Gekaufte Politik - Österreichisches Parlament
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1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 1 von 56 Politischer Fraktionsbericht der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion gem. 51 Abs. 3 Z 2 VO-UA zum Berichtsentwurf des Verfahrens- richters im Untersuchungsausschuss zur mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss). IBIZA Gekaufte Politik www.parlament.gv.at
2 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ Foto: Parlamentsdirektion/Zinner www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 3 von 56 Ibiza - Gekaufte Politik Vorwort 4 Das Projekt Ballhausplatz 6 Die große Spendenkampagne 8 Die türkise Familie 11 Von der Staatsholding zur „Schmid AG“ 12 „Rot, dann blass, dann zittrig“ – Kurz, Schmid und die Kirche 16 Sobomatic 18 Soko Haarbüschel 20 Die Erfüllung der Spenderwünsche 23 Welches Gesetz soll ich für dich ändern? Oder: Die Prikraf-Affäre 23 „Novomatic zahlt alle“ 25 Geschenkt statt besteuert 27 70 Milliarden Euro in Stiftungen – aber kein Geld für Steuern 29 Postenschacher bei der OeNB 31 Kontrolle über die Kontrolleure der Finanzmarktaufsicht 32 Projekt Edelstein 34 Austrian Real Estate – warum der Staat Premiumwohnungen baut 35 Der verschwiegene Deal der OMV 36 Die Bombe platzt – Die große Vertuschungskampagne 38 Der Kampf der ÖVP gegen Aufklärung – von Anfang an 39 Die Obstruktion der Ermittlungen der WKStA 41 Das große Schreddern 44 Aktenlieferungen Kurz und Blümel 46 Empfehlungen für Maßnahmen 48 Quellen 51 www.parlament.gv.at
4 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ Du. Unzählige SMS, Treffen, Gesetzesvorbereitun- gen und Absprachen sind belegt. Der Nationalrats- präsident und Vorsitzende (!) des #IbizaUA wirkte in seinen öffentlichen Auftritten überhaupt wie ein wandelndes Testimonial der Novomatic. Und egal ob Sobotka im Alois-Mock-Institut „präsidiert“, beim Waidhofner Kammerorchster dirigiert oder einfach Foto: Denk Studio im NÖAAB Parteisitzungen abhält - um die Ecke steht jemand von der Novomatic und bezahlt die Spesen. Erst nachdem sich die ÖVP und die Novomatic of- fenbar einig sind, kommt die FPÖ ins Spiel: Die von der ÖVP vorbereitete Gesetzesnovelle (inklusive neu- en Online-Lizenzen und der Wiedereinführung des Liebe Leserinnen! „kleinen“ Glückspiels) wird der FPÖ präsentiert und mit Peter Sidlo wird ein FPÖ-Mann in den Casinos Liebe Leser! installiert. Ende 2018 begann sich auch ein FPÖ-No- vomatic-Deal abzuzeichnen. Deshalb drehte sich die Aufmerksamkeit im Untersuchungsausschuss von der FPÖ zur ÖVP. Das „System Kurz“ lässt sich folgenderma- Im Dezember 2019 haben wir, die Sozialdemokrati- ßen charakterisieren: sche Parlamentsfraktion, gemeinsam mit den NEOS ein Verlangen auf Einsetzung des Untersuchungsaus- 1. Kontrolle: Kurz und sein engstes Umfeld kontrol- schusses über die „mutmaßliche Käuflichkeit der tür- lieren alle Entscheidungen. Wer in einem Minis- kis-blauen Bundesregierung (Ibiza-UA)“ eingebracht. terbüro arbeitet, wer in einem Ministerium Ge- neralssekretär wird, was in einem Gesetz steht, In den sechs Minuten Ibiza-Video, die im Mai 2019 wer in einem Aufsichtsrat sitzt: Das letzte Wort, durch „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ veröf- die letzte Entscheidung liegt bei Kurz und seinem fentlicht wurden, wurde ein Sittenbild gezeichnet, engsten Umfeld. Deswegen liegt die Loyalität der dass jedenfalls Teile der Politik bereit sind, für Geld KabinettsmitarbeiterInnen immer bei Kurz, nie und Einfluss „alles“ zu verkaufen; egal ob Gesetze, beim Minister bzw. der Ministerin. (Chat-Nach- Aufträge oder unser Wasser. Wir wollten nachschau- richt von Schmid über Löger: „… Sonst glaubt er, en, ob das alles nur Theorie war oder ob in der Praxis er kann Sachen selbst entscheiden“.) Selbst in der das politische Handeln der Kurz-Strache-Regierung Übergangsregierung wurde laut einem Chat zwi- käuflich war. schen dem mächtigen Justiz-Sektionschef Chris- tian Pilnacek und der damaligen Kabinettschefin Was folgte, waren zwanzig Monate, in denen die ÖVP Andrea Martini vereinbart, nicht ihren Vorge- versuchte den Untersuchungsausschuss zu behin- setzten, Justizminister Dr. Clemens Jabloner, zu dern. Beginnend mit dem – von den Grünen unter- informieren. Sehr wohl informiert werden sollte stützten – Versuch, den Untersuchungsgegenstand zu Kurz. Kurz war zu diesem Zeitpunkt nicht einmal zensurieren, über die verweigerten Aktenlieferun- Regierungsmitglied, sondern „nur“ wahlkämp- gen, dem indiskutablen Vorsitzverhalten von Wolf- fender ÖVP-Chef! gang Sobotka bis zu den mutmaßlichen Falschaussa- gen und Erinnerungslücken von ÖVP-Vertretern im 2. Familie: Nicht jeder gehört zur Familie. Aber #IbizaUA. jene die dazu gehören, genießen die Förderung („Kriegst eh alles was du willst“) und den Schutz Am Anfang konzentrierten wir uns in unseren Unter- durch die „Familie“. suchungen vor allem auf die FPÖ. Immerhin waren die beiden unfreiwilligen Hauptdarsteller des be- 3. Macht und