FORSCHUNG AKTUELL # 3-2019 - Deutsche Sporthochschule Köln

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FORSCHUNG AKTUELL # 3-2019 - Deutsche Sporthochschule Köln
FORSCHUNG AKTUELL # 3-2019
Der Forschungsnewsletter der Deutschen Sporthochschule Köln

INHALT
               PAPER / Handbewegungen und
               Gehirnerschütterungen – wie passt
               das zusammen?
               S.02

               PROJEKTE / Homophobie und Transphobie
               im Sport? Ja! – erste flächendeckende europäische Studie
               S.04

               PERSONEN / Oliver Jan Quittmann:
               „Beim Science Slam kann ich meine Leidenschaft für
               Wissenschaft, Sport und Musik ideal kombinieren“
               S.06

               NEWS / S.08
FORSCHUNG AKTUELL # 3-2019 - Deutsche Sporthochschule Köln
PAPER - Handbewegungen und Gehirnerschütterungen
Was haben Handbewegungen während eines Gesprächs mit Gehirnerschütterungen im Sport zu tun? Bewegen Sport-
lerinnen und Sportler, die schon mal eine Gehirnerschütterung erlitten haben, ihre Hände anders, als Sportlerinnen
und Sportler ohne Gehirnerschütterung? Dr. Ingo Helmich hat hierzu Zusammenhänge untersucht und erstaunliche
Ergebnisse zu Tage gefördert, die nun im renommierten Journal of Neurotrauma veröffentlicht wurden.

                                                                                        KONTAKT

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                                                                                        Institut für Bewegungstherapie und
                                                                                        bewegungsorientierte Prävention und
                                                                                        Rehabilitation
                                                                                        i.helmich@dshs-koeln.de
                                                                                        +49 221 4982-7290

