Gehören wir alle zusammen auf die Couch ? - Tabuthema : Psychosoziale Belastungen und mangelnde Führungskompetenz in den Gemeinden
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
06 » REPORTAGE Auteur FGFC Rédacteur Marco Thomé Photos Getty images Gehören wir alle zusammen auf die Couch ? Tabuthema : Psychosoziale Belastungen und mangelnde Führungskompetenz in den Gemeinden Als Gewerkschaft sind wir zunehmend einfach am Bewusstsein der Verant mit Erscheinungen von Burnout, wortlichen, dass immer mehr Personen Mobbing, Zynismus oder innerer im Kontext der Arbeit krank werden. Kündigung bei den MitarbeiterInnen Ein Plädoyer für die Einführung einer der Gemeinden befasst, ohne den psychosozialen Beratungsstelle im betroffenen KollegInnen wirklich öffentlichen Dienst : helfen zu können. Sowohl politisch Verantwortliche, Betroffene als auch „Dir hutt et dach gutt“ wir Gewerkschaften sehen mit zuneh mender Sorge diese Entwicklung. Oft Nicht selten werden wir Bedienstete im WWW PLUS D’INFOS werden die Beteiligten mit diesen Pro öffentlichen Dienst, im Familien- oder www.fgfc.lu blemen alleine gelassen oder es fehlt Freundeskreis mit herablassenden
» 07 Bemerkungen zu unserer Arbeitsleistung Bedienstete das Gefühl in einem goldenen konfrontiert. „Dir hutt et dach gutt !“ oder Käfig zu sitzen, in dem es sich „überleben“ Saviez-vous ? „Dir verdéngt gutt, ouni vill ze schaffen !“, lässt. Die Anerkennung des eigenen zählen hier noch zu den harmloseren Engagements innerhalb der Arbeit fehlt Salutogenese Äußerungen. oftmals ganz. Wird eine solche Anerken- nung gar direkt eingefordert, heißt es oft : Salutogenese (lat. salus ‚Gesund Bei allen Forderungen um den Ausbau „Dafür wirst du gut bezahlt und vor der Tür heit‘, ‚Wohlbefinden‘ und -genese, oder den Erhalt unserer sozialen Errungen warten viele auf deinen Job !“ also etwa „Gesundheitsentstehung“) schaften, müssen wir anerkennen, dass bezeichnet zum einen eine Frage unsere KollegInnen mehrheitlich sozial gut Im Hinblick auf die kommenden Reformen stellung und Sichtweise für die abgesichert sind. Die Arbeitsplatzgarantie des Dienstrechtes und darüber hinaus- Medizin und zum anderen ein Rah- im öffentli- menkonzept, das sich auf Faktoren chen Sektor ist und dynamische Wechselwirkungen ebenfalls nicht bezieht, die zur Entstehung und von der Hand Motivierende Erhaltung von Gesundheit führen. zu weisen und ein hohes Gut. Arbeitsbedingungen Der israelisch-amerikanische Medi zinsoziologe Aaron Antonovsky Wir wollen statt sinnleere Prozeduren ! (1923-1994) prägte den Ausdruck also unsere in den 1980er Jahren als komple- soziale Sicher mentären Begriff zu Pathogenese. heit im öffent- Nach dem Salutogenese-Modell lichen Dienst würdigen. Jammern ist nicht gehender Themen, werden in Zukunft ist Gesundheit nicht als Zustand, angesagt, auch wenn der überwiegende immer häufiger die Kompetenz, das sondern als Prozess zu verstehen. Teil unserer KollegInnen den unteren Lauf- Engagement und die Arbeitsmoral der (Wikipedia) bahnen zugeordnet ist und das Leben hier Bediensteten auf dem Prüfstand stehen. auch nicht immer ein Honigschlecken ist. Die allgemeinen gesellschaftlichen Ent wicklungen halten also auch Einzug im Goldener Käfig ? öffentlichen