Frühe Zeugnisse des Hundes in West- und Zentral-Asien - Vom Wunderhorn

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Frühe Zeugnisse des Hundes in West- und Zentral-Asien - Vom Wunderhorn
Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2          24.06.2008    14:26 Uhr    Seite 1

                1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN                      1

      1. Frühe Zeugnisse des Hundes
         in West- und Zentral-Asien

                Welche praktischen Funktionen
      kann der Hund im frühen Neolithikum
      West-und Zentral-Asiens erfüllt haben? Un-
      sere Kynosophische Zeitreise erbrachte im 3.
      und 4. Band einige Vorschläge zu seinen
      symbolischen Funktionen in West-Asien,
      und zwar vom elamo-(drawidischen) Be-              die Rutenhaltung ist nicht situationsgerecht
      ginn bis zum vorläufigen assyrischen Ende.         - dann müsste man von einem Windhund-
      Kehren wir von diesem vorläufigen Ende ei-         Bassett sprechen; ein Nachhall vom „Fuchs“
      ner - wie wir heute wissen - nicht ganz            aus Göbekli Tepe (> 125-38)? 2.000 Jahre
      unproblematischen Entfaltung des mensch-           später erscheint der „Saluki“ in fast fried-
      lichen Bewusstseins - gespiegelt und kataly-       licher Koexistenz mit einem Löwen auf ei-
      siert in den symbolischen Funktionen des           nem Siegel aus Ninive (> oben), wie Tepe
      Hundes - wieder zurück an den elamisch-su-         Gawra in Nord-Mesopotamien gelegen. Auf
      merischen Anfang im - 4. Jahrtausend und           der Steinbockjagd mit einem Bogenschüt-
      beantworten wir uns - wie immer - vorläu-          zen zeigt sich der „Saluki“ (> unten) deut-
      fig und diesmal eher positivistisch-kynolo-
      gisch die Frage, wie wir uns den Hund und
      seine funktionale Entfaltung vom Beginn
      des Neolithikums in West-Asien und dann
      auch in Zentral-Asien vorzustellen haben.
      Dazu bietet uns die südwestasiatische Bild-
      kunst der frühen Zeit schon einige Hinwei-
      se, denn schon in dieser Epoche können wir
      grob drei Hundetypen unterscheiden: In Te-
      pe Gawra im Nordosten des Irak (> IV, 667:
      Karte) erscheinen in der Glyptik seit der spä-
      ten Ubaid-Zeit salukiähnliche Windhunde
      allein (> rechts & > IV, 599: Abb. 2, 6) oder in
      Meuten (> ganz rechts) bei der Jagd auf Ha-
      se oder Gazelle. Diese im engeren Sinn me-
      sopotamischen Hundedarstellungen auf
      Siegeln und Bildern haben wahrscheinlich
      Vorläufer im Frühneolithikum des Frucht-
      baren Halbmonds, so z.B. ein Wandbild aus
      Çatal Hüyük, das einen Bogenschützen bei
      der Hirschjagd zeigt, begleitet von einem
      fuchsähnlichen Vierfüßler, den Mellaart als
      Hund identifiziert (> rechts; in: Trokay, Abb.
      1). Wenn es sich um einen Hund handelt -
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     2            1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

                                                       dann wohl auch das an der Leine geführte
                                                       Tier zu deuten (> III, 91: Abb. 1): Nachdem er
                                                       das Wild auf den Schützen zugetrieben hat,
                                                       nimmt man diesen großen, vom Windhund
                                                       und auch vom „Molosser“ klar zu unter-
                                                       scheidenden Hund an die Leine. Große
         lich einsatzbereiter. Der zweite Grundtyp,    „molossoide“ Hunde mit kleinen Hänge-
         der Herdenschutzhund und/oder „Molos-         oder kleinen Stehohren können als Herden-
         ser“, wird ab der Uruk-Zeit (- 3.500 bis      schutzhunde gedeutet werden, die man
         - 3.100) in Süd-Mesopotamien dargestellt      auch zur Jagd einsetzt; man vergleiche sie
         bei der Jagd meist auf felide Beutegreifer,   mit    dem     turkme-
         seltener auf Wildschweine; dabei wird auch    nischen Herdenschutz-
         er allein oder in der Meute anspringend,      hund (> rechts & > 321-
         mit aufgerissener Schnauze gezeigt, wie er    2). Die Jagd scheint in
         das Wild verfolgt (> oben), umstellt (> un-   dieser hoch entwickel-
         ten), angreift oder ins Schussfeld von Bo-    ten neolithischen Ge-
                                                       sellschaft immer noch
                                                       eine große Rolle zu
                                                       spielen, und so darf man die These wagen,
                                                       dass hier eine mesolithische Tradition mit-

         genschützen oder Lanzenträgern treibt (>
         rechts & unten). Man sieht ihn auch in der

                                                       samt den zugehörigen Hunden fortgeführt
                                                       wird. Ebenfalls aber sieht man schon in Te-
                                                       pe Gawra auch eine kurzbeini-
                                                       ge, manchmal doggengesichtige
                                                       Rasse (> rechts), die auch zur
         Meute Steinböcke in einen Pferch (?) trei-    Jagd benutzt wird, und zwar an
         ben (> unten). Als molossoider Jagdhund ist   der Leine (Nagel, 172); dieser
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      „kurzbeinige“ Typ ist auch in Luristan in        auf der Glyptik aus Tepe Gawra, aber
      Tepe Giyan dokumentiert und wird uns             die aus der Schicht IVa von Uruk be-
      gleich im Exkurs zum Hütehund noch be-           kannten frühsumerischen Schriftzei-
      schäftigen (> 17-22). Im Vorgriff zeige ich      chen für Hund, die drei ersten (>
      eine Art Hofhund im Sprintertyp, der zu          rechts) noch mit hypothetischer
      zweit und ganz familiär, aber hier ohne          Zuweisung zum Saluki, das letzte
      Hütehundallüren, wenn auch mit extrem            Piktogramm (> rechts ) mit der ge-
      schräger Kruppe, zwischen Ziegen und Mel-        sicherten Lesung ur nach Meinung
                                                       Nagels 1962 diesmal mit eindeutiger
                                                       Zuweisung zum Saluki, zeigen be-
                                                       reits einen Saluki-Kopf, aber mit

                                                          deutlichen Hängeohren ... Hilzheimer
                                                          plädiert in diesem Falle für den „Canis
                                                          intermedius“ (> I, 9 & > IV, 21-2), den
                                                          Lauf- und Jagdhund vom Brackentyp;
                                                          doch könnte man wohl eher an einen
      ker (?) flaniert (> oben), während ein ande-        fortgeschrittenen Saluqi-Schlag denken,
      rer Hütehund - dieser Gebrauchstyp wird
      äußerst selten dargestellt - zu sehen ist in     meint Nagel (173). Für den Indischen bzw.
      einer Szene mit zwei Schweinen, die im Schilf    Arabischen Wolf (Canis lupus pallipes bzw.
      verschwinden, während der Schweinehirt mit       arabs) als Kandidaten eines der möglichen
      Stock ihnen den Rücken zukehrt (> unten).        Domestikationsereignisse des Wolfs zum
                                                       Haushund in direkter Linie spricht vielleicht
                                                       auch die sumerische Bezeichnung für den
                                                       Wolf: urbara (~ UR.BAR.RA), während der
                                                       Hund ur heißt: Der Hund ist für die Sumerer
                                                       also Referenztier des Wolfs, der in West-
                                                       Asien später Sirhan und heute Di´b genannt
                                                       wird und grundsätzlich mit dem Canis lupus
                                                       pallipes bzw. arabs identifiziert wurde. Der
      Die Verwendbarkeit verschiedener Hun-            Wolf gilt den Sumerern also als eine Art
      detypen in der Landwirtschaft führt zur          Wild-Hund, als wilder Hund - die moderne
      Darstellung von Wunschträumen: Auf ei-           Domestikationstheorie von Susan Crockford
      nem Bild aus Susa sieht man, wie ein Hund        (> I, 626-8 & > IV, 1-10) findet hier ein frühes
      eine Ziege melkt, ein anderer macht sich         sprachgeschichtliches Indiz. Diese schon hier
      zum Pflügen auf - weniger humoristisches         in der Bezeichnung von Wolf und Hund er-
      als vielmehr altes animistisches Denken          kennbar spezielle Beziehung zwischen
      stellt hier die Menschlichkeit der Hunde dar     Mensch und Hund ist aber archäologisch lei-
      (> unten & > IV, 585-6). Der Vorläufer des Sa-   der nur mangelhaft dokumentiert: Aus der
      luki hat wie der mutmaßliche Vorgänger           mehrere Jahrtausende umfassenden Ge-
      des Herdenschutzhundes noch Stehohren            schichte Mesopotamiens sind nur wenige
                                                       Mitbestattungen von Hunden und erst 1987
                                                       die erste Bestattung eines Hundes als Solitär
                                                       bekannt geworden, und zwar im Tell Brak
                                                       im Irak: Das komplette Hundeskelett wurde
                                                       im courtyard of a large public building (Clut-
                                                       ton-Brock, 217) gefunden. In enger Nach-
                                                       barschaft und etwas tiefer lag das Skelett ei-
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     4             1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