Machtmissbrauch: Kurz und sein rüchtigten Ibiza-Videos, Heinz-Christian Strache und Team nützen ihre Macht aus. Weit mehr, als man Johann Gudenus, führende FPÖ-Politiker. Doch mit in einem demokratischen Rechtsstaat erwarten den Aktenlieferungen drehte sich das Bild. Zum Bei- würde. Die Art und Weise, wie Kurz den damali- spiel beim Thema „Novomatic zahlt alle“: Während gen ÖVP-Generalsekretär im Finanzministerium lange Zeit keinerlei Kontakt zwischen FPÖ und dem Thomas Schmid der Kirche – nach deren Kritik Glückspielkonzern Novomatic ersichtlich war, waren an der Asylpolitik der Kurz-Regierung – „an den die wesentlichen Vertreter der ÖVP (Gernot Blümel Hals hetzt“ und dabei noch anfeuert („Ja super. und Thomas Schmid) mit der Novomatic auf Du und Bitte Vollgas geben“) ist widerlich. Seine Antwort 4 www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 5 von 56 („Super danke vielmals!!!!“) auf die „Erfolgsmel- Und die FPÖ? dung“ von Schmid („Schipka war fertig … er war zunächst rot, dann blass, dann zittrig…“) steht Das Bild, das Strache und Gudenus auf Ibiza abgelie- dem in Widerwärtigkeit um nichts nach. fert haben, hat sich in den Akten auch gefunden. Das Fokussieren auf Postenschacher, Gesetze auf Bestel- 4. Abgehobenheit: Die moralische Verfasstheit der lung und das Spendensammeln „am Rechnungshof „Familie“ quillt aus jedem Chat hervor. Wir sind vorbei“ ist nur noch zum Fremdschämen. Für Öster- da oben; alle anderen da unten („Reisen wie der reich ist es auf jeden Fall ein Gewinn, dass Strache Pöbel“, „mit den Tieren am Amt anstellen“, etc.). die politische Bühne verlassen hat. Es sollten andere Wenn KabinettsmitarbeiterInnen gemeinsam seinem Beispiel folgen. auf Kosten von uns allen (Steuergeld) „feiern“ und dabei mit Gläsern auf Passanten werfen, Durch das erstmalige Abdrehen eines Untersu- gibt es für die handelnden „Familienmitglieder“ chungsausschusses nach der neuen Verfahrensord- keine Konsequenzen. Die Kosten werden auf die nung konnte die Arbeit nicht fertiggestellt werden. „EU-Präsidentschaft“ gebucht. Erst wenige Tage vor Ende des Ausschusses wur- den von Finanzminister Blümel und Bundeskanzler 5. Spenden und Dankbarkeit: Im amerikanischen Kurz tausende Akten auf Basis von Entscheidungen Stil wurden Spendengelder eingesammelt. Es des Verfassungsgerichtshofes bzw. ihrer Exekution wird gestückelt und verschoben, um diese Spen- durch das Landesgericht für Strafsachen im Auftrag den möglichst lange zu verschleiern. Aus den des Bundespräsidenten an den #IbizaUA geliefert. Spendern entstand „das Biotop der Qualifizier- Zehntausende Chats konnten von der Staatsanwalt- ten“ (Reinhold Mitterlehner), und wenn Auf- schaft nicht mehr ausgewertet und vorgelegt werden. sichtsrätInnen oder KabinettsmitarbeiterInnen gesucht wurden,fand man sie in diesem Biotop. Trotzdem können sich die Ergebnisse des Untersu- Die Interessen der Großspender wurden auch bei chungsausschusses sehen lassen. Auch aufgrund der Gesetzesbeschlüssen (Privatklinik-Fonds, etc.) Arbeit des Untersuchungsausschusses ist es zu einer nicht vergessen. Reihe von Rücktritten und Suspendierungen gekom- men und eine Reihe von Gesetzesinitiativen wurde 6. Unantastbar: Kurz und sein Umfeld fühlen sich bereits angekündigt oder in die Wege geleitet, um unantastbar und versuchen sich jeder demo- aufgedeckte Missstände abzustellen. Nicht zuletzt kratischen Kontrolle zu entziehen. Nicht nur wurde auch aufgrund des Untersuchungsausschus- durch Schreddern und verweigerte Aktenvor- ses ein Volksbegehren ins Leben gerufen, dessen lage. Der Umgang mit den demokratischen und Ziele grosso modo unterstützt werden können. Die rechtsstaatlichen Institutionen (Parlament, wesentlichen Fakten und Erkenntnisse finden Sie in Untersuchungsausschuss, Staatsanwaltschaft, diesem Heft. Verfassungsgerichtshof, Medien, etc.) zeigt ein fehlendes Verständnis für Transparenz und Ko- Ich darf mich an dieser Stelle bei allen Mitarbeiter- operationsbereitschaft mit den anderen staat- Innen der Parlamentsdirektion und aller Fraktionen, lichen Organen und zivilgesellschaftlichen Ein- bei den MedienvertreterInnen, den externen Dienst- richtungen unseres Landes. leiterInnen und den Verfahrensrichtern und -anwäl- tInnen bedanken! 7. Trump: In der Kommunikation bedient sich Kurz zunehmend der Mittel des mittlerweile ab- Besonders bedanken möchte ich mich für die Unter- gewählten US-Präsidenten Trump. „Flood the stützung und das positive Feedback, dass ich erfah- zone with shit“, „alternative facts“ und „personal ren habe – egal, ob ich gerade mit der U-Bahn gefah- insults and nicknaming” hat die Kurz-ÖVP in Ös- ren bin, im Supermarkt einkaufen oder wandern war. terreich etabliert. 8. Staat im Staat: Die „türkise Familie” versucht, Institution für Institution unter ihre Kontrolle Jan Krainer zu bringen. Sie bildet ein informelles Netzwerk für das #IbizaUA-Team und arbeitet an den rechtsstaatlichen Instanzen- der SPÖ-Parlamentsfraktion wegen vorbei. Es ist der „türkisen Familie“ schon gelungen, einige dieser Institutionen zu durch- setzen: vor allem das Innenministerium, das Jus- tizministerium, das Finanzministerium und das Bundeskanzleramt. Wir sehen auch den Versuch bei OeNB und Finanzmarktaufsicht. #IbizaUA – 5 www.parlament.gv.at
