Allgemeines Verwaltungsrecht - Prof. Dr. Felix Uhlmann AVR 18

Die Seite wird erstellt Paul Seitz
 
WEITER LESEN
Allgemeines Verwaltungsrecht - Prof. Dr. Felix Uhlmann AVR 18
Allgemeines Verwaltungsrecht

Prof. Dr. Felix Uhlmann

Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Rechtsetzungslehre

                                                            AVR 18

                       Universität Zürich                   FS 2020

   Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann             1
   FS 2020
Allgemeines Verwaltungsrecht - Prof. Dr. Felix Uhlmann AVR 18
Subventionen                                               § 37

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann     2
  FS 2020
Allgemeines Verwaltungsrecht - Prof. Dr. Felix Uhlmann AVR 18
Subventionen                                               § 37

Begriff der Subvention
Unter Subventionen versteht man geldwerte Vorteile, die der
Staat gewährt, um die Empfängerin oder den Empfänger zu
einem bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden
Verhalten zu veranlassen.

à Abgrenzung zur Übertragung einer Verwaltungsaufgabe

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann      3
  FS 2020
Allgemeines Verwaltungsrecht - Prof. Dr. Felix Uhlmann AVR 18
Subventionen                                               § 37

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann     4
  FS 2020
Subventionen                                                                                     § 37

                 Quelle: https://www.avenir-suisse.ch/14948/, zuletzt besucht am 26. März 2020

  Allgemeines Verwaltungsrecht          Prof. Dr. Felix Uhlmann                                    5
  FS 2020
Subventionen                                                                         § 37

                                                                           616.1
Bundesgesetz
über Finanzhilfen und Abgeltungen
(Subventionsgesetz, SuG)

vom 5. Oktober 1990 (Stand am 1. Januar 2020)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
gestützt auf die verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten zur Gewährung
von Finanzhilfen und Abgeltungen
sowie auf Artikel 64bis der Bundesverfassung1
nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Dezember 19862
beschliesst:

1. Kapitel: Zweck, Geltungsbereich und Begriffe

Art. Allgemeines
     1               Zweck
                 Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann                            6
      FS 2020
1   Dieses Gesetz stellt sicher, dass Finanzhilfen und Abgeltungen im gesamten Be-
Subventionen                                               § 37

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann     7
  FS 2020
Die zuständige Behörde darf den durch Verfügung oder Vertrag festgesetzten
Höchstbetrag (Art. 17 Abs. 1 zweiter Satz; Art. 20 Abs. 1) nur überschreiten, wenn
Subventionen
die Mehrkosten auf bewilligte Projektänderungen, auf ausgewiesene Teuerung  §oder
                                                                               37
auf andere nicht beeinflussbare Ursachen zurückzuführen sind.

2. Abschnitt: Gewährung von Finanzhilfen und Abgeltungen

Art. 1614                Rechtsform
1   Finanzhilfen und Abgeltungen werden in der Regel durch Verfügung gewährt.
2   Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag kann insbesondere abgeschlossen werden, wenn:
     a.      die zuständige Behörde über einen erheblichen Ermessensspielraum verfügt;
             oder
     b.      bei Finanzhilfen ausgeschlossen werden soll, dass der Empfänger einseitig
             auf die Erfüllung der Aufgabe verzichtet.
3Finanzhilfen und Abgeltungen an die Kantone werden in der Regel aufgrund von
Programmvereinbarungen gewährt.

14        Fassung gemäss Ziff. I 2 des BG vom 22. Juni 2007 über den Übergang zur Neugestal-
          tung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA),
          in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5953; BBl 2007 645).

                                                                                           7
      Allgemeines Verwaltungsrecht    Prof. Dr. Felix Uhlmann                              8
      FS 2020
Finanzielle Hilfe aufgrund Corona-Krise                                                                      § 37

Krisenbewältigung durch unbürokratische finanzielle
Hilfe der Stadt Zürich

Die Stadt Zürich unterstütz Kitas mit verschiedenen
(finanziellen) Massnahmen. Für bestehende Betreuungs-
plätze werden die Subventionen unabhängig von all-
fälligen Betriebseinschränkungen bis mindestens Ende
April 2020 ausbezahlt.