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                                                              teristics of the pedigree Saluki are more
                                                              exaggerated. The limbs are conside-
                                                              rably longer than those of Luman (~ der
                                                              ägyptische Import von 1897; > rechts),
                                                              the skull is more elongated and narrow,
                                                              and the teeth are relatively very small,

                                                            stellt Clutton-Brock (219) fest. Man kann
                                                            wohl sagen, dass der heutige Saluki im Phä-
                                                            notyp der Quintessenz der Rasse näher steht
                                                            - besonders die verlängerten Extremitäten
                                                            werden dem Verwendungszweck als Jagd-
                                                            hund auf Gazelle und Hase noch gerechter,
                                                            ausgenommen die Verringerung der Zahn-
                                                            größe, die kontraproduktiv ist. Der „Saluki“
                                                            aus dem Tell Brak ist aber nicht der früheste
         nes Esels, und die Ausgräber nehmen an,            Zeuge des Windhunds in Mesopotamien:
         dass beide Tiere starben, als the building was
         levelled and filled in for a later phase of Ak-
         kadian occupation. Aus einem angrenzen-
         den Hofraum nahm man C14-Proben, die auf                   Saluki und Afghane
         - 2.580 bis - 2.455 kalibriert wurden. Wäh-
         rend den Esel wenige Knochen von Haus-
         schwein, Rind, Schaf und/oder Ziege und von                 In Tepe Gawra, etwas nordöstlich
         einem Jungfern-Kranich (> 127) begleiteten,        von Mossul im Irak, fand man in der
         hatte man den erwachsenen Rüden allein             Grabungskampagne 1923-38 den Schädel
         beigesetzt oder deponiert, wenn er tatsäch-        eines „Saluki“ aus wahrscheinlich vor-
         lich nur als Füllmasse und nicht als „Bauop-       sumerischer Zeit: Er wurde der Periode von
         fer“ diente. Sein Skelett lag auf der linken       - 4.400 bis - 3.800 zugeordnet (Clark, in: Br-
         Seite mit ausgestreckten Beinen (um -2.500;        ewer, 53). In Tepe Gawra lagen die Hun-
         in: Brewer, Abb. 4.2, > oben; vgl. > 6: Abb. 6),   deskelette auf der Abdeckung eines Ki-
                                                            stengrabes, und in Chafadji lag das Hun-
           almost in a running position ... The             deskelett vor dem Gesicht des Bestatteten
           skeleton of the dog from Tell Brak may           (Göhde 1, 6); eine ähnliche Situation ken-
           not have had the external features that          nen wir bereits aus Hayonim, einem Fund-
           characterize the Saluki (~ langes, seidi-        ort der viel älteren Natuf-Kultur (> IV, 173:
           ges Haar in der „befederten“ Varietät;           Abb. 2). In Tepe Gawra fand man aus der
           lange, leicht abgewinkelte Hängeohren)           Zeit um - 4.000 auch Siegelabdrücke mit
           but it was certainly of greyhound build,         saluki-ähnlichen Hunden (> 1 oben & 14:
                                                            Abb. 4.22). In Eridu, der wahrscheinlich äl-
         meint Clutton-Brock (219), die die Maße            testen Stadt der Sumerer, fand man in ei-
         dieses Skeletts mit denen eines 1897 aus           nem Lehmziegel-Kistengrab aus der
         Ägypten nach England importierten Saluki           Obeid-Zeit (~ frühes - 4. Jahrtausend), in
         verglich: Der Hund aus Tell Brak war etwa          dem ein männlicher Jugendlicher von etwa
         vier Zentimeter kleiner als der 58,8 cm            15 bis 16 Jahren beigesetzt war, das gut
         große ägyptische Saluki, seine Kieferkno-          erhaltene Skelett eines Hundes (> 6: Abb. 2
         chen waren weniger lang und seine Zähne            & 6): Es war quer über der Lendenregion
         stärker ausgeprägt.                                des Jugendlichen deponiert - der Schädel
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                                                 SALUKI UND AFGHANE                                                         5

      Zwei präparierte Saluki aus dem British Museum: Links Luman (* 1897), präpariert im Jahr 1907 (Widerristhöhe 58,8
      cm), rechts Lance of Anatolia, präpariert im Jahr 1922 (WH 57 cm). Unten: Die Bergvariante des Saluki - zwei präpa-
      rierte Afghanen aus dem British Museum - Mooroo links und Shazada rechts. In: Dennis-Bryan, Abb. 25 (oben) & 31.

      stammte probably of a Saluki-type dog                       3. Dynastie lag. Der Friedhof war, wahr-
      (Clark, 53). Ein weiteres Grab enthielt zwei                scheinlich zeitgleich mit den Tempeln VI
      Hundeskelette (> 6: Oben links). Die Gräber                 und VII, nordwestlich der Zikkurat ange-
      waren Teil eines Friedhofs, der direkt                      legt worden. Der Grabungsbericht ist
      außerhalb der Stützmauer der Zikkurat der                   aufschlussreich für den archäologischen
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     6              1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

         Links: Eines der Hundeskelette aus Isin, bestattet an der Rampe zum Gula-Tempel. Rechts & unten: In einem Grab in
         Eridu war das Hundeskelett quer über das menschliche Skelett gelegt. In: Göhde 1, Abb. 2 & 6 (oben) & Lloyd, Tafel 4.

         Umgang mit Hundeknochen: Zu Beginn                           Es versteht sich, dass die zuvor gefundenen
         der Kampagne fand man, wie der Archäo-                       Tierknochen aufgrund des spektakulären
         loge Seton Lloyd (118) berichtet,                            Fundes neue Bedeutung erlangten. Welche,
                                                                      das verrät Lloyd leider nicht. Auch nicht, ob
           animal-bones, which we took to be                          es sich bei diesen Tierknochen um Hunde-
           meat-offerings, lying directly upon the                    überreste handelte. In Lloyds Beschreibung
           sealing of a grave. These seemed to                        wird deutlich, dass die nächsten zwei Men-
           acquire new significance, when, to-                        schen- und Hundeskelette in einem ge-
           wards the end of the season, we disco-                     meinsamen Grab beigesetzt waren, was
           vered the complete and almost per-                         nun ebenfalls eine andere Dimension ge-
           fectly preserved skeleton of a dog, lying                  winnt als die Bemerkung Göhdes, man ha-
           directly upon that of a young boy in an                    be in einem weiteren Grab zwei Hunde-
           unsealed grave (> oben). Two dogs ac-                      skelette gefunden: Diese Skelette accompa-
           companied other two individuals, who-                      nied two other individuals, wie Lloyd aus-
           se grave was subsequently excavated.                       führt - die beiden Hunde waren den beiden
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                                           SALUKI UND AFGHANE                                               7