6 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ Das Projekt Ballhausplatz 6 www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 7 von 56 Das Projekt Ballhausplatz findet sich erstmals im Herbst Thomas Schmid: 2017 in den Medien, als interne Strategiepapiere öffentlich werden, die die Vorbereitung der Machtübernahme von „Ich habe Sebastians Budget um Sebastian Kurz in der ÖVP darstellen. Die Wochenzeitung 35 Prozent erhöht.“ „Falter“ veröffentlicht die Papiere am 19. September 2017, wenige Wochen vor der Nationalratswahl. Die Dokumente „Scheiße mich jetzt an“ stammen, so der „Falter“, aus 2016 und zeigen detaillierte Pläne der Kampagne von Sebastian Kurz. So finden sich darunter auch KandidatInnenlisten der ÖVP und Listen mit „Mitterlehner wird flippen“ potentiellen SpenderInnen. Auch sollen die „Bedingungen einer Übernahme“ – gemeint die Übernahme des Bundes- „Kurz kann jetzt Geld scheißen“ parteiobmanns durch Sebastian Kurz – definiert werden. Gernot Blümel, der Empfänger Im Untersuchungsausschuss Frage der Käuflichkeit interes- dieser Nachrichten antwortet wurde dazu der ehemalige Vize- sant. Glauben Sie wirklich, dass nur lapidar: kanzler und Bundesparteiob- jemand sagt, ich kaufe etwas? – mann der ÖVP, Reinhold Mit- Sondern: Was Sie damit kriegen, „Mitterlehner spiel [sic] keine terlehner, befragt. Mitterlehner wenn Sie von jemandem Geld be- Rolle mehr…“ 4 bestätigt, dass es das Projekt Ball- kommen, ist das Ohr desjenigen. hausplatz sowohl in der theoreti- Sie haben das Ohr eines einfluss- Unklar ist auch, aus welchen schen wie auch praktischen Um- reichen – oder möglicherweise Mitteln eine für Kurz erstellte setzung gegeben hat1, beschreibt einflussreichen – Mannes, und Umfrage bezahlt wurde, die de- detailliert wie bereits im Jahr sitzen dann am 1. Juli, oder wann zidiert die Erfolgsaussichten als 2016 von Sebastian Kurz und sei- immer der Parteitag 2017 war, auf Spitzenkandidat abfragen sollte. nem Team die Regierungsarbeit der Tribüne unmittelbar hinter Mitterlehner dazu im Ausschuss: desavouiert wurde, „weil man dem kommenden Parteiobmann. „Meines Wissens hat die nicht den Eindruck erwecken wollte, Schauen Sie sich die Tribüne an! die ÖVP bezahlt. Als ich gebeten die Arbeit ist nicht mehr erfolg- Dort sitzen die Großspender.“ 3 habe, nachzuforschen, ob das reich, und zweitens wird nur irgendwo vielleicht sogar wir be- gestritten. Und in dem Zusam- Bereits im April 2016 wurde im zahlt haben, haben wir nichts menhang: Einige, die also dann Finanzministerium von Kabi- gefunden. Meines Wissens also diese Worte geführt haben und nettschef Thomas Schmid dar- nicht. Das muss jemand anderer so weiter, sitzen ja auch hier im an gearbeitet, „Sebastians Bud- finanziert haben. Wo genau, das Saal und sind dem einen oder an- get“ zu erhöhen. Kurz, damals weiß ich nicht, aber Tatsache ist, deren ja noch bekannt.“2 Außenminister, bekommt eine dass es die Umfrage gegeben hat saftige Budgeterhöhung für sein […].“ Der Verdacht liegt nahe, Im selben Jahr sei dann auch Ressort, um seine Kampagnenfä- dass diese Umfrage aus Kurzʼ die Frage der Finanzierung rele- higkeit zu sichern. Infolgedessen Außenministeriums-Budget und vant geworden, so Mitterlehner: verdoppelte er sein Inseraten- somit aus Steuergeldern bezahlt „Und jetzt kommt der springende budget und seine Spesen. wurde. Punkt, dass es eben in dieser Zeit eine Roadshow gegeben hat, eine Foto: Daniel Djordjevic Roadshow informeller Art, wo eben diverse Vertrauensperso- nen in ganz Österreich Veranstal- tungen abgewickelt haben und Spender aufgetrieben haben. Der Unterschied zu anderen ist vielleicht der, dass das der Partei- obmann – der kommende, muss man in dem Fall sagen – selber in die eigene Hand genommen hat, und da ist jetzt natürlich auch die Die Adresse zum Projekt, das Bundeskanzleramt in Wien, Ballhausplatz 2 #IbizaUA – 7 www.parlament.gv.at
8 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ Die große Spendenkampagne Die große Spendenkampagne ist meines Erachtens eben auch In diesem Zusammenhang sei startet im August 2016, bei ei- nicht transparent gelaufen.“7 auch erwähnt, dass die ÖVP ih- ner Feier auf Schloss Reifnitz in ren Spendern wohl nahegelegt Kärnten, zu der der Unternehmer „Und ja, als ich den jetzigen Bun- hat, bei größeren Spenden diese Siegfried Wolf eingeladen hatte deskanzler damit konfrontiert auf jeweils unter 50.000 Euro zu und bei der Persönlichkeiten des habe, hat er das auch im Wesent- stückeln. So mussten diese nicht Wirtschaftslebens angesprochen lichen nicht abgestritten. Er hat unverzüglich dem Rechnungshof wurden, finanzielle Unterstüt- allerdings so getan, wie wenn die gemeldet werden – „am Rech- zung für den Tag X zu leisten.5 Leute auf ihn zukommen. Ganz nungshof vorbei“, wie es Strache Anwesend war auch der damalige so war es natürlich nicht.