    Wenn sich Menschen mit anderen Menschen unterhalten, ist es üblich,                unter anderem in irregular-, on body- oder act on each other-Handbewe-
dass sie mit den Händen gestikulieren. Zum Beispiel betonen sie anhand                 gungen. Streicht die Person etwa mit einer Hand über ihren Oberschenkel,
von Gesten das Gesagte oder zeigen Richtungen an. Man spricht hierbei                  spricht man von einer on body-Handbewegung. Greift die eine auf die an-
von nonverbalem Verhalten oder dem Handbewegungsverhalten. Neben be-                   dere Hand, ist die Spezifizierung act on each other erfüllt. „Unter irregu-
wussten Gesten, etwa wenn jemand einen Weg erklärt, treten während einer               lären on body-Handbewegungen verstehen wir Selbstberührungen, die im
Unterhaltung auch unbewusste Bewegungen auf, z.B. Selbstberührungen,                   eigentlichen Sinn keine bewusste Funktion erfüllen, zum Beispiel unbe-
wenn sich jemand kratzt oder sich selbst über den Arm streicht. Vermehr-               wusstes Knibbeln mit den Fingern, im Englischen fidgeting“, beschreibt
te Selbstberührungen wurden bereits bei mehreren Krankheitsbildern wie                 Helmich die spezifische Handbewegung, die bei seinen Experimenten ent-
z.B. depressiven Störungen beschrieben. Da sportbedingte Gehirnerschüt-                scheidend war. „Unseren Untersuchungen stellten wir die Hypothese voran,
terungen oft mit ähnlichen Symptomen einhergehen, hat Dr. Ingo Helmich                 dass Athleten, die schon mal eine Gehirnerschütterung erlitten haben und
nun in einem Experiment untersucht, ob das Handbewegungsverhalten von                  die damit verbundenen Symptome aufweisen, stärkere Knibbelbewegungen
SportlerInnen während eines Gesprächs Rückschlüsse dazu erlaubt, ob der-               mit den Händen machen als die gehirnerschütterten Probanden ohne Sym-
oder diejenige schon mal eine Gehirnerschütterung erlitten hat und even-               ptome und Athleten ohne Gehirnerschütterung“, sagt Helmich.
tuell noch unter Symptomen leidet. Und tatsächlich: Die Ergebnisse zeigen
eindeutige Zusammenhänge.                                                                  Kern der Untersuchungen waren so genannte Anamnesegespräche, die
                                                                                       der Wissenschaftler mit den Sportlerinnen und Sportlern im Rahmen eines
    Helmich hat sich auf die Forschung zu sportbedingten Gehirnerschütte-              Concussion-Protokolls führte. Die insgesamt 40 StudienteilnehmerInnen
rungen spezialisiert. Eines seiner Ziele ist dabei, die Diagnoseinstrumente            waren dabei in drei Gruppen eingeteilt: Gehirnerschütterte mit Symptomen
zu verbessern, um frühzeitig zu erkennen, ob eine Gehirnerschütterung                  (N = 14), Gehirnerschütterte ohne Symptome (N = 14) und SportlerInnen
vorliegt, wann ein Athlet seinen Sport wieder aufnehmen kann und wie sich              ohne Gehirnerschütterung (N = 12). Die Einteilung erfolgte mit dem „Sport
ein verfrühter Wiedereinstieg vermeiden lässt. „Die Methoden, eine Gehirn-             Concussion Assessment Tool – 3rd edition“ (SCAT3). Bei den Gehirnerschüt-
erschütterung zu diagnostizieren, werden nach wie vor heiß diskutiert,                 terten mit Symptomen lag die Gehirnerschütterung im Mittel zwischen elf
vor allem hinsichtlich Sensitivität, Objektivität, Reliabilität und Kosten.            und 17 Monaten zurück, bei den Gehirnerschütterten ohne Symptome zwi-
Oftmals kehren Athleten zu früh in ihren Sport zurück, bevor die Symptome              schen zweieinhalb und fünf Jahren. Die Probanden wurden in dem zehn-
vollständig abgeklungen sind“, erklärt Helmich. Die Studien der Abteilung              bis 15-minütigen Gespräch zu ihrem sportlichen Hintergrund, ihren Erfah-
für Neurologie, Psychosomatik und Psychiatrie der Deutschen Sporthoch-                 rungen mit Gehirnerschütterungen und bestehenden Symptomen befragt.
schule Köln konnten bereits belegen, dass die funktionale Nah-Infrarot                 Vier zertifizierte und der Forschungsfrage gegenüber naive Rater werteten
Spektroskopie (fNIRS) ein geeignetes bildgebendes Verfahren darstellt, um              anschließend das Videomaterial mit dem NEUROGES-Kodiersystem aus.
sportbedingte Gehirnerschütterungen funktional nachzuweisen.
                                                                                            „Als wichtigstes Ergebnis sehen wir in den Analysedaten, dass die ir-
    Nun hat sich der Forscher einer völlig anderen Diagnosemethode ge-                 regulären Handbewegungen, sprich Knibbelbewegungen, bei den Gehirner-
widmet: der Analyse des Handbewegungsverhaltens. Diese Idee geht auf                   schütterten mit Symptomen deutlich stärker ausgeprägt sind, also zeitlich
Studien zum gestischen Verhalten in der Psychotherapie zurück, die bereits             länger andauern, als bei Gehirnerschütterten ohne Symptome“, fasst Hel-
zeigen konnten, dass Patienten mit Alzheimer-Erkrankung, Parkinson oder                mich das Hauptergebnis zusammen. So ist etwa der Zusammenhang zwi-
Depressionen, Veränderungen im nonverbalen Handbewegungsverhalten                      schen dem Symptom „Benommenheit/Schläfrigkeit“ und längeren Phasen
aufweisen. Diese Analysen basieren auf dem NEUROGES-System, entwickelt                 von Knibbelbewegungen signifikant. Psychopathologische Untersuchungen
von Univ.-Prof. Dr. Hedda Lausberg, Leiterin der Abteilung Neurologie,                 zeigen, dass irreguläre Handbewegungen ein Charakteristikum bei depres-
Psychosomatik und Psychiatrie. NEUROGES steht für NEUROpsychological                   siven Patienten sind. Es ist außerdem bei Patienten mit Depression doku-
GESture System. Bei dem Verfahren werden während eines Gesprächs Hand-                 mentiert, dass im Verlaufe einer erfolgreichen Psychotherapie die kontinu-
bewegungen einer Person per Video aufgezeichnet, kategorisiert und ko-                 ierlichen Selbstberührungen abnehmen. Es wird angenommen, dass sich die
diert und letztlich mit kognitiven, emotionalen und interaktiven Prozessen             Patienten selbst berühren, um Stress oder Erregung zu regulieren und sich
in Zusammenhang gebracht. Unterschieden werden die Handbewegungen                      selbst zu beruhigen.

