Fleisch und Fleischwaren - die Transformation der Branche läuft - IKB Blog

 
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Fleisch und Fleischwaren – die Transformation der Branche läuft
Der Lebensmitteleinzelhandel reagiert schnell auf Veränderungen der Konsum- und Einkaufsgewohnheiten der
Verbraucher und Verbraucherinnen. Er setzt Food-Trends entsprechend konsequent in Marktbearbeitungs- und
Sortimentsstrategien um, wenn sie sich verstetigen, teilweise treibt er sie sogar an. Stand das Jahr 2020 klar im
Zeichen von Corona und den damit verbundenen Herausforderungen, rücken nunmehr wieder verstärkt Themen
in den Fokus, die strukturelle Veränderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette für Lebensmittel mit
sich bringen. Eines dieser Themen ist zweifelsfrei die Frage nach der Entwicklung des Fleischkonsums und
möglicher alternativer Proteinquellen, wobei hiermit sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte verbunden
sind, die beide deutliche Auswirkungen auf die Fleischerzeugung und -verarbeitung haben werden.

         Fleischkonsum in Deutschland pro Person (in kg)              Fakt ist, dass der Fleischverzehr in
                                                                      Deutschland sinkt und auch zukünftig
                                                                      abnehmen wird. Während 2016 noch
                                                                      47 % der männlichen Bevölkerung
                                                                      (22 % der Frauen) angab täglich
                                                                      Fleisch(produkte) zu konsumieren,
                                                                      waren es 2020 lediglich noch 37 %
                                                                      (20 % der Frauen).
                                                                      Allein im vergangenen Jahr ist der
                                                                      Pro-Kopf-Fleischverzehr um 800 gr.
                                                                      auf 57,3 kg gesunken. Seit 2010
                                                                      beläuft sich der Rückgang auf 5,1 kg
                                                                      bzw. 8 %. Die Gründe sind vielfältig,
                                                                      wobei die Motivation im Wesentlichen
                                                                      aus den Bereichen Gesundheit,
                                                                      Ökologie und Tierwohl resultiert. Im
  Quelle: BLE
                                                                      Trend weist lediglich Geflügel
Zuwächse auf, Schweinefleisch liegt beim Konsum um fast 19 % unter dem Niveau des Jahres 2010, Tendenz
weiter fallend.

Neben dem perspektivisch sinkenden Fleischkonsum sind es vor allem die qualitativen Aspekte wie
Nachhaltigkeit und Tierwohl, welche Herausforderung und Chance zugleich für die Branche sind. Sowohl die
inländische Fleischerzeugung als auch die -verarbeitung werden ihre Produktionsstrukturen anpassen müssen.
Die Regulatorik gibt die Marschroute mit Blick auf die europäischen Klimaziele und gesetzlichen
Tierwohlstandards ebenso vor wie der Lebensmitteleinzelhandel mit zeitlich klar definierten eigenen Zielen
hinsichtlich seines künftigen Fleisch- und Fleischwarensortiments. Bemerkenswert ist dabei, dass die führenden
Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels – Aldi (Nord/Süd), die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), Rewe
(Rewe, Penny) und Edeka (Edeka, Netto) – im Frühjahr angekündigt haben, einen schnelleren Sortimentsumbau
vorzunehmen als dies politisch diskutiert wurde und vorgesehen ist. Stufenweise soll Frischfleisch im Zeitraum
zwischen 2025 und 2030 überwiegend oder ganz auf die Haltungsstufen 3 und 4 ungestellt werden.

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Fleisch und Fleischwaren – die Transformation der Branche läuft / Johannes Sausen / 05.08.2021
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Die Ankündigungen erfordern einen Transformationsprozess von der Erzeugerstufe an und bedeuten erhebliche
Investitionen. Auf Basis der Vorschläge der sogenannten „Borchert-Kommission“ zum Umbau der Tierhaltung in
Deutschland bis 2040 belaufen sich die Kosten für Stallumbauten und bessere Haltungsbedingungen auf bis zu
4 Mrd. € p. a. Die Diskussion über die Gegenfinanzierung laufen, Fragen der Rechtssicherheit und der
gesellschaftlichen Akzeptanz - z. B. bei einer verordneten Tierwohl-Abgabe von mindestens 40 Ct. pro kg
Fleisch oder einer Anhebung des Mehrwertsteuersatzes bei tierischen Produkten von derzeit 7 auf 19 % - sind
von zentraler Bedeutung. Hinzu kommen in den nächsten Jahren weitere kostensteigernde Auflagen, z. B. aus
dem Umweltschutz (Stichworte TA-Luft, Düngemittelverordnung), welche die Produktion von Fleisch und
Fleischwaren nochmals verteuern werden. Für eine erfolgreiche Umsetzung sind flankierende finanzielle,
öffentliche Unterstützungs- und Kompensationsmaßnahmen notwendig.