“8 schon im Ibiza-Video ausgeführt Außenminister Kurz. Mitterleh- hatte. Zusätzlich ist es auffällig, ner selbst wurde danach von ei- Wer Geld spendet, bekommt Ge- dass ein Großteil dieser Spenden nem Teilnehmer angerufen, der hör beim Kanzler, sitzt „direkt auf einen Zeitpunkt nach der Na- ihm berichtete, dass er von Kurz hinter ihm auf der Tribüne“, wird tionalratswahl 2017 fallen und persönlich angesprochen wurde, in das, wie Mitterlehner sagt, nicht davor überwiesen wurden. ob er für dessen Kampagne spen- „Biotop der Qualifizierten“9 auf- Und das obwohl die damalige den will. Der Modus sei auch bei genommen, aus dem dann für ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth den darauffolgenden Veranstal- Aufsichtsratsposten und Vorstän- Köstinger im Wahlkampf doppelt tungen im Großen und Ganzen de rekrutiert wird. Außerdem soviel Geld ausgegeben hatte, wie immer der Gleiche gewesen, so hätten alle Großspender einen gesetzlich erlaubt. Mitterlehner: „Der Modus war gemeinsamen Nenner, wenn es so, dass jemand eingeladen hat, um ihre Anliegen geht und der Großspender wie den Tiroler der die lokale Szene gekannt hat, heißt „keine Vermögenssteuer“10, Bauunternehmer Klaus Ortner dann hat der Kandidat sein Pro- so der frühere Vizekanzler im konnte Kurz dabei mehr als zwei gramm vorgestellt.“ Und: „Dann Ausschuss. Jahre lang verheimlichen – und ist die Frage gekommen: Was die Offenlegung durch die Stü- haben Sie für die Wirtschaft an- Wenn unter seiner Obmann- ckelung der Spenden umgehen. zubieten? Da war dann die Frage: schaft Spendengeld für Kurz ge- Die Spendentätigkeit sollte sich Na, ich bin da kein Insider, aber flossen sei, so Mitterlehner, gebe für die Spender auszahlen – ich bin da um zu hören. Und: Ihr es nur zwei Möglichkeiten: Es Großspender Stefan Pierer etwa müsst mir helfen!“6 habe vorerst nur die Zahlungs- wünschte sich schon lange ein zusage für später gegeben oder Gesetz, das den 12-Stunden- Ar- „Die Veranstaltungen waren eben Spender haben an eine andere beitstag erlaubt. Unter Türkis- nicht öffentlich. Das war nieman- Zahlungsadresse gezahlt, die ihm Blau wurde dieses schließlich dem bekannt. Und das Zweite: nicht bekannt ist.11 Realität. Was mit den Mitteln passiert ist, 8 www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 9 von 56 Foto: BKA . ... ll • #IbizaUA – 9 www.parlament.gv.at
10 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ Du bist Familie! 10 www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 11 von 56 Die türkise Familie Eine kleine, auserwählte Grup- Parlaments, der staatlichen pe – fast ausschließlich Män- Unternehmen. Kurz verdankt ner – rund um Sebastian Kurz ihrer bedingungslosen Loyali- bildet den innersten Kreis der tät seinen Aufstieg zum Kanz- türkisen ÖVP. Wie eng ihr Ver- ler. Aber dass auch die engsten hältnis ist, ist in den Chats do- Familienbande irgendwann Wolfgang Sobotka kumentiert. Anfang Februar brüchig werden, mussten der Nationalratspräsident 2019 schreibt Gernot Blümel an infolge der Erkenntnisse des und UA-Vorsitzender Thomas Schmid, bei dem es da- Ibiza-Untersuchungsausschus- Foto:Parlamentsdirektion/Zinner mals bei seinen ÖBAG-Ambitio- ses suspendierte Justizsektions- nen nicht ganz rund lief: „Keine chef Pilnacek und der zurückge- Sorge! Du bist Familie. Und wir tretene ÖBAG-Vorstand Schmid alle brauchen dich!!!“ Die meis- schließlich auch erfahren. ten Familienmitglieder verdan- ken Kurz ihre Position an den Christian Pilnacek Schalthebeln der Republik, an Sektionschef im der Spitze von Ministerien, des Sebastian Kurz Justizministerium Bundeskanzler (derzeit suspendiert) Foto: SPÖ Foto:BKA/Arno Melicharek Bernhard Bonelli Kabinettschef von Kurz Foto: BKA Alexander Melchior ÖVP-Generalsekretär Foto:Parlamentsdirektion/Simonis Bernhard Perner COFAG-Direktor davor im BMF-Kabinett Elisabeth Köstinger Landwirtschaftsministerin Foto: ÖBAG Foto:BKA/Andy Wenzel Thomas Schmid Ex-Generalsekretär im BMF Ex-ÖBAG-Alleinvorstand Gernot Blümel Finanzminister Foto: ÖBAG Foto: BKA Stefan Steiner Melanie Laure Chefberater von Kurz ÖBAG-Kommunikationschefin Foto: ÖVP davor im BMF-Kabinett Foto: XING Klaus Kumpfmüller Thomas Steiner FMA-Vorstand bis 2020 OeNB-Direktor Foto: Hypo Oberösterreich Foto: OeNB #IbizaUA – 11 www.parlament.gv.at