      Menschen also eindeutig zugeordnet. Da            Den Preziosen verschafft man also einen
      die Gräber grundsätzlich Keramik des täg-         ebenso kostbaren Rahmen in den großarti-
      lichen Gebrauchs aufwiesen, war die erste         gen Torbögen des Tempels, also für jeder-
      Vermutung nicht abwegig, die Tierknochen          mann sichtbar. Der Hund der Gula wird auch
      seien Reste von Opfermahlzeiten oder bes-         als Hund der Sonne bezeichnet, er heißt als ur-
      ser: als Gaben zur Wegzehrung für den To-         me-me (~ Hund der Gula) auch ka-lab d.scha-
      ten gedacht. Die kompletten Hundeskelet-          masch, scheint also auch ein Hund des Son-
      te lassen aber eher vermuten, dass diese          nengottes Schamasch zu sein (Salonen, 77; >
      Hunde als Wegbegleiter, besser: Weggelei-         431). An der Zusammenstellung frühester
      ter dieser Toten aufgefasst wurden. Speziell      bildlicher Darstellungen des Hundes in Meso-
      dieser Toten, da keine weiteren Funde glei-       potamien (> 1 & > III, 87-91) wiedererkannten
      cher Art erwähnt werden. Die Nähe zur Zik-        wir mit Hildegard Göhdes Hilfe am Bruchstück
      kurat lässt mich einen Zusammenhang der           eines altbabylonischen oder aus der Isin-1-Zeit
      bestatteten Individuen mit dem Tempel ver-        stammenden Gefäßes im Ensemble von Hund
      muten, den ich natürlich nicht entfalten,         und Schlange(n) die KU- und KUR-Symbolik (>
      sondern nur suggerieren kann. Ist eine Kult-      III, 88: Abb. 3). An der altbabylonischen Terra-
      handlung in diesem Fall wahrscheinlich,           kotta-Lehne eines Thrones aus Diqdiqqah bei
      aber nicht zu beweisen, so dürfen wir für         Ur bestätigte sich die These, dass Hund und
      die erst 1973 bei der ersten Grabungskam-         Thron ebenfalls ein symbolisches Ensemble
      pagne in Isin gefundenen 33 Hundegräber           bilden (> III, 89: Abb. 420). An einem Stempel-
      zweifellos kultischen Status annehmen: Sie        siegel aus Tell Asmar, das ebenfalls in die frühe
      wurden in der Mehrzahl in der Nähe der            Uruk-Zeit datiert wird (> III, 90, Abb. 416) er-
      Rampe zum Tempel der Göttin Ninisina-             ahnten wir den chthonischen Zusammenhang
      Gula angelegt. Diese Hundebestattungen            zwischen dem Heros der Göttin, der Schlan-
      werden auch von völlig unkynosophischen           gen und dem Hund. Die beiden Hunde des
      Archäologen als Kulthandlungen verstan-           Heros sind nicht größer als kniehoch, was für
      den; das ebenfalls in Isin gefundene Gefäß        den kleinen Hüte- bzw. Jagdhund und gegen
      mit Hund und Fischgrätmuster (~ KUR-Sym-          den saluki-ähnlichen Typ spricht. Die Rute
      bolik?) verweist ebenfalls auf den kul-           wird über dem Rücken getragen und die
      tischen Status des Hundes (> III, 88: Abb. 3).    Ohren sind komplett aufgerichtet. Anders ist
      Gula alias Ninkarrak hat nicht, wie uns der       das bei einem einzelnen, ebenfalls schlanken,
      glyptische Teil (> III, 85) zu erkennen verlei-   in der Lende stark aufgezogenen Hund, der
      ten könnte, nur einen Typ Hund als Begleit-       allein auf einem Stempelsiegel aus Tepe
      tier:                                             Gawra (Uruk-Zeit) dargestellt ist:

        O Ninkarrak, keep back your little dogs           Große, schlanke Hunde finden sich auf
        (and) put a muzzle on the mouth of                vielen Stempelsiegeln ... Es handelt sich
        your big dogs (in: Salonen, 82).                  um langbeinige Tiere vom Typ Slughi,
                                                          mit spitzer Schnauze, meist anliegen-
      Wo im Gula-Tempel die kostbaren Weih-               den Ohren und halblangem Schwanz.
      und Dankgaben in Form von Hunde-Statu-              Sie können einzeln, zu mehreren oder
      etten für Gula deponiert wurden, sagt uns           gemeinsam mit Hörnertieren vor-
      die folgende Inschrift:                             kommen. Es ist nicht mit Bestimmtheit
                                                          zu sagen, ob es sich dabei um reale
        I set in the magnificent gates (of Gula-          Jagdszenen handelt (Göhde 1, 17).
        temple) two golden dogs, two dogs of
        silver, and two dogs of copper, whose           Göhde tastet sich bis an den Rand ihrer posi-
        build was sturdy, whose limbs were              tivistischen Grundeinstellung, mit der ihre
        massive (in: Salonen, 83).                      manchmal nicht hinreichende Kenntnis der
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     8              1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

         Die Frage nach dem Ursprung des Namens „Saluk(i)“ ist nicht gleichzusetzen mit der Frage nach dem Ursprung der
         Rasse - „saluqi“ muss die Bezeichnung der Rasse gewesen sein schon in vor-islamischen Zeiten: So weiß al-Muzar-
         rid Yazid b. Dirar im „Diwan al-Mufaddaliyat“ in der Beiruter Ausgabe von 1920 (61), dass alle Jagdhunde aus der
         Paarung zweier Salukis entstanden sind - „banat saluqiyayn“. In: Allen u.a., 139, FN 22 & Fig. 1.

         Hunderassen nicht ganz vereinbar ist. Auch                men/jagen über anspringen bis niederwer-
         entgeht ihr der symbolische Aspekt der posi-              fen bündelt (Smith, 463). Nutzen wir diesen
         tiven Fakten offensichtlich. Doch statt Hilde-            deutlich weniger dicken Hund Göhdes, den
         gard Göhde über Gebühr zu kritisieren, soll-              Saluki mit dem Slughi zu verwechseln, zu ei-
         ten wir ihr dankbar sein für die Hilfe, die sie           nem kurzen Schlenker zur Wortgeschichte
         uns gewährt: Zwar erinnert der dargestellte               des Saluki, der manchmal etymologisch auch
         Hund an einen Slughi, aber in West-Asien ist              als Adjektiv des Stadt- und Dynastienamens
         dieser Typ als Saluki bekannt (> IV, 31-3, 234)           Seleucia bzw. Saluq abgeleitet wird; es gibt
         - Slughi und Saluki gehen auf denselben Ba-               allerdings ein halbes Dutzend Orte, die in der
         sistyp zurück, Slughi ist nur eine „dialektale“           Antike Seleucia genannt wurden (im Yemen,
         Einfärbung der ursprünglichen Bezeichnung                 im Irak, in Syrien und am Kaspischen Meer; >
         Saluki, die wahrscheinlich volksetymologisch              oben), und so hätte man die Qual der Wahl,
         (?) als Wurzel s-l-q die Merkmale von stür-               die sich dann für das Seleucia bzw. Saluq im
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      Yemen entscheiden könnte, wie der franzö-        Die Geschichte klingt gut konstruiert, ist
      sische Orientalist Viré vorschlägt, weil es in   aber eher unwahrscheinlich, da
      der Antike für seine Waffen- und Lederwa-
      renproduktion bekannt war. Zwar meint                hounds, hawks and horses are general-
      Smith (463), das Terrain sei dort                    ly kept in the same area (d.h. bei den
                                                           kennelled Salukis der Reichen im
        totally unsuited to hunting with gaze-             Gegensatz zu den ein oder zwei Salukis
        hounds and we have no further eviden-              eines Beduinen) and all cared for by
        ce from the now considerable pre-                  assistants who tend not to specialise in
        Islamic material available that such               one of the three, but to deal with them
        hunting was practised there,                       all. In this way, members of each group
                                                           grow up and learn to work with mem-
      aber die meso- oder frühneolithischen                bers of the other group, a co-operation
      Felsbilder im Yemen zeigen den in Nord-              essential on the hunting field,
      Afrika und West-Asien verbreiteten Basis-
      typ des Saluki bei der Jagd auf den Stein-       bemerken Allen u.a. (126) über die Tiere der
      bock oder auf die Oryx-Antilope, auf die         Jäger, und es dürfte wohl auf die Betreuer
      der Saluki bis zu ihrer fast völligen Ausrot-    dieser Tiere ebenfalls zutreffen. Kommen
      tung im islamischen Arabien eingesetzt           wir wieder zurück zu der Frage nach dem
      wurde. Das Bildmaterial spricht also nicht       namengebenden Ort der Saluki-Rasse:
      grundsätzlich gegen die Stadt Saluq im
      Yemen, aber auch nicht gegen andere              Das yemenitische Saluq war gut 200 Jahre
      Städte gleichen Namens. Immerhin er-             nach Umayr b. Suyaym al-Qutami nur noch
      wähnt Umayr b. Suyaym al-Qutami (ge-             eine Ruine, hatte aber wohl in der Tat einer
      storben 110 nach islamischer Zeitrechnung/       Jagdhundrasse seinen Namen gegeben, die
      728 nach unserer Z.) das yemenitische Sa-        angeblich - in heroisierender, also in rebar-
      luq in eindeutig kynologischem Kontext:          barisierender Weise - entstanden sein soll
                                                       aus einer Kreuzung zwischen Hund und
        They have with them hounds of Saluq, like      Wolf, wie Qazwini in Athar (29) behauptet
        horses, wheeling round in battle, drag-        (in: Allen u.a., 140, FN 31). Da aber Saluq als
        ging on their halters (in: Allen u.a., 121).   Stadt weder in vor- noch in frühislamischen
                                                       Schriften erwähnt wird, stellt sich die Frage,
      Schweifen wir kurz ab zu einem anderen           ob dieser Ort tatsächlich so bedeutend war,
      wesentlichen Kennzeichen arabischer Über-        um eine Jagdhundrasse hervorzubringen,
      lieferung: Der Vergleich und die implizite       die dann über die gesamte Arabische Hal-
      Gleichsetzung von Hund und Pferd                 binsel verbreitet werden konnte. Bleiben
                                                       noch die anderen Städte und die Dynastie
        is a constantly recurring theme through-       der Seleukiden, die durchaus in der Lage
        out Arabic hunting and equestrian litera-      war, die züchterische Verbesserung einer
        ture and two almost identical stories are      schon vorhandenen Jagdhundrasse zu initi-
        told to illustrate this ... Ich komme daher    ieren, sodass die alte Rasse dann den „neu-
        gleich zur zweiten Geschichte: ´al-Ma´mun      en“ Namen der Dynastie und ihrer Haupt-
        sent one of his men to the desert to find      stadt Seleucia am Westufer des unteren Ti-
        him a good horse. The man replied, “I          gris trug. Von allen Saluq-Namensträgern
        know nothing of horses.” “Are you not an       bringt die Seleukiden-Hauptstadt von den
        expert on hounds?” “Yes.” “Then look for       topographischen Faktoren her die besten
        everything which you would aim for in a        Voraussetzungen mit, in die engste Aus-
        good well bred hound and look for the          wahl für die Geburtsstadt der Rassebe-
        same in the horse” (Allen u.a., 124).          zeichnung zu gelangen:
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    10             1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

