Fit für die Liebe - Fit in der Liebe. Begehrte und begehrende Männer-Körper

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AIM Gender – Sexualität, Liebe, Männlichkeit                                                          Simon Graf, Zürich
9. Tagung in Stuttgart-Hohenheim                                                       Fit für die Liebe – Fit in der Liebe
12. bis 14. Dezember 2013                                                                              Vortragsmanuskript

Fit für die Liebe – Fit in der Liebe. Begehrte und begehrende Männer-Körper
2006 fand ich in ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft an der Langstrasse in Zürich, welche die
beiden ehemaligen Arbeiterquartiere Industrie und Aussersihl hinter dem Hauptbahnhof unter den
Gleisen hindurch verbindet. Im selben Zeitraum zogen in die Nachbarliegenschaften zwei Filialen
der Fitnesskette Silhouette ein. Fortan führte mein täglicher Arbeitsweg durch die Unterführung an
den FitnesssportlerInnen vorbei, die auf den Laufbändern, Crosstrainern und Ergometern gut
sichtbar im ersten Stock und mit Blick auf die Strasse ihre Körper in Form brachten. Nicht das
Training an sich, sondern der Ort des Trainings und die (Re-)Präsentation des trainierenden
Körpers weckten mein Interesse am fitten Körper, spezifischer dem fitten Männer-Körper und
seiner Bedeutung innerhalb urbaner Lebenswelten.

Der Einzug der beiden Studios kann im Kontext der städtischen Aufwertung der beiden Quartiere
interpretiert werden: Nebst der Vertreibung des Rotlichtmilieus und der offenen Drogenszene, der
Verdrängung von Kneipen, Quartierläden und günstigen Wohnungen und der Entstehung von
Galerien, schicken Restaurants und trendigen Bars, wurde das Strassenbild zunehmend durch ein
neues Körperbild geprägt. Der trainierende Körper hinter den Fenstern des Studios steht
paradigmatisch für diesen Wandel. Als trainierender Körper weist er dabei auf die Spezifika des
fitten Körpers hin, wie ich ihn in Anlehnung an Roberta Sassatelli konzipiere: Fit-Sein heisst immer
auch Fit-Bleiben.1 Begehrt wird – so meine These – nicht nur der fitte Körper als Ausdruck
zeitgenössischer Schönheitsnormen, sondern auch als Signum einer «Sorge um sich», einer
Bereitschaft an sich zu arbeiten und einer «Authentizität»: Die Schönheit und der Körper sind
«echt» und grenzen sich von Schönheitshandeln ab, das als gekünstelt oder konsumistisch gilt, wie
beispielsweise die Praktiken der plastischen Chirurgie oder des unter dem Generalverdacht Doping
stehenden Bodybuildings.2 Fitness ist daher nicht auf eine sportive körperliche Praxis zu
reduzieren, sondern geht mit einem wirkmächtigen Diskurs einher über ein Konglomerat an
hegemonialen Werten wie Gesundheit und Wohlbefinden, Natürlichkeit und Authentizität,
Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Selbstdisziplin, Jugendlichkeit und Attraktivität. Ein Diskurs,

1
    Roberta Sassatelli (2006) unterscheidet zwischen einem «keeping fit» des trainierenden Körpers und einem «being
    fit» als physischer Status, welcher den fitten Körper im Alltag repräsentiert. Ich dagegen betone die Gleichzeitigkeit
    von Fit-Sein und Fit-Bleiben. Sowohl der trainierende Körper repräsentiert immer auch einen physischen Status,
    wie auch der fitte Körper im Alltag auf den Willen fit zu bleiben verweist und er ist daher nicht auf ein Körperbild
    zu reduzieren.
2
    Zur Differenz von Fitness und Bodybuilding siehe auch Jörg Scheller (2010).

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9. Tagung in Stuttgart-Hohenheim                                                    Fit für die Liebe – Fit in der Liebe
12. bis 14. Dezember 2013                                                                           Vortragsmanuskript

der auch als Distinktionsmittel gegenüber anderen Körpern dient, diese als faule, dicke, alte
und/oder kranke Körper marginalisiert und als selbstverschuldet stigmatisiert. Ein Diskurs, der den
fitten Körper als klassenspezifisches Ideal einer urbanen Mittelklasse hervorbringt. Fitness als
körperliche Praxis richtet sich nicht einfach als Angebot an alle, vielmehr sind alle angerufen, «fit
zu sein» und «fit zu bleiben»: «Ob jung oder alt, Mann oder Frau – alle sollten ihre Muskeln
trainieren.» (Active Fitness, herv. d.V.)3 Denn der fitte Körper steht auf den Märkten der Arbeit, der
Sexualität und der Liebe für ein Glücks- und Erfolgsversprechen, die körperliche Repräsentation
des     Fit-Seins     wird    innerhalb     des    postfordistischen      Kapitalismus       zum      «ästhetischen
Gebrauchswertversprechen» (vgl. Haug 2011:164). Fitness als individuelle sportive Praxis weist in
diesem Sinne gegenüber Geschlecht, Sexualität, Herkunft, Alter und Klasse eine potenzielle
Offenheit auf. Gleichwohl zeitigt Fitness als Praxis und insbesondere als Diskurs jeweils
spezifische Effekte und bringt den fitten Körper auch als geschlechtsspezifischen Körper hervor.
Innerhalb des Zusammenhangs von Fitness, Begehren und Liebe wird besonders deutlich, wie sich
der fitte Körper auch als vergeschlechtlichter Körper konstituiert. Einerseits bleibt er zwar als
«authentischer» Körper, wenn er als Ausdruck einer Sorge um sich und um seinen Körper begehrt
wird, geschlechtlich (relativ) unmarkiert. Gleichzeitig wird der fitte Körper auch als
geschlechtsspezifischen Männer-Körper begehrt.

