FH MÜNSTER 20. Sanitärtechnisches Symposium - DIN SPEC, die neue nationale Ergänzungsnorm - FH Münster
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Rechtsanwalt und Notar Thomas Herrig Fachanwalt f. Bau- u. Architektenrecht Otto-Suhr Allee 27 10585 Berlin Telefon 820 966-0, Fax: 820 966-33 e-mail: kanzlei@raherrig.de www.raherrig.de
Sind Normen Kür oder Pflicht? Was sagt der BGH – III ZR 113/18– zum Spannungsverhältnis anerkannte Regeln der Technik und DIN-Norm Kernaussagen: die bloße Beachtung der DIN-Normen besage nicht, dass damit die anerkannten Regeln der Technik eingehalten seien. DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, sie können auch hinter diesen zurückbleiben. DIN-Normen tragen die (widerlegliche) Vermutung in sich, den anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen (vgl. nur BGH Urt. v. 24.05.2013 - V ZR 182/12).
Zwar haben DIN-Normen als technische Regeln keine normative Geltung. Es handelt sich vielmehr um auf freiwillige Anwendung ausgerichtete private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Sie können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, hinter diesen aber auch zurückbleiben (BGH, Urteile vom 14. Mai 1998 - VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16, 19 f; vom 14. Juni 2007 - VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346 Rn. 32; vom 7. Juli 2010 - VIII ZR 85/09, NJW 2010, 3088 Rn. 14 und vom 24. Mai 2013 - V ZR 182/12, NJW 2013, 2271 Rn. 26). Da sie jedoch die widerlegliche Vermutung in sich tragen, den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiederzugeben (BGH, Urteil vom 24. Mai 2013 aaO Rn. 25), sind sie zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung Gebotenen in besonderer Weise geeignet und können regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (BGH, Urteile vom 1. März 1988 - VI ZR 190/87, BGHZ 103, 338, 341 f; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95, NJW 1997, 582, 583; vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00, NJW 2001, 2019, 2020; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02, NJW-RR 2003, 1459, 1460 und vom 3. Februar 2004 - VI ZR 95/03, NJW 2004, 1449, 1450). Auch außerhalb ihres unmittelbaren Anwendungsbereichs kommen DIN-Normen als Maßstab für verkehrsgerechtes Verhalten in Betracht, soweit Gefahren betroffen sind, vor denen sie schützen sollen (Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 823 Rn. 51 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 aaO, S. 1459). Da sie jedoch im Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen enthalten, darf sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf beschränken, die Empfehlungen technischer Normen unbesehen umzusetzen. Vielmehr hat er die zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen anhand der Umstände des Einzelfalls eigenverantwortlich zu treffen (BGH, Urteile vom 13. März 2001 und vom 3. Februar 2004 jeweils aaO sowie vom 9. September 2008 - VI ZR 279/06, NJW 2008, 3778 Rn. 16 mwN). Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen ist dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und des mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen verbundenen Aufwands zu bestimmen (BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR 251/17, NJW 2018, 2956 Rn.18; Palandt/Sprau aaO § 823 Rn. 51; vgl. auch BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03, NJW-RR 2005, 251, 253).
Prioritätenliste für die Überarbeitung defizitärer harmonisierter Normen aktualisiert https://www.dibt.de/de/aktuelles/meldungen/nachricht-detail/meldung/prioritaetenliste-fuer-die- ueberarbeitung-defizitaerer-harmonisierter-normen-aktualisiert/ Liste, die den Überarbeitungsbedarf bestimmter harmonisierter Normen nach der Bauproduktenverordnung beschreibt.
Prioritätenliste - Ausgewählte verwendungsspezifische Leistungsanforderungen zur Erfüllung der Bauwerksanforderungen
Prioritätenliste - Ausgewählte verwendungsspezifische Leistungsanforderungen zur Erfüllung der Bauwerksanforderungen
Weitere Ergebnisse der Normungsarbeit können sein: Achtung: Weitere Ergebnisse der Normungsarbeit haben nicht den Status einer Deutschen Norm. Arg.: sie unterscheiden sich in Art und Dauer des Erarbeitungsprozesses sowie ihrer Verbindlichkeit einer DIN Man spricht in diesem Zusammenhang von Standardisierung, also der nicht vollständig konsensbasierten Normung mit dem Ergebnis einer DIN SPEC.