           This area of all those put forward would          strong. Though it is not at present pos-
           provide the right terrain in which a swift        sible to confirm that the following me-
           gazehound could operate to the full li-           thods are adopted in the (~ Arabian)
           mits of his capabilities. The place of the        Peninsula, a reliable writer on life in the
           origin of the saluki breed, however, we           deserts of Jordan states that one of
           shall never know. He hunted for the an-           three ways of preventing saluki/guard
           cient Egyptians (> II, 174: Abb. 10) and for      dog crosses is used. The hind leg of the
           his Mesopotamian masters (> III, 288:             bitch may be tied up to her collar, so
           Abb. 3.5). His existence in the Arabian           that the only position in which she can
           Peninsula going back many hundreds of             be comfortable is lying down; some-
           years before Islam is also highly probable,       times the vulva is stitched up; or the
                                                             bitch may be imprisoned in a vace, whe-
         schlussfolgern übervorsichtig Smith u.a. (S.        re one is available (Allen u.a., 126-7).
         xxviii), da sie offensichtlich die archäolo-
         gische Sachlage nicht kennen. Und daher           Kreuzungen kamen angesichts dieser prä-
         können wir polemisch fragen: Die Seleuki-         ventiven Maßnahmen sicher öfter vor als sie
         den mit ihrem legendären ersten König             beabsichtigt waren. Andererseits waren in
         Seleucus (- 305 bis - 281) also als kynolo-       der Organisation der arabischen Stämme
         gische Kulturbringer? Smith´ Meinung,             auf Salukis spezialisierte Familien mit der
                                                           Haltung und Zucht betraut,
           that the Arabs came to associate these
           gazehounds in some way with the                   whose duties were handed down from
           Seleucids and their vast empire and thus          generation to generation, the family
           they named them “saluqis” to distin-              being responsible for their classified
           guish them from ordinary dogs,                    breeding, rearing, training and for
                                                             recording their pedigree (by word of
         überzeugt mich aber nicht sonderlich, zu-           mouth) (in: Allen u.a., 142-3, FN 67).
         mal Smith (464) selbst darauf hinweist,
                                                           Das Auswendiglernen und -können der ei-
           that, although great emphasis was pla-          genen Genealogie hat sogar Karl May ohne
           ced on the purity of the “saluqi” strain,       jede Übertreibung an arabischen Exempla-
           cross-breeds ... were produced, presu-          ren darzustellen gewusst. Die Praxis war al-
           mably “saluqi”/guard dog crosses,               so leicht auf den Saluki zu übertragen. Da-
                                                           her können wir davon ausgehen, dass die
         was ja auch völlig zu Recht für den „anato-       Rasse zwar auch Kreuzungen ausgesetzt
         lischen“ Windhund tazi und den Kangal             war, aber doch auch rein erhalten werden
         bzw. Gammal (beide Schöpfungen der früh-          konnte. Dafür spricht auch die literarische,
         neolithischen Proto-Kurden) angenommen            wenn auch spärliche Überlieferung aus dem
         wird, deren Haltungsbedingungen bei Be-           arabischen Mittelalter einiger wesentlicher
         duinen wie bei Bergbauern - beide ohne            Kennzeichen des Saluki, die natürlich auch
         Zwingeranlagen - weitgehend gleich sind:          im heutigen FCI-Standard erwähnt werden,
                                                           so z.B. im Hayawan von Jahiz (um 256 i.Z.
           The bitch in season is a problem, since         bzw. 869 u.Z.; eine Illustration zum Hayawan
           either a mating will have to be avoided         aus einer undatierten arabischen Ausgabe
           or a mating will have been arranged             zeigt zwei Saluki-Welpen; > rechts oben)
           with a suitable saluki dog. The possibi-        und natürlich im Bayzarah des leider ano-
           lity of the bitch meeting up with one or        nym gebliebenen Chef-Falkners des Kalifs
           more of the guard dogs, which may               von Ägypten (von 365-86 i.Z. bzw. 975-96),
           well be plentiful around the camp, is           der mit seinem Bayzarah das klassische Werk
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                                                  SALUKI UND AFGHANE                                                           11

      “Two saluki puppies. ´Al-Hayawan´ of al-Jahiz. Undated Arabic. Biblioteca Ambrosiana MS, Ar. A.F. D 140, f 23b.” Sie
      erinnern ein wenig an den „Windhund-Bassett“ (> 1: Abb. unten) aus Çatal Hüyük. Zitat & Bild in: Smith & Abdel Haleem.

      nicht nur der Falknerei, sondern der gesam-                  setzen kann, der die Geschwindigkeit des
      ten mittelalterlichen arabischen Jagd-                       Saluki mindern könnte. Eine schlanke Lende,
      literatur geschrieben hat, wie die Orientalis-               ein glattes Fell, wie die Federn eines Falken
      ten versichern. Die schon im Mittelalter ge-                 - ein später Wunsch, da die Falknerei jagd-
      suchten Kennzeichen des Saluki sind die aus-                 geschichtlich erst ab der assyrischen Zeit in
      geprägte Brusttiefe (der Fachbegriff joshan                  West-Asien dokumentiert ist (vgl. > 324:
      wird für H(o)und und Pferd gleichermaßen                     Abb. 20). Das tief angesetzte Sprunggelenk
      verwendet), der lange Hals, der aber statt als               wird zwar nicht in der mittelalterlichen Lite-
      lang auch als gut bemuskelt qualifiziert                     ratur erwähnt, dafür aber von zahlreichen
      wird, und der lange Körper, der für hohe Ge-                 mündlichen Informanten (Allen u.a., 141, FN
      schwindigkeit notwendig ist. Der Ober-                       41). Auch das Kupieren der Ohren ist nicht
      schenkel soll lang und dick (~ gut bemuskelt)                schriftlich dokumentiert, aber eine iranische
      sein - eine Differenz zu europäischen Wind-                  Darstellung aus der Zeit der mongolischen
      hundrassen. Ferner wünschen sich die mit-                    Ilchane (> 323, Abb. 19; vgl. > 15, Abb. 4.26)
      telalterlichen Autoren Jahiz, Ibn Qutaybah,                  zeigt einen Saluki, dessen Ohren gekürzt
      Kushajim und der Bayzarah-Autor für den                      sind, wohl nicht, weil die langen Hänge-
      Saluki einen kleinen Kopf mit ausgeprägten                   ohren den Hund im Galopp stören könnten,
      Hängeohren in deutlichem Abstand zuein-                      sondern eher zum Schutz vor den Hörnern
      ander, eine breite, vorstehende Stirn, gera-                 der Oryx-Antilope. Natürlich gibt es fürs Ku-
      de Vorderbeine mit engem Zehenstand, da-                     pieren auch die üblichen paläomentalen Be-
      mit sich zwischen den Zehen kein Dreck fest-                 gründungen: The ears are cropped to pre-
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    12            1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