In meinem Vortrag folge ich drei Argumentationslinien, welche für den fitten Männer-Körper
konstitutiv sind. Innerhalb der Fitness- und Lifestylemagazine Men’s Health, Fit for Fun und go…
werde ich einen selbstreferentiellen, wissenschaftlichen Diskursstrang über Sexualität und die
Biologisierung von Geschlechtlichkeit herausarbeiten, der mit einem zweiten Diskursstrang
einhergeht, welcher den fitten Männer-Körper an das Versprechen koppelt, im Bett und der Liebe
erfolgreich zu sein. Im zweiten Teil beschreibe ich dann die Mehrdeutigkeit von Geschlechtlichkeit
und Begehren im Fitnessstudio. Die Kundschaft wird fern ihres Begehrens oder Geschlechts
akquiriert und die StudiobetreiberInnen achten auf Diskretion und Professionalität. Nichtsdestotrotz
ist im Fitnessstudio der fitte als attraktiver und geschlechtsspezifischer Körper allgegenwärtig. Im
dritten Teil werde ich aus akteurszentrierter Sicht auf den Zusammenhang von Liebe, Fitness und
begehrte Körper eingehen. Im Zentrum stehen drei Fallbeispiele, anhand derer ich aufzeige, wie der

3
      Die Zitate sind von den Homepages von 17 Zürcher Fitnessstudios, wovon einzelne mehrere Filialen betreiben. Die
      Homepages wurden im Frühsommer 2009 gesichtet und sind hier nicht einzeln aufgelistet. Fitnessstudios in deren
      Zentrum medizinische Zwecke stehen sowie Studios, die zu einem grösseren Sportkomplex gehören wurden nicht
      angeschaut. Zu bemerken ist, dass von den Interviewpartnern niemand den gesundheitlichen Aspekt in den
      Vordergrund stellte oder wann, dann im Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit.

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fitte Männer-Körper einerseits für den Partnermarkt fit gemacht wird und andererseits in der
Partnerschaft fit gehalten wird.

In allen drei Teilen greife ich auf Datenmaterial zurück, welches ich im Rahmen meiner
Lizentiatsarbeit Eine Ethnographie des fitten Männer-Körpers (Graf 2010) an der Universität
Zürich erhoben habe. Dieses besteht sowohl aus Interviews mit Männern, welche regelmässig in
einem Fitnessstudio trainieren, als auch aus Beobachtungsprotokollen aus einem Fitnessstudio in
Zürich und der Analyse von Fitnessmagazinen als Teil meiner Feldforschung im Sommer 2009.

Sex, Fitness und Heteronormativität
In den Fitness-Magazinen lassen sich bezüglich (Hetero-)Sexualität und Liebe zwei zentrale
Diskursstränge erkennen, die eng miteinander verschränkt sind. Erstens wird (Hetero-)Sexualität
eng an ihre Funktion geknüpft und ist «nicht nur in einer Ökonomie der Lust, sondern auch einem
System des Wissens eingeschrieben» (Foucault 1983:73). In der Sondernummer «Sex ist
Lebenselixier» der Zeitung des Migros Fitnessparks go... (07-09/09) macht Sex nicht nur «Spass»,
sondern ist auch «gesundheitsfördernd». Sex ist «Anti-Aging pur», «die beste Medizin gegen
Stress» und dazu werden beim «Liebesakt» auch noch «bis zu 500 Kalorien verbrannt». Während
sich die Zeitschrift go... in einer Sondernummer mit (Hetero-)Sexualität beschäftigt, ist diese in den
Zeitschriften Fit for Fun und Men’s Health omnipräsent. Selbst wenn nicht-heterosexuelle
Begehrensformen verhandelt werden, wird in den Magazinen die heteronormative Ordnung
fortgeschrieben. «Neue Studien bestätigen: Ein bisschen bisexuell zu sein, ist durchaus in
Ordnung», heisst es im Fit for Fun (09/09). Ein «bisschen» Bisexualität wird nicht nur über den
Rückgriff auf Studien als normal bestätigt, vielmehr wird die «Normalität» der Bisexualität
zusätzlich dadurch hergestellt, indem sie als eine Spielform heterosexuellen Begehrens konzipiert
wird. Dies schlägt sich sowohl im Text als auch in der Bildsprache des Artikels nieder. Im Artikel
«Letzter Kick: Ein bisschen Bi ist schick» (Fit for Fun 10/09) leben alle Akteure in einer intakten
heterosexuellen Partnerschaften, die sich nebenher gleichgeschlechtliche Abenteuer erlauben.
Bisexualität fügt sich nahtlos in die Norm der heterosexuellen Allianz ein, Begriffe wie schwul oder
lesbisch fehlen gänzlich. Antke Engel beschreibt diesen Prozess als ein «Integrationsversprechen»
von nicht-heterosexuellen Begehrensformen in heterosexuelle Paar- und Familienkonzepte:

