Feuer unterm Dach - Autohaus
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Service Feuer unterm Dach Aus für Kältemittel R-1234yf? – Ende September verkündete Daimler, das neue Klimaanlagen-Kältemittel R-1234yf wegen Sicherheitsbedenken nicht einsetzen zu wollen. Dies versetzte die gesamte Branche in Aufruhr. Wir haben bei Daimler nachgefragt sowie die Meinung des Kältemittelherstellers eingeholt. von Frank Schlieben, Niko Ganzer, Bernd Reich, Peter Diehl W ird in einem Krieg die eigene Truppe beschossen, nennt man dieses Versehen im Fachjargon „Friendly Fire“. Bezüglich des neuen Kli- maanlagen-Kältemittels R-1234yf herrscht R-1234yf in Frage stellen. ... Aufgrund der neu gewonnenen Erkenntnisse und seiner hohen Sicherheitsmaßstäbe schließt Mer- cedes-Benz den Einsatz dieser Chemikalie lateralschäden entstehen würden, nahm man in Kauf. Ebenso die vielen Fragen, die sich aus dem Rückzug vom neuen Käl- temittel ergeben: Wie werden die anderen in seinen Produkten aus.“ Andere Auto- Hersteller/Importeure reagieren? Ist R- derzeit zwar Krieg zwischen zwei Lobby- mobilhersteller, Importeure, Zulieferer, 1234yf damit Geschichte? Warum testete Gruppen, diese Mitteilung aus Stuttgart Werkstattausrüster und Verbände wurden man so nicht bereits früher? Was ist von war jedoch kein Versehen: „Die Daimler von dieser Mitteilung überrascht. den bisherigen Testverfahren zu halten? AG hat den zuständigen Behörden neue So wie sich der Sachverhalt inzwischen Wie wird die Politik auf die Ablehnung Bilder: Daimler, Diehl Untersuchungsergebnisse zur Verfügung darstellt, hatte Daimler wohl keine andere des neuen Kältemittels reagieren? gestellt, die den sicheren Einsatz des neu- Wahl, als in die Offensive zu gehen. Dass Einige der Fragen beantwortet bereits en, international anerkannten Kältemittels dabei – um beim Militär zu bleiben – Kol- das folgende Interview. Die Redaktion 68 Autohaus 21/2012
SErvice sprach ausführlich mit Dr. Stefan Geyer, Kältemittelhersteller der als Leiter Entwicklung Interieur, Stellungnahme von Honeywell Mercedes-Benz Cars, auch für die Ent- „Die Pressemitteilung von Mercedes-Benz zu wicklung von Klimaanlagen zuständig ist. den durch den Automobilhersteller selbst durchgeführten zusätzlichen Tests zu HFO- Interview mit Dr. Stefan Geyer 1234yf an eigenen Fahrzeugmodellen wurde ... überraschend veröffentlicht. Honeywell und H: Innerhalb des VDA war man sich A Mercedes-Benz hatten ein Treffen zur Diskussi- e inig: R-1234yf ist das Kältemittel der on der Testprotokolle für Montag, den 1. Okto- Zukunft. Nun schert ein Autobauer aus ber, vereinbart. Dieses wurde jedoch kurzfristig dieser Allianz aus. Warum? abgesagt. Honeywell hofft, die Protokolle der S. Geyer: Neben der stofflichen Zulassung Tests – vor allem mit Blick auf die von Industrie- des Kältemittels gab es weltweit eine ganze standards abweichenden Parameter – einsehen Reihe von Aktivitäten, die am Ende in das und bewerten zu können. SAE-Risk-Assessment mündeten. Zum Unser Hauptanliegen ist es, die Relevanz der Jahreswechsel 2009/2010 kam die ganze Tests von Mercedes-Benz einzuschätzen. Das automobile Welt zu zwei Einsichten. Kältemittel HFO-1234yf wurde jahrelangen um- Erstens: Das Kältemittel ist genügend tief fassenden Untersuchungen unterzogen. Diese haben den sicheren Einsatz für die Nutzung in erforscht. Zweitens: Die Anwendung im Automobilen attestiert. Diese Tests und Analy- Automobil ist sicher beherrschbar. Der sen wurden im Rahmen des Cooperative Re- VDA war an diesen Aktivitäten beteiligt search Programms (CRP) der