(Quelle: Limmattalerzeitung vom 17. März 2020, https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/krisenbewaeltigung-stadt-
zuerich-unterstuetzt-kitas-mit-unbuerokratischer-finanziellen-hilfe-137167968)

     Allgemeines Verwaltungsrecht         Prof. Dr. Felix Uhlmann                                                      9
     FS 2020
Polizeiliche Massnahmen                                    § 38

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann     10
  FS 2020
Polizei                                                      § 38

Begriff der polizeilichen Tätigkeit
Polizei ist diejenige staatliche Tätigkeit, welche die öffentliche
Ruhe und Ordnung, die öffentliche Sicherheit, Gesundheit und
Sittlichkeit sowie Treu und Glauben im Geschäftsverkehr durch
die Abwehr von Störungen und Gefährdungen schützt.

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann         11
  FS 2020
Polizeiliche Massnahmen                                                                           § 38

                                            Voraussetzungen

                                   Öffentliches
  Rechtliche                                                         Verhältnis-
                                    Interesse:
  Grundlage                                                          mässigkeit
                                 Gefahrenabwehr
                                 • Öff. Ordnung                •   Zeitlich
                                 • Öff. Sicherheit             •   Örtlich
                                 • Öff. Gesund-                                            Störerprinzip
                                                               •   Persönlich
                                   heit                        •   Sachlich
                                 • Öff. Sittlichkeit
                                 • Treu und
                                   Glauben im
                                   Geschäfts-
                                   verkehr

                           Polizeiliche                Verhaltens-                            Zweck-
     Gesetz                                                               Zustandsstörer
                          Generalklausel                 störer                             veranlasser

  Allgemeines Verwaltungsrecht           Prof. Dr. Felix Uhlmann                                           12
  FS 2020
Polizeiliche Massnahmen                                                                          § 38

                                 Arten polizeilicher Massnahmen

  Generelle                                                             Polizeiliche
                             Polizei-            Polizeiliche                              Polizei-
   Polizei-                                                            Bewilligungs-
                            verfügung             Realakte                                 monopol
 vorschriften                                                             pflicht

                                                 z.B. Ausweis-         z.B Bergführer-   z.B. Betrieb von
                                                   kontrolle                patent       Schlachthäusern

   Gesetze/               Polizeinot-                                                      Polizeinot-
                                                  Polizeierlaubnis       Polizeibefehl
 Verordnungen             verordnung                                                       verfügung

                             z.B.                 z.B. Erlaubnis zur
     z.B.                                                                                z.B. Befehl zur
                         SARS-CoV-2-             Durchführung eines    z.B. Verhaftung
 Waffengesetz                                       Grossanlasses                         Evakuierung
                           Regelung

  Allgemeines Verwaltungsrecht          Prof. Dr. Felix Uhlmann                                          13
  FS 2020
Polizeigesetz (PolG)                                       § 38

Polizeigesetz des Kantons Zürich vom 23. April 2007
(LS 550.1)
§ 9 PolG – Polizeiliche Generalklausel
Die Polizei trifft im Einzelfall auch ohne besondere gesetzliche
Grundlage unaufschiebbare Massnahmen, um unmittelbar dro-
hende oder eingetretene schwere Störungen der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung abzuwehren oder zu beseitigen.
  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann      14
  FS 2020
Äussere und innere Sicherheit                                                                     § 38
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft                                     101
                                                                             101
 Bundesverfassung
2der  Schweizerischen
  Er unterzeichnet          Eidgenossenschaft
                   die Verträge und ratifiziert sie. Er unterbreitet sie der Bundesver-
sammlung zur Genehmigung.
3Wenn die Wahrung der Interessen des Landes es erfordert, kann der Bundesrat
vom 18. April 1999 (Stand am 1. Januar 2020)
Verordnungen und Verfügungen erlassen. Verordnungen sind zu befristen.

Art. 185          Äussere und innere Sicherheit
1Der Bundesrat trifft Massnahmen zur Wahrung der äusseren Sicherheit, der Unab-
Präambel
hängigkeit und der Neutralität der Schweiz.
 Im Namen Gottes des Allmächtigen!
2Er trifft
Das        Massnahmen
     Schweizervolk      zurKantone,
                   und die  Wahrung der inneren Sicherheit.
inErder
3     kann, unmittelbar
        Verantwortung   gestütztder
                      gegenüber  aufSchöpfung,
                                      diesen Artikel, Verordnungen und Verfügungen
erlassen, um eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der
 im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit
öffentlichen  Ordnung
 und Frieden in          oder
                Solidarität undder innerengegenüber
                                Offenheit  oder äusseren Sicherheit
                                                    der Welt          zu begegnen. Solche
                                                             zu stärken,
Verordnungen sind zu befristen.
im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit
4Inleben,
zu  dringlichen Fällen kann er Truppen aufbieten. Bietet er mehr als 4000 Angehö-
rige der Armee für den Aktivdienst auf oder dauert dieser Einsatz voraussichtlich
 im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegen-
länger alskünftigen
 über den  drei Wochen,  so ist unverzüglich die Bundesversammlung einzuberufen.
                    Generationen,
gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Vol-
Art. 186misst amBeziehungen
kes sich                     zwischen Bund und Kantonen
                 Wohl der Schwachen,
  Der
1geben  Bundesrat       pflegt
    Allgemeines Verwaltungsrecht
         sich folgende
    FS 2020
                                 die Beziehungen
                           Verfassung                desUhlmann
                                      1: Prof. Dr. Felix  Bundes   zu den Kantonen und arbeitet     15