         vent their being torn by jackals, was aus der    die Vorgängerreligion zu diskreditieren, an-
         Praxis abgeleitet sein dürfte, die Ohren der     dererseits ist ein latenter Sinn der Anord-
         Herdenschutz- und Wachhundwelpen auf             nung wenigstens für den auf Schnelligkeit
         der Arabischen Halbinsel zu kupieren, um         und Ausdauer ausgelegten Saluki darin zu
         Angreifern später weniger Angriffsfläche zu      finden, dass Schwarz bei starker Sonnene-
         bieten; in der paläomentalen Begründung          instrahlung und entsprechender Hitze zu ei-
         aber, weil diese Praxis                          ner deutlichen Minderung der Leistungs-
                                                          fähigkeit führt. Zu einem alles andere als
           makes them stronger and keener as              trostlosen Exkurs zum Hund im Islam lade
           guard dogs (in: Allen u.a., 141, FN 50).       ich die Leser an anderer Stelle ein (> 63-8);
                                                          jetzt komme ich wieder zurück zur Rassege-
         Noch stärker in die Richtung sympathetischer     schichte des Saluki: Angesichts des hohen
         Magie geht für die Fellfarbe die von Jahiz im    Alters dieser Rasse und einiger morpholo-
         Hayawan geäußerte Überzeugung, dass              gischer Übereinstimmungen mit dem te-
                                                          sem, besonders hinsichtlich der Längenrela-
           the best hounds are those the colour of        tion von Ober- und Unterschenkel, müsste
           the lion; redness and being spotted he         sich doch die Frage stellen lassen, in welcher
           claims to be a defect (Allen, 142, FN 59).     genetischen Beziehung der Saluki mit dem
                                                          Ägyptischen Windhund tesem steht (> III,
         Weiße, hellbraune und kaffeefarbene (=?          273-80) und ob so vielleicht die phänoty-
         beige?) Salukis werden favorisiert. Dunkle-      pischen Unterschiede zwischen Saluki und
         re Farben sind relativ unerwünscht, obwohl       Slughi zu erklären sind. Nun war der Saluki
         schwarz und weiß gefleckte Salukis akzep-        bereits den Illyriern, Medern, Persern und
         tiert werden (> 324, Abb. 20 & > 344: Abb.       Ägyptern bekannt, also lange bevor es die
         43), während Jahiz für schwarze Salukis sei-     Seleukiden-Dynastie gab. Und so stellt Viré
         ne Leser an den in einigen Hadithen an-          (233) fest, dass das Wort Saluki die zwangs-
         geblich überlieferten und vermeintlichen         weise arabisierte Form von sulak ist, gleich-
         Wunsch des Propheten erinnert, man möge          zeitig Name eines Flusses und einer Ort-
         sie töten, weil sie des Teufels (~ shaytan; ~    schaft westlich des Kaspischen Meeres, spä-
         Satan?) seien. Ein Hadith ist eine der Auto-     ter von den Alanen bewohnt. Zunächst aber
         rität des Propheten selbst zugeschriebene        war dieser transkaukasische Raum - das heu-
         Erzählung oder Handlung - es gibt über           tige Daghestan - von den Iranern bewohnt,
         80.000 Hadithe -, die nicht Bestandteil des      bevor sie nach Persien zogen und aus ihm
         Koran ist, faktisch dem Koran aber eben-         den Iran machten. Die Iraner der Ursprungs-
         bürtig ist und als direkte Offenbarung Gott-     region hätten den Saluki als Jagdhund be-
         es gilt. Nur diese letzte Bemerkung ist in ei-   nutzt und könnten mit hoher Wahrschein-
         nigen hadithen nachweisbar, die Aufforde-        lichkeit - meint Viré - als die Schöpfer dieser
         rung des Propheten, alle schwarzen Hunde         Rasse betrachtet werden: Das hätte den
         zu töten, hingegen nicht, wie auch die Ori-      Vorteil, den Saluki nicht allein als arabischen
         entalisten Allen und Smith betonen. Das än-      Hund zu betrachten, wie dies Smith vor-
         dert aber nichts daran, dass sich das Vorur-     schlägt, sondern seinem Verbreitungsgebiet
         teil gegen schwarze Hunde offensichtlich         gemäß auch einen Blick nach Persien und
         schon zu Lebzeiten von Jahiz von der präzi-      nach Afghanistan zu riskieren, denn wenn
         sen Formulierung des Propheten losgelöst         der Slughi nur eine afrikanische Variante
         hat und zum Selbstläufer geworden ist. Ver-      des westasiatischen Saluki ist, dann kann
         mutlich entspricht der Wunsch des Prophe-        der Afghanische Windhund als eine Berg-
         ten, zu einer bestimmten Zeit mögen die          variante des Saluki aufgefasst werden. Der
         schwarzen Hunde erschlagen werden, ei-           untere Teil des Sulak-Tals in der iranischen
         nerseits der ideologischen Notwendigkeit,        Ursprungsregion wurde von der Pelzstraße
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                                           SALUKI UND AFGHANE                                            13

      durchquert, einer Handelsstraße, in etwa          rum angeblich entlehnt aus dem althoch-
      vergleichbar mit der berühmten Seiden-            deutschen zeigâri, heute mit Zeiger zu über-
      straße. Die Pelzstraße kam von Astrachan          setzen (Duden-Etymologie). Die damaligen
      und auf ihr wurden bereits zur Zeit der Me-       Vorstehhunde wurden zeigâri genannt, weil
      der, dann der Perser, kostbare Waren, aber        sie jedes gefundene Stück Wild durch ihr be-
      auch Greifvögel und Salukis bis nach Bagdad       sonderes Verhalten dem Jäger anzeigten.
      gebracht. Angeblich entstanden aus diesen         Gottfried von Bouillon und Baudouin de
      Importen mit der Zeit und unter der Aufsicht      Hainaut, prominente Kreuzzügler, sprachen
      der medischen und persischen Dynastien            deutsch-flämisch-niederländisch und hatten
      weitere Rassen wie der Tazi (in der Türkei        ihre Vorstehhunde und Jagdfalken natürlich
      und in Iran - genauer: in Kurdistan), der Ba-     mit auf den Urlaubszug nach Süden genom-
      rakzai, der Barzoï (in Russland und in der        men. So wäre es möglich, die europäischen
      Ukraine) und der Slughi in Afrika. Noch im        Früchte des Saluki auf die Kreuzzüge zurück-
      Mittelalter, zur Zeit der Kreuzzüge, wurde        zuführen. Die schöne Theorie Virés hat aber
      dieser Hundehandel betrieben, um den Be-          leider zwei Haken, nämlich den linguis-
      darf muslimischer und christlicher Feudal-        tischen, dass der Vokalwechsel von sulak zu
      herren nach Jagdhunden zu befriedigen.            saluk(i) von Smith vehement bezweifelt wird
      Nur die betuchten Herrschaften konnten            und Viré tatsächlich den Nachweis für die
      sich diesen Luxus leisten, denn der Saluki        Plausibilität schuldig bleibt. Der zweite Ha-
      war bereits zu dieser Zeit sehr teuer. Daher      ken ist ein molekulargenetischer: Parker u.a.
      war er auch oft ein besonders geeignetes          haben 2004 zwar nachgewiesen, dass der Sa-
      Geschenk, wenn Botschafter an fremden             luki den von ihnen wolfdogs genannten Ur-
      Höfen ihren Dienst antraten. Salukis und Ge-      hunden wie z.B. Shar Pei und Basenji mit
      parde wurden so nach Europa gebracht, und         39,2% recht nahe steht, deutlich näher je-
      wenn man das weiß, erscheint es ganz nor-         denfalls als den übrigen drei Gruppen der
      mal, dass die Brüder Limburg in den Très          doggen-molosserartigen Hunde (D), der
      Riches Heures du Duc de Berry einen der           Hütehund-Gruppe (H) und der Jagdhund-
      „Heiligen Drei Könige“ mit zwei Geparden          Gruppe (J), aber mit knapp 40% W-Anteil
      zeigen. Und es ist auch überliefert, dass der     setzt sich der Saluki molekulargenetisch im-
      französische König Louis IX. angeblich mit        merhin zu gut 60% auch aus den anderen
      einem Rudel Salukis 1252 aus dem „Heiligen        Gruppen zusammen. Ein Blick hinüber zu
      Land“ zurückkehrte. Louis IX. kreuzte sie an-     seiner Berg-Variante, dem Afghanen (> 5:
      geblich mit seinen französischen Bracken,         Abb. 31), gibt den Hinweis, dass der Afgha-
      und es entstanden so die Eltern der heutigen      ne der W-Gruppe mit 63,4% W-Anteil deut-
      Spaniel-Gruppe, in der die typische Behaa-        lich näher steht und mithin als Vorfahre des
      rung des Saluki erkennbar bleibt. Umge-           Saluki anzusehen ist. Das bedeutet nicht un-
      kehrt entdeckten die muslimischen Feudal-         bedingt, dass Afghane und Saluki in südost-
      herren den europäischen Vorstehhund für           asiatischen Steppen entstanden sein müs-
      sich, arabisch zagari genannt, der in den         sen, aber es spricht doch viel dafür, dass der
      islamischen Gebieten erst ab dem 12. christ-      Saluki viel mehr europäischen Einflüssen
      lichen, also ab dem 6. islamischen Jahrhun-       ausgesetzt war als der weiter östlich leben-
      dert als Folge der Kreuzzüge auftritt. Sie sind   de Afghane, denn sein J-Anteil liegt mit
      kleiner als die Saluki, wie der Enzyklopädist     50,9% deutlich höher als der des Afghanen
      al-Qalqasandi berichtet (in: Viré, 237). Die      mit nur 25,6%. Ob man dies auf die Kreuz-
      arabische Bezeichnung zagari ist vielleicht       züge oder auf spätere oder auf wesentlich
      europäischen Sprachen entlehnt: Der Vor-          frühere Einflüsse zurückführen kann, muss
      stehhund wird im Griechischen dzagarion           z.Z. noch offenbleiben. Eine Konsequenz
      und im (mittelalterlichen?) Lateinischen sa-      zeichnet sich aber wohl ab: Beide - Saluki wie
      garius genannt, beide Begriffe sind wiede-        Afghane - stehen dem urhundartigen W-Typ
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    14             1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