FORSCHUNG AKTUELL # 3-2019 - Deutsche Sporthochschule Köln, Presse und Kommunikation                                                                             2
FORSCHUNG AKTUELL # 3-2019 - Deutsche Sporthochschule Köln
Laut Helmichs Ergebnissen lässt sich also von der Art der Handbewe-
gungen auf konkrete Symptome von Gehirnerschütterungen rückschließen.
Somit könnte diese Methode als Diagnoseinstrument geeignet sein und
davor schützen, dass SportlerInnen nach einer Gehirnerschütterung zu früh
in den Sport zurückkehren, bevor alle Symptome vollständig abgeklungen
sind. Das Verhalten von SportlerInnen mit Symptomatik nach Gehirner-
schütterungen und späterer Entwicklung von chronischer traumatischer
Enzephalopathie (CTE) wird oft als agitiert und ruhelos beschrieben. Daher
stellt sich für Helmich in zukünftigen Studien die Frage, ob die systemati-
sche Analyse von Handbewegungsverhalten langfristige Einschränkungen
nach sportbedingten Gehirnerschütterungen vorhersagen kann. Dem Modell
käme zugute, dass es relativ einfach umsetzbar und zudem nicht kostspie-
lig wäre. „Die neuropsychologische Analyse des Handbewegungsverhaltens
sollte daher künftig als neuropsychologischer Parameter bei Concussion
Management Protokollen berücksichtigt werden“, empfiehlt Helmich.

Weitere Infos: www.gehirnerschuetterungimsport.com
Ein Video, das die Handbewegungen verdeutlicht, finden Sie hier.

Text: Julia Neuburg

FORSCHUNG AKTUELL # 3-2019 - Deutsche Sporthochschule Köln, Presse und Kommunikation   3
FORSCHUNG AKTUELL # 3-2019 - Deutsche Sporthochschule Köln
PROJEKTE - Homophobie und Transphobie im Sport? Ja!
Der britische Fußballer Justin Fashanu war 1990 der erste aktive Profi, der sich outete. Acht Jahre später nahm er
sich das Leben. In Deutschland war Thomas Hitzlsperger der erste Fußball-Profi, der sich zu seiner Homosexualität
bekannte – allerdings erst nach seiner aktiven Karriere. Bislang hat sich noch kein aktiver deutscher Fußball-Profi
geoutet. Homophobie ist im Sport nach wie vor weit verbreitet. Das zeigt eine Studie des Instituts für Soziologie und
Genderforschung der Deutschen Sporthochschule Köln, unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ilse Hartmann-Tews.

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                                                                                        Institut für Soziologie und Gender-
                                                                                        forschung
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                                                                                        t.menzel@dshs-koeln.de

