Wie Labore die Herausforderungen von heute und morgen meistern
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Labormarkt | Roche Live Talk | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 66 • 08/2021 Roche Live Talk Wie Labore die Herausforderungen von heute und morgen meistern hergestellt. Dadurch konnten wir die Pan- Im Roche Live Talk diskutierten fünf ausgewiesene Experten demie schneller und besser als viele andere aus Labor und Verbänden: Länder in den Griff bekommen“, betonte er. Entscheidend sei dabei die flächendeckende und wohnortnahe laborärztliche Versor- O Dr. Gudrun Hintereder Leitung Zentrallabor, Uniklinikum Frankfurt gung gewesen. „Goldene Zeiten waren das „Die Labormedizin führt im Studium ein wirklich nicht“, ergänzte Maria Becker. Die Schattendasein.“ Pandemie sei vor allem ein enormer Kraft- akt gewesen, der viele Labore an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit brachte. So habe die Dr. Thilo Rünz O Pandemie ans Licht geholt, was zuvor eher Chefarzt und Laborleiter, Klinikverbund Südwest im Verborgenen stattfand: Den besonderen „Gerade jetzt in der Pandemie zeigt sich der Wert der Labormedizin für die Gesundheits- Kostendruck für uns besonders deutlich“ versorgung und den enormen Druck, unter dem viele Labore heute stehen. Dr. Andreas Bobrowski O Hoher Stellenwert der Labordiagnostik 1. Vorsitzender Berufsverband Deutscher Laborärzte e.V. (BDL) wird in Vergütung nicht sichtbar „Die Wertschöpfung der Labormedizin ist Rund 1.000 Fachärzte für Laboratoriumsme- unbestritten“ dizin gibt es in Deutschland, das sind nur etwa 0,5 Prozent der Ärzteschaft insgesamt. Christiane Maschek O Gleichzeitig werden 70 Prozent aller medizi- Präsidentin Dachverband für Technologen/-innen und nischen Entscheidungen von den Ergebnissen Analytiker/-innen in der Medizin Deutschland e.V. (DVTA) der Labormedizin beeinflusst. Aber nur zwei „In den nächsten Jahren jedoch werden wir die Prozent der Gesundheitsausgaben fließen demografische Entwicklung deutlich spüren“ in die Labormedizin. „Die Wertschöpfung der Labormedizin ist unbestritten“, betonte Maria Becker O Bobrowski. Doch was bedeutet das im Leitende MTA, Bonifatiusklinik Lingen Laboralltag? „Gerade jetzt in der Pandemie „Wir mögen unseren Beruf alle sehr mit seiner Mischung zeigt sich der Kostendruck für uns besonders aus Medizin, Technik und Verantwortung deutlich“, beschrieb Thilo Rünz die Situation. für die Patienten“ Die Kosten im Labor setzen sich etwa jeweils zur Hälfte aus Personalkosten und Sachkos- ten zusammen. Die Personalkosten sind dabei Wird der Beitrag der Labordiagnostik angemes- Goldene Zeiten? an Tarifverträge gebunden. Die Sachkosten, sen wahrgenommen und honoriert? Mit wel- „Die Corona-Pandemie – eine Goldgrube also neue Analysegeräte und Tests, sind seit chen Hürden und Schwierigkeiten haben Labore für Labormediziner“1 lautete die provokante Beginn der Pandemie spürbar gestiegen. aktuell zu kämpfen? Und welche Rolle spielt das Schlagzeile, mit der die Diskussion eröffnet Diese Kostensteigerungen werden von den Image dabei? Was könnten wirksame Antwor- wurde. Sind die Labormediziner wirklich Kostenträgern jedoch nicht in höheren Ver- ten sein und wie kann die Diagnostika-Industrie die Gewinner der Pandemie? gütungen abgebildet – im Gegenteil, wie die dabei unterstützen? Für den Roche Live Talk aktuelle Vergütung für den PCR-Tests zum am 1. Juli 2021 stellten sich fünf Fachleute der Andreas Bobrowski räumte mit diesem