SAE, dem weltwei- und begleitete auch die SAE-Risk-Assess- Dr. Stefan Geyer ist bei der Daimler AG Leiter ten unabhängigen Verband der Automobilinge- ment-Studien. Innerhalb des VDA wurden Entwicklung Interieur, Mercedes-Benz Cars nieure, zusammen mit führenden Automobil- Arbeitspakete an alle Mitglieder verteilt herstellern, darunter auch Daimler, und ver- und deren Ergebnisse wie ein Puzzle zu abbilden: einen schweren Frontalaufprall schiedenen unabhängigen Instituten weltweit durchgeführt. Wir möchten überprüfen, ob die einem Gesamtbild zusammengefügt. Das mit zumindest teilweiser Zerstörung der jüngsten Tests von Mercedes-Benz ergänzende führte zu einer gemeinsamen Einschät- Kältekreiskomponenten, die technisch Erkenntnisse ergeben haben. zung innerhalb des VDA, die das SAE- bedingt meist in der vorderen Ebene liegen Die einseitige Entscheidung von Mercedes- Risk-Assessment bestätigte. Parallel dazu – Kondensator, Leitungen, teilweise auch Benz, alleine und ohne Kooperation zu agieren, wurden von uns und natürlich auch von der Verdichter. Bei solchen Schäden am entspricht nicht dem üblichen Vorgehen der anderen Herstellern R-1234yf-Kreisläufe Kältekreis muss man damit rechnen, dass Branche, den sicheren Einsatz eines Produkts zu für konkrete Fahrzeuge entwickelt, wobei erhebliche Mengen Kältemittel in den überprüfen. Zudem sollte berücksichtigt wer- auch Crash-Tests erfolgten. Somit kannten heißen Motorraum entweichen. Genau den, ob die Testergebnisse sich lediglich auf die wir neben den Bauteiltemperaturen auch diese Situation haben wir nachgestellt, Modelle eines Herstellers beziehen und durch die Orte möglicher Leckagen. Was wir indem wir an einer Stelle der Heißgaslei- ein verbessertes Design ausgeglichen werden dennoch bis zum Schluss taten, war nicht tung einen Bypass anbrachten und ihn mit können. aufzuhören, uns die Frage zu stellen: einem Magnetventil schaltbar machten. Für Honeywell hat der sichere Einsatz seiner Haben wir wirklich an alles gedacht? Auch Wir haben das Fahrzeug in kundennaher Produkte und der verantwortungsvolle Um- die Berichterstattung war nach wie vor sehr Fahrweise auf Betriebstemperatur gebracht gang mit der Umwelt absolute Priorität. Wir sind von der weltweiten Einführung von HFO- kritisch. Und obwohl wir zu diesem Zeit- – Temperaturen 650 bis 700 Grad Celsius 1234yf überzeugt. Das neue Kältemittel hat ein punkt der festen Überzeugung waren, das an der Abgasanlage –, die Fahrt gestoppt Erderwärmungspotenzial (GWP) von nur 4. Da- System im Fahrzeug sicher zu beherrschen, und unmittelbar danach den Bypass geöff- mit liegt es 99,7 Prozent unter dem des derzeit wollten wir einen nachvollziehbaren net. Dann bekamen wir etwas zu sehen, in Automobil-Klimaanlagen genutzten Kälte- Beweis erbringen, dass sich Mercedes- das wir so nicht erwartet haben, nämlich mittels R-134a.“ Benz-Fahrer auf die Sicherheit ihres Auto- ein vollständiges, schlagartiges Durch mobils verlassen können. Deshalb haben zünden aller Bereiche im Motorraum, die S. Geyer: Bei unseren Tests haben wir den wir ein realistisches Testszenario entwi- mit dem Gas-Luft-Gemisch durchströmt Kältekreislauf sogar mit lediglich 350 ckelt. Bei dem Test ist genau das Gegenteil waren. Alle vorherigen Laborversuche Gramm Kältemittel befüllt. Und die Ent von dem passiert, was wir verdeutlichen ergaben höchstens kleinere Verpuffungen flammung ist bereits aufgetreten, nachdem wollten. mit sehr geringer Energiefreisetzung. Das nur ein geringer Teil davon ausgeströmt heißt, das Feuer ging mehr oder weniger war. In das