Mehr als 5.500 Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und interse-                   Gibt es Sportarten, die sich als besonders homophob herausgestellt ha-
xuelle Menschen (LGBTI+) aus allen 28 EU-Staaten nahmen an der On-                     ben?
line-Befragung teil. Neun von zehn Befragten sind der Ansicht, dass es                 Es gibt ganz eindeutig ein paar Sportarten, die deutlich homophober und
im Sport ein Problem mit Homophobie und Transphobie gibt. 16% derje-                   transphober sind als andere. Basketball ist bei uns der Spitzenreiter, da gibt
nigen, die in den letzten zwölf Monaten sportlich aktiv waren, berichten               es die meisten negativen Erfahrungen. Am anderen Ende der Skala stehen
von negativen Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder                   Yoga und Sportarten, die man häufig alleine macht. Fußball ist eher weit
ihrer Geschlechtsidentität. Ein Interview mit Projekt-Mitarbeiter Tobias               oben, aber nicht so weit oben, wie wir ursprünglich dachten. Generell ist zu
Menzel.                                                                                beobachten, dass homosexuelle Frauen im Fußball eine größere Akzeptanz
                                                                                       finden, als homosexuelle Männer.
Herr Menzel, Sie haben im Rahmen des Projektes Outsport die erste
flächendeckende europäische Studie zur Diskriminierung aufgrund der                    Der Slogan des Projektes lautet: sei fair, sei selbstbewusst. Was kann
sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität im Sport durchgeführt.                das Projekt leisten, damit sich alle im Sport fair behandelt fühlen?
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?                                                   Eine Maßnahme, die wir im Rahmen des Projektes umsetzen, heißt „train the
Ein ganz zentrales Ergebnis ist, dass mehr als neunzig Prozent der Befragten           trainers“. Wir gehen mit unseren Ergebnissen gezielt an die Verbände heran
ein Problem mit Homophobie und Transphobie im Sport sehen. Das ist zu-                 und speziell an die Trainer, um sie für das Thema zu sensibilisieren. Da geht
nächst eine ganz allgemeine Einschätzung. Wenn wir uns jetzt den Datensatz             es zum Beispiel darum, dass jemand, der sich geoutet hat, einen Fürsprecher
ein bisschen genauer angucken, dann war da eine Sache, die uns überrascht              in der Mannschaft bekommt. Wir möchten Trainerinnen und Trainern dabei
hat: Der homo- bzw. transphobe Sprachgebrauch, der als ein Indikator dafür             unterstützen, mit Coming-outs und vergleichbaren Situationen fair umzuge-
gesehen werden kann, dass das Umfeld homo- bzw. transphob sein könnte,                 hen. Wissensvermittlung spielt in unserem Projekt eine große Rolle.
ist im Sport nicht weiter verbreitet, als zum Beispiel in der Schule, bei der
Arbeit oder in der Freizeit. In all diesen Bereichen liegt er bei rund achtzig         Welche konkreten Ziele verfolgen Sie?
Prozent. Der Sport hat sich also an dieser Stelle nicht herauskristallisiert.          Das oberste Ziel des Gesamtprojektes ist, ein Bewusstsein für die Situation
Und was uns wirklich überrascht hat, war die Tatsache, dass von denjenigen,            von LGBTI im Sport zu schaffen – und zwar nicht nur in der LGTBI-Szene,
die in den letzten zwölf Monaten sportlich aktiv waren, nur – in Anfüh-                sondern auch in einer breiten Öffentlichkeit. Ein Thema ist zum Beispiel
rungsstrichen – sechzehn Prozent angeben, negative Erfahrungen aufgrund                der homophobe Sprachgebrauch. Der Klassiker ist hier beispielsweise „der
ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gemacht zu haben. Es            schwule Pass“. Schwul wird als synonym für etwas Schlechtes verwendet und
liegt also eine große Diskrepanz zwischen der Einschätzung des Sports im               hier muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass das gewisse Leute
Allgemeinen und den persönlichen Erfahrungen vor. Hier wollen wir jetzt                verletzt, auch wenn es eventuell nicht böse gemeint ist. Ein weiteres Ziel ist,
noch detaillierter in die Datensätze gehen und schauen, welche Faktoren                dass wir Schwachstellen aufzeigen. Das kam nämlich auch bei der Befragung
das Auftreten von homo- bzw. transphoben Vorkommnissen beeinflussen. Es                raus, dass nur acht Prozent derjenigen, die eine schlechte Erfahrung gemacht
könnte ja beispielsweise nach Ländern schwanken oder nach Sportart oder                haben, dies offiziell gemeldet haben und dass knapp vierzig Prozent gar nicht
nach Struktur – Vereinssport, Breitensport, Leistungssport. Wir gehen auch             wissen, an wen sie sich wenden können. Und wir reden hier nicht nur von
davon aus, dass die Zahl kleiner ist als erwartet, da wir uns die letzten zwölf        einem blöden Spruch: bei zwanzig Prozent derjenigen, die eine negative Er-
Monate angesehen haben. Es gibt viele andere Studien, in denen höhere                  fahrung gemacht haben, fand diese auf physischer Ebene statt. Ein weiteres
Zahlen publiziert wurden, aber das sind Livetime-Erfahrungen: Irgendwann in            Ziel ist natürlich auch, LGTBIs zu ermutigen, sich zu outen. Knapp ein Drittel
einer sportlichen Laufbahn wurde eine homophobe Anfeindung erlebt. Hier                unserer Befragten sind nicht geoutet, u.a. weil sie negative Folgen befürch-
besteht die Hypothese, dass sich Personen mit LGBTI-Hintergrund im Laufe               ten. Unser Projekt wirbt für Vielfalt im Sport. Vielfalt soll nicht unterdrückt
ihrer Sportbiographie ein Umfeld suchen, das für sie persönlich sicher ist.            werden, jeder soll sich frei entfalten können und je mehr sich outen, desto
Hier werden wir weiter auswerten.                                                      breiter ist die Basis und desto breiter wird letztlich auch die Akzeptanz in
                                                                                       der Gesellschaft.