12 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ der ÖBIB in die ÖBAG und gleich- zeitig seine Bestellung zu deren Von der Staatsholding Vorstand zu planen. zur „Schmid AG“ „Das bist du mir echt schuldig“ Bereits im Dezember 2017, we- nige Tage vor der Angelobung der türkis-blauen Bundesregie- rung, schreibt Schmid an seinen Bei den Regierungsverhandlungen 2017 zwischen ÖVP und Freund Gernot Blümel: FPÖ verhandelte Thomas Schmid auf ÖVP-Seite die Fi- nanz-Agenden. Für die ÖVP dealte er dabei Vorstands- und „Du musst mir echt helfen das Aufsichtsratsposten aus: Bei den Casinos, der OMV, der neue Beteiligungsgesetz rasch Bundesimmobiliengesellschaft und auch bei der künftigen umzusetzen! Das bist du mir echt Staatsholding ÖBAG. Dort sollte die ÖVP den Alleinvor- schuldig!“12 stand bekommen – das war von besonderem Interesse für Bereits ab Februar 2018 tauchen Schmid. Denn diesen Posten wollte er selbst haben. Bis erste Medienberichte über die Schmid zu seinem Traumjob kam, sollte es zwar eine Weile ÖBIB-Reform auf, und Thomas dauern, aber im März 2019 war es dann schließlich so weit. Schmid wurde immer wieder Auch, weil er den Ausschreibungsprozess zu seinen Guns- als möglicher Kandidat für Vor- ten mitgestaltet hatte. standsposten gehandelt. Schmid, der diese Berichte als schädlich Der heutige Ex-ÖBAG Chef 2013 war er als Kabinettschef un- für sich empfindet, wird nervös Schmid gehört zu den engen Ver- ter den Finanzministern Michael und wendet sich an Sebastian trauten von Sebastian Kurz. Sei- Spindelegger, Hans Jörg Schel- Kurz. Der Bundeskanzler bot ihm ne Karriere startete im Jahr 2004 ling und Hartwig Löger tätig. Als seine Hilfe an, den Ball flach zu als Pressesprecher vom damali- unter Türkis-Blau in den Ministe- halten. Schmid war dankbar: gen Finanzminister Karl Heinz rien Generalsekretäre eingeführt Grasser. Später wurde er Bürolei- wurden, übernahm Schmid diese „Dich zu haben ist so ein Segen! ter des damaligen ÖVP-Klubob- Position im Finanzministerium. Es ist so verdammt cool jetzt im manns und ehemaligen Bundes- In dieser Zeit begann Schmid BMF!!! Danke Dir total dafür!!“.13 kanzlers Wolfgang Schüssel. Ab auch, die Umstrukturierung von i Was ist die ÖBAG? Die ÖBAG verwaltet die Beteili- gungen der Republik Österreich von 26 Milliarden Euro. Darunter die Staatsanteile von OMV, Ver- bund, A1 Telekom Austria, Post, Bundesimmobiliengesellschaft, Casinos Austria und die APK Pen- sionskasse. Foto: Österreichische Post 12 www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 13 von 56 Im August 2018 schreibt Blümel räten und Aufsichtsrätinnen, schen Schmid und Kabinettsmit- an Schmid: die ihn später zum Alleinvor- arbeiterin Melanie Laure wird stand bestellen sollten, mit. Die überlegt, wie die Ausschreibung „Hab dir heute deine öbib ge- Letztentscheidung lag jedoch auf Thomas Schmid zugeschnit- rettet “ bei Sebastian Kurz. Handver- ten werden kann:18 lesen, „steuerbar“, sollten sie Schmid antwortet mit: sein. So schreibt Schmid etwa Schmid: an Sebastian Kurz, dass Su- „Mein Riesen Held!!!“14 sanne Höllinger „wirklich eine „Perner Tipps sind sehr gut“ gute!“ sei: Als im Dezember 2018 das Laure: ÖBAG-Gesetz im Nationalrat „Compliant, Finanzexpertin, beschlossen wird, freuen sich Steuerbar, Raiffeisen und Sehr „Haben länger über das interna- Schmid und Blümel:15 gutes Niederösterreich Netz- tional diskutiert – Empfehlung werk. Sie hat für NÖ auch deli- wäre es drin zu lassen“ Thomas Schmid: kate Sachen sauber erledigt.“16 Schmid: „ÖBAG vom NR beschlossen. Über Iris Ortner, Tochter des Auch mit den Stimmen der ÖVP-Großspenders Klaus Ort- „Ich bin aber nicht international SPÖ“ ner, lässt er, nach deren Be- erfahren“ stellung zur Aufsichtsrätin, ein Gernot Blümel: Argumentationsdossier für Se- bastian Kurz anfertigen. „Brau- „Ich habe immer in Österreich „SchmidAG fertig!“ che – Warum ist Iris Ortner super gearbeitet“ für die ÖBAG? Brauche ich bis Thomas Schmid: morgen. Argumente. Ausbildung. Laure: Erfahrung. Ist für SK. Dringend!“, „ “ schreibt Schmid im Juni 2019 an „Wir brauchen dann ein sehr seine Mitarbeiterin.17 gutes motivationsschreiben von Dir“ „Habe noch keinen Aufsichts- „International eher rat!“ Schmid: streichen“ Nun fehlte nur noch eine kleine „Wer schreibt das?“19 „Steuerbare Formalität. Schmid musste sich für den Vorstandsposten bei der Der offizielle Ausschreibungs- AufsichtsrätInnen“ ÖBAG auch offiziell bewerben. text enthielt schließlich alle Än- Jetzt war es Zeit, die weiteren Bei der Ausschreibung für diese derungen von Schmid und sei- Schritte zu setzen. Schmid wirk- Position wirkte Schmid tatkräf- nen zwei MitarbeiterInnen. Als te bei der Suche nach Aufsichts- tig mit. In Chatnachrichten zwi- Dankeschön holte Schmid spä- #IbizaUA – 13 www.parlament.gv.at
14 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ ter die beiden MitarbeiterInnen „Lieber Thomas! […] Am ÖBIB- Darauf Schmid: in die ÖBAG und verschaffte ih- Gesetz sind wir dran, da melden nen Geschäftsführerpositionen. wir uns sobald wir Entscheidun- „ “ gen haben.“24 „Du bist Familie“ Am Abend vor Schmids Hearing Am 11. Dezember 2018 schreibt speisen Sebastian Kurz und Tho- Im Februar 2019 wendet sich Schmid an Kurz. mas Schmid noch mit Klaus Ort- Schmid nochmals an Blümel, da ner. Schmid bedankte sich bei die Bestellung der Aufsichtsräte „Pierer für den ÖBAG Aufsichts- Ortner: in der ÖBAG stocke – „Frauenthe- rat wäre echt cool!“ ma“–, und bittet um ein baldiges „Lieber Klaus, Danke für diese Okay zu seinen Vorschlägen. Blü- Kurz: wunderbare Einladung gestern. mel beruhigt: Es war familiär und gemütlich! „unmöglich“25 Das ist selten und etwas beson- „Keine Sorge, du bist Familie!