Was ist ein Standard? Im Gegensatz zu einer Norm wird der Inhalt eines Standards, einer sogenannten DIN SPEC, durch ein temporär zusammengestelltes Gremium erstellt. Konsens und die Einbeziehung aller interessierten Kreise sind nicht zwingend erforderlich. DIN SPEC sind als Ergebnisse von Standardisierungsprozessen bewährte strategische Mittel, um innovative Lösungen schnell und unkompliziert am Markt zu etablieren und zu verbreiten.
DIN SPEC (Vornorm) 1234 Eine DIN SPEC nach dem Verfahren einer Vornorm ist das Ergebnis der Normungsarbeit, das wegen bestimmter Vorbehalte zum Inhalt, wegen des gegenüber einer Norm abweichenden Aufstellungsverfahrens oder mit Rücksicht auf die europäischen Rahmenbedingungen vom DIN nicht als Norm herausgegeben wird. DIN SPEC (Vornorm) bieten der Öffentlichkeit die Chance, Ergebnisse aus Normungsvorhaben zu nutzen, die aufgrund fehlenden Konsenses oder wegen bestimmter Vorbehalte zum Inhalt nicht als DIN-Norm veröffentlicht werden können. Zusätzlich dazu kann im Gegensatz zu einer Norm bei DIN SPEC (Vornormen) die Entwurfsveröffentlichung entfallen.
DIN SPEC: Erarbeitung von Spezifikationen: keine Einbeziehung aller interessierten Kreise und daher wesentlich schneller als die Normung. Ausgangspunkt für die Erarbeitung einer DIN SPEC (PAS) ist eine Anfrage durch eine Person, Organisation oder einem Normenausschuss an den Bereich Innovation und Standardisierung (IS) des DIN. Die Initiierung des Projektes erfolgt somit durch den Kunden (Initiator). Eine Anfrage, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt.
Wie eine DIN SPEC PAS entsteht
Wie eine DIN SPEC PAS entsteht
Wie eine DIN SPEC PAS entsteht 9 Schritte auf dem Weg zu Ihrer DIN SPEC PAS 1. Anfrage 2. Interne Prüfung 3. Veröffentlichung des Geschäftsplans 4. Genehmigung der Anfrage 5. Kick-Off 6. Erarbeitung 7. Optionale Entwurfsveröffentlichung 8. Veröffentlichung der DIN SPEC 9. Systematische Überprüfung
Praxisbeispiele DIN SPEC DIN SPEC 91400 Ziel ist es, ein einheitliches Klassifikations- und Beschreibungssystem für BIM Objekte wie Wände, Fenster oder Sanitärausstattungen zu definieren – also einen eindeutigen Katalog der möglichen Eigenschaften, aus dem der Planer einfach seine Auswahl treffen kann. DIN SPEC 27099 beschreibt eine IT-Architektur und einen Prozessrahmen für die Implementierung und das Management von hochsensiblen Daten im Bereich Daten- und Informationssicherheit. DIN SPEC 91354 beschreibt die wesentlichen Punkte, die für die Erhöhung der Überlebenswahrscheinlichkeit eines Start-ups relevant sind. Sie kann dazu beitragen, die Chance auf wirtschaftlichen Erfolg signifikant zu steigern, indem sie die üblichen Fehler bei einer Gründung minimiert – ohne dadurch eine Garantie auf Unternehmenserfolg zu geben. DIN SPEC 91369 Reinigung des Gleisbettes ist ein wichtiger Teil der Wartung von Gleisanlagen. Bisher gab es für Verkehrsbetriebe und Reinigungsfirmen aber keine allgemeingültige Definition, was Sauberkeit in Bezug auf das Gleisbett bedeutet. DIN SPEC schafft die Basis für eine einheitliche Reinigungsleistung sowie deren Prüfung nach einheitlichen Kriterien.
Ausschreibung von Landschaftsarbeiten: DIN zu Kunstrasenflächen nicht mehr anzuwenden (02.04.2014) Aufgrund einer Beschwerde ausländischer Firmen, wonach die DIN SPEC 18035-7:1011-10 (Kunstrasenflächen) der europäischen DIN EN 15330-1:2008-1 widersprechen soll, hat die DIN eV die DIN SPEC 18035-07 und -06 zurückgezogen. Die Europäische Kommision hat diesbezüglich bereits ein EU-Pilotverfahren als Vorstufe zu einem möglichen Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Aus Gründen der Rechtssicherheit soll daher in allen neuen Leistungsbeschreibungen zu Landschaftsbauarbeiten, in denen übder die VOB/C die ATV DIN 18 320 Vertragsbestandteil wird, folgender Hinweis aufgenommen werden: "Die in der ATV DIN 18 320 "Landschaftsbauarbeiten" - Ausgabe September 2012 unter Punkt 2.1 angeführte DIN SPEC 18035-07 wird nicht Vertragsbestandteil." (Quelle: id Verlag)
Was ist denn nun juristisch verbindlich?