mit ihnen zusammen.
b.       die Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgestellt hat, dass eine gesund-
              heitliche Notlage von internationaler Tragweite besteht und durch diese in
              der Schweiz eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit droht.
    Epidemiengesetz (EpG)                                                                    § 38
2   Der Bundesrat kann nach Anhörung der Kantone folgende Massnahmen anordnen:
     a.       Massnahmen gegenüber einzelnen Personen;
  b. Massnahmen gegenüber der Bevölkerung;           818.101
Bundesgesetz
  c. dieÄrztinnen,
über     BekämpfungÄrzteübertragbarer
                         und weitere Gesundheitsfachpersonen
                                      Krankheiten            verpflichten, bei der
        Bekämpfung übertragbarer Krankheiten mitzuwirken;
des Menschen
(Epidemiengesetz,
   d. Impfungen   EpG)
                    bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen, bei besonders exponierten
         Personen und bei Personen, die bestimmte Tätigkeiten ausüben, für obligato-
         risch erklären.
vom 28. September 2012 (Stand am 1. Januar 2017)
3Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) koordiniert die Massnahmen
des Bundes.
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
gestützt auf die Artikel 40 Absatz 2, 118 Absatz 2 Buchstabe b, 119 Absatz 2 und
Art.  7 2 der Bundesverfassung
120 Absatz            Ausserordentliche
                                     1,       Lage
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 3. Dezember 20102,
Wenn      es eine ausserordentliche Lage erfordert, kann der Bundesrat
beschliesst:                                                      für das ganze
Land oder für einzelne Landesteile die notwendigen Massnahmen anordnen.
1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen und Grundsätze
Art. 8               Vorbereitungsmassnahmen
  Bund
1Art. 1      undGegenstand
                      Kantone treffen Vorbereitungsmassnahmen, um Gefährdungen und
Beeinträchtigungen
Dieses Gesetz regelt den Schutz   der des
                                      öffentlichen
                                          Menschen vorGesundheit           zu verhüten
                                                            übertragbaren Krankheiten und und frühzeitig zu
sieht die dazu nötigen Massnahmen vor.
begrenzen.
       Allgemeines Verwaltungsrecht        Prof. Dr. Felix Uhlmann                                   16
          FS 2020
2
Exkurs                                                                                        § 38

Coronavirus in Zürich: Der Kantonsrat lässt
sich nicht lahmlegen
Das Bundesamt für Justiz erachtet die Sitzung vom Montag als
unzulässig. Dennoch wird das Parlament gestützt auf ein
Rechtsgutachten über Notmassnahmen für die Zürcher Wirtschaft
beraten.

Stefan Hotz
Ist   eine Parlamentssitzung nach den vom Bundesrat ver-
24.03.2020, 19.10 Uhr
schärften        Bestimmungen zur Bekämpfung des SARS-CoV-2
noch zulässig?

Quelle: NZZ vom24. März 2020; https://www.nzz.ch/zuerich/coronavirus-in-zuerich-kantonsrat-
laesst-sich-nicht-lahmlegen-ld.1548258

    Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann                                      17
    FS 2020
Polizeiliche Generalklausel                                                                           § 38

                                             Voraussetzungen

                                                                 Keine gesetzliche
 Schwere Störung                                                                            Gefahrenlage ist
                                   Unmittelbarkeit der            Massnahme zur
  oder Gefahr für                                                                            atypisch oder
                                  Gefahrensituation für          Gefahrenabwehr /
  fundamentales                                                                              nicht voraus-
                                     das Rechtsgut            vorhandene Massnahme
    Rechtsgut                                                                                   sehbar*
                                                               wirkt nicht rechtzeitig

 Sind obige Voraussetzungen erfüllt, können entweder Polizeinotverfügungen/-notverordnungen oder
                      unmittelbare Verwaltungshandlungen veranlasst werden.

*Seit BGE 137 II 431 hat diese Voraussetzung keine eigenständige Bedeutung mehr und vermag die
Anwendung der polizeilichen Generalklausel alleine nicht zu verhindern (vgl. insb. E. 3.3.1 und 3.3.2).