Dienst. Die Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter steigen Haltung der KollegInnen am Arbeitsplatz Man könnte also meinen, alles wäre in stetig. Überforderung aber auch Unterfor- ließe sich alleine durch ein angemessenes bester Ordnung und das Gemeinde derung sind an der Tagesordnung. Gehalt erkaufen. personal müsste rundum zufrieden sein. Betriebliche Gesundheitsförderung Wir haben also eine gemeinsame Aufgabe Vertrauliche Gespräche mit politisch nichts Neues uns um die betriebliche Gesundheit am Verantwortlichen und KollegInnen lassen Arbeitsplatz zu kümmern und das jedoch erahnen, dass in den Gemeinden der Wenn wir gemeinsam, Innenminister, Bewusstsein für die organisatorischen Haussegen nicht selten schief hängt. Arbeits Gemeinden und Gewerkschaften die ak- und sozialen Zusammenhänge innerhalb teilung, Kommunikation und Engagement tuelle Diskussion über Dienstleistungsqua- der Dienststellen zu schärfen. liegen oft im Argen. Auf sämtlichen Hierar chieebenen sind zynische Einstellungen und Anzeichen innerer Kündigung zu verspüren. Dieser Umstand wird von den Beteiligten oft tot geschwiegen oder im Wir brauchen Stillen als unumstößliche „normale“ Tat- einen geschützten Rahmen sache unwillig hingenommen. Chefs und Betroffene werden mit diesen Themen für Krisenintervention alleine gelassen oder gar noch schlim- mer, ihnen fehlt einfach das Bewusstsein, dass vieles innerhalb der Dienststellen im Argen liegt. lität und Personalmanagement bei den Unseren Dienstherren obliegt hier eine Gemeinden ernst nehmen wollen, haben gesetzliche Verpflichtung. Auf Grund der ausreichenden finanziel- wir ein grundlegendes Interesse daran, len Versorgung sowie der persönlichen an einem Strang zu ziehen. Es ist ein Trug All diese Erkenntnisse sind nicht neu. finanziellen Verpflichtungen, haben viele schluss zu glauben, eine positive innere Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF)
08 » REPORTAGE umfasst alle gemeinsamen Wie sieht unsere Wahrheit aus ? Maßnahmen von Arbeitge- bern, Arbeitnehmern und Wir investieren Der theoretische Teil beschreibt hier die Gesellschaft zur Verbes- serung von Gesundheit lieber in Beton Visionen auf die hingearbeitet werden könnte. In der Praxis wollen wir jedoch und Wohlbefinden am als in die Menschen keine Luftschlösser bauen, sondern Arbeitsplatz. Innerhalb der konkret ins Tun kommen und folgende sogenannten „Luxembur- Hierauf werden wir zu einem späteren Themenbereiche angehen : gischen Deklaration“ hat die Europäische Zeitpunkt zurückkommen. Kommission bereits 1997 klare Richtlinien • schlechter Kommunikationsfluss ; und Empfehlungen ausgegeben. Bei einem allgemeinen Rundumblick über • unklare Verantwortlichkeiten ; die konkrete materielle Ausstattung der • mangelnde Führungsfähigkeit 2012 hat Gesundheitsminister Mars Kommunen lässt sich wohl sagen, dass (seitens des Personals und der Politik) ; di Bartolomeo ein Gutachten über die es uns hier, von Ausnahmen abgesehen, • mangelnde Wertschätzung „Gesundheit am Arbeitsplatz“ in Auftrag an nichts fehlt. Luxemburger investieren und Anerkennung ; gegeben. Dessen Schlussfolgerungen eben gerne in Beton. • unklare Zielsetzung ; sind sehr ergiebig, zumal festgestellt • mangelnde Motivation bzw. die wurde, dass für den gesamten öffent- Wenn