         deutlich näher, und so bleibt nur die Gewiss-
         heit, dass der Saluki selbst deutlich älter ist
         als jene angeblich von ihm abstammenden
         Rassen, deren zweifelhafte „Zeiger“-
         Etymologie eher auf das uns schon hinrei-
         chend bekannte tsakurra (> I, 13-5) zurück-
         geht und das nun seinerseits ein wesentlich
         höheres Alter indiziert als das europäische
         Mittelalter; additiv zu erwägen ist auch
         noch die semantische Verwandtschaft mit
         dem ostasiatischen tsakh/zag (> I, 13-5). Die
         bislang früheste bildliche Darstellung eines
         saluki-ähnlichen Hundes ist von den
         Frühneolithikern der Tell-Halaf-Periode
         (von - 5.300 bis - 4.300) überliefert, deren
         Nachfolger noch am Ende des - 2. Jahrtau-
         sends ihr paläomentales Substrat mit den
         „Tier-Musikkapellen“ manifestieren, wie
         wir bereits sahen (> IV, 214-31), in denen der
         Hund seine Rolle spielt. Der auf einer Kera-
         mik dargestellte Hund wird an der Leine ge-
         führt. Ein Siegelabdruck aus der Ubaid-
         Periode des Tell Arpachiya (um - 5.000) bei
         Mossul zeigt ebenfalls eine Art Windhund.
         Über 300 Siegel und Siegelabdrücke aus            Siegelabdrücke mit den saluki-ähnlichen Jagdhunden
         Tepe Gawra zeigen Hunde in Jagdszenen,            aus Tepe Gawra (um -4.000). In: Brewer, Abb. 4.22.
         und der vorsichtige Ausgräber meint:

           The animals depicted are rarely of any            It is moreover common practice in parts
           domesticated variety, except for the              of former Mesopotamia for Salukis´ ears
           commonly represented Saluki (> rechts:            to be cropped so that they stand up and
           Abb. 4.22; Zitat in: Brewer, 68).                 it is possible that this is an old tradition
                                                             that might have been reflected in the
         Auf einem Becher und einer Vase aus Susa            early artistic representations of these
         (um -4.000) im Iran sehen wir wieder saluki-        animals. Certainly in Arabia in pre-
         ähnliche Hunde bei der Jagd auf Wildziegen          Islamic times it was common practice to
         (> 15: Abb. 4.25) Man hat den zottigen              cut off or slit the ears of certain animals
         Caniden auf dem oberen Teil der Abbildung           which had been dedicated to pagean
         für einen Wolf gehalten, während man in             deities in order to distinguish them from
         den beiden anderen problemlos den Haus-             those which had not (Clark, 69-70).
         hund erkannt hat - und erleichtert stimmt
         Clark (in: Brewer, 68) dieser Zuordnung zu,       Auf einem anderen Becher (> 16: Abb. 2)
         denn indeed one of them is held by him on         aus Susa sind Windhunde im Lauf gemalt.
         a leash. Da aber der „Wolf“ dieselbe Position     Während Ullrich für den Becher Wind-
         einnimmt wie die beiden Haushunde, könn-          hunde annimmt, hält er den Hund mit den
         te man in ihm einen zotthaarigen Herden-          ebenfalls halb aufgerichteten Ohren auf
         schutzhund erkennen - wenn die Rute nicht         der Tonscherbe (> 17: Abb. 3) für eine
         wolfgemäß getragen würde. Die Stehohren           Kreuzung zwischen einem Windhund und
         interpretiert Clark als kupierte Ohren:           einem „Spitz“, wie er ihn auf zwei frühe-
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                                                 SALUKI UND AFGHANE                                                    15

      Kein „dicker“, sondern ein schlanker Hund - allein auf
      einem Stempelsiegel aus der uruk-zeitlichen Schicht XII
      von Tepe Gawra: Offensichtlich ein Hund im Saluki-Typ.
      In: Göhde 2, 5. Unten: Ein an den Ohren teilamputierter
      Saluki aus dem heutigen Syrien. In: Brewer, Abb. 4.26.

                                                                Saluki-ähnliche Hunde (mit kupierten Ohren?) bei der
                                                                Wildziegenjagd: Auf einer Keramik aus Susa im Süd-
                                                                westen des Iran (um - 4.000). Unten: Für die Wild-
                                                                schweinjagd wird der Hund auf diesem römischen Mo-
                                                                saik aus Carthago mit einer Leibbinde geschützt (2.
                                                                Jahrhundert). In: Brewer, Abb. 4.25 & 5.15 (unten).

      ren Tonplastiken                                            zumal derartige Figuren gerne mit einem
      aus Susa 1 erkennt                                          Faden umwickelt aufgehangen wurden,
      (> rechts & > 17:                                           namentlich dann, wenn sie als Idole gegen
      Abb. 1). Dem zwei-                                          Krankheiten in Verwendung standen.
      ten „Spitz“, der,
      wie Ullrich meint,                                        Man kann die Leibbinde aber auch als
      mit einer Leibbin-                                        Schutz der Flanken des Hundes z.B. bei der
      de dargestellt ist, spricht er Stehkippohren              Wildschweinjagd verstehen, wie ein Mosaik
      zu. Die Binde deutet Ullrich als die                      in Karthago nahelegt (> oben: Abb. 5.15)
      Abnützungsrinne eines Amuletthalters,                     oder als Andeutung eines Brustgeschirrs.
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    16               1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

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                                                                                                   bechern aus Susa/Iran
                                                                                                   (um -4.000): Die langge-
                                                                                                   streckt galoppierenden
                                                                                                   Hunde könnten als Sa-
                                                                                                   lukis interpretiert wer-
                                                                                                   den; allerdings gibt es re-
                                                                                                   lativ ähnliche Darstellun-
                                                                                                   gen auch aus dem früh-
                                                                                                   neolithischen Europa. In:
                                                                                                   Brewer, Abb. 4.23 (links),
                                                                                                   4.24 & > III, 551: Abb. 363).

         Windhunde mit Stehkippohren auf einem Becher (> links oben) und auf einer Tonscherbe (> 17: Abb. 3) aus der
         Fundschicht Susa 1, der ältesten überlieferten Epoche des Iran: Natürlich aus einer elamo-drawidischen und nicht
         aus einer indo-iranischen Kulturschicht. „Es handelt sich um die Abbildung eines Bechers, auf dem Caniden im
         Lauf gemalt sind ... Der Kopf ist lang und spitz, die Schnauze gestreckt, der Gesichtsteil überwiegt den Gehirn-
         teil. Die Stirne erscheint niedrig. Der Gesichtsteil ist schwach abgesetzt. Der Fang ist geschlossen. Die Ohren sind
         halb aufgerichtet. Der Hals ist lang, schmal und gestreckt, gut in die Schulter eingelassen. Die Brusttiefe ist re-
         lativ gering, ziemlich lang und gerade. Die Läufe sind lang und kräftig, nach vorne gestreckt. Der Rücken ist
         gerade. Der Bauch erscheint leicht aufgezogen und die Flanken sind kurz. Die Rute ist sichelförmig und wird eher
         hoch getragen. Das Haarkleid ist vermutlich kurz und glatt, die Haare anscheinend pigmentiert. Nach der
         Körperform kann auf einen Windhund geschlossen werden.“ Zitat & Bild in: Ullrich, Abb. 2.

         Oben: Felsgravur einer Straußenjagd aus dem südlichen
         Jordan-Tal (um -100 bis 200): Eine erstaunliche Kon-
         tinuität des Saluki-Typs in Zeit und Raum. Dass man das
         Konto der Kontinuität vielleicht auch überziehen kann,
         zeigt Clark mit seinem Kommentar zu einem anderen
         Felsbild (> rechts):“Petroglyph of a Saluki riding behind
         his master”. In: Brewer, Abb. 4.27 (oben) & 4.28 (rechts).