Verweisungstechnik im Gesetz oder wann sind Normen verbindlich Beachte: Norm verbindlich als a.R.d.T. bei Verweis in Gesetz Bestimmung a.R.d.T. © 2011 DIN Deutsches Institut für Normung e. V.
Welche Bedeutung haben anerkannte Regeln der Technik für die Leistungsverpflichtung?
Anerkannte Regeln der Technik - Kurzdefinition Von der Mehrheit der Fachleute anerkannte, wissenschaftlich begründete, praktisch erprobte und ausreichend bewährte Regeln zum Lösen praktischer Aufgaben (Ingenstau-Korbion, VOB, 21. Auflage 2019.VOB/B § 4 Abs. 2 Rz. 48)
Anerkannte Regeln der Technik - Kurzdefinition Anerkannte Regeln der Technik sind diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreise der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind . OLG Hamm Urteil 14.08.2019, 12 U 73/18
Gelten die a.R.d.T. im Werkvertragsrecht automatisch? Üblicherweise verspricht der AN stillschweigend bei Vertragsschluss die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Entspricht die Werkleistung diesen nicht, liegt regelmäßig ein Werkmangel vor. BGH, Urteil vom 14.11.2017 - VII ZR 65/14 - BGH, Urteil vom 10.07.2014 - VII ZR 55/13 BGH, Urteil vom 07.03.2013 - VII ZR 134/12 BGH, Urteil vom 21. April 2011 - VII ZR 130/10 Also hat sich der AN unbedingt an die a.R.d.T. zu halten. Dies muss im Vertrag nicht ausdrücklich erwähnt werden!
Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik Welcher Zeitpunkt ist maßgeblich? Vertragsschluss oder Abnahme? Der Auftragnehmer schuldet grundsätzlich die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme. BGH Urteil vom 14.11.2017 - VII ZR 65/14 -
Wer trägt das Risiko einer Änderung der anerkannten Regeln der Technik? 1. Der Auftragnehmer schuldet grundsätzlich die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme. Dies gilt auch bei einer Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme. 2. In einem solchen Fall hat der Auftragnehmer den Auftraggeber regelmäßig über die Änderung und die damit verbundenen Konsequenzen und Risiken für die Bauausführung zu informieren, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen. 3. Besteht der Auftraggeber daraufhin auf der Einhaltung der neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik mit der Folge, dass ein aufwändigeres Verfahren zur Herstellung erforderlich wird, steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Mehrvergütung aus § 2 Nr. 5 oder 6 VOB/B zu. BGH, Urteil vom 14.11.2017 - VII ZR 65/14
Der Auftraggeber hat im Regelfall zwei Optionen: Der Auftraggeber kann zum einen die Der Auftraggeber kann zum anderen von Einhaltung der neuen allgemein einer Einhaltung der neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik anerkannten Regeln der Technik und verlangen mit der Folge, dass ein damit von einer etwaigen Verteuerung aufwändigeres Verfahren zur des Bauvorhabens absehen. Herstellung erforderlich werden kann, als im Zeitpunkt des Aber umfassende Belehrung des AG Vertragsschlusses von den Parteien durch den AN erforderlich. vorgesehen. Aber: Keine Enthaftung des AN bei Vergütungsanpassung nach § 1 Nr. 3 Risiken für Leben und Gesundheit. oder 4, § 2 Nr. 5 oder 6 VOB/B Bei unbelehrbarem AG bleibt dem AN nur verlangen. die Kündigung des Vertrages Im BGB-Werkvertrag hat der AG den von § 650a BGB vorgegebenen Weg einzuhalten BGH Urteil vom 14.11.2017 - VII ZR 65/14 -
Anerkannte Regeln der Technik WerkvertragsR vs. BauordnungsR Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik ist (im Werkvertragsrecht) unabhängig davon geschuldet, ob öffentlich-rechtlich (im Bauordnungsrecht ) geringere Anforderungen an die Bauausführung gestellt werden. Der Umstand, dass ein Bauwerk öffentlich-rechtlich zulässig ist und genutzt werden darf, ändert nichts daran, dass der Auftragnehmer die sich in den allgemein anerkannten Regeln der Technik widerspiegelnden üblichen (höheren) Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen einzuhalten hat. BGH Urteil vom 14.11.2017 - VII ZR 65/14 -