Versuchsfahrzeug haben wir eine AH: Dieses spezifische Testdesign wird in ohne Schaden anzurichten sofort wieder CO2-Löschanlage eingebaut und zu einem der Pressemitteilung Ihres Hauses von aus. Was wir bei unserem Real-Life-Test bestimmten Zeitpunkt betätigt. Bis dahin Ende September als Real-Life-Prüfverfah- sahen, war ein völlig anderes Verhalten. zeichneten mehrere Kameras aus unter- ren bezeichnet. Was kann man sich da- Dieses Bild werden alle Beteiligten auch schiedlichen Positionen im Motorraum den runter vorstellen? Worin bestehen die Un- nicht mehr vergessen. Brand auf. Nach dem, was wir sahen – terschiede zu bisherigen Prüfverfahren? permanentes Nachbrennen des ausströmen S. Geyer: Uns kam es vor allem darauf an, AH: Reichen ca. 500 Gramm Kältemittel den Gases –, müssen wir davon ausgehen, dass wir ein aus vielen Unfallanalysen aus, um ein Fahrzeug tatsächlich in Brand dass daraus ein Fahrzeugbrand entstanden gezogenes, realistisches Unfallszenario zu setzen? wäre. Im Gegensatz zu unserem Versuchs- 21/2012 Autohaus 69
Service aufbau enthält der Kältekreis normalerwei- Entscheidung zu treffen. Wir hoffen auf se rund 600 Gramm Kältemittel und 120 einvernehmliche Ergebnisse. Gramm Kältemaschinenöl. Natürlich fragten wir uns zunächst: Sahen wir nur ein AH: Apropos Alternativen: Wir sind uns Ölfeuer? Deshalb evakuierten wir nach vermutlich einig, dass R-134a keine Dau- jedem Versuch den kompletten Kältekreis erlösung darstellt. Vor R-1234yf war Koh- und maßen die Restölmenge. Demnach lendioxid, kurz R-744, über nahezu ein verloren wir durch den Brand Kältemaschi- Jahrzehnt der Favorit. Wird Kohlendioxid nenöl in der Größenordnung von fünf nun eine Renaissance erleben? Gramm. Wir müssen also von einem realis- S. Geyer: Zunächst eine grundsätzliche tischen Zustand des Kältekreises ausgehen Anmerkung: Ich kann nur für unser Haus, – mit sämtlichen Konsequenzen. für die Marke Mercedes-Benz sprechen. Zu Ihrer Frage: Als zuständiger Bereichsleiter AH: Die Frage stellt sich automatisch: bin ich sicher, dass wir in der Entwicklung Mit R-1234yf befüllte SL (R 231) werden zurück- Warum haben Sie diesen Versuch erst von R-744-Kälteanlagen mit am weitesten gerufen und auf R-134a umgestellt. jetzt unternommen? waren. Als wir nach der weltweiten Ent- S. Geyer: Die Frage wird uns natürlich scheidung für R-1234yf die R-744-Entwick- häufig gestellt. Und das ist auch nach lung einstellten, war der Stand, dass wir mit AH: Als Entwickler arbeiten Sie an Fahr- vollziehbar. Dazu erscheint mir vor allem Prototypen in Fahrzeugen unterwegs zeugen, die 2013 bis 2020 auf die Straße eines sehr wichtig: Wir haben zu jedem waren. Zwar hat alles funktioniert, doch kommen. Welche Bedeutung hat der jet- Zeitpunkt auf Basis besten Wissens und dass diese Technik zu Ende entwickelt war, zige Stillstand hierfür? Gewissens alle Entscheidungen getroffen, kann ich nicht bestätigen. Erst in diesem S. Geyer: Das hat unser Leben nicht die zu treffen waren, und uns dabei eines Jahr und mit Einschränkungen hat die gerade einfacher gemacht. Die Konse- weltweiten Wissensfundus bedient, Unter- US-Behörde EPA ihr so genanntes Snap- quenzen sind uns bewusst, doch darauf suchungen gemeinsam mit unseren Part- Approval erteilt. Diese Einschränkungen lässt sich im Moment keine einfache nern im VDA und auch selbst im eigenen verdeutlichen, was beim Thema CO2 noch Antwort geben. Haus durchgeführt. Dieser Test gab uns zu tun ist. So ist die CO2-Konzentration im eine völlig andere Kenntnislage. Innenraum eine sehr wichtige Größe. Als AH: Ein Jahrzehnt