   «Um die Allianz nicht zu gefährden, sind heteronormative Paar- und Familienwerte jedoch zu
   bestätigen, schwule Körper und Lebensformen zu dessexualisieren und lesbische in heteronormative
   Muster weiblicher Erotik einzupassen.» (Engel 2009:108)

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9. Tagung in Stuttgart-Hohenheim                                                   Fit für die Liebe – Fit in der Liebe
12. bis 14. Dezember 2013                                                                          Vortragsmanuskript

Der zweite Diskursstrang verspricht dank einem fitten Männer-Körper Erfolg in der Liebe und im
Bett. Im Artikel «Fett weg, Liebe da» wird die Erfolgsgeschichte eines Jungen dokumentiert. Beim
Ausgehen fiel ihm auf, dass «die Mädels» nur noch Augen für seinen Kumpel haben und so kaufte
er sich ein Men’s Health, stellte die Ernährung um und begann mit Sport. Nachdem er 35
Kilogramm abnahm, fand er nach einem Jahr seine Traumfrau, «beim Ausgehen!», wie der Bericht
endet (Men’s Health 10/09). Ein Diskursstrang, der sich mit einem wissenschaftlichen Diskurs über
Sexualität und die damit einhergehende Biologisierung der Geschlechter immer wieder verschränkt:

    «Kerle mit amtlichen Muckis haben nicht nur früher Sex als ihre mageren Kollegen, sie sammeln auch
    mehr Partner. […] Evolutionär einfacher Grund: Frauen stehen auf die Pakete.» (Fit for Fun 08/09)

Die Männerzeitschrift Men’s Health greift diesen wissenschaftlichen Diskurs über Sexualität und
Geschlechtlichkeit ebenfalls auf und verknüpft ihn mit einem Glücksversprechen: Ein fitter
Männer-Körper        garantiert    Erfolg      im   Bett,   beziehungsweise       häufigeren,       längeren      und
abwechslungsreicheren Sex. «Sex: So flirten sie sich in ihr Bett» (Men’s Health 07/09) wird auf der
Titelseite ein Artikel angekündigt, der beschreibt, wie ein jeder Urlaubsflirt erfolgreich im Bett
endet. Damit der Leser für die «Apfelhintern hier, einige entblösste zitternde Brüste da, ein
gebräunter Bauch dort, eng sitzende Bikinis überall» auch selbst gerüstet ist, bietet die Ausgabe drei
«massgeschneiderte Workouts» für Beine, Bauch und Oberarme, um eine «Last-Minute-
Strandfigur» zu erhalten. Im Zentrum des Trainings steht der Bizeps als gezielter Blickfang. Im
Diskurs des Men’s Health heisst das Ziel Fit-Sein, um körperlich für das heterosexuelle
beziehungsweise heterosexistische Begehren vorbereitet zu sein. 4

Geschlechter Handeln im Fitnessstudio
Die Reproduktion von Zweigeschlechtlichkeit durch die Trainingspraktiken innerhalb der Studios
wurde von Gabriela Sobiech und Nina Degele auf die Kurzformel «Expansion vs. Reduktion»

4
    «Zum Beispiel Men’s Health. Das handelt wirklich in erster Line davon, Alpharüde zu werden, Karriere zu machen
    und nebenbei möglichst viele Frauen flachzulegen. Auffallend finde ich, dass es dafür heute offensichtlich nicht
    mehr ausreicht, coole Sprüche zu klopfen, schnelle Autos zu fahren und mit Kennermiene Hochprozentiges zu
    verkosten. Der erfolgreiche Mann von heute muss sich genauso wie die Karrierefrau einer körperlichen Askese
    unterziehen. Er muss die Kalorientabellen auswendig aufsagen können, den Kohlenhydratwert von Brötchen und
    Tomaten kennen und gutes Omega-3-Fett von bösem Omega-6-Fett unterscheiden. Statt Steaks und Whiskey gibt es
    deshalb in modernen Männermagazinen zuckerarme Trendlimonaden und viel Obst und Gemüse. Damit das nicht
    allzu sehr mit dem klassischen Rollenbild kollidiert, wird in die Trickkiste gegriffen: Obst und Gemüse etwa
    werden dem modernen Mann mit der Aussicht auf »verbesserte Samenproduktion« schmackhaft gemacht.» (Schorb
    zit. nach Eismann 2010)

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9. Tagung in Stuttgart-Hohenheim                                               Fit für die Liebe – Fit in der Liebe
12. bis 14. Dezember 2013                                                                      Vortragsmanuskript

gebracht: Während bei den meisten Männern der Muskelaufbau im Zentrums des Trainings steht, ist
bei den Frauen die Fettreduktion, der am häufigsten genannte Zweck der Übungen (vgl. Degele und
Sobiech 2008; auch Sobiech 2006). Ein Bild des vergeschlechtlichen Körpers, welches das
Fitnessstudio David Gym aufnimmt und im Kontext des Männer-Körpers als begehrenswerte Norm
setzt: «Kräftige Schultern, muskulöse Beine, knackiger Po, schmalle Taille, Waschbrettbauch –
welcher Mann hätte das nicht gerne?» (David Gym)5. Beim fitten Frauen-Körper dagegen steht
nicht der fitte als athletischer und muskulöser Körper im Zentrum des Begehrens, sondern seine
Effekte: «Auch für Frauen gilt: Muskeln beschleunigen den Stoffwechsel. Ihr Körper verbraucht im
Ruhezustand mehr Kalorien. Das Gewebe wird gestrafft und Problemzonen können gezielt
bekämpft werden.» (ebd.) Diese Werbestrategie bildet auf dem Zürcher Fitnessmarkt jedoch eine
Ausnahme, mehrheitlich erscheint der fitte Körper in der Selbstdarstellung der Studios als
geschlechtsneutral. Der fitte Körper steht für Wohlbefinden, Entspannung, Gesundheit und
Leistungsfähigkeit und dem trainierenden Körper wird eine professionelle Betreuung und
persönliche Atmosphäre versprochen.