         Rechts: Auf einer dieser beiden Münzen aus dem - 4.
         Jahrhundert aus Panormus (~ Palermo) erkennt Hilz-
         heimer trotz eines massigen Halses und Stehohren
         einen dem Saluki ähnlichen Hund - vielleicht eher eine
         Kreuzung im Typ des Kangal? In: Hilzheimer, Fig. 3.
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                                        EXKURS: DER BOOJY - EIN HÜTEHUND?                                                        17

      „Das Bild zeigt einen Tonscherben mit einem Caniden        „Das Bild stellt eine Plastik aus Ton dar, die der ... ältes-
      ... Der Kopf ist langgestreckt und schmal, in der          ten Kultur von Susa entstammt. Es ist die Darstellung
      Parietalgegend gewölbt. Die Gesichtstiefe erscheint        eines Hundes mit einem Halsband. Der Kopf ist auf-
      gering ... Die Ohren sind spitz und halb aufgerichtet ..   recht, man findet eine mäßig spitze Schnauze, der Fang
      Die Vorhand ist mittellang und gerade. Der Rücken ist      ist geschlossen. Das Ohr ist aufrecht, hoch angesetzt
      gerade. Die Rute wird sichelförmig hochgetragen. Das       und an der Ohrspitze geknickt. Der Gesichtsteil ist von
      Haarkleid wird vermutlich mittellang und dicht ge-         der Stirne wenig abgesetzt. Die Profillinie ist an der
      wesen sein. Dem Aussehen nach entspricht dieser            Nasenwurzel konvex (wobei eine Abnützung des Ton-
      Hund einer Kreuzung mit dem Windhund.“ Zitat & Bild        materials nicht ausgeschlossen werden kann). Der Hals
      in: Ullrich, 5 & Abb. 3.                                   ist eher gedrungen und bemuskelt. Die Schulter ist
                                                                 schräg und muskulös. Der Brustkasten ist tief und
                                                                 geräumig. Die Vorhand ist mittellang, gerade und stark,
                                                                 mit steiler Fesselung. Die Pfoten sind rund. Der Rücken
                Exkurs:                                          ist gerade und der Widerrist hervortretend. Die Lende
                Der Boojy - ein Hütehund?                        ist gewölbt und kräftig. Der Bauch erscheint leicht auf-
                                                                 gezogen. Die Hinterhand und die Rute sind infolge
                                                                 Materialbruches leider nicht erhalten geblieben ...
                 Der Typ und die symbolische Funk-               Wenn man den abgebildeten Hund somit einer kri-
      tion dieser „Spitz“-Hunde entsprechen wahr-                tischen Betrachtung unterzieht und ihn mit heute
      scheinlich zuerst den natufzeitlichen Hunden               lebenden Hunderassen vergleicht, so ist er am ehesten
      Palästinas (> IV, 168-77) und danach den                   dem Spitz zuzuordnen.“ Zitat in: Ullrich, 3 & Abb. 1.
      frühägyptischen Hunden, wie sie Desroches
      Noblecourt beschrieben und dokumentiert
      hat (> III, 256-67). Dieser „Basenji“-Typ wird               Die Läufe der Hunde sind sehr kurz und
      von mir gedeutet als eine Art Jagd-Hüte-                     stilisiert dargestellt, so dass man fast an
      Hund, wie man ihn in der Übergangszeit zwi-                  das Bild eines Dachshundes erinnert
      schen der paläolithischen und der neoli-                     wird; es dürfte sich aber wohl nur um
      thischen Wirtschaftsweise wahrscheinlich po-                 eine unbeholfene Darstellung liegen-
      lyvalent eingesetzt und danach spezialisiert                 der Caniden handeln.
      hat. Diese Hunde mit mittellangen Läufen
      und Stehohren erkennen wir auch auf Dar-                   Ich nehme an, dass aus dem „Basenji“-Typ (>
      stellungen der zeremoniellen Steinbockjagd                 III, 279: Fig. 2) auch der Saluki und der Tesem
      im Yemen und anderswo (> I, 59: Abb. 12 & >                entwickelt wurden; Ullrichs Vermutung ei-
      II, 330-1: Abb. 58 & 59 & > III, 277, Abb. 82). Ull-       ner „Kreuzung“ zwischen diesem „Spitz“
      rich hält die auf einer bemalten Keramik (> 18:            und dem Windhund müsste chronologisch
      Abb. 6) aus Susa 1 im typischen Dreieckstil (>             vom Kopf auf die Füße gestellt und als Über-
      652) dargestellten Steinböcke für stilisierte              gangstyp erkannt werden. In diesen Kontext
      Rinder, die von Hunden bewacht werden:                     wären dann auch „Salukis“ mit ganz oder
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    18               1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

         „Man erkennt eine primitive, zum Teil stilisierte
         Darstellung von weidenden Rindern. Rings um die
         Herde sind Caniden zur Bewachung ... die Körper-            Der bis 1955 einzige Fund eines Hundeskelettes aus
         formen entsprechen wohl dem Windhundtyp oder                dem Iran (um -2.800) stammt von einem in doppelter
         zumindest Kreuzungsformen mit diesem“. Zitat & Bild in:     Hinsicht kleinen Hund: Er war noch sehr jung und hatte
         Ullrich, 6 & Abb. 6. Unten: Wahrscheinlich ein Ausschnitt   ca. 30 cm Widerristhöhe. In: Ullrich, Abb. 10. Unten: „Auf
         aus einer Wildpferdjagd mit einer Hundemeute: Der           einer Vase der Susa 1-Periode findet sich wieder ein
         erste Hund des Rudels hat das Tier gestellt, die ande-      Hund, der die nachstehend beschriebene Körperform
         ren, nicht dargestellt, eilen zur Attacke herbei; aus der   aufweist. Der Kopf ist spitz und keilförmig, der Fang
         Schicht Susa 1. Die Halbkreise als „KUR“-Symbole, auf       geschlossen. Der Hals ist mittellang und aufgerichtet.
         denen Hund und Wildpferd (oder Onager?) stehen,             Die Brust ist mitteltief. Die Vorderhand ist lang, gerade
         zeigen wohl nicht nur den Ort des Geschehens an, näm-       und kräftig. Der Rücken ist gerade und leicht gesenkt.
         lich das Gebirge, sondern auch die zeremonielle             Der Rumpf ist verhältnismäßig lang. Die Kruppe ist kurz
         Konnotation der Jagd. In: Ullrich, Abb. 7.                  und abfallend. Der Bauch ist aufgezogen. Die Hinter-
                                                                     hand ist mittelkräftig und gerade. Die Rute wird hoch
                                                                     getragen und ist als Hakenrute anzusprechen. Den
                                                                     Körperformen entsprechend kann man dieses Tier
                                                                     ebenfalls als eine Kreuzung mit dem Windhund an-
                                                                     sehen“, meint Ullrich und denkt wohl an den „Spitz“ als
                                                                     „Kreuzungspartner“ des Windhundes. Es ist aber
                                                                     fraglich, ob ein zufälliges Kreuzungsprodukt zu diesen
                                                                     ikonographischen Ehren kommen konnte, zumal seine
                                                                     Arbeitsleistungen kaum kalkulierbar waren. Zitat & Bild
                                                                     in: Ullrich, 7 & Abb. 8.