entwickelten Zulieferer Hersteller haben wir eine Konzentration und Werkstattausrüster an Kohlendioxid- AH: Was sagen die zuständigen Behörden? größer als vier Prozent in der Atemluft zu Klimaanlagen bzw. -Servicegeräten. Dann S. Geyer: In Europa sind das Kraftfahrt- verhindern. Wie man das tut, ob mit Senso- kam der Schwenk auf R-1234yf. Zulieferer Bundesamt und die Europäische Kommis- rik oder Odorierung, ist noch längst nicht und Werkstattausrüster schwenkten mit. sion zuständig. Gegenüber den Behörden geklärt. Der zweite Punkt ist aus Sicht des Nun wird womöglich erneut die Richtung haben wir eine Informationspflicht, der Ingenieurs ein hoch herausfordernder: geändert. Ist das das „Branchenrisiko“ der wir auch nachkommen. Umfangreiche Kältekreise mit R-134a oder R-1234yf genannten Betroffenen? Gespräche haben bereits stattgefunden. Es arbeiten im Druckniveau von zehn bar. Bei S. Geyer: Genau genommen bin ich hier- genügt nicht, Unterlagen zu verschicken. einer CO2-Anlage sind es 100 bar. Das zu nicht der richtige Ansprechpartner. Es bedarf persönlicher Anwesenheit, denn Hochdrucksystem erfordert eine andere Trotzdem: Von einem Branchenrisiko zu das Thema ist sehr komplex, Fehlinterpre- Auslegung jedes einzelnen Teils des Kälte- sprechen, halte ich für falsch. Diese Situ- tationen sind möglich. Wir wissen, dass kreises – vom Kältemittelverdichter über ation, so glaube ich, konnte niemand enormes Interesse besteht, bitten aber um die Verbindungstechnik bis zum Konden- vorhersehen oder antizipieren. Im Sinn Verständnis, zum Stand dieser Gespräche sator, das Thema Arbeitssicherheit in den gegenseitigen Vertrauens müssen wir nun keine Auskünfte geben zu können. Und Servicebetrieben nicht zu vergessen. Hier die Dinge, die getan werden müssen, in selbstverständlich reden wir auch mit den gibt es nach wie vor komplexe Fragestel- maximaler Transparenz mit allen unseren anderen Automobilherstellern, organisiert lungen, und ich kann von meiner Perspek- Partnern, auch mit den Handels- und in VDA, ACEA und AAM. tive aus nur sagen: Das ist nichts, was Servicepartnern, abstimmen. Wir sind uns morgen fertig sein wird. Ja, Autos mit sehr wohl der Verantwortung bewusst, die AH: In der Pressemitteilung von Ende Prototypen waren unterwegs, doch ob CO2 wir gegenüber unseren Partnern haben. September ist vom bisherigen Kältemittel überhaupt eine gangbare Lösung ist, ist Wir werden der Verantwortung mit of R-134a als unmittelbare Alternative zu nach wie vor völlig offen. fener und transparenter Kommunikation lesen. Spätestens am Neujahrstag 2013 nachkommen. Ausschlaggebend für verstoßen Sie damit gegen EU-Recht. Was AH: Welche weiteren Alternativen bestehen? unsere Entscheidung war aber vor allem erwarten Sie von der Politik? S. Geyer: Wir werden uns mit allen Opti- die Verantwortung gegenüber unseren S. Geyer: Es ist die Hoheit der Behörden, onen beschäftigen müssen. Und wir werden Kunden. Und da steht Sicherheit an erster zu entscheiden, wie in der sehr kompli- mit den Erkenntnissen, die wir aus dem Test Stelle. zierten Thematik weiter verfahren wird. gewannen, eine fokussiertere Validierung Was wir tun können und auch tun werden, mit Blick auf Risiken möglicher Kältemittel AH: Herr Geyer, herzlichen Dank für das ist, keinerlei Fragen offenzulassen, was uns haben. Ich glaube, wir haben in den letzten Gespräch und den tiefen Einblick in das als Hersteller dazu bewegt hat, diese Wochen sehr viel dazugelernt. Thema Klimaanlagen-Kältemittel! 70 Autohaus 21/2012
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