"Allgemein anerkannte Regeln der Technik" sind nicht nur in schriftlichen Regelwerken enthalten! "Allgemein anerkannte Regeln der Technik" sind nicht ausschließlich in förmlich veröffentlichten Regelwerken niedergelegt, sondern können auch durch ungeschriebene Regeln konkretisiert werden (vgl. BGH, IBR 1995, 193 - Volltext III. 2 - m.w.N.). BGH, Urteil vom 21.11.2013 - VII ZR 275/12
Praxishinweis Die Vermutung, dass DIN Normen a.R.d.T. seien, wird unter Juristen gerne angenommen. Dabei geht noch nicht einmal der DIN e.V. so weit, der in der Norm für die Normungsarbeit DIN 820 in Teil 1 formuliert, dass sich DIN Normen als a.R.d.T. etablieren sollen. Das können sie aber erst, wenn sie von Fachkreisen (welche?) als solche etabliert werden. Diese Regelung kann auch als Haftungsfreistellung für Normeninhalte verstanden werden, da sie eigenverantwortlich anzuwenden sind. DIN Normen dienen aber entweder der Standardisierung von Produkten oder als Hilfestellung für Handlungen. Sie sind damit perspektivisch angelegt. Bei Abweichungen von ihnen kann wegen der Prüfpflicht des Anwenders bei der Retrospektive, also bei der Bewertung des bereits Gebauten, kein Mangel nur aus der Abweichung abgeleitet werden. Das wäre nur dann der Fall, wenn im Einzelfall die Einhaltung einer Norm vertraglich fixiert wurde, was aber aufgrund der Prüfpflicht des Anwenders der normativen Festlegungen paradox ist. Die Vermutungsregel ist ein demokratisches Element in einem nicht demokratischen Vorgang. Technik richtet sich nach der Dogmatik der Naturgesetze, Rechtsnormen nach Festlegungen demokratisch legitimierter Institutionen. DIN-Normen-Ausschüsse sind weder demokratisch legitimiert noch arbeiten sie an Rechtsnormen. Die Vermutung, dass Regeln des DIN a.R.d.T. seien, kann grundsätzlich nur für solche gelten, die zunächst als Entwurf erscheinen und auf die die Fachwelt durch Einsprüche Einfluss nehmen kann. Der DIN e.V. nimmt dieses Verfahren für DIN-Normen ernst. Es wird aber nicht (zwingend) bei DIN SPEC, DIN V, DIN SPEC PAS-Normen oder DIN-Fachberichten angewendet. Zudem werden Einsprüche in den Ausschüssen behandelt und entschieden, die Normen ausarbeiten. Das Verfahren Entwurf-Einspruch-Erscheinen soll aber helfen, Normen zu etablieren, sichert aber nicht, dass Regeln, vor allem nicht in Gänze, a.R.d.T. sind. Noch weniger gilt das aber für einen eingeschränkten Erfahrungsschatz eines Sachverständigen. Offensichtlich wurden die Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen und die Ergebnisse der Umfrage von 2009 nicht kritisch hinterfragt. Die Umfrage von 2016 hat die Ergebnisse der von 2009 nicht gestützt, sondern wiederlegt. Wenn sich das Gericht widerlegbaren Argumenten anschließt, überzeugt das noch weniger als ein im Ansatz richtiger, kritischer Umgang mit DIN-Normen in der Retrospektive
Anerkannte Regeln der Technik bei Umbauten und Sanierungsleistungen Frage: Muß Umbau die zum Zeitpunkt der Abnahme der Sanierungsarbeiten geltenden anerkannten Regeln der Technik einhalten ? Die vom Umbau betroffenen Bauteile müssen den zum Zeitpunkt der Abnahme des Umbaus geltenden anerkannten Regeln der Technik entsprechen. BGH, Urteil vom 06.0.2005 - VII ZR 117/04, IBR 2006, 29, 30, 31; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.05.2015 - 24 U 92/14, IBR 2015, 604; OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 30.06.2014 - 11 U 69/14, IBR 2015, 18 Der Auftraggeber, der eine Sanierung oder einen Umbau in Auftrag gibt, kann regelmäßig erwarten, dass die Sanierungsarbeiten die zum Zeitpunkt der Sanierung geltenden Regeln der Technik beachten und das Bauwerk im Rahmen des technisch möglichen auf den aktuellen Stand der anerkannten Regeln der Technik bringen. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.07.2010 - 5 U 25/09, IBR 2010, 675
