu Schlagwörtern ist meist be- Stabstelle Berufliche Bildung gleitet von Absichten und Forderun- behinderter Menschen gen. Wäre weniger manchmal mehr? Denn nicht selten taucht bereits die nächste Leitidee auf und dominiert Diskurse und Debatten, bevor entscheidende Verän- Kontinuierliche Modernisierung derungen umgesetzt sind. Für die berufliche Bildung aber ist kurzatmiges Adhoc-Vorgehen ungeeignet. In der manchmal besorgt-angespannten Aufgeregtheit, in der momentan insbesondere Digitalisierung themati- Ein ständiger Prozess siert wird, geht dabei oft unter, dass das duale Berufs- bildungssystem in Deutschland durch kontinuierliche Mo- Die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung ist ein dernisierung geprägt ist. Die Anpassung von Berufsprofi- ständiger Prozess und bedarf der kontinuierlichen len an relevante Entwicklungen – und damit konkret von Aufmerksamkeit. Bildungspolitische Leitideen sollten Ausbildungsrahmenplänen für den betrieblichen Part und als Brillen dienen, mit Hilfe derer bestimmte Blickwin- von Rahmenlehrplänen für den berufsschulischen Teil – kel eingenommen werden. So können Fragen gestellt wird in einem eingeführten Verfahren praktiziert: Prakti- und beantwortet werden wie z. B.: Wie zeigt sich die ker wie Sachverständige der Arbeitgeber- und Arbeitneh- Berufsbildung unter dem Fokus Inklusion? Wie stellt sie merorganisationen erarbeiten dabei zusammen mit Ver- sich unter dem Fokus Digitalisierung dar? Wie unter tretern der zuständigen Bundesministerien im BIBB neue dem Fokus Anschlussfähigkeit und Durchlässigkeit? Aus- und Fortbildungsberufe und „Up- Wo bieten diese Konzepte und Entwicklungen Ansatz- dates“. Dieses bewährte Zusammen- punkte für die ständige Aufgabe, die berufliche Bildung wirken trägt wesentlich dazu bei, ein ➝ Das Bundesinstitut weiterzuentwickeln? Zugleich gilt es bei der Fokussie- Auseinanderdriften zwischen den An- für Berufsbildung rung auf aktuelle Leitideen nicht zu übersehen, dass forderungen des Arbeitsmarktes und Wandel und Herausforderungen in der Berufsausbil- der Berufsausbildung zu vermeiden. Das BIBB ist anerkanntes Kom- dung per se berücksichtig sind. An herausgehobener Darüber hinaus bzw. als Grundlage petenzzentrum zur Erforschung Stelle ist sowohl im Berufsbildungsgesetz als auch in für diese orientierungsstiftende „Ord- und Weiterentwicklung der der Handwerksordnung eine „berufliche Handlungsfä- nungsarbeit“ bedarf es differenzier- beruflichen Aus- und Weiter- higkeit“ für die Berufsausbildung verankert, für die eine ter Untersuchungen und regelmäßi- bildung in Deutschland. Seine klare Orientierung besteht, die ausdrücklich von einer ger Beobachtung von Entwicklungen Aufgabe ist es, die Ausbildungs- sich wandelnden Arbeitswelt ausgeht. mit Auswirkungen auf Qualifikations- pläne an die neuen Anforde- anforderungen in den unterschiedli- rungen anzupassen. Gewiss stellen die Beschleunigungsprozesse insbeson- chen, spezifischen Berufsfeldern. www.bibb.de dere der technologischen Entwicklungen und in deren Fol- ge die Veränderungen von Arbeits- und Geschäftsprozessen Qualifikationsfragen und Her- ➝ Ausführlicher Beitrag unter Herausforderungen für die Berufsausbildung dar. Schließ- ausforderungen stellen sich übrigens bv-bfw.de > Publikationen > lich ist es – neben anderen Dimensionen der Bildung – ihre auch für das Berufsbildungsperso- Rehavision > Aktuelle Ausgabe Aufgabe, den Arbeitsmarkt mit qualifizierten Fachkräften nal. Auch hier sind Qualifikationsan- zu versorgen. Mit Blick auf Industrie 4.0 und ihre Bedeu- forderungen insbesondere mit Blick tung für Unternehmen und für die Rekrutierung geeigneter auf Heterogenität, Inklusion und re- Fachkräfte setzt das BIBB daher auch einen Schwerpunkt levanter werdender Kompetenzen auf die „Digitalisierung der Arbeitswelt” und die sich dar- im Bereich Kommunikation und Ko- aus ergebenden Konsequenzen für die Berufsbildung. operation zu identifizieren. REHAVISION 11