Im Fitnessstudio zeigt sich bezüglich Geschlecht und Begehren folglich eine paradoxe Situation:
Verschiedene Formen des Begehrens und der Geschlechterinszenierung sind akzeptiert, zumindest
so lange sie nicht sichtbar sind. 6 Gleichzeitig re-konfiguriert der Fitnessdiskurs hegemoniale
Körpernormen und Geschlechterbilder, wie sie durch die Werbung des David Gym und
insbesondere im Diskurs der Fitnessmagazine evoziert werden. Ein wirkmächtiger Diskurs, dem
sich auch der trainierende Körper nicht entziehen kann. Wenn schwitzende und sportlich gekleidete
Körper nach mehr Attraktivität und Leistungsfähigkeit streben, bleibt Begehren trotz aller
Diskretion und Professionalität auch im Studio allgegenwärtig, Einerseits schlägt sich diese
Beobachtung in der Kleidung der Akteure nieder, die nicht einfach auf Bequemlichkeit und
Funktionalität ausgerichtet ist, sondern den eigenen Status der Fitness und die Durchbildung des
(Männer-)Körpers repräsentiert (vgl. auch Walpen 1993). Andererseits ist die Trainingssituation im
Studio durch ein besonderes Blickmanagement der Akteure geprägt. Blicke zwischen den
Trainierenden sind weitgehend tabu. Die Geräte sind hintereinander angeordnet, so dass die Blicke
aller auf die Fernseher gerichtet sind. Sowohl der direkte Augenkontakt wie auch Blicke auf den
trainierenden Körper werden weitgehend vermieden. An meinem ersten Tag der Feldforschung

5
    Vgl. Fussnote 3
6
    Schwule beispielsweise gehören längst zur Kundschaft, zum «Skandal» oder «Problem» wird es erst, wenn ihr
    Begehren sichtbar wird. «Schwules Pärchen wurde aus Migros-Fitnesspark geworfen» titelte diesen Oktober der
    Tages-Anzeiger (vgl. Gasser 2013).

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9. Tagung in Stuttgart-Hohenheim                                               Fit für die Liebe – Fit in der Liebe
12. bis 14. Dezember 2013                                                                      Vortragsmanuskript

erlebte ich eine Trainingsszene, die unterstreicht, wie Blicke auf den trainierenden Körper auch
innerhalb des Trainingsalltags die hegemoniale Geschlechterverhältnisse und Körpernormen
bestätigen (vgl. auch Sassatelli 2000):

   «Ich beginne mit einer halben Stunde Ausdauertraining auf dem Crosstrainer, bald läuft mir der
   Schweiss über die Stirn. Vor mir sitzen zwei Männer auf dem Ergometer, der eine sportlich, mit
   Träger-Shirt, der andere zeigt unter dem offenen Hemd sein Six-Pack. Er könnte vom Cover des Men’s
   Health sein. Sie trainieren nicht (mehr), sondern sprechen miteinander. Bald stösst ein dritter dazu. Der
   Typ im Hemd dreht sich langsam von den anderen zwei ab und richtet sein Blick auf eine Frau, die
   neben ihm auf einem Ergometer trainiert und starrt sie an. Sie hört Musik, scheint ihn nicht zu
   beachten oder ignoriert wahrscheinlich vielmehr, schaut nach vorne und trampelt.» (2. Juli 2009)

Die beschriebene Szene verdeutlicht ex negativo, wie der Blick auf den trainierenden Körper tabu
und eine Grenzüberschreitung der auf Diskretion bedachten Atmosphäre im Studio darstellt. Eine
vergleichbare Szene erlebte ich in den nächsten drei Monaten nicht mehr. Dass das Studio kein Ort
der Begegnung ist, Begehren aber präsent bleibt, bestätigen auch meine Interviewpartner. Auf die
Frage, ob er im Studio schon Leute kennengelernt habe oder er denke, dass das Fitnessstudio auch
ein Ort der Begegnung sei, fiel mir Peter (46) lachend ins Wort:

   «Oh, es hat attraktive Trainerinnen dort. [lacht] Also nein, in der Garderobe sagst du ‹Hallo› und
   ‹Tschüss›, nein […] es gibt nicht so eine Möglichkeit. […] Es gibt es vielleicht ab und zu, wenn sich
   Leute schon länger kennen, es ist aber nicht so ein Ort der Begegnung, habe ich das Gefühl.»