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Dem Sport werden viele positive Eigenschaften zugeschrieben: er ver-                   Die Online-Befragung war eine erste Teilstudie im Rahmen des Out-
bindet, über kulturelle, sprachliche und soziale Unterschiede hinweg.                  sport-Projektes. In einer zweiten Studie werden Interviews in den Pro-
Ist der Sport auch der perfekte Botschafter für einen fairen Umgang mit                jektländern Italien, Schottland, Deutschland, Österreich und Ungarn ge-
sexueller Vielfalt oder ist es gerade im Sport nötig, dafür zu werben,                 führt. Wann ist mit diesen Ergebnissen zu rechnen?
weil Diskriminierung vorhanden ist?                                                    Das Outsport-Projekt, das von der Europäischen Kommission über das Eras-
Das ist eine sehr gute Frage. Es ist Beides. Auf der einen Seite hat der Sport         mus Plus-Programm kofinanziert wird, läuft Ende des Jahres aus. Gemeinsam
ein großes Integrationspotenzial. Man sagt ja auch Integrationsmotor, da               mit unseren Projektpartnern überlegen wir gerade Folgeanträge zu stellen.
er eine einheitliche Sprache spricht: es sind zweiundzwanzig Spieler, zwei             Im November veranstalten wir eine große Abschlusskonferenz in Budapest.
Tore, ein Ball und alle wissen, was zu tun ist. Und wo jemand herkommt,                Da werden wir alle Ergebnisse, auch die aus den Interviews, veröffentlichen.
welche Sprache er spricht, welche Hautfarbe er hat – das ist alles egal. Das           Dann werden wir noch für die beteiligten Projektländer Broschüren heraus-
stimmt auch ein Stück weit. Aber auf der anderen Seite ist der Sport auch              geben, die die Situation in den einzelnen Ländern darstellt und Handlungs-
geprägt von Männlichkeitsbildern, vom Wettkampf und von Körperlichkeit.                empfehlungen formuliert. Alle Ergebnisse werden dann auch über unsere
Gerade Transsexuellen oder homosexuellen Männern wird unterstellt, dass                Projektseite www.out-sport.eu publiziert.
sie nicht so mutig, nicht so aggressiv und nicht so durchsetzungsstark wie
heterosexuelle Männer sind. Das kann besonders in Mannschaftssportarten                Interview: Lena Overbeck
ein Problem werden, in denen solche Eigenschaften gefordert und belohnt
werden, wie zum Beispiel im Fußball. Man will starke, durchsetzungskräftige
Leute in seinen Reihen haben. Das begünstigt eine homophobe Atmosphäre,
die eben auf jene Stereotype zurückzuführen ist. Man könnte aber auch an-
ders argumentieren, nämlich: je vielfältiger eine Mannschaft, desto besser.
Ich persönlich finde, dass man vom Sport nicht erwarten kann, dass er alle
Probleme, die in der Gesellschaft vorhanden sind, lösen kann. Menschen, die
im normalen Leben homophob sind, sind das wahrscheinlich auch im Sport.
Sie bringen ihre Einstellung mit in den Sport. Es liegt dann an den Vereinen,
Verbänden, den Strukturen und den Trainern, das Umfeld so zu gestalten,
dass ein fairer Umgang möglich ist. Das Potential ist da, aber es muss richtig
genutzt werden und das erfordert viel Arbeit.

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PERSONEN - „Beim Science Slam kann ich meine Leidenschaft für
Wissenschaft, Sport und Musik ideal kombinieren“
Wenn Oliver Jan Quittmann über Wissenschaft spricht, dann oft in außergewöhnlichem Umfeld. Dann steht er auf ei-
ner hübsch beleuchteten Bühne, hält die Mundharmonika an die Lippen und startet mit Musik. Oliver Jan Quittmann
(27) ist Wissenschaftler, Triathlet, Trainer und Musiker. Trainingswissenschaft und Para-Sport sind seine Leiden-
schaft und ihm liegt viel daran, seine Begeisterung für diese Themen in die Öffentlichkeit zu tragen. Am liebsten
bei einem Format, das all seine Interessen kombiniert. Im Interview gibt er einen Einblick in seine Faszination von
Wissenschaft, die Forschungsprojekte, an denen er gerade arbeitet und sein Faible für das Format Science Slam.