SCHWERPUNKT ZUKUNFTSFESTE REHA Strategien für die Zukunft entwickeln BFW Bundesvorstand gibt Einblick in Schwerpunktthemen Im Juni 2017 wurde die Geschäftsführerin des Berufsförderungswerks Nürnberg, Dr. Susanne Gebauer, zur neuen Vorsit- zenden des Bundesverbandes Deutscher Berufsförderungswerke (BV BFW) gewählt. In REHAVISION skizziert sie kommende Herausforderungen für die Berufsförderungswerke und die berufliche Rehabilitation und gibt einen Einblick in geplante Aktivi- täten und Schwerpunktthemen des Verbandes. D ie Art unseres Zusammenlebens und die Welt, in der wir arbeiten, verändern sich immer rascher. Unterschiedliche Megatrends wie beispielsweise Zusammen mit unseren Mitgliedern haben wir ver- schiedene Schwerpunktthemen identifiziert, an de- nen wir unsere künftige Verbandsarbeit strategisch der demografische Wandel, die Digitalisierung, der ausrichten werden: Wir arbeiten beispielsweise Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, weiter intensiv daran, die BFW als enge Partner aber auch zunehmende Individualisierung oder der der Unternehmen zu etablieren und werden neue wachsende Stellenwert der persönlichen Gesundheit Kooperationen auf den Weg bringen. Wir werden prägen schon heute zahlreiche Lebensbereiche und uns auch neuen Zukunftsthemen stellen und planen sind ständiger Teil unseres Alltags geworden. zum Beispiel eine Reihe von Workshops für unse- re Mitglieder, die sich mit den weitläufigen Feldern Alle Reha-Leistungserbringer im medizinischen Arbeitswelt 4.0, Digitalisierung und demografischer und beruflichen Sektor müssen sich intensiv mit die- Wandel befassen werden. Gemeinsam möchten wir sen Megatrends und ihren Auswirkungen befassen, Chancen und Risiken bewerten und künftige Hand- um auf immer schnellere Veränderungen reagieren lungsfelder definieren. zu können. Sie sind gefordert, Konsequenzen für ihr unternehmerisches Handeln abzuwägen und Handlungsfelder der BFW moderne, inklusive Reha-Leistungen für Menschen anzubieten. Dort, wo es notwendig ist, müssen sie Die BFW sind hier in mehrfacher Hinsicht ge- sich anpassen und dort, wo es möglich ist, sollten sie fragt: 1.) Als potenzielle Partner der Wirtschaft, Zukunft aktiv mitgestalten. die als Experten Lösungen zur Bewältigung von demografischen Herausforderungen und zur Si- cherung der Fachkräftebasis beitragen können. 2.) Als betroffene Unternehmen benötigen wir eben- so eigene Konzepte, wie wir perspektivisch qualifizier- te Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen oder wie sich unsere Qualifizierungen angesichts neuer Arbeitsmarktanforderungen verändern müssen. Weitere Themen, die wir in den kommenden Jahren voranbringen möchten, sind die verbes- serte Zusammenarbeit an den Schnittstellen medi- zinisch-beruflicher Rehabilitation und die bessere Versorgung von speziellen Zielgruppen, die bisher nur selten oder erschwert Zugänge zur beruflichen Rehabilitation erhalten – zum Beispiel Suchterkrank- te, Onkologiepatienten oder Menschen mit Rheu- maerkrankungen. Das neue Bundesteilhabegesetz Dr. Susanne Gebauer Angesichts unseres 50-jährigen Jubiläums, das und die Mittel zur Förderung von Modellvorhaben ist Vorsitzende des wir als BV BFW im Jahr 2018 begehen, befassen bieten hier die Möglichkeit, neue Wege auszuloten. Bundesverbandes wir uns aktuell intensiv mit der Vergangenheit unse- Deutscher Berufs- res Verbandes. Die letzten Jahrzehnte haben dabei Darüber hinaus wird sich der BV BFW mit der förderungswerke deutlich gezeigt, dass die BFW sehr erfolgreich da- Weiterentwicklung der BFW-Leistungsqualität befas- rin waren, auf neue Anforderungen des Arbeits- sen und den Dialog mit den Rehabilitationsträgern marktes oder veränderte politische Rahmenbedin- zu verschiedenen Qualitätssicherungsinstrumenten gungen zu reagieren. Angesichts des zunehmenden fortsetzen. Als Einrichtungen im Sinne des neuen Tempos der eingangs skizzierten Veränderungen, § 51 SGB IX unterliegen wir hier bereits sehr hohen wollen wir das goldene Jubiläum des Verbandes Standards, die wir fortlaufend den Veränderungen gleichzeitig auch nutzen, um aus der Vergangenheit im Reha-Prozess anpassen wollen. Um Teilhabe und zu lernen. Außerdem wollen wir den Blick in die Zu- Inklusion zu realisieren, muss dieser Prozess sich künf- kunft richten, um gemeinsam mit allen Partnern der tig noch mehr am Individuum orientieren und dabei BFW den Wandel aktiv zu gestalten. passgenau und nachhaltig wirksam sein. 12 REHAVISION