Peter verweist auf die Attraktivität der Trainerinnen, um gleich anzumerken, dass das Studio nicht
so eingerichtet ist, dass es Gelegenheit bietet, um mit anderen Kontakt aufzunehmen. Konrad (44)
nennt explizit das Begehren als Schranke für eine Kontaktaufnahme im Studio:

   «Ja, ich habe Leute kennengelernt, wo der Kontakt über das Gym hinausging. Aber ich muss sagen,
   der Grund war eigentlich das Squashen und nicht das Gym. […] Aber generell denke ich, ein Gym ist
   ein ganz schlechter Ort, um jemanden kennenzulernen. Die Leute sind gestresst, sie sind entblösst,
   man sieht sie auf eine Art und Weise, wie sie sich normalerweise nicht zeigen... Äh, du hast ständig
   das Problem, wenn du Männer willst, einen Kollegen kennenlernen möchtest, hast du noch das
   Problem mit dem Schwulsein. Ist der jetzt schwul oder warum redet er jetzt mit mir, oder. Und bei den
   Frauen, absolut. Wieso redet der jetzt mit mir, was will der von mir. Gehemmt sind die Frauen, wenn
   sie so ein Gym-Dress anhaben, oder. Es ist ein sehr ungünstiger Ort jemanden kennenzulernen. Und
   ich denke, das gilt nicht nur für mich.»

Dass «das Problem mit dem Schwulsein» bei der Kontaktaufnahme im Studio nicht erst «zum
Problem» wird, wenn das schwule Begehren sichtbar wird (vgl. Fussnote 6), zeigt die Erfahrung
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von Jürg (32). Er erzählte, dass er versucht habe, mit dem einen oder anderen ins Gespräch zu
kommen, es sich aber nie ergeben habe, sich ausserhalb des Studios zu treffen. Auf meine
Nachfrage, ob er dafür eine Erklärung hat, wird deutlich, dass das Gespräch auch aktiv unterbunden
haben und die Angesprochenen teilweise aufgestanden sind.

   «Es kann theoretisch daran liegen, dass ich schwul bin und ich zum Teil Leute angesprochen habe, die
   nicht schwul sind und vielleicht deswegen aufgestanden sind, aber ich kann das jetzt nicht beurteilen,
   oder so.»

Die Situation im Studio verdeutlicht, dass auch der trainierende Körper und die körperliche
Repräsentation des Fit-Bleibens sich nicht ausserhalb von Geschlecht und Begehren konstituiert.
Zwar sind erstmal alle angerufen sind, fit zu bleiben und der trainierende Körper steht für eine
Sorge um sich, doch gleichzeitig behält der Körper seine Geschlechtsspezifik, wie die Werbung des
David Gym, die Raumstrukturierung des Studios                    und insbesondere das Blick- und
Körpermanagement der Trainierenden zeigen.

Wie der fitte Körper auch ausserhalb des Trainings sowohl als geschlechtsspezifischer fitter
Männer-Körper wie auch als fitter Körper, der für eine Sorge um sich steht, begehrt wird, wird auch
in den Erzählungen der Akteure deutlich. Der fitte Männer-Körper konstituiert sich in seiner
Repräsentation der Fitness als Fit-Sein und Fit-Bleiben als begehrenswert. Dieser Doppelcharakter
der Fitness zeigt in Bezug auf die Liebe in zwei Narrativen: Einerseits wird der Männer-Körper für
die Liebe fit gemacht, andererseits wird er auch in der Liebe fit gehalten.

Fit für die Liebe – Fit in der Liebe
Der fitte Körper als physischer Zustand und als Zeichen einer Sorge um sich wiederkehrt auch in
den Narrativen meiner Interviewpartner. Ein fitter Körper wird einerseits als Kapital auf dem
Partnermarkt gehandelt, gleichzeitig darf der fitte Körper in der Liebe nicht zum Bild werden,
vielmehr gilt es fit zu bleiben. Fit-Sein für die Liebe und Fit-Bleiben in der Liebe heisst das
Liebesversprechen, welches den fitten Körper als geschlechtsspezifischen fitten Männer-Körper
hervorbringt.

Auf die Frage, wie sein Trainingsablauf aussähe, antwortete mir Jürg (32), dass es zur Zeit vor
allem darum ginge, seinen Fettanteil zu reduzieren. Er unterläuft damit aber nicht das
geschlechtsspezifische      Paradigma      der   Fettreduktion   versus   Muskelexpansion,         denn     die
Fettreduktion dient als Ausgangsbedingung, um sich einen Waschbrettbauch anzutrainieren.

   «Also zurzeit ist es ein bisschen langweilig, ich mache fast nur Ausdauertraining. Das heisst, ich

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9. Tagung in Stuttgart-Hohenheim                                                  Fit für die Liebe – Fit in der Liebe
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    mache vierzig Minuten Ausdauertraining, entweder Velo oder Crosstrainer oder Rudern. Ja, etwa die
    Sachen. [Und wieso?] Das hat damit zu tun, dass ich mir irgendwann in den Kopf gesetzt habe, ich
    möchte mir ein Waschbrett antrainieren. Und dann fand man, dass es zuallererst einmal darum ginge,
    dass ich vor allem einmal Körperfett reduziere.»

Der begehrte Waschbrettbauch geht dabei explizit mit dem Wunsch einher, sich auf dem
Partnermarkt besser präsentieren zu können, sei es in den betreffenden Internetforen oder auf den
Tanzflächen des Zürcher Nachtlebens. Der Bauch wird zum Kapital eines begehrenswerten Körper,
der für das Versprechen steht, seinen Marktwert bezüglich Liebe zu steigern.