         halb aufgerichteten Ohren einzuordnen.
         Dem von mir als pes bzw. perro/pek (> I, 38
         & 119-20 & > II, 9-11 & > IV, 18, 23 (Abb.), 156
         & 242) bezeichneten kleinen bis mittel-
         großen paläolithischen Basistyp entsprechen
         auch weitere Funde aus Susa 1, auf denen                    Skelettfund eines schlanken, pariahähn-
         z.B. ein Hund und ein Wildpferd (oder ein                   lichen und etwa 30 cm großen bzw. kleinen
         Wildesel?) zu sehen sind (> oben). Der Hund                 Junghundes (> ganz oben) aus der
         ist im typischen Dreieckstil dargestellt, wie               Grabungssaison 1932/33 einer schwedischen
         wir ihn bereits aus der Sahara kennen. Der                  Expedition im Iran könnte dem Basistyp des
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                                                                     Im Tempel des Mondgottes Sin in Chafadji
                                                                     fand man den gleichen Typ als Steatit-Figu-
                                                                     rinen aus derselben Zeit (> links), die als
                                                                     Amulette verwendet wurden, with their
      Schon im frühen Neolithikum, um -5.000, sind bereits           tails of wavy hair curled over their backs.
      Steatit-Amulette in Gestalt kleiner Hunde (~ Hüte-             Und auf einem Siegelabdruck aus Farah (in:
      hunde) in Gebrauch. In: E. van Buren (1939), 7, Fig. 11 a-c.   Heinrich, Fara, Tafel 45 i) hüten Männer
                                                                     Rinder - Ullrichs etwas zweifelhafte Identi-
                                                                     fikation der Steinböcke als Rinder (> 18:
      pes/perro/pek zugeordnet werden, aus dem                       Abb. 6) ist also kein Gegenargument!) -,
      einerseits kleine Jagd-Hütehunde, auch als
      „Terrier“, „Torfhund“ oder „Spitz“ bezeich-                      and a small dog with a plumed tail
      net (Clark, 71), entwickelt und in Mesopota-                     appears to leap forward as if protecting
      mien bis zum heutigen irakischen Boojy tra-                      the herd from predators,
      diert wurden, aus dem andererseits der
      Tesem-Typ zunächst mit ganz aufgerichteten                     wie nicht nur Clark (in: Brewer, 71) meint,
      Ohren, dann der Afghane und der Saluki mit                     denn er übernimmt Elisabeth van Burens
      zunächst noch halb aufgerichteten, dann                        Beschreibung des Siegels beinah wörtlich
      hängenden Ohren abgeleitet wurden. Zum                         und beide wissen offensichtlich (nicht?),
      Saluki sind noch weitere, diesmal naturbe-                     wovon sie reden, wenn sie shepherd-dog
      lassene Vertreter nachzureichen, die auf 6                     und sheep-dog sagen, obwohl van Buren
      cm hohen Kupferfigurinen aus dem Tell                          1939 (15) verheißungsvoll beginnt:
      Aqrab im Einzugsbereich des Diyala-Flusses
      östlich von Baghdad aus der Zeit um -3.600                       The shepherd-dog must not be confused
      zu sehen sind (Clark, 70). Um -1.900 zeigt ein                   with the sheep-dog, a big, woolly beast
      zylindrisches Siegel aus der ersten babylo-                      with short muzzle and drooping ears,
      nischen Dynastie den Saluki auch als Hund
      der Göttin Gula. Seine Ohren sind nach hin-                    weiß sie, obwohl sie wenige Abschnitte vor-
      ten gelegt und wahrscheinlich nicht kupiert.                   her und auch noch auf derselben Seite den
      Die These, kupierte Hunde seien Gottheiten                     shepherd-dog definiert als
      geweiht, wird also relativiert. Die Tradition
      des Saluki als Rasse hat zwar ein beträcht-                      standing over 65 cm high at the shoul-
      liches Alter, aber auch die übrigen „Typen“                      der, with flat-topped head, pointed
      scheinen weitgehend stabilisiert, sodass man                     muzzle, low forehead, and hanging
      sie durchaus auch als Rassen bezeichnen soll-                    ears; the hair is either curly, wavy, or
      te. Dazu gehört auch jener kleine Hund, den                      rough, never smooth. These dogs were
      Ullrich am ehesten mit dem heutigen Spitz                        not employed to herd cattle, but to
      identifizieren möchte und der immer noch                         guard them against marauders, either
      als Terrier benannt falsche Assoziationen                        human or animal. A cross between the
      wecken könnte, wie dies heute noch der                           mastiff and the shepherd-dog pro-
      Tibet-„Terrier“ tun muss: Ein Zylindersiegel                     duced a race of hunting dogs with wide
      aus der Jemdet-Nasr-Periode (um -3.000),                         brows and well-developed short muzzle
                                                                       rounded in front, and cross-breeding
        which was found below the ´White                               eventually resulted in many varieties of
        Temple´ at Warka (~ Uruk) in southern                          hunting and coursing dogs, such as
        Iraq shows a hunting scene in which two                        pointers, setters, spaniels, etc. ... Cour-
        men are preceded by a small dog with                           sing dogs, smooth, short-haired animals
        pointed ears and muzzle and a tail curled                      with slender bodies set on long legs,
        over its back (Clark, in: Brewer, 71).                         pointed heads, small pointed ears, and
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    20             1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

           a long, thin tail. To this group belong         sondern auch mental zwar größenwahn-
           wild dogs (~ Pariahunde?), the Iraqi            sinnige, aber von der Widerristhöhe her eher
           Seluki (!), and the modern greyhound.           kleine Hütehunde beteiligt: Dem Satz

         Wir sind im Jahr 1939, und die Abstam-              Die Schafe und die Hunde sind in GN
         mungstheorien schießen ins Kraut, ohne mo-          und GN2 (Salonen, 79)
         lekulargenetische Korrekturmöglichkeit. Im
         Jahr 2004 wissen wir (vorläufig), dass die mo-    könnte man entnehmen, dass Schafherden
         lossoiden Hunde den Herdenschutzhunden            von Hunden begleitet werden und dass die
         vorausgehen - vermutlich als Saupacker seit       Hunde bei den Schafen bleiben, folglich
         dem Mesolithikum aus paläolithischen Las-         Herdenschutzhunde sind. Offen bleibt aber,
         tenträgern (> I, 539-45: z.B. die Hidatsa-Hun-    ob das auch gemeint ist mit dem Satz:
         de & > IV, 46: Abb. 206) entwickelt -, dass die
         Herdenschutzhunde (vielleicht) aus Kreuzun-         ki kalbi arkika ittanallak (bzw. palatu) -
         gen zwischen „molossoiden“ Lastenträgern            der Hund überwacht (bzw. ihm werden
         und Hütehunden entstanden sind, und wir             anvertraut) Schafe (in: Salonen, 86).
         wissen auch, dass der Saluki, mehr sogar noch
         der Afghane, von den Urhunden her ent-            Den mehrdeutigen Texten stehen aber bild-
         wickelt wurde und nicht aus angeblichen           liche Darstellungen gegenüber, die für ei-
         Kreuzungen der wiederum aus angeblichen           nen Hütehund sprechen:
         Kreuzungen entwickelten hunting dogs, wie
         zumindest die molekulargenetische For-              Below the ´White Temple´ at Warka (~
         schungsgruppe um Heidi Parker 2004 nach-            Uruk) in levels C and D-E many small
         gewiesen hat. Dieser Sicht steht entgegen die       objects came to light, and among them
         vom französischen Geographenpapst Xavier            a remarkable gypsum cylinder seal
         de Planhol vorgebeteten und vom Domesti-            attributable to the Jemdet Nasr Age (~
         kationstheoretiker Jean-Pierre Digard und           um - 5.000; in: Heinrich, UVB VIII, S. 52,
         von anderen nachgeleierte, aber massiv vor-         Taf. 49, a). The cutting is very deep, so
         getragene und gegensätzliche Theorie, der           that the figures in the impression stand
         Hütehund sei erst auf Island nach Ausrottung        out in unusually high relief, and the
         von Bär und Wolf um 1200 bis 1220 entstan-          subject appears to be a hunting scene,
         den und von dort im 15. Jahrhundert nach            for a lion can be seen between two men
         England und Wales, dann im 17. Jahrhundert          who are preceded by a small dog with
         nach Nord-Frankreich exportiert worden und          pointed ears and muzzle, and a tail cur-
         habe „schon“ Anfang des 19. Jahrhunderts            ling over his back. Figurines of dogs like
         Süd-Frankreich erreicht: Trotz dieser „Theo-        this one for use as amulets (!), with their
         rie“ also, die selbst französische Zeugnisse        tails of wavy hair curled over their
         ante quem sträflich negiert wie z.B. die von        backs, were found in the Jemdet Nasr
         den Brüdern Limburg (> VI) zwischen 1410            Temple of Sin at Khafajeh (Fig. 11; > 1,
         und 1412 ausgemalten Stundenbücher des              ganz oben & > 19: Abb. 11). They are of
         Herzogs Jean de Berry, die kleine Hunde mit         glazed steatite, and the holes for the
         Hirten und Herden im Hüte-Kontext zeigen,           eyes were incrusted (Buren, 1939, 16).
         oder den Grant Kalendrier der Schäfer von
         Troyes aus dem Jahr 1480 (> VI), trotz dieser     Es ist ein small dog, keine small figurine of a
         „Theorie“ ist es durchaus legitim, Spuren des     dog, von dem hier die Rede ist; zudem hat er
         Hütehundes schon im Alten Mesopotamien            Stehohren und ist auch daher - zusätzlich zur
         zu suchen, wo sie denn auch zu finden sind:       eindeutig geringeren Widerristhöhe - nicht mit
         So waren an der Verteidigung des Viehs vor        einem Molosser zu verwechseln. Diese kleinen
         den Löwen nicht nur Herdenschutzhunde,            Hunde scheinen Hütehunde zu sein, denn
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