Liegt die Zukunft der Branche im Export?

Die Auslandsumsätze sind für die deutsche Fleischwirtschaft (Exportquote 2020: 22,7 %) von hoher Bedeutung.
Bei rückläufigem Inlandskonsum könnte hier prinzipiell eine Kompensationsmöglichkeit liegen, zumal global der
Fleischverbrauch in einigen Regionen mittelfristig wachsen wird. Allerdings werden die Umsätze im Export zu
einem Großteil in Europa getätigt und auch hier gehen die Verbrauchsprognosen bei Rind- und Schweinefleisch
nicht von Wachstum aus. Der EU Agricultural Outlook 2019 - 2030 (EU Comission 2019) sieht beim Pro-Kopf-
Verbrauch in der EU bis 2030 ein Minus bei Rind-/Kalbfleisch von 7,4 % und von 4,1 % bei Schweinefleisch.
Demgegenüber hält die Umorientierung hin zu Geflügelfleisch an (+3,5 %). Es ist davon auszugehen, dass die
Verbrauchsprognosen aus 2019 für alle Sparten nach heutigem Stand nach unten zu korrigieren sind.

Die deutschen Exportmengen von Fleisch und Fleischwaren sinken seit 2016 und auch 2020 war ein Rückgang
um -6,5 % zu verzeichnen. Der Anteil Chinas als Markt im Drittlandexport für Schweinefleisch ist aufgrund des
dortigen Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest massiv gestiegen (2020 rd. 19 % der deutschen Exporte),
was zu einer tendenziellen Stabilisierung der Ausfuhren führte. Mit der Erholung der Schweinebestände in China
werden die Exportchancen für deutsches Schweinefleisch jedoch sinken. In Summe erwarten wir für die
kommenden Jahre rückläufige Exportvolumina, auch vor dem Hintergrund der Wettbewerbsfähigkeit auf
internationalen Märkten bei den oben skizzierten, anziehenden Kosten für die gesamte Wertschöpfungskette.

Die Branche hat lohnenswerte Optionen

Neben der Arbeit an etablierten Sortimenten und den Produktionsstrukturen, besteht die Chance für die Fleisch-
und Fleischwarenindustrie, den zu beobachtenden Wandel im Konsumverhalten aktiv zu begleiten und zu
nutzen. Bei alternativen Ansätzen für Produktkategorien im Lebensmittelmarkt stellt sich immer die Frage, ob es
sich lediglich um eine vorübergehende Erscheinung handelt; getrieben von der Neugier der Verbraucher auf
Neues und dem Marketing der Lebensmittelindustrie. Oder entwickelt sich eine neue Category mit
nennenswerten Umsätzen und festen Listungen in der Breite der Distribution? Für die Hersteller ist der Grat
zwischen erfolgreichem First Move und verpassten Chancen entsprechend schmal.

Insbesondere die verstärkte Orientierung jüngerer Verbraucher hin zu vegetarischen und veganen Lebensmitteln
und Getränken sorgt für zweistellige Wachstumsraten in unterschiedlichen Produktsegmenten. Pflanzliche
Fleischalternativen etablieren sich im Sortiment des Lebensmitteleinzelhandels und adressieren mehrere
bestimmende Konsumententrends.

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Fleisch und Fleischwaren – die Transformation der Branche läuft / Johannes Sausen / 05.08.2021
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Dies ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg alternativer Produktkonzepte außerhalb eines Nischenmarktes.
Insbesondere Umwelt- und Tierwohlthemen spielen bei pflanzlichen Fleischalternativen eine zentrale Rolle.
Für ein Wachstum spricht zudem die hohe Dynamik bei Produkteinführungen im Lebensmitteleinzelhandel.