AKTUELLES AUS DEN BFW Personalpolitik gemeinsam demografiefest gestalten Kooperation von DB JobService und BFW stärkt Beschäftigungsfähigkeit Beschäftigung sichern und Personalpolitik demografiefest gestalten: Um diese Herausforderung zu meistern, hat die Deutsche Bahn 2013 den DemografieTarifvertrag abgeschlossen. Er garantiert Mitarbeitern des Bahnkonzerns Beschäftigungsschutz in schwierigen betrieblichen oder persönlichen Situationen, wie z. B. bei Untauglichkeit oder schwerwiegenden Erkrankungen. Zur Unterstützung der beruflichen Neuorientierung der Mitarbeiter wurde die Kooperation mit dem BV BFW geschlossen. S eit bald fünf Jahren arbeitet die DB JobService GmbH, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG, mit den Deutschen Berufsför- derungswerken zusammen. Als Bahn-interner Dienstleis- ter unterstützt die DB JobService Mitarbeiter, die vom Beschäftigungswegfall bedroht sind, bei der Entwicklung neuer beruflicher Perspektiven. „Viele der Mitarbeiter blicken auf eine lange Betriebszugehörigkeit zurück. Sie übten meist Tätigkeiten des Eisenbahnbetriebs aus, die hohe Anforderungen an ihre Tauglichkeit und gesund- heitliche Fitness erfordern. Nach langen oder schwer- wiegenden Erkrankungen ist diese auf Dauer nicht mehr gegeben. Dann bringen die Mitarbeiter auch ihre ganz heit über seine künftigen beruflichen Chancen. Und nicht persönlichen, manchmal auch konfliktbeladenen Ge- nur das: Er bekommt auch verlässliche Empfehlungen schichten mit“, erklärt Mandy Mandery-Mross, Leiterin für die nächsten Schritte – seien es Qualifizierungsvor- des Kompetenzzentrum berufliche Rehabilitation bei schläge, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder der DB JobService GmbH. Für diese Mitarbeiter gilt es, konkrete Jobangebote. Mit der Partnerschaft ist man bei Perspektiven zu entwickeln und abzuklären, wie ihre be- der DB JobService mehr als zufrieden: „Wir schätzen die rufliche Zukunft aussehen kann. Dabei bedient sich die BFW als neutralen, externen Spezialisten für berufliche DB JobService der Expertise der BFW. Neuorientierung, Qualifizierung und Wiedereingliede- rung“, so Mandy Mandery-Mross. Das gilt im Übrigen Erfolgsfaktor Diagnostik auch für die Mitarbeiter, die sich stets auf freiwilliger Ba- sis im BFW testen und beraten lassen. Für sie schafft die „Die BFW ermitteln im Rahmen von eignungsdiagnosti- Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister das schen Tests und einer individuellen Berufsberatung das Vertrauen in die notwendigen Veränderungsprozesse. Eignungsprofil des Mitarbeiters“, erklärt Dr. Kerstin Dass das so bleibt, daran arbeiten die beiden Koope- Brandt, Bereichsleiterin RehaAssessment im BFW Berlin- rationspartner intensiv: Einmal jährlich trifft man sich zu Brandenburg. Am Ende der 14-tägigen Abklärung zur gemeinsamen Workshops. Schließlich kann die Zusam- beruflichen Neuorientierung hat der Mitarbeiter Sicher- menarbeit immer noch verbessert werden. Neue Qualifizierung Kooperation II: Kaufleute für E-Commerce DB-Auszubildende im BFW Koblenz Die Trainings zu sozialen und methodischen Kompetenzen Der technische Fortschritt schafft neue Berufsbilder. im Ausbildungskonzept der Deutschen Bahn AG finden ab Zu ihnen gehören die Kaufleute für E-Commerce, sofort auch im CJD Berufsförderungswerk Koblenz statt. die nun erstmalig in den BFW ausgebildet werden. Die fünftägigen Trainings, die jeder der jährlich rund 3.400 neuen Auszubildenden absolviert, setzen den Fokus auf Kaufleute für E-Commerce erstellen und betreuen die Online-Shops von morgen, sie haben ein Gefühl für handlungsorientierte In- und Outdoorübungen und unter- Statistiken und Softwaretechnik. Das neue Berufsbild ist stützen die Auszubildenden dabei, ihre Sozial- und Methoden- nun als Ausbildungsangebot im Qualifizierungsportfo- kompetenzen auszubauen. lio der BFW zu finden. Den Anfang machen das BFW Köln und das BFW Thüringen. Hier wird der Kaufmann Jede Woche werden bis zu 50 DB-Azubis im BFW Koblenz für E-Commerce ab Januar 2019 qualifiziert – „der analog und digital für ihren Arbeitsalltag und die Zusammen- erste neue kaufmännische Beruf der Digitalisierung im arbeit im Team fit gemacht. Für den Ausbau der seit 2015 be- Handel und ein konkretes Umsetzungsbeispiel zur De- stehenden Kooperation zum „Trainingszentrum SMK-Seminare“ batte um „Wirtschaft 4.0“, so die Geschäftsführerin des wurden die Räumlichkeiten im BFW bedarfsgerecht angepasst. BFW Thüringen Dr. Maria Heinelt. REHAVISION 13
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