die materiellen Parameter größten- Demotivation engagierter Mitarbeiter. lichen Dienst (Staat, Gemeinden und teils stimmen, so stellen wir bei der psy- sonstige Dienststellen) nur drei Personen chischen und sozialen Gesundheit ganz Das Thema der sozialen Kompetenz für diesen Themenbereich zuständig sind. andere Probleme fest. Gesunde Bezie- durchdringt hier sämtliche Beziehungs Diese Anzahl zeigt mehr als deutlich auf, hungen in diesem Bereich sind gekenn- ebenen. Angesichts der aktuellen Situa welches Bewusstsein in Luxemburg in zeichnet von gegenseitigem Respekt und tion stellt sich also die Frage : „Muss unsere Bezug auf die Gesundheit am Arbeitsplatz Wertschätzung. Solche Arbeitsbeding Sozialkompetenz auf die Couch ?“ Sind im öffentlichen Dienst besteht. Hier lässt ungen motivieren eher als sie demoti- wir uns bewusst, dass neben vielerlei die Fürsorgepflicht der öffentlichen Arbeit vieren. Die Problemstellungen in diesem Fachkompetenzen vor allem das Wissen geber doch sehr zu wünschen übrig. Bereich sind vielfältig, weil Arbeitsbelas- über moderne Kommunikationsformen tungen und private Problemstellungen für unser Zusammenarbeiten unabding- Ebenfalls hat die Arbeitnehmerkammer hier in Wechselwirkung stehen. bar ist ? (Chambre des Salariés) kürzlich einen Leit- faden betreffend psychosoziale Risiken am Jede Dienststelle ist zugleich auch ein Was vor allem fehlt, ist gegenseitige Arbeitsplatz aufgelegt. Dieses praktische soziales System indem ganz konkrete Anerkennung, sowohl für die geleistete Handbuch soll den betriebsinternen Beziehungsproblematiken und Herausforde Arbeit als für das persönliche Engage- Sicherheitsdelegierten in den Privatbe- rungen zum Tragen kommen. Das Rahmen- ment. Diese Anerkennung ist uns allen ein trieben als Richtschnur für ihre Arbeit vor konzept der sogenannten Salutogenese menschliches Grundbedürfnis. Zumal im Ort dienen. mit dynamischen Wechselwirkungen zur öffentlichen Dienst, in dem die Organisa- Entstehung und Erhaltung von Gesundheit tion über Gesetze und sinnleere Prozedu- Worum geht es ? gilt hier als wissenschaftliches Fundament. ren abgehandelt wird, viele Beteiligte an diesen Missständen leiden. Betriebliche Gesundheitsförderung hat als Frage ist also im jeweiligen System : Was Ziel gesunde Arbeitsbedingungen für alle stärkt uns beim gemeinsamen Erreichen Modernes Kommunikationsmanagement Beteiligten zu schaffen. Gesunde Arbeits- unserer Ziele ? ist in vielen Kommunen immer noch bedingungen setzen sich aus physischer, ein Fremd- psychischer und sozialer Gesundheit wort. Hinzu zusammen. Zur physischen Gesundheit kommt, dass gehört die konkrete Sicherheit am Arbeits Mobbing ist inakzeptabel im stark platz inklusive Prävention, Ergonomie, gesundes Raumklima und vieles mehr. und ein Straftatbestand ! politisch geprägten Kommunal- Bei der Sicherheit am Arbeitsplatz stellen sektor, die sich aktuell ganz konkrete Fragen in Gegenteil hiervon ist : Wie können wir uns Menschen oftmals zwischen roter, schwar- Punkto Zuständigkeiten von ITM und dem gegenseitig schwächen, damit am langen zer, grüner oder blauer Parteizugehörigkeit Generalsinspektor für die Sicherheit im Ende eine Person die Macht über eine stigmatisiert werden. öffentlichen Dienst. andere erlangt ?