 Globaler Markt für alternative Proteinquellen       Der globale Markt für pflanzliche Fleischalternativen steht
                                                     heute bereits für Umsätze in Milliardenhöhe und wächst
                                                     zweistellig. Das Potenzial für pflanzliche Proteinquellen im
                                                     Jahr 2035 wird auf annähernd 300 Mrd. US-$ geschätzt.
                                                     In Deutschland ist die Marktdynamik ebenfalls
                                                     bemerkenswert, wenn auch von vergleichsweise niedrigem
                                                     Niveau kommend. Seit 2018 ist der Umsatz mit pflanzlichen
                                                     Fleischalternativen um +228 % auf 181 Mio. € im
                                                     vergangenen Jahr gewachsen (Quelle: Smart Protein
                                                     Project). Derzeit stehen Burger-Patties, Nuggets und
                                                     Gehacktes für 2/3 der Umsätze. Getragen von einer
                                                     steigenden Verbrauchernachfrage, wird der aktuelle Boom
                                                     auf einen soliden Wachstumspfad wechseln. Mit
   Quelle: BCG & Blue Horizon
                                                     zunehmenden Listungen im Lebensmitteleinzelhandel,
                                                     einem verbreiterten Produktangebot und einer wachsenden
Nachfrage in Gastronomie und Catering, ist die zu beobachtende Entwicklung keinesfalls ein Strohfeuer.
Die IKB prognostiziert für 2023 Umsätze mit pflanzlichen Fleischalternativen in Deutschland von mehr als 500
Mio. €. In einem intensiveren Wettbewerb sind die Herausforderungen für die Hersteller groß, aber der Markt ist
auf dem Weg heraus aus der Nische und bietet erhebliche Wachstums- und Ertragspotenziale.

Zukunft und Wandel aktiv gestalten

Die Produktion von Fleisch und Fleischwaren im Inland hat eine erfolgreiche Zukunft, da sich Chancen auf eine
nachhaltig rentable Wertschöpfung bieten. Hierfür ist eine Transformation der Branche notwendig, hin zu
Geschäftsmodellen mit angepassten Erfolgsmustern. Alles neu? Nein, aber:
      Die landwirtschaftliche Erzeugung hat ihre Wurzeln naturgemäß in regionalen Strukturen. Verbraucher
       wünschen wieder mehr regionalen Bezug bei Rohstoffen und Produktion sowie mehr Transparenz und
       Verantwortung für die Umwelt. Das Thema Nachhaltigkeit in allen Facetten, respektive Tierwohl, wird zu
       einem zentralen Faktor für die Kaufentscheidung (IKB Blog-Beitrag „Ernährungsindustrie 2021“).
      Der Lebensmitteleinzelhandel braucht seinerseits Differenzierungsmöglichkeiten, die ihm regionale
       Qualitätsprodukte bieten. Auf reine Größe angelegte Produktionsstrukturen sind hier keine adäquate
       Lösung, insbesondere wenn der Auslandsabsatz limitiert ist.
      Das Verständnis, Problemlöser für Konsumentenbedürfnisse zu sein und nicht Produktlieferant, wird die
       Perspektive für einen weiteren Ausbau pflanzlicher Fleischalternativen sein. Hier erwarten wir
       signifikante Investitionen in Produktionskapazitäten - auch von „branchenfremden“ Anbietern.
      Die Erweiterung der Wertschöpfungstiefe in den Bereichen Fertiggerichte, Convenience und Snacking
       (IKB Blog-Beitrag „Convenience und Snacking“) bietet ebenfalls Wachstumschancen.

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Fleisch und Fleischwaren – die Transformation der Branche läuft / Johannes Sausen / 05.08.2021
Die Transformation der Fleischerzeugung und -verarbeitung läuft bereits und wird in den kommenden Jahren
nochmals an Dynamik gewinnen. Damit verbunden sind erhebliche Herausforderungen, aber ebenso vielfältige
Chancen, den notwendigen Wandel aktiv und erfolgreich zu gestalten.

(Düsseldorf, 05.08.2021)

Johannes Sausen
Head of Consumer & Retail

Telefon: +49 211 8221-4807
Mobil: +49 175 7253167
E-Mail: Johannes.Sausen@ikb.de
Internet: http://www.ikb.de

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Johannes Sausen
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5. August 2021
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Vorsitzender des Vorstands: Dr. Michael H. Wiedmann
Vorstand: Claus Momburg, Dr. Ralph Müller, Dr. Patrick Trutwein
Aufsichtsbehörde: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Graurheindorfer Straße 108, 53117 Bonn und Marie-Curie-
Straße 24-28, 60439 Frankfurt am Main, www.bafin.de
Sitz der Gesellschaft: Düsseldorf
Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf B Nr. 1130
Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 121298843

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