   Allgemeines Verwaltungsrecht           Prof. Dr. Felix Uhlmann                                         18
   FS 2020
Euthanasierung eines Hundes (Beispiel)                     § 38

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann     19
  FS 2020
Euthanasierung eines Hundes (Beispiel)                                 § 38

Hundeangriff vom 15. August 2007

X. war Eigentümer eines Hirten- und Schutzhundes. Im August 2007 weilte
er in den Ferien. Während dieser Zeit kümmerte sich seine von ihm
getrennt lebende Ehefrau um den Hund. Am 15. August 2007 führte sie
diesen an der Leine aus, wobei er unvermittelt eine Velofahrerin angriff und
diese in den Oberschenkel sowie in den rechten Oberarm biss. Der Polizei
gelang es wegen der Aggressivität und des Gewichts (60 kg) des Hundes
erst nach mehreren Versuchen und unter Beizug eines Spezialisten, ihn in
ein Tierheim zu bringen. Der stellvertretende Kantonstierarzt ordnete dort
die sofortige Einschläferung des Hundes an.
Am 21. August 2007 verfügte das kantonale Amt für Lebensmittelsicherheit
und Tiergesundheit, "der Hund [...] von X. [...] wird per 15. August 2007
entschädigungslos beschlagnahmt und unverzüglich euthanasiert [getötet]".
Das Departement für Volkswirtschaft sowie das Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden wiesen die bei ihnen hiergegen eingereichten Be-
schwerden ab. Das Bundesgericht weist die Beschwerde in öffentlich-
rechtlichen Angelegenheiten ab, soweit es darauf eintritt.

Kann sich der Kantonstierarzt auf die polizeiliche Generalklausel stützen?

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann                     20
  FS 2020
Euthanasierung eines Hundes (Beispiel)                                     § 38

BGer 2C_166/2009 vom 30.11.2009; veröffentlicht in
ZBl 111/2010 S.469 ff.
E. 2.3.2.2: "[…] stellte der Hund des Beschwerdeführers […] eine unmittelbare
Gefahr für die Gesundheit und das Leben - unstreitig fundamentale Rechtsgüter -
dar: So reagierte er besonders aggressiv und ohne Anlass bei dunkel gekleideten
Personen, weshalb die Ehefrau den Hund auch in Randzeiten ausgeführt hatte;
es bestand deshalb grundsätzlich eine potentiell dauerhafte Gefahrensituation.
Zudem gefährdete er auch nach dem Angriff auf die Velofahrerin mit seiner
Aggressivität die herbeigerufenen Polizisten, welche ihn nur in Schutzmontur
bändigen und in ein Tierheim bringen konnten. Die Gefahrensituation dauerte
somit auch nach dem Angriff auf die Velofahrerin an. Selbst im Tierheim traf diese
Konstellation zu, da eine Fütterung und Tränkung des Hundes ohne Gefährdung
des Personals kaum möglich war, wie bereits die Erfahrung aus einem früheren
Aufenthalt gezeigt hatte. […] Insofern war auch die zeitliche Dringlichkeit
gegeben. Zudem stehen - wie bereits ausgeführt - keine geeigneten gesetzlichen
Massnahmen zur Verfügung. Die polizeiliche Generalklausel vermochte deshalb
die fehlende gesetzliche Grundlage zur Einschränkung der Eigentumsfreiheit des
Beschwerdeführers zu ersetzen. Auch das öffentliche Interesse zum Schutz der
fundamentalen Rechtsgüter Leben und Gesundheit steht ausser Frage."

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann                        21
  FS 2020
Kantonales Polizeigesetz (PolG/ZH)                                § 38

§ 18 PolG – Vorgehen gegen Störer
1Das polizeiliche Handeln richtet sich in erster Linie gegen die Person,
welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar stört oder
gefährdet oder die für das entsprechende Verhalten einer dritten
Person verantwortlich ist.
2 Geht eine Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung unmittelbar von einem Tier oder einem Gegenstand aus,
richtet sich das polizeiliche Handeln gegen das Tier oder den
Gegenstand sowie gegen die Person, welche die Herrschaft über das
Tier oder den Gegenstand ausübt.

§ 19 PolG – Vorgehen gegen andere Personen
1Das polizeiliche Handeln darf sich gegen eine andere Person richten,
wenn
   a. das Gesetz es vorsieht oder
   b. eine unmittelbar drohende oder eingetretene schwere Störung
      der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht anders abge-
      wehrt oder beseitigt werden kann.

    Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann            22
    FS 2020
Verhaftung von FCB-Fans (Beispiel)                                       § 38

Einsatz vom 6. Dezember 2004
 Am 6. Dezember 2004, um ca. 14.00 Uhr, stoppte die Zürcher Stadtpolizei im
 Bahnhof Altstetten vor dem Match FCB gegen GC einen Extrazug mit FCB-Fans.
 Von den rund 650 Passagieren wurden insgesamt 427 vorübergehend fest-
 genommen. Weil die Platzverhältnisse im Bahnhof zu eng waren, wurden die
 Festgenommenen zu einer Polizeiwache gefahren. Dazu wurden ihnen die
 Hände mit Kabelbinder auf dem Rücken zusammengebunden. So konnten die
 Betroffenen niemanden kontaktieren. Viele Betroffene verpassten nach ihrer
 Entlassung den letzten Zug nach Basel.
 Die Stadtpolizei Zürich informierte die Öffentlichkeit, dass die Mehrzahl der
 Festgenommenen mit einer Verzeigung wegen Gefährdung der öffentlichen
 Sicherheit rechnen müsse. Auf einem der Presse zur Verfügung gestellten Bild
 sind rund 50 Feuerwerkskörper sichtbar. Die Stadtpolizei wertet in einem ersten
 Communiqué den bereits länger geplanten Einsatz als Erfolg. Am Match FCB -
 GC vom 6. Dezember 2004 kam es zu keinen Ausschreitungen; dies im
 Gegensatz zu einem Spiel des FCB gegen Thun vom 2. Mai 2004 und gegen
 den FCZ vom 30. Oktober 2004. Bei letzterem Spiel lieferte sich die
 Stadtpolizei mit FCB-Fans in der Innenstadt von Zürich eine veritable Strassen-
 schlacht.
 1. Kann sich der Einsatz auf die polizeiliche Generalklausel stützen?
 2. Ist das Störerprinzip eingehalten (Beurteilung nach neuem PolG/ZH)?

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann                      23
  FS 2020
Verhaftung von FCB-Fans (Beispiel)                               § 38

Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, Beschluss
vom 5. August 2008; ZR 107 (2008) N. 75 (Auszug)
2.1.5 Störerprinzip
[…]
1.2 Vom Störerprinzip kann einzig im Falle einer Notstandssituation
abgewichen werden. In einem solchen Fall darf die Behörde zur
Behebung einer akuten Gefahr unbeteiligte Dritte heranziehen, falls sie
der Notstandssituation weder durch Inanspruchnahme des Störers
noch durch Einsatz eigener Mittel begegnen kann (Häfelin/Müller/
Uhlmann, a.a.O, N. 2647; Reinhard, a.a.O., S. 195 f.).
2. Wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausführte, kann eine solche
Notlage vorliegend bejaht werden. Es war der Polizei nicht möglich, vor
Ort eine genaue Unterscheidung zwischen Störern und friedlichen Fans
vorzunehmen. Die Fans standen dicht gedrängt beieinander und die
Angriffe gegenüber den Polizeibeamten erfolgten aus allen Richtungen
aus dem Pulk bzw. der anonymen Masse heraus. Eine individuelle
Zuteilung der begangenen Straftaten war zu diesem Zeitpunkt
aufgrund der grossen Unruhe und der angespannten Lage nicht
möglich und die Festnahme von friedlichen Fans unvermeidbar. […]
  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann             24
  FS 2020
Polizeierlaubnis                                           § 39

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann     25
  FS 2020
Polizeierlaubnis                                           § 39

Begriff
Die Polizeierlaubnis ("Bewilligung") ist die Verfügung, welche
auf Gesuch hin eine aus polizeilichen Gründen unter
Bewilligungspflicht stehende Tätigkeit zulässt, weil die zum
Schutz der Polizeigüter aufgestellten gesetzlichen Voraus-
setzungen für die Ausübung dieser Tätigkeit erfüllt sind.

  Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann     26
  FS 2020
Polizeierlaubnis                                            § 39

Beispiele
- Bewilligung zum Verkauf von Medikamenten (BGE 141 II
  91, 96);
- Anwaltspatent (vgl. BGE 138 II 440, 443 f.);
- Waffenerwerbsschein und Waffenhandelsbewilligung (Art. 8,
  17 WG);
- Bewilligung für den Betrieb eines Privatspitals;
- Zulassung zum Erbringen von Revisionsdienstleistungen
  (Art. 3 RAG);
- Etc.

   Allgemeines Verwaltungsrecht   Prof. Dr. Felix Uhlmann     27
   FS 2020
Sie können auch lesen