“ 20 deres! Den Kanzler erlebt man Am 4. Februar 2019 teilt der nun- auch nicht oft so entspannt! Ein paar Tage vor seiner Wahl mehrige Kabinettschef von Se- […] Vielen Dank. Liebe Grüße zum Alleinvorstand hakt Schmid bastian Kurz, Bernhard Bonelli, Thomas“.29 nochmals bei Kurz nach, ob alles Finanzminister Löger mit, dass klappen würde wie gewünscht. der spätere ÖBAG-Aufsichtsrats- Der Kanzler beruhigt: „Kriegst eh vorsitzende Helmut Kern sich Ende gut alles gut? alles was du willst [Kussmundemo- über dessen Anruf freuen würde. ji].“ Schmid freut sich: „ich bin Schlussendlich sollten sich für so glücklich :-))) Ich liebe meinen „Helmut Kern ist informiert und Thomas Schmid alle Mühen loh- Kanzler (…).“21 freut sich auf Deinen Anruf[…].“ nen: Am 27. März 2019 wurde er vom Aufsichtsrat zum Allein- Kurz trifft alle Löger: vorstand der ÖBAG gewählt. Der Ibiza-Untersuchungsausschuss Entscheidungen „[…] Danke für deine Unterstüt- konnte schließlich anhand der Der Kanzler selbst stellte seine zung.“26 Vorstandsbestellung von Schmid Rolle im Bewerbungsprozess von aufdecken, wie das System Kurz Schmid sehr passiv dar. Im Aus- Zwei Tage später, am 6. Februar, funktioniert. Thomas Schmid schuss sagte er aus, es sei „all- wendet sich Bonelli wiederum an veränderte die Ausschreibung gemein bekannt“ gewesen, dass Löger. für den Job, den er selbst haben „ihn [Anm.: Schmid] das grund- wollte, half bei der Suche nach sätzlich interessiert“.22 Es sei „Lieber Hartwig, mit der ÖBAG den AufsichtsrätInnen mit und auch „in den Medien ein Thema“ ist alles auf Schiene und mit wurde schließlich zum Allein- gewesen und er könne sich daran Sebastian und unserem Team ab- vorstand gewählt. Dass Schmid erinnern, „irgendwann davon“ gestimmt […].“27 heute nicht mehr ÖBAG-Vorstand von Schmid „informiert“ worden ist, liegt auch an den veröffent- zu sein, dass „er sich bewerben Nachdem Kurz alles entschieden lichten Chats, in denen er unter wird“.23 Diese Aussagen vor dem hat, weiß Thomas Schmid auch anderem Menschen als „Pöbel“ Untersuchungsausschuss brin- genau, bei wem er sich bedanken und „Tiere“ bezeichnet.30 gen den Kanzler in Bedrängnis. muss. Er schreibt am 13. Februar Denn die, von der WKStA rekons- an Sebastian Kurz: truierten, Chatnachrichten von Thomas Schmid zeigen: Kurz war „Wollte mich nur noch mal für al- nicht nur beiläufig informiert, les bedanken! Helmut Kern finde sondern involviert, er wusste ich sehr smart […].“28 genau um Schmids Bemühun- gen und dessen Treffen mit den Kurz hat aber nicht nur entschie- Aufsichtsratsmitgliedern in den den, wer in der ÖBAG Aufsichts- Wochen vor der Vorstandswahl rat wird, er hat auch entschieden, Bescheid. wo Schmid überall Aufsichtsrat wird, z.B. in der OMV. Am 13. So schreibt etwa der damalige Ka- März 2019 beispielsweise schrei- binettschef des Kanzlers, Bernd ben die beiden einander. Brünner, am 5. Oktober 2018 in eine gemeinsame Chatgruppe Kurz: mit Blümel, Bonelli und Schmid. „[…] Du Aufsichtsratssammler :)“ 14 www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 15 von 56 Thomas Schmid am Weg zu seiner Befragung am 16. Juli 2020, damals noch Alleinvorstand der ÖBAG. Ziemlich genau ein Jahr später musste er zurücktreten. Foto: Georges Schneider / picturedesk.com #IbizaUA – 15 www.parlament.gv.at
16 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ „Rot, dann blass, dann zittrig“ Wenig später schreibt Schmid noch an Kurz: Kurz, Schmid und die Kirche „[…] Ich muss übrigens Didi [Anm.: vermutlich Dietmar Schuster, Schmids Nachfolger als Generalsekretär] gerade auf- päppeln weil ihm Schipka so leid Die Chat-Protokolle von Thomas Schmid geben auch einen getan hat :-))“33 Einblick, wie im System Kurz mit KritikerInnen umgegan- gen wird. Als die katholische Kirche die türkis-blaue Asyl- politik kritisiert, schickt Sebastian Kurz den damaligen „Ich war überrascht und Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, verwundert“ aus, um bei einem Termin mit Kirchenvertretern „Voll- Schipka sagte dazu in einem gas“ zu geben. Bei diesem Termin sprach Schmid mögliche Interview mit dem Nachrichten- steuerliche Verschlechterungen für die Kirche an. Später magazin „profil“: „Man hat uns berichtete er dem Kanzler, dass der Kirchenvertreter zu- bei dem Termin mitgeteilt, dass nächst „rot, dann blass, dann zittrig“ geworden sei. Kurz man im Zuge der Steuerreform antwortete: „Super, danke vielmals!!!!“ verschiedene Verbindungen zwi- schen Staat und anerkannten Am 1. März 2019 kritisierte Kardi- Kirchen prüfe. Ich kann mich nal Christoph Schönborn in seiner „Bitte Vollgas geben“ zwar nicht mehr an jedes Detail Kolumne in der Zeitung „Heute“ Am 13. März 2019 schreibt erinnern, aber es ging um ver- die Pläne der türkis-blauen Bun- Schmid an Kurz: schiedene Steuertatbestände, desregierung für eine Präventiv- unter anderem um die Absetz- haft für Asylwerbende: „Wenn wir „Heute ist die Kirche bei uns. barkeit von Kirchenbeiträgen uns einmal daran gewöhnen, dass Schipka kommt um 16.00“ und die Beiträge zum Denkmal- Menschen im Vorhinein ‚vorsorg- schutz. Es ist zwar legitim, dass lich‘ eingesperrt werden können, ein Staat sich darüber Gedanken wohin führt das?