    «Das eine ist der Stressabbau, aber das andere spielt schon auch immer eine Rolle, also der Körperkult
    bei den Schwulen. Es spielt beides eine Rolle. Ich könnte das jetzt auch nicht in die Waagschale
    werfen. [Und...] Ich würde sagen, oder äh/ Ich hatte halt die Idee in meinen Profilen im Internet, wo
    ich mich als schwul präsentiere und/ Vor meiner Partnerschaft, das war vor anderthalb Jahren noch der
    Fall, wollte ich bessere Fotos von mir haben. Das Ziel habe ich ja jetzt erreicht.»

Während Jürg die Schwulen in Zürich idealisiert, «sind alle schön», versucht er selbst durch schöne,
teure Kleider aufzufallen und indem er sich anderen gegenüber generös zeigt. Eine bestimmte
Unzufriedenheit bleibt jedoch zurück, die finanziellen Investitionen in Kleidung und Drinks
erscheinen als Kompensationshandlungen innerhalb einer Begehrensökonomie, in welcher der fitte
Männer-Körper als «symbolischen Kapital» auf dem Partner- und Sexmarkt der Zürcher Clubs
fungiert.

    «Ich bin im März 2003 nach Zürich gezogen, bin dann ins T&M7 gegangen. Ja, und da zeigen sich alle
    Schwulen von der schönsten Seite, sind alle aufgetakelt, sind alle schön. […] Sei es, dass sie sich mit
    Kleidern von der schönsten Seite präsentieren oder dass sie einen schönen Body zeigen. Und wenn sie
    einen haben, dann ziehen sie kurze, also einfach ärmellose T-Shirts an, so, oder vielleicht tanzt auch
    mal der eine oder andere oben ohne. [Und wie gehst du dahin?] Also ich ziehe einfach schöne Kleider
    an. Ich habe aber immer oben recht zu, keine grossen Ausschnitte und ich habe immer auch
    langärmlige T-Shirts an. [Und würdest aber gerne/] Ja, ich würde gerne mehr zeigen, habe aber nichts
    zu zeigen, so verstecke ich es halt. Ich kann nicht so angeben. […] Und dann kommt noch etwas
    anderes dazu, man kann eigentlich/ Wenn man beim Ausgehen mit Geld um sich wirft, kann man auch
    noch viel bewirken. Ich habe manchmal/ drei, vier Jahre, […] da habe ich das Geld im Ausgang
    [schweiz. für Ausgehen] auch noch gerne ausgegeben. […] Aber Ausgehen ist jetzt nicht mehr, jetzt
    mit der Partnerschaft. Jetzt gehe ich nur noch zum Plausch aus.»

Das Versprechen «Fett weg, Liebe da» ist ein wirkmächtiges Konstrukt, dass den fitten Männer-

7
    Das T&M war der berühmteste und älteste Schwulenclub in der Zürcher Altstadt. Ende 2012 musste er schliessen.

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9. Tagung in Stuttgart-Hohenheim                                            Fit für die Liebe – Fit in der Liebe
12. bis 14. Dezember 2013                                                                   Vortragsmanuskript

Körper als begehrenswert hervorruft und auch in den Narrativen der Interviewpartnern präsent ist.
Der zweite zentrale Punkt in Jürgs Erzählung verdeutlicht, dass der fitte Männer-Körper nicht nur
eine hegemoniale Schönheitsnorm verkörpert, sondern dass diese Norm gleichzeitig als Normalität
gesehen wird. Fitness als Optimierungsversuch steht nicht für den Wunsch, sich von den anderen
abzuheben, sondern für ein Normalisierungsbegehren, das heisst, den Wunsch sich in die
(vermeintliche) Norm einzufügen, um nicht abzufallen. Auch Konrad erzählte mir, dass ihm sein
Fitnesstraining vor 25 Jahren gerade so viel Selbstwertgefühl gegeben habe, um «normal
funktionierend in der Gesellschaft teilhaben» zu können und zwar «auch im Zusammenhang mit
Frauen und so». Fitnesstraining wird so zur Mangelbehebung des unfitten Körpers, um sich
«normal» in der Gesellschaft bewegen zu können, und steht weniger für den Wunsch, als besonders
schön oder stark über den «gesellschaftlichen Durchschnitt» hinauszugehen (vgl. auch Graf 2012;
Villa 2008; Bänziger 2010:226f.).

Konrads Erzählung akzentuiert noch einen weiteren Aspekt bezüglich dem Konnex von Liebe und
Fitness. Der fitte Körper ist nicht nur das «symbolische Kapital» auf dem Partnermarkt, sondern
ihm kommt auch in der Partnerschaft eine wichtige Bedeutung zu. Das Begehren des fitten Körpers
in der Liebe kann jedoch geschlechtsspezifische Widersprüche hevorrufen, wie seine Erzählung
verdeutlicht. Widersprüche, die sich entlang der Konzeption von Fitness als Fit-Bleiben und Fit-
Sein ergeben.