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                                                                                        wissenschaft
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Herr Quittmann, Wissenschaft, Triathlon, Coaching und Musik. Eine                      Laktatkinetik bestimmt, um nachzuvollziehen, in welchem Umfang die
ziemlich ungewöhnliche Kombination. Wie bekommen Sie all das unter                     energiebereitstellenden Systeme aktiviert sind. Die Probanden haben da-
einen Hut?                                                                             bei verschiedene Belastungsprotokolle absolviert: einen Stufentest bis zur
Ich glaube, ich habe einfach das Glück, genau das machen zu dürfen, was                Ausbelastung, einen 15-sekündigen Sprinttest und einen 30-minütigen
mich täglich begeistert. Ich forsche an interessanten Fragestellungen, ar-             Dauertest bei der individuell berechneten anaeroben Schwelle. Die Erkennt-
beite mit motivierten Athleten zusammen, habe nette Kolleginnen und                    nisse sind interessant: Vor allen Dingen die Schultermuskeln werden stark
Kollegen und unterrichte interessierte Studierende. Für mich ist das ein               beansprucht, und je nach Belastungssituation verändert sich das Belas-
absoluter Traum. So entsteht eine Leidenschaft, die Vieles möglich macht.              tungsspektrum. Das können wir jetzt über Muskelaktivierung erklären.

Besonders wichtig ist Ihnen dabei der Paralympische Sport. Wie hat ihr                 Die meisten Artikel sind bereits geschrieben und Sie planen, Ihre Pro-
Engagement in diesem Bereich richtig begonnen?                                         motion dieses Jahr abzuschließen. Womit beschäftigen Sie sich mo-
Ersten Kontakt zum Paralympischen Sport hatte ich im Rahmen der Para-                  mentan?
badminton-EM und -WM, die in meiner Heimatstadt Dortmund ausgetragen                   Ich hoffe es… mein Personalausweis läuft am 20. Dezember dieses Jahres
wurden. Als Linien- und Schiedsrichter habe ich die Athleten live erlebt               ab… (lacht). Momentan mache ich eine Studie, die mit meiner Promoti-
und ihre Einstellung zum Sport hat mich sehr beeindruckt! Im November                  on gar nichts zu tun hat. Wir untersuchen gerade das metabolische Profil
2014, da war ich gerade zwei oder drei Monate Hilfskraft am Institut für               im Laufen. Wir wollen bereits etablierte Parameter, wie zum Beispiel die
Bewegungs- und Neurowissenschaft, kam Benjamin Lenatz zu uns, der vom                  maximale Sauerstoffaufnahme, die prozentuale Ausschöpfung der Sauer-
Rollstuhlbasketball zum Triathlon umsteigen wollte. Auch wenn ich mich                 stoffaufnahme an der so genannten Laktatschwelle und die Laufökonomie
im Rahmen meiner Bachelorarbeit mit Paratriathlon beschäftigt hatte,                   mit einem „neuen“ Parameter in Verbindung setzen: der maximalen Lak-
wusste ich noch nicht, wie man das Training in dieser Startklasse gestaltet.           tatbildungsrate. Diese stellte sich im Rahmen einer Vorstudie bereits als
Ich bin da also mit einer gewissen Naivität und viel Neugier reingegangen.             sehr reliabel heraus. Simulationsansätze würden sagen: Je höher die Lak-
Nach den ersten Trainingsplänen und                                                                             tatbildungsrate, desto niedriger die fraktionelle
Diagnostiken hat sich nicht nur Benny,                                                                          Ausschöpfung. Das wollen wir nun empirisch
sondern auch unsere Freundschaft weiter-                                                                        überprüfen. Außerdem setzen wir die Laktatbil-
entwickelt. Momentan befindet er sich in                                                                        dungsrate mit dem individuellen Pacing – der
der Vorbereitung auf die Paralympics in                                                                         Geschwindigkeitsregulation im Rennen – in Ver-
Tokio 2020.                                                                                                     bindung. In der Praxis gibt es dazu leider noch
                                                                                                                keine Erkenntnisse.
Für Ihre Promotion forschen Sie auch
im Bereich des Paralympischen Sports.                                                                          Und die wollen Sie jetzt liefern? Wie sieht die
Was genau haben Sie untersucht?                                                                                Testung aus?
Ich habe Messungen im Handcycling ge-                                                                          Wir führen innerhalb einer Woche alle Tests zur
macht, die sich aus zwei Bereichen zu-                                                                         Bestimmung des metabolischen Profils durch,
sammensetzen. Der eine Bereich ist die                                                                         das heißt eine Messung des Körperfetts, einen
Biomechanik. Hier haben wir die Kräfte, Gelenkwinkel und die muskulä-                  Stufentest zur Bestimmung der Laufökonomie und einen Rampentest zur
re Aktivierung im Sinne einer komplexen Bewegungsanalyse untersucht.                   Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme. Diese Testbatterie haben
Den anderen Bereich, die Physiologie, haben wir über die Messung der                   wir um zwei Tests erweitert: Um einen 100-Meter-Sprint-Test zur Bestim-