Anerkannte Regeln der Technik bei Umbauten und Sanierungsleistungen Muss der von der Sanierung nicht betroffene Altbestand ebenfalls den anerkannten Regeln der Technik entsprechen ? Dass der von der Sanierung nicht erfasste Altbestand ebenfalls den aktuellen Anforderungen an die anerkannten Regeln der Technik unterliegt, liegt insbesondere nahe, wenn die Sanierung ein Ausmaß annimmt, welches einer Neuerrichtung gleichkommt. BGH, Urteil vom 26.04.2007 - VII ZR 210/05- ; Urteil vom 16.12.2004 - VII ZR 257/03-
Abgrenzung gegenüber : Grundlage „3-Stufen-Theorie“ gem. BVerfG (BVerfGE 9, 89) 3.Stufe:Stand von Wissenschaft und Technik: bezeichnet „den Entwicklungsstand fortschrittlichster Verfahren, die nach Auffassung führender Fachleute aus Wissenschaft und Technik auf der Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse im Hinblick auf das gesetzlich vorgegebene Ziel für erforderlich gehalten werden 2. Stufe: Stand der Technik: die jeweils als fortschrittlich bezeichneten Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen die sich noch nicht allgemein bewährt haben; allerdings sollen zur Bestimmung des Standes der Technik vergleichbare Techniken herangezogen werden, die auf Betriebsebene erfolgreich erprobt worden sind. 1.Stufe: Anerkannte Regeln der Technik: Beruhen auf der herrschenden Auffassung der Fachleute und markieren den qualitativ grundlegenden Standard.
Entwicklung technischer Regeln 3.Stufe:Stand von Wissenschaft und Technik 2. Stufe: Stand der Technik 1. Spannungsfeld Gelbdruck einer Norm liegt 1.Stufe: Anerkannte Regeln der vor Technik 2. Spannungsfeld Veraltete Norm 1. Spannungsfeld: durch eine Neufassung technischer Regeln (schon der Gelbdruck) kann der Stand der a. R. d. T. überholt werden 2. Spannungsfeld: durch fortschreitendes Allgemeinwissen können die geschriebenen technischen Regeln hinter den anerkannten Regeln der Technik zeitweilig zurückbleiben
DIN Normen als anerkannte Regeln der Technik ? Rechtliche Bedeutung der DIN-Normen Beweiserleichterung für den Anwender Sicherung der Mindestqualität der Bauleistung Beweisvermutung Wenn entsprechend bestehender DIN-Normen das Werk hergestellt wurde, dann spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß kein Mangel vorliegt. Identitätsvermutung Bei Anerkennung der DIN in der Fachwelt besteht Vermutung, daß die in Normen codifizierten technischen Regeln identisch sind mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik (Ingenstau/Korbion, VOB/B § 4 Abs. 2 Rdnr. 36 ff.) Beweisvermutung bei Sorgfaltspflichteinhaltung Vermutung zugunsten des Anwenders der DIN, daß dieser mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt gehandelt und somit seiner beruflichen Sorgfaltspflicht genügt hat.
Aktuelles BGH Urteil zur Betreiberverantwort ung
Betreiberverantwortung: DIN-Normen als Bewertungsmaßstab für Verkehrssicherungspflichten 1. Zur Erfüllung von Obhuts- und Verkehrssicherungspflichten sind entweder die in einer DIN- Norm enthaltenen Empfehlungen zur Vermeidung der Gefahrenlage heranzuziehen und umzusetzen oder andere geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen, um Schäden zu vermeiden. BGH, Urteil vom 22.08.2019 - III ZR 113/18
Betreiberverantwortung: DIN-Normen als Bewertungsmaßstab für Verkehrssicherungspflichten 2. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen ist unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrenverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und des mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen verbundenen Aufwands zu bestimmen. BGH, Urteil vom 22.08.2019 - III ZR 113/18
Betreiberverantwortung: DIN-Normen als Bewertungsmaßstab für Verkehrssicherungspflichten 3. Je schwer wiegender die drohenden Folgen einer technischen Anlage ohne Nachrüstung sind, umso eher kann eine Nachrüstung neuerer Sicherheitsstandards geboten sein. Dem Verkehrssicherungspflichtigen ist im Einzelfall eine angemessene Übergangsfrist zuzubilligen. BGH, Urteil vom 22.08.2019 - III ZR 113/18
Frage: Was ist aus der Norm verbindlich ? oder Wie lese ich Normen eigentlich richtig ?