Kli- Nachweis von SARS-CoV-2 zeigt. Der PCR- Labordiagnostik und Labormedizin den Fragen schee auf. Niemand habe sich in den vergan- Test war zum 1. Februar 2020 als neue Leis- des Moderators. Rund 160 Zuschauer verfolgten genen Monaten eine goldene Nase verdient. tung in den EBM aufgenommen worden und die Diskussion via Livestream und belebten mit „Labore in Deutschland haben als erste Rea- wurde zunächst mit 59 Euro bewertet. Zum ihren Fragen das Gespräch. genzien und Primer für die PCR-Diagnostik ersten Juli 2020 wurde die Vergütung bereits 1
Labormarkt | Roche Live Talk | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 66 • 08/2021 Durch die Personalisierte Medizin und die Antibiotika- beratung durch Laborärzte rückt die Labormedizin immer näher an die Klinik und wird somit shutterstock/Dragon Images als patientennähere Disziplin wahrgenommen. auf 39,40 Euro abgesenkt und zum ersten Juli die Kapazitäten für die Nachwuchsausbildung der Laborarzt immer näher an die Klinik diesen Jahres erneut auf nur noch 35 Euro eigentlich steigen. Tatsächlich aber wurden und damit auch an die Patienten. pro Test. von den aktuell 74 MTA-Schulen in Deutsch- land drei geschlossen. Immerhin: Das gerade Einen weiteren Grund für den Nachwuchs- Spürbarer Kostendruck beschlossene MTA-Reformgesetz zeige, dass mangel bei Laborärzten ergänzte Gudrun Dieser Kostendruck sei auch im Kranken- der Gesetzgeber das Problem erkannt hat, Hintereder: „Die Labormedizin führt im haus schon lange spürbar, erklärte Gud- führte Maschek aus. Durch das Gesetz wird Studium ein Schattendasein.“ Die fünfjäh- run Hintereder. „Im Krankenhaus werden die Ausbildung praxisnäher und damit auch rige Facharztausbildung sei hochspezialisiert Laborkosten über DRGs (Diagnosis Related attraktiver. Das Schulgeld fällt weg und Aus- und anspruchsvoll, erhalte aber im Vergleich Group) pauschal abgegolten“, ergänzte sie. bildungsverträge sind gesetzlich mitgeregelt. mit anderen ärztlichen Disziplinen nicht den „Das ist wirtschaftlich nicht machbar und Seit 2019 erhalten die Auszubildenden bereits Stellenwert, den sie verdiene. diese Leistungen müssen aus anderen Berei- eine Ausbildungsvergütung, was die Attrakti- chen quersubventioniert werden.“ Den Kos- vität der Ausbildung zusätzlich erhöht. Mangelnde Wertschätzung trotz tendruck spüre man dann vor allem bei Neu- Systemrelevanz anschaffungen. Auch wenn die Investition Personalmangel bei Fachärzten Obwohl sich die Labormedizin gerade in in neue Geräte letztendlich vieles einfacher Und wie sieht die Situation bei den Fach- der Pandemie als systemrelevante Disziplin machen würde – Prozesse, Ergebnisqualität ärzten für Laboratoriumsmedizin aus? Auch zeigte, fehlt dem Arbeitsplatz Labor noch und Personalaufwand – so müsse sie doch hier fehle es an Nachwuchs, waren sich alle die Attraktivität und Wertschätzung, um häufig jahrelang für Neuanschaffungen Beteiligten einig. Die Gründe dafür sieht ausreichend Nachwuchs zu gewinnen. Wel- kämpfen, da die Handlungsspielräume in Andreas Bobrowski unter anderem in der che Maßnahmen können da Abhilfe schaf- den Kliniken sehr gering seien. Bedarfsplanung, die für Laborärzte seit fen? Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, so Anfang 2013 gilt. Dadurch sind seit nun die einhellige Meinung, sei ein entscheiden- MTLA-Ausbildung wird attraktiver mehr fast zehn Jahren die kassenärztlichen der Schlüssel. „Wir mögen unseren Beruf Große Bedeutung für die Gesundheitsversor- Zulassungen für niedergelassene Fach- alle sehr mit seiner Mischung aus Medizin, gung, die aber von den Kostenträgern nicht ärzte für Laboratoriumsmedizin auf 1.200 Technik und Verantwortung für die Pati- angemessen honoriert und in der Öffent- begrenzt. „Um eine flächendeckende und enten“, erklärte Maria Becker. „Das müs- lichkeit nicht gesehen wird. Da stellt sich die wohnortnahe laborärztliche Versorgung zu sen wir noch stärker nach außen tragen.“ Frage: Hat die Branche ein Imageproblem? gewährleisten, bräuchten wir mindestens Labore können beispielsweise ihre Türen Und welche Auswirkungen hat das auf die 2.000 volle Stellen“, betonte Bobrowski. öffnen und so der breiten Öffentlichkeit ihre Rekrutierung von Nachwuchs? Christiane „Viele Kollegen müssen jetzt auf halben Arbeit besser erklären. Auf Berufsmessen Maschek erläuterte die aktuelle Situation oder gar viertel Stellen arbeiten. Das verun- oder durch Schülerpraktika ließe sich gezielt für den Bereich der MTLA. Aktuell arbeiten sichert unsere jungen Kollegen.“ Grundlage für Nachwuchs werben. rund 100.000 MTLA in Deutschland. „In für diese Bedarfsplanung sei die – unzutref- den nächsten Jahren jedoch werden wir die fende – Wahrnehmung der Labormedizin Auch könne man auf vielfältige Weise demografische Entwicklung deutlich spü- als patientenferne Disziplin. „Aber gerade das Arbeitsumfeld attraktiver gestalten, ren“, betonte Maschek. „Rund 22 Prozent der das ändert sich jetzt glücklicherweise“, freut ergänzte Christiane Maschek. Beispiels- MTLA werden in den nächsten fünf bis zehn sich Bobrowski. Durch die Personalisierte weise durch attraktive Arbeitszeitmodelle Jahren in den Ruhestand gehen.“ Da müssten Medizin und die Antibiotikaberatung rücke wie eine 30-Stundenwoche oder durch 2
Labormarkt | Roche Live Talk | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 66 • 08/2021 Unterstützung bei der Kinderbetreuung siediagnostik“, betonte Andreas Bobrowski. kommunizieren dann direkt mit den Pati- oder der Mobilität. Thilo Rünz betonte dar- Abrechnungsfähige Leistungen der gesetzli- enten und müssten auch ihre Sprache über hinaus, dass MTLA mehr Möglichkei- chen Krankenkassen werden im einheitlichen anpassen. „Wir sollten in diesem Zug auch ten erhalten sollten, sich weiterentwickeln Bewertungsmaßstab (EBM) definiert. Dort die Struktur unserer Befunde überprüfen“, und spezialisieren zu können. gilt der Erlaubnisvorbehalt. Das bedeutet, betonte Thilo Rünz. „Aktuell führen wir dass neue Methoden wie zum Beispiel Lab- viel zu viele Laborwerte auf, die für eine Anforderungen an Diagnostika- ortests erst dann zulasten der gesetzlichen Diagnose gar nicht benötigt werden. Wir Hersteller Krankenkassen abgerechnet werden dürfen, sollten besser priorisieren, was für die Kli- Um das Nachwuchsproblem langfristig in den wenn zuvor in einem Bewertungsverfahren niker und Patienten wichtig ist.“ Mögli- Griff zu bekommen, ist auch die Gesellschaft ihr Nutzen, ihre medizinische Notwendigkeit cherweise würden auch viele Standardpara- gefordert. Hier können Labore auch mit und ihre Wirtschaftlichkeit nachgewiesen meter in Zukunft miniaturisiert über kleine Diagnostika-Herstellern zusammenarbeiten, wurden. „Das heißt, wir müssen viele Gre- POC-Panels laufen. Ein weiterer Trend wenn es darum geht, den Wert der Laborme- mien durchlaufen, bevor eine neue Untersu- könne die Homediagnostik sein, über die dizin zu erklären und in der Öffentlichkeit chung zugelassen wird“, so Bobrowski. „Und Patienten bestimmte Parameter zuhause bekannter zu machen. Aber auch darüber das kann viele Jahre dauern.