“ 31 „Wir werden ihnen ein ordent- macht, aber ich war schon über- liches Package mitgeben.“ rascht und verwundert.“34 Auch Am 4. März 2019 herrscht im Fi- gegenüber „Kathpress“ äußerte nanzministerium hektische Be- Den Kanzler freuts und er gibt sich der Kirchenvertreter. Der triebsamkeit, wie ein E-Mail ei- Schmid noch eine Anweisung mit unmittelbare Anlass für diesen ner Mitarbeiterin der Abteilung auf den Weg: Termin sei „vermutlich die Kri- Steuerpolitik und Abgabenle- tik der Katholischen Kirche an gistik an ihre KollegInnen zeigt. „Ja super. Bitte Vollgas geben.“ einigen politischen Vorhaben Sie schreibt: „Das Bundeskanz- der damaligen ÖVP-FPÖ-Regie- leramt bittet um eine Auflistung Als der Termin vorbei ist, berich- rung“ gewesen.35 Alles deutet da- samt Kurzbeschreibung aller tet Schmid an Kurz: rauf hin, dass es sich bei diesem steuerlichen Begünstigungen im Termin um einen Einschüchte- Zusammenhang mit Religions- „Also Schipka war fertig. Steuer- rungsversuch handelte, um die gemeinschaften.“ Spätestens am privilegien müssen gestrichen Katholische Kirche von künftiger 5. März muss das Finanzminis- werden Förderungen gekürzt. Kritik am Kanzler abzuhalten. Im terium diese Informationen ans Und bei Kultus und Denkmalpfle- türkis-blauen Koalitionsvertrag Bundeskanzleramt liefern.32 Eine ge wesentliche Beiträge findet sich kein Wort über eine Woche später findet ein Termin Heimopfergesetz werden wir mögliche Streichung der Steuer- zwischen dem damaligen Gene- deckeln. Er war zunächst rot privilegien und es gab auch kei- ralsekretär im Finanzministe- dann blass dann zittrig. Er bot nen Folgetermin, um diese Pläne rium, Thomas Schmid, und dem mir Schnaps an den ich in der weiter zu diskutieren. Generalsekretär der Bischofs- Fastenzeit ablehnte weil Fasten- konferenz, Peter Schipka, statt. zeit. Waren aber freundlich und Aus diesen Chatprotokollen geht Schmid startete bei diesem Ter- sachlich.“ eines ganz klar hervor: Kurz und min eine Diskussion über die seine türkise Familie sind ohne Privilegien der Kirche, die man Kurz antwortet seinem Vertrau- Anstand, ohne Moral und ohne prüfen müsse. ten: Respekt. Wer das System Kurz kritisiert, wird eingeschüchtert „Super danke vielmals!!!! Du Auf- und bedroht. Es ist einzigartig, sichtsratssammler “ wie der Machtapparat des Staates hier missbraucht wird. 16 www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 17 von 56 Heute ist die Kirche bei uns Schipka kommt um 16.00 Wir werden Ihnen ordentliches Package mitgeben Im Rahmen eines steuerprivilegien Checks aller Gruppen in der Republik wird für das BMF auch die Kirche massiv hinterfragt Alles sind gleich Dann gehen wir unsere Liste durch. LG Thomas Ja super. Bitte Vollgas geben. Yea! Das taugt mir voll Also Schipka war fertig! Steuerprivilegien müssen gestrichen werden Förderungen gekürzt Und bei Kultus und Denkmalpflege wesentliche Beiträge Heimopfergesetz werden wir deckeln Er war zunächst rot dann blass dann zittrig Er bot mir Schnaps an den ich in der Fastenzeit ablehnte weil Fastenzeit Waren aber freundlich und sachlich Super danke vielmals!!!! Du Aufsichtsratssammler :) #IbizaUA – 17 www.parlament.gv.at
18 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ Wie viel Geld zahlte die Sobomatic Novomatic tatsächlich? Sobotka selbst versuchte die Ko- operation zwischen Novomatic und seinem Institut kleinzure- den. Anfangs gab er lediglich Eine besonders unrühmliche Rolle im Ibiza Untersu- zu, dass es Inserate von Seiten der Novomatic gegeben hat: chungsausschuss nahm der Vorsitzende persönlich ein. „Es waren Inserate im ‚Report‘, Wolfgang Sobotka leitete nämlich nicht nur die Aus- 2017, 2018 und 2019, in jedem schusssitzungen, sondern war auch gleich zwei Mal als Jahr gab es dementsprechend Auskunftsperson geladen. Untersucht wurden die Verstri- zwei Inserate, jeweils zu 2.000 ckungen seines Alois-Mock-Instituts, dessen Präsident er Euro im Jahr 2017 – ein Inserat, ist, mit dem Glücksspielkonzern Novomatic. also dann zwei, somit waren es 4.000 – und in den Jahren 2018 und 2019 2500.“38 Später musste Novomatic zahlt alle? ausschuss bestätigte erstmals, er schließlich zugeben, dass es dass Geld vom Glücksspielkon- auch Sachleistungen von einigen Es handle sich um einen „bür- zern Novomatic an das Alois- 10.000 Euro gab. Am Ende stell- gerlichen Thinktank“36, der mit Mock-Institut geflossen war: „Es te sich heraus, es waren über dem Untersuchungsgegenstand gibt oder gab mit dem Dr.-Alois- 100.000 Euro an Geld-, Sach- nichts zu tun habe – das versi- Mock-Institut Sponsoringaktivi- und Inseratenleistungen. Allein chert zumindest Wolfgang So- täten, ja.