Wie lese ich Normen eigentlich richtig ? Grundlage: DIN 820-2:2012-12 Ausdruck für Verbindlichkeit, d. h. ohne Abweichungen einzuhalten. Verbform Gleichbedeutende Ausdrücke für die Anwendung in Ausnahmefällen ist zu muss ist erforderlich es ist erforderlich, dass hat zu lediglich … zulässig es ist notwendig es ist nicht zulässig [erlaubt] [gestattet] darf nicht es ist unzulässig es ist nicht zu es hat nicht zu
Wie lese ich Normen eigentlich richtig ? Grundlage: DIN 820-2:2012-12 • wenn von mehreren Möglichkeiten eine besonders empfohlen wird • wenn eine bestimmte Handlungsweise vorzuziehen ist, aber nicht unbedingt gefordert wird • wenn (in der negativen Form) von einer bestimmten Möglichkeit oder Handlungsweise abgeraten wird, diese jedoch nicht verboten ist. Verbform Gleichbedeutende Ausdrücke für die Anwendung in Ausnahmefällen sollte es wird empfohlen, dass … ist in der Regel ... sollte wird nicht empfohlen sollte vermieden werden nicht
Wie lese ich Normen eigentlich richtig ? Grundlage: DIN 820-2:2012-12 Angabe einer zulässigen Handlungsweise. Verbform Gleichbedeutende Ausdrücke für die Anwendung in Ausnahmefällen darf ist zugelassen ist zulässig … auch … braucht nicht ist nicht erforderlich keine … nötig
Wie lese ich Normen eigentlich richtig ? Grundlage: DIN 820-2:2012-12 Angabe von Möglichkeiten und Vermögen, sowohl in physischem als auch physikalischem Zusammenhang. Verbform Gleichbedeutende Ausdrücke für die Anwendung in Ausnahmefällen vermag kann es ist möglich, dass … lässt sich …; in der Lage (sein) zu … vermag nicht kann es ist nicht möglich, dass … nicht … lässt sich nicht …
Grundsätzliche Hinweise an denjenigen, der die Norm anwendet Normenanwendung darf nicht zur Folge haben, dass Menschen und Sachen gefährdet werden (Normung dient der Sicherheit von Menschen und Sachen), siehe DIN 820-1:2009-05, Abschnitt 4; Normen bilden einen Maßstab für einwandfreies technisches Verhalten, siehe DIN 820-1:2009-05, 8.1;
Grundsätzliche Hinweise an denjenigen, der die Norm anwendet Jeder deliktsfähige Mensch hat sein Handeln (Tun und Unterlassen) selbst zu verantworten. Der Anwender einer DIN-Norm ist davon nicht ausgenommen. 1. Der Anwender muss das für das richtige Anwenden der Norm erforderliche Verständnis besitzen. 2. Die Norm ist im Regelfall nicht die einzige, sondern nur eine Erkenntnisquelle für technisch ordnungsgemäßes Verhalten. 3. Das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit sich nicht für das Befriedigen von Höchstansprüchen eignet. 4. sich das Anwenden der Norm wider besseres eigenes Wissen verbietet (z. B. wegen einer fehlerhaften technischen Angabe in einer Norm; wegen möglicher Verletzung von Rechten anderer)
Beispiele für Normen, die keine a.a.R.d.T sind
Beispiele für Normen, die keine a.a.R.d.T sind - DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau) stellt keine a.a.R.d.T. dar, weil die ständige Rechtsprechung des BGH bereits seit langem die darin enthaltenen Grenzwerte als zu hoch erachtet. Die VDI 4100 stellt eine a.a.R.d.T. für die Geräusche aus gebäudetechnischen Anlagen dar, weil hierin differenziert Grenzwerte enthalten sind, die deutlich niedriger als die Grenzwerte der DIN 4109 angesiedelt sind. - Die DIN 1986-100 fordert die Ausstattung von Wohnungsbädern mit Badabläufen. Aus Schallschutzgründen wird diese Forderung bereits seit langem nicht mehr umgesetzt. - Die Heizlastberechnung ist nach DIN EN 12831 normiert. Für Bürogebäude, Verkauf- statten und Passhäuser wird die Heizlast analog zur Kühllast mittels dynamischer Gebäudesimulation oder hieraus abgeleiteten vereinfachten Verfahren berechnet. - Die Dimensionierung von Einrichtungen zur Trinkwassererwärmung erfolgt immer noch nach der DIN 4708 (seit vierzig Jahren substanziell unverändert und basierend auf 70 Jahre alten Forschungsarbeiten)