“ selbst bestimmen und überwachen können, hinaus können Hersteller von Analysegeräten wie es beim Blutzucker seit langem üblich und Tests einiges tun, um den Arbeitsplatz Das Problem der Schnittstellen ist. Wichtig sei es aber, Patienten nicht zu Labor fit für die Zukunft zu machen. „Wir Es ging aber nicht nur um effiziente Pro- überfordern, betonte Bobrowski: „Die Ver- brauchen vor allem gute Prozesse. Die analy- zesse im Labor selbst. Schließlich seien antwortung für die Laborwerte dürfen wir tischen Prozesse sind durch die Automation Automatisierung und Digitalisierung dort nicht aus der Hand geben. Das Labor ist bereits recht gut abgedeckt“, sagte Gudrun schon ziemlich weit fortgeschritten. And- unsere Domäne und Kompetenz.“ ? Hintereder. In der Prä- und Postanalytik reas Bobrowski identifiziert die Schnitt- jedoch gibt es noch Verbesserungsbedarf. stellen zu den Einsendern, Klinikern oder Thilo Rünz ergänzte, dass die Industrie mit Gesundheitsämtern als eine große Her- ihren Angeboten noch stärker die unter- ausforderung, die aktuell viele Ressour- schiedlichen Bedürfnisse der Labore berück- cen bindet. „Das wurde jetzt gerade in der Quellen sichtigen solle: „Wir müssen zwei Szenarien Pandemie wieder deutlich“, beschrieb er 1 https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/ Die-Corona-Pandemie-eine-Goldgrube-fuer- unterscheiden: das kleine Krankenhaus, die Situation. „Wir hatten plötzlich Anfor- Labormediziner-419861.html in dem ich schnell für einen Patienten das derungsformulare ohne QR-Code auf Ergebnis einer bestimmten Analytik brauche dem Tisch liegen. Da musste wieder viel und das Großlabor mit tausend Einsendern, von Hand ausgefüllt und eingetippt wer- das batchweise arbeitet.“ Und Maria Becker den.“ Generell liege die Digitalisierung im ergänzte: „Ich komme aus der Praxis und Gesundheitswesen hinter den Erwartungen freue mich einfach über gut funktionierende zurück. Mit der Telematikinfrastruktur und Geräte. Gleichbleibende Qualität, wenig der elektronische Patientenakte (EPA) habe Aufwand, modern – dann macht es auch als man den richtigen Weg eingeschlagen, sei MTLA Spaß, mit diesen Geräten zu arbeiten.“ aber noch lange nicht am Ziel. Gemeinsam für Innovationen Zukunft des Labors Barbara Nenner „Laborärzte und Diagnostikindustrie müssen Digitalisierung und innovative Testmetho- Commha Consulting GmbH & Co. KG an einem Strang ziehen, wenn es um Innova- den könnten die Arbeit der Labore in Poststraße 48, 69115 Heidelberg 06221 18779-28 tionen geht. Ein gutes Beispiel für eine gelun- Zukunft verändern. Über die EPA erhalten barbara.nenner@commhaconsulting.com gene Zusammenarbeit war die Präeklamp- Patienten mehr Verantwortung. Labore Herausgeber V.i.S.d.P. (Chefredaktion) Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in Roche Diagnostics Deutschland GmbH Maren Schulz, Leitung Kommunikation, unseren Fachtexten das generische Maskulinum Geschäftsführer Christian Paetzke Roche Diagnostics Deutschland GmbH verwendet. Es sind damit alle Personen unabhängig Sandhofer Straße 116, 68305 Mannheim Redaktion von ihrem Geschlecht gemeint. Registergericht AG Mannheim HRB 708167 Barbara Nenner, USt.Nr. DE268638091 Commha Consulting GmbH & Co. KG Satz und Gestaltung 3 Melanie Welk, dabo design – Büro für visuelle Kommunikation © 2021 Roche Diagnostics. Alle Rechte vorbehalten.
Sie können auch lesen