   «Aber ich habe mal fünf Jahre mit einer Frau zusammengewohnt, die auch so sportlich war und das
   war schon sehr angenehm, war sehr sehr angenehm, weil man dann einfach ein gemeinsames Hobby
   hat, dann kann man auch mal gemeinsam wandern gehen. Man kann zusammen ins Gym gehen. Diese
   Gemeinsamkeit vom Sport ist schon auch wichtig. Aber es ist nicht so, dass es mich körperlich begehrt
   das eine Frau/ Ich war auch mal ein Weilchen mit einer Frau zusammen, zwei bis drei Jahre sogar, die
   ging auch ins Gym, sehr intensiv, und äh/ Sie hatte also Muskeln gehabt, die hatte Muskeln an ihrem
   Körper, oder, das hat sich überhaupt nicht gut angefühlt. Eine Frau mit Muskeln: Nein. […] Eine Frau
   müsste einfach schlank sein, oder, aber sie muss nicht die Härte von einem Mann haben.»

Die Gemeinsamkeit des Sporttreibens, des gemeinsamen Fit-Bleibens ist für Konrad ein wichtiger
Wert in der Partnerschaft. Der fitte und muskulöse Frauen-Körper als Ausdruck des Fit-Seins
widerspricht hingegen seinen Vorstellungen eines begehrenswerten Frauen-Körpers. Eine Frau
sollte schlank sein, aber keine Muskeln haben.

Bei Andreas (41) steht in seiner Partnerschaft nicht das Bild des entlang der Fitnessnorm
perfektionierten fitten Körpers im Zentrum seines Begehrens, sondern das Ideal der Aktivität und

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9. Tagung in Stuttgart-Hohenheim                                                Fit für die Liebe – Fit in der Liebe
12. bis 14. Dezember 2013                                                                       Vortragsmanuskript

der «Sorge um sich». Zwar ist der Waschbrettbauchauch bei ihm das Symbol seines fitten Männer-
Körpers und diejenige Körperpartie, wo ihm das Training bezüglich Aussehen eine gewisse
Zufriedenheit verleiht, doch distanziert er sich im gleichen Atemzug gegenüber dem
«Muskelprotz».

    «So ein bisschen mehr/ also so der Studiumsbierbauch, also ohne das ich jetzt dick war. Ja nicht
    gerade Sixpack, aber in die Richtung jetzt. […] Man sieht es schon, da ist etwas, aber es ist jetzt nicht
    mein Ziel so ein Muskelprotz zu werden.»

Damit verweist er auf ein zentrales Unterscheidungskriterium des Bodybuildings und der Fitness.
Während der fitte Körper «gefallen» will, will der Körper des Bodybuilders «auffallen» (vgl.
Scheller 2010:13). Im Zentrum von Andreas’ Begehren steht nicht die Form, sondern das
«Natürliche» und «Authentische» des fitten Körpers, der eine Sorge um sich repräsentiert und sich
von einer gekünstelten Schönheit abgrenzt. Ein «natürliches Auftreten ist mir wichtiger als
tussihaftes», wie er den begehrenswerten Frauen-Körper beschreibt. Eine Natürlichkeit, deren
konstitutives Element für den fitten Körper Roberta Sassatelli (2006) herausgearbeitet hat:

    «A fit body says something about the individual: it suggests a strong and vital person, a person who
    wants to show that he is master of himself and that to do so he harnesses primarily his own ‹authentic›
    capacities, earning himself improvements and changes ‹naturally›, through his own work.»

In der Ehe von Andreas steht folglich das Fit-Bleiben im Zentrum des gegenseitigen Begehrens. Die
Attraktivität des fitten Körpers ergibt sich in erster Linie nicht aus seinen physischen Merkmalen.
Der fitte Körper steht vielmehr für Aktivität, für jemanden der sich Sorge trägt und der sich nicht
«gehen lässt»:

    «Und uns ist das beiden wichtig. Hm, ja eigentlich aus Spass, aber es hat auch etwas Wahres dahinter.
    Weil wir würden uns beide gegenseitig ein bisschen herumjagen, wenn wir feststellen würden, dass
    jemand jetzt extrem zunimmt oder so. Das ist uns beiden bewusst, wichtig von dem her. […] Und
    wichtig ist mir vor allem auch, dass sie etwas macht und nicht so, so passiv ist, und sich gehen lässt.»

Auf den zweiten Blick zeigt das Narrativ, wie stark der fitte auch als aktiver Körper mit bestimmten
Körpernormen einhergeht. Eine Gewichtszunahme hätte zur Konsequenz, dass sich Andreas und
seine Frau «ein bisschen herumjagen» würden. Seine Erzählung widerspiegelt implizit die
Vorstellung beziehungsweise das Vorurteil, dass ein fitter Körper schlank ist und eine
Gewichtszunahme der Untätigkeit geschuldet ist und mit Passivität korreliert. 8 Der fitte als schlanke

8
    Die Argumentation findet sich in den Erzählungen der Interviewpartner immer wieder. Auch bezüglich seinem
    Arbeitsalltag äussert sich Andreas in eine ähnliche Richtung, den er «mit Übergewicht […] so nicht hinkriegen

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Körper wird dadurch zum Distinktionsmerkmal gegenüber übergewichtigen Körpern, die implizit
oder explizit als selbstverschuldet, passiv und unfit markiert werden. Er wird dadurch zum Symbol
einer gesellschaftlichen Klasse, die sich um sich und die Gesellschaft sorgt, während der unfitte als
übergewichtiger Körper ungesund ist, Kosten verursacht und der Gesellschaft schadet (vgl. auch
Gosch 2008:100f.). Im Zentrum dieses Diskurses steht nicht Übergewicht, sondern der/die
Übergewichtige selbst, wie die staatliche Plakatkampagne der Gesundheitsförderung Kanton Zürich
verdeutlicht:

   «Fast jeder zweite Zürcher hat Übergewicht. Und fast jede vierte Zürcherin auch. Mit schweren
   Folgen. Denn Übergewicht macht körperlich wie auch psychisch krank und verursacht im Kanton
   Zürich Kosten von 900 Mio. Franken pro Jahr.» (Leichter Leben. Gesundes Körpergewicht im Kanton
   Zürich, 2009)

Auch wenn der fitte als trainierender Körper begehrt wird, der für einen aktiven Körper und eine
Sorge um sich steht, bleibt er an ein Körperbild geknüpft, dass sich an Körpernormen und
Schönheitsidealen orientiert und sich gegenüber anderen Körpern abgrenzt. Dass dieser Konnex
sich auch geschlechtsspezifisch zeigt, verdeutlicht sich bei Konrad besonders klar. Doch auch bei
Andreas könnte die Zufriedenheit mit seinem Waschbrettbauch ein Hinweis auf das
geschlechtsspezfische Begehren des fitten Körpers sein.

Resümee: Begehren, Liebe, fitte Männer-Körper
Fitness erlebte als Diskurs und als sportive Praxis in den letzten vierzig Jahren einen Aufschwung,
der bis heute anhält. Fitness ist dabei nicht einfach ein sportliches Angebot, das sich an alle richtet,
vielmehr sind alle angerufen, fit zu sein und vor allem auch fit zu bleiben. In diesem Sinne weist
Fitness gegenüber Geschlecht, Sexualität, Klasse, Herkunft und Alter eine potenzielle Offenheit auf.
Gleichwohl zeitigt sie als sportive Praxis und als Diskurs wirkmächtige geschlechtsspezifische
Effekte, die heteronormative Vorstellungen eher bestätigen als unterlaufen. Besonders deutlich wird
das in den Fitness- und Lifestyle-Magazinen, in welchen ein wissenschaftlicher Diskurs über
Sexualität und Geschlecht den fitten Männer-Körper als begehrenswert hervorbringen. Im Zentrum
steht der Bizeps und der Waschbrettbauch als körperliche Repräsentationen eines fitten Männer-
Körper, der für das Versprechen oder die Verheissung steht, auf dem Partnermarkt erfolgreich zu
sein. Am Ort des trainierenden Körpers, im Fitnessstudio, zeigt sich die Situation bezüglich Fitness,
Geschlecht und Begehren paradoxer: Fitness als sportliches Trainingsangebot richtet sich an alle,

   würde». Das Fett und Fit aber keine Gegensätze sein müssen, zeigt Friedrich Schorb am Beispiel der US-
   amerikanischen Size Acceptance-Bewegung (Schorb 2008).

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9. Tagung in Stuttgart-Hohenheim                                              Fit für die Liebe – Fit in der Liebe
12. bis 14. Dezember 2013                                                                     Vortragsmanuskript

die Fitnessstudios sind bedacht den KundInnen eine professionelle und diskrete Atmosphäre zu
bieten. Die Raumstrukturierung und die Anordnung der Geräte versucht ein spezifisches
Blickmanagement der Trainierenden zu unterstützen, damit unnötiger Augenkontakt möglichst
vermieden werden kann. Begehren und Geschlecht bleiben aber präsent, wie Beobachtungen aus
dem Trainingsalltag und die Erzählungen der Gesprächspartner verdeutlichen. Dass nicht-
heterosexuelle Begehrensformen nur entsexualisiert geduldet sind, zeigen die Reaktionen gegenüber
schwulem Begehren, wenn es als solches sichtbar oder zumindest vermutet wird. Der
Zusammenhang zwischen Fitness, Liebe und fitten Männer-Körper lässt sich über den eigentlichen
Fitnessraum erweitern, wenn die Akteure auf die Bedeutung des fitten Männer-Körpers auf dem
Partnermarkt und in der Liebe selbst hinweisen. Der fitte Männer-Körper wird einerseits entlang
männlicher Körpernormen und Schönheitsidealen für die Liebe fit gemacht. Die körperliche
Repräsentation des Fit-Seins wird auf dem Partner- und Sexmarkt im Word Wide Web und auf den
Tanzflächen des Zürcher Nachtlebens zum symbolischen Kapital. Andererseits wird der fitte Körper
in der Liebe als Signum einer «Authentizität» und einer «Sorge um sich» begehrt. Zwar zeigt sich
in den Narrativen, dass die körperliche Repräsentation des Fit-Bleibens geschlechtlich (relativ)
unmarkiert bleibt, doch entrinnt sie der Geschlechtsspezifik nicht gänzlich. Die körperliche
Repräsentation des Fit-Bleibens verweist immer wieder auf ein geschlechtlich markiertes Fit-Sein.
Die heteronormative Kohärenz von Körper, Geschlecht und Begehren wird im Kontext der Fitness
über die Trainingsformel «Fettreduktion versus Muskelexpansion» wieder hergestellt, der begehrte
fitte Männer-Körper über den Bizeps und ein Waschbrettbauch.

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9. Tagung in Stuttgart-Hohenheim                                             Fit für die Liebe – Fit in der Liebe
12. bis 14. Dezember 2013                                                                    Vortragsmanuskript

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