Rechtsprechung
Rechtsprechungsbeispiele In einer Entscheidung vom 09.03.2010, Az. 3 U 55/09, stellt das OLG Schleswig fest, dass der Auftraggeber berechtigt ist, den Werkvertrag schon vor der Abnahme fristlos zu kündigen, wenn der Auftragnehmer an einer Bauausführung entgegen den anerkannten Regeln der Technik festhält. Im entschiedenen Fall hat der Auftragnehmer trotz Hinweises des Auftraggebers zu Unrecht darauf beharrt, seine Leistung sei korrekt. In einem solchen Falle müsse der Auftraggeber nach dem verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken des § 323 Abs. 4 BGB nicht abwarten, sondern kann vor dem Fälligkeitszeitpunkt und vor Abnahme berechtigt den Vertrag kündigen.
Rechtsprechungsbeispiele In einer Entscheidung vom 30.11.2011, Az. 14 U 88/11, hatte das OLG Celle die Frage zu entscheiden, ob ein Verstoß gegen DIN‐Normen grobe Fahrlässigkeit und damit ein Verschulden des Auftragnehmers begründet. Festgestellt wurde, dass die Verlegung von Trinkwasserinstallationen im Hinblick auf potentielle Feuchtigkeitsschäden generell besonders gefahrenträchtig sei und deshalb besondere Sorgfalt erfordere. Ein Verstoß gegen die einschlägigen DIN‐Normen (fehlerhafte Überprüfung auf Dichtheit und Festigkeit der Installation) ist grob fahrlässig. In ähnlichem Sinne äußert sich das OLG Jena in einer entsprechenden Entscheidung (IBR 2006, 388).
Rechtsprechungsbeispiele Verstoß gegen DIN‐Normen ist auch ohne Schadenseintritt ein Mangel! OLG Köln, Urteil vom 16.03.2016 ‐ 16 U 63/15 1. Sofern nichts anderes vereinbart ist, sichert der Auftragnehmer stillschweigend die Beachtung der anerkannten Regeln seines Fachs, wie sie u.a. in DIN‐Normen oder Unfallverhütungsvorschriften niedergelegt sein können, zu. 2. Ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik ist auch dann ohne Schadenseintritt ein Mangel, sofern der Auftragnehmer keine ihm günstige abweichende Vereinbarung beweist. 3. Auch ein technischer Minderwert, d.h. eine Auswirkung der vertragswidrigen Beschaffenheit auf den Ertrags‐ oder Gebrauchswert, ist ein Mangel. Gleiches gilt für einen merkantilen Minderwert.
Rechtsprechungsbeispiele Verstoß gegen DIN‐Normen ist auch ohne Schadenseintritt ein Mangel! OLG Köln, Urteil vom 16.03.2016 ‐ 16 U 63/15 4. Ebenso wie im VOB/B‐Werkvertrag gilt im Rahmen eines BGB‐Bauvertrags, dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber gegenüber Bedenken anmelden muss, wenn die vom Auftraggeber vorgesehene Art und Weise der Ausführung oder auch verwendete Bauprodukte zu einer nicht ordnungsgemäßen Ausführung der Bauleistungen führen können. 5. Unterlässt der Auftragnehmer eine Bedenkenanmeldung, obschon er die Mangelhaftigkeit der vorgegebenen Materialien bzw. vorgesehenen Ausführungsart hätte erkennen können und müssen, haftet er wegen der Verletzung von Hinweispflichten.
FH MÜNSTER 20. Sanitärtechnisches Symposium DIN SPEC, die neue nationale Ergänzungsnorm Skript unter: www.raherrig.de Download Baurecht FH MÜNSTER 2020 KW: FHM2020 PW: FHM2020
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