FORSCHUNG AKTUELL # 3-2019 - Deutsche Sporthochschule Köln, Presse und Kommunikation                                                                            6
FORSCHUNG AKTUELL # 3-2019 - Deutsche Sporthochschule Köln
mung der Laktatbildungsrate und um einen 5.000-Meter-Lauf auf Zeit zur                 Bei der Wissenschaftsshow steht die Sportart Paratriathlon und damit mein
Bestimmung des Pacings. So können wir überprüfen, was die Athleten im                  Schützling Benjamin Lenatz im Fokus. Leute, die sich schon immer gefragt
Endeffekt auf die Bahn bringen können und wie sich diese Performance                   haben, wie man als Rolli-Nutzer einen Triathlon machen kann und wie das
durch das individuelle metabolische Profil erklären lässt.                             für den Trainer ist, werden auf jeden Fall Einiges erfahren. Und es wird auch
                                                                                       musikalisch, aber eher mehr in die Richtung, die meinem Athleten Benny
Was bedeutet das für die Leistungsdiagnostik in der Zukunft?                           gefällt. (lacht)
Es würde mich freuen, wenn sich die Testbatterie, die wir entwickelt ha-
ben, auch in der Praxis etabliert. Zusätzlich auch die Laktatbildungsrate              Was begeistert Sie daran, Wissenschaft auf der Bühne zu präsentieren?
zu bestimmen, erfordert wenig Zeit und Aufwand; verbessert aber die Ein-               Ich könnte mir kein Format vorstellen, bei dem ich meine Leidenschaft für
schätzung der individuellen Stärken und Schwächen im Sinne des metabo-                 Wissenschaft, Sport und Musik besser kombinieren kann, als beim Science
lischen Profils. Durch diese Erweiterung der Leistungsdiagnostik können                Slam. Ich finde es aber generell wichtig für uns Wissenschaftler, unsere
wir besser einschätzen, wo ein Athlet steht und wie er oder sie ein Rennen             Erkenntnisse weiterzugeben. Immerhin werden wir durch öffentliche Gelder
angehen kann. Generell kann man aber                                                                           finanziert. Wenn eine künstlerische Darbietung
sagen: Je kürzer die Disziplin ist, desto                                                                      die Leute dazu motiviert, sich weiter mit einem
mehr gewinnt die Laktatbildungsrate an                                                                         Thema zu beschäftigen, finde ich das toll. Wenn
Bedeutung. Bei längeren Laufdistanzen                                                                          man einfach nur eine Tabelle zeigt, kommt viel-
wie beim Marathon, Ultramarathon oder                                                                          leicht mehr Inhalt rüber, aber weniger Faszinati-
Triathlon kann hingegen eine eher niedri-                                                                      on. Beim Science Slam ist das anders. Man prä-
gere Laktatbildungsrate von Vorteil sein.                                                                      sentiert dabei auch immer die eigene Faszination.
                                                                                                               Und ich denke, man darf auch nach außen tragen,
Werden diese neuen Erkenntnisse Teil                                                                           dass man froh, glücklich, dankbar und eben auch
Ihres nächsten Auftritts bei der Kölner                                                                        fasziniert von dem ist, was man jeden Tag tut.
Wissenschaftsshow am 19. Mai 2019
sein?                                                                                                            Interview: Marilena Werth

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NEWS
                     Kraft- und Ausdauertraining bei MS
                     Weltweit leiden rund 2,5 Millionen Menschen an Multipler Sklerose (MS), davon rund 200.000 in Deutschland.
                     Zahlreiche Studien zeigen, dass Bewegungsinterventionen motorischen, kognitiven und affektiven Symptomen von
                     MS effizient entgegenwirken und die Lebensqualität der Betroffenen erhöhen können. Für eine aktuelle Kraft- und
                     Ausdauerstudie sucht das Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln
                     Betroffene mit MS im Alter von 18 bis 45 Jahren. Mehr lesen...