» 09 Po n z g rc i h ge litik t e i t p e t e n r t u g era Hi last u n p k ee b n s d h s k m o tw n g rd o e r u n n i g a B e e s u r u r n ve un sfo s g R h en enn rau E r G e ü F Eig rk He e n g Pe Wa Anratun rozesse etzu g g for na el Ko Ge nage rso nd nz l s un g Ma de l Be P e ep t i v Zi hr un te r a ild me men k n a r E rb f h en Kr c k e itik e g i s ha n teg n R i s i i e sent e indt n e W n M tra tier t de i s S ek ien e hw ln u c refl effiz logi ing Fa e t z n o ch i t h l s y c o b a e zi a ä P C Ar so för sun ete h Lö mp ng de c rn Ko klu Ent l s Fre ib e tr ize wic x g e g it l en z fl r fo e l e m E n Zi e e a gie T ate nz W Di herh Sic en eit Str pete stl eis om l k t a un z i So g
» 011 Es kann auch nicht angehen, dass KollegIn- Was sollen wir tun ? Was eine solche psychosoziale Beratungs nen in Kommunen einfach ignoriert und/ stelle leisten kann, entnehmen Sie bitte oder perfide verfolgt werden ohne dass Um diesen ganzen Problemfällen gemein- dem Artikel über kommunales Gesundheits irgendjemand innerhalb der Verwaltung sam entgegenzuwirken, fordern wir als management ab Seite 14. Vorrangig hiervon Notiz nimmt oder es gar zu einem Gewerkschaft die Schaffung einer psycho- geht es uns darum, einen geschützten Kollektiv- Rahmen für Krisenintervention für und mobbing mit den Gemeinden zu schaffen. Die Einzelner weitere Entwicklung ergibt sich dann aus kommt. Jede Dienststelle ist zugleich der Handlungsbereitschaft der politisch Dies ist absolut auch ein spezifisches Verantwortlichen. inakzep- soziales System Pilotprojekte in den Kommunen tabel und ein Entscheidungsträger und Verantwortliche Straftat sind und bleiben die Schöffenräte. In bestand ! Die anonyme persönliche Schil- sozialen Beratungsstelle für den kommu- vielen Gemeinden ist eine neue Politiker- derung einer betroffenen Person aus dem nalen Dienst. Wir haben ganz konkrete generation im Amt, die sich zusammen kommunalen Sektor in dieser Ausgabe, Ideen in Punkto Umsetzung und Finanzie- mit ihrem Personal diesen Themen stellen zeichnet ein ganz klares Bild über das per- rung einer solchen Beratungsstelle, die sollte. Hierbei benötigen wir dynamische sönliche Erleben in einer solchen Situation. wir in der nächsten Zeit mit den zustän- Frauen und Männer, die die Umsetzung digen Regierungs- und Kommunalstellen einer werteorientierten Kommunikation Der ganze Prozess ist ein Geben und erörtern werden. zum Nutzen aller in ihrer jeweiligen Nehmen. Jeder einzelne muss immer Gemeinde innerhalb eines Pilotprojekts wieder bereit sein sich in Frage zu stellen. Die Gesellschaft fordert zu Recht einen umsetzen wollen. Immer mehr einzufordern, ohne sich flexiblen und effizienten öffentlichen selbst zu bewegen führt zu Unglaubwür- Dienst. Dies bedeutet jedoch auch unsere Lasst uns gemeinsam beginnen ! digkeit. Ergebnis ist am langen Ende ein Strukturen zu fördern. „Fordern und För- frustrierendes Arbeitserleben, das in weite dern“ ist ein Konzept das greift und das Bereiche des Privatlebens ausstrahlt. Hieran wir mittragen werden. darf niemandem gelegen sein. Saviez-vous ? Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) bezeichnet eine umfassende Handlungsstrategie auf den Ebenen Mensch - Organisation und Arbeit, die strategisch und methodisch darauf abzielt, Gesundheitsressourcen im Unternehmen aufzubauen. Die Luxemburger Deklaration wurde im Jahr 1997 mit Unterstützung der Europäischen Kommission von den Mitgliedern des „Europäischen Netzwerks für betriebliche Gesundheitsförderung“ (ENWHP) verabschiedet. Auf der Basis eines gemeinsamen Verständnisses formuliert sie erstmals Grundsätze betrieblicher Gesundheitsförderung für die Mitglieds und Beitrittsländer der Europäischen Union, für die Schweiz, sowie für die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes. (www.luxemburger-deklaration.de) Das vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegebene Gutachten „Audit de la Santé au Travail“ ist unter folgender Adresse www.ms.public.lu zu googlen. Der Download zur praktischen Anleitung der Vorbeugung psychosozialer Risiken in der Arbeitswelt - la prévention des risques psychosociaux finden Sie unter folgender Adresse : www.csl.lu
Sie können auch lesen