“37 Das Alois-Mock-In- 60.000 Euro davon beliefen sich botka, wenn es um sein Alois stitut ist ein ÖVP-naher Verein auf Geldleistungen. Mock-Institut geht. Durch Bezie- mit Sitz in St. Pölten. Initiator hungen und Kooperation wür- und Präsident dieses Instituts Im Lauf der Befragung im Unter- de man sich finanzieren. Einer ist ausgerechnet der Vorsitzen- suchungsausschuss konnte auch dieser Geldgeber ist aber ausge- de des Untersuchungsausschus- herausgearbeitet werden, dass rechnet der Glücksspielkonzern ses, Wolfgang Sobotka. Auch das es auch Geldflüsse zum NÖAAB Novomatic. Stichwort „Novoma- Waidhofner Kammerorchester (Niederösterreichischer Arbeit- tic zahlt alle“ - parteinahe Ver- wurde von der Novomatic mit nehmerinnen- und Arbeitneh- eine, über die Spendengelder an mehreren tausend Euro gespon- merbund) gab. Vorsitzender des Parteien an der Meldepflicht vor- sert. Dirigent des Orchesters? NÖABB ist wiederum Wolfgang bei fließen können. Wiederum ein gewisser Wolf- Sobotka. Es konnte nachgewie- gang Sobotka. sen werden, dass es einen Geld- Die Aussage des ehemaligen No- fluss in Form von Inseraten von vomatic-Vorstands Harald Neu- der Novomatic an das Alois- mann vor dem Untersuchungs- Mock-Institut gegeben hat und 18 www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 19 von 56 dann einen Geldfluss in Form bare Gegenleistung. Bis dahin matet. Davor war der offizielle von Inseraten an den NÖAAB.39 hatte das Institut nur die Zah- Sitz des Instituts die Ferstlergas- lungen für Inserate in der Insti- se 8, ein Nebenhaus der ÖVP-Nie- Als Anfang 2017 ein Politikbera- tutszeitung, dem „Mock-Report“, derösterreich-Parteizentrale.43 ter einen Vortrag beim NÖABB zugegeben. Bernhard Krumpel, hält, bezahlt die Novomatic das ehemaliger Pressesprecher von Auch personell bestehen eini- Honorar von 2.400 Euro Brut- Sobotka und Ex-Novomatic-Spre- ge Überschneidungen zwischen to: „Lieber Harald, der NÖAAB cher, gab an, es habe immer ÖVP und dem Alois Mock-Insti- macht einen Vortrag mit […] und Jahresvereinbarungen über die tut, wie Sobotka selbst im Unter- hat uns gebeten mittels Sponso- Leistungen zwischen Novomatic suchungsausschuss zugeben ring die Kosten zu übernehmen. und dem Alois Mock-Institut ge- musste: „Ja, es sind im Vorstand Ich habe das (s. unten) ggü Com- geben.42 auch Leute, die in der ÖVP be- pliance/Veverka argumentiert ziehungsweise im NÖAAB Funk- und der Compliance-Check ist Das Alois Mock-Institut – tionen haben beziehungsweise positiv verlaufen. Die Rechnung hatten.“44 würden wir direkt übernehmen, Teil der „ÖVP Familie“: dh damit erfolgt auch keine Zah- Dass zwischen dem Alois-Mock- Wolfgang Sobotka beharrte im- lung an den NÖAAB.“40 Diese Institut und der ÖVP eine enge mer darauf, es hätte für jede Leistung kann ganz klar als ver- Verbindung besteht, kann nicht Leistung der Novomatic auch deckte Parteispende gewertet geleugnet werden. In den in- eine Gegenleistung gegeben. werden. ternen Wahlkampfstrategie- Die Staatsanwaltschaft, die die- papieren der ÖVP „Projekt Ball- se Zahlungen untersuchte, stell- Dem Aufsichtsratschef der No- hausplatz“ wird das Institut als te allerdings fest: Mindestens vomatic, Bernd Oswald, wurden „nahestehende Organisation“ 50.000 Euro sind ohne Gegenleis- im Untersuchungsausschuss und Teil der „Parteienfamilie“ tung geblieben, stellte das Ver- schließlich Rechnungen vorge- geführt. Die Nähe zur ÖVP ist fahren gegen Sobotka aber ein. legt, die im Zeitraum von 2013 bis allerdings nicht nur eine ideel- Der Grund: u. a. Verjährung. 2019 insgesamt 108.000 Euro an le, sondern durchaus auch eine Zahlungen von der Novomatic an räumliche. Erst seit Kurzem ist das Alois-Mock-Institut zeigen41, das Alois-Mock-Institut in der ein Großteil davon ohne erkenn- Hypogasse 1 in St. Pölten behei- Parlamentsdirektion/Zinner Mit einer türkisen Brille eröffnete der U-Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Befragungen am 4. Juni 2020. Die Befangenheit des Vorsitzenden bleibt bis zum Schluss ein Thema. #IbizaUA – 19 www.parlament.gv.at
20 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ Soko Haarbüschel Weiters, so Mirfakhrai, sei es dann zu einem Termin in seinen Kanz- leiräumlichkeiten gekommen. Mit dabei wiederum Suppan und Halper. „Dabei teilten mir die bei- den Herren mit, dass kurzfristig ein Betrag von EUR 40.000 bis EUR Im Laufe des Untersuchungsausschusses wurden Vorwür- 70.000 bewerkstelligt werden kön- fe gegen den Leiter der Soko Ibiza, Andreas Holzer, laut, ne“, so Mirfakhrai.48 dieser habe bereits 2015 im Auftrag der ÖVP belastendes Material gegen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Kaltenegger schlug schließlich vor, einen ÖVP-Vertrauten im die FPÖ gesammelt. Auch die WKStA, die Wirtschafts- und Innenministerium miteinzube- Korruptionsstaatsanwaltschaft, ermittelte. ziehen – Andreas Holzer.49 Bei der Kontaktaufnahme zeigte sich Im Zuge des Ibiza-Skandals wur- Seiten Daniel Kapp / Mag. Fritz dieser bereits bestens informiert, den Vorwürfe bekannt, die das Kaltenegger besonders für den so Mirfakhrai. In der Folge kam Ende von Heinz-Christian Stra- Drogenkonsum des Strache inte- es dann zu einem Termin mit che in der FPÖ bedeuteten. Die ressieren würde. Es erfolgte die Holzer im März 2015. Über sein Öffentlichkeit erfuhr von dreis- explizite