                     Bettruhe und Isolation für die Forschung
                     Die Deutsche Sporthochschule Köln ist an zwei Studien zur Weltraumforschung beteiligt: AGBRESA, eine 60-tägige
                     Bettruhestudie im :Envihab des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und SIRIUS, eine 122-tägige
                     Isolationsstudie in Moskau. Mehr lesen...

                     Adjunct Associate Professorship an der Waseda University
                     Juniorprofessor Dr. Tobias Vogt ist zum Adjunct Associate Professor an der Waseda University, Faculty of Sport
                     Sciences, ernannt worden. Seit 2016 ist Vogt, Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten, regelmäßig
                     an der Waseda University in Japan in Forschung und Lehre aktiv. In diesem Zusammenhang leitete er in 2017 und
                     2018 ein vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördertes Austauschprogramm zum Aufbau eines
                     internationalen Graduiertenkollegs zu „Performance control in sports: Skill-related motor behaviour of sports-speci-
                     fic movement techniques in novices and athletes“. Mehr lesen...

                     Sportbezogene Entwicklungsarbeit in der Türkei
                     Seit 2011 hat die Türkei mehr als 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Dies bedeutet für die türkischen
                     Bildungseinrichtungen und Behörden große Herausforderungen, u.a. um ein friedliches Miteinander von türkischer
                     und syrischer Bevölkerung zu gewährleisten. Hier setzt das BILSY-Programm an, an dem auch Dr. Karen Petry, stell-
                     vertretende Leiterin des Instituts für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung, beteiligt ist. BILSY zielt
                     darauf ab, die organisatorischen Kompetenzen und die Arbeit von Bildungseinrichtungen in der Türkei zu stärken
                     und einen interkulturellen Austausch zu ermöglichen. Das Institut war in dem Zusammenhang für die Evaluation
                     von Lernworkshops zuständig. Die Ergebnisse wurden nun auf der Abschlusskonferenz an der Hacettepe Universität
                     in Ankara/Türkei vorgestellt. Mehr lesen...

                     TEAMWORKscience: Mentoringprogramm für junge Wissenschaftlerinnen
                     Junge Wissenschaftlerinnen aller sportwissenschaftlichen Disziplinen zu fördern, das ist das Ziel von TEAMWORK-
                     science, dem Mentoring-Programm der Deutschen Sporthochschule Köln. Durch Fort- und Weiterbildungsangebote,
                     Maßnahmen zur Persönlichkeitsentwicklung und die gezielte Unterstützung durch MentorInnen, sollen Nach-
                     wuchswissenschaftlerinnen unterstützt werden. Langfristig, so hoffen die Verantwortlichen, soll dadurch auch der
                     Frauenanteil in Spitzenpositionen der Sportwissenschaft steigen. Ein neuer Mentoring-Jahrgang hat das Programm
                     nun erfolgreich abgeschlossen. Mehr lesen...

                     Ehrenpräsidentschaft des AK Sportökonomie für Heinz-Dieter Horsch
                     Im Rahmen der Jahrestagung des Arbeitskreises Sportökonomie wurde im April Prof. Heinz-Dieter Horch für sein
                     Wirken für die Entwicklung der Sportökonomie in Deutschland unter großem Beifall die Ehrenpräsidentschaft ver-
                     liehen. In seiner Laudatio wurden die Leistungen und das Engagement des emeritierten Professors der Deutschen
                     Sporthochschule Köln für die Entwicklung dieser jungen Disziplin sowie für die des Arbeitskreises Sportökonomie
                     betont. Mehr lesen...

IMPRESSUM
Redaktion: Deutsche Sporthochschule Köln, Stabsstelle Akademische Planung und Steuerung, Abt. Presse und Kommunikation
Am Sportpark Müngersdorf 6 | 50933 Köln, Telefon: +49 (0)221 4982-3850, E-Mail: presse@dshs-koeln.de, www.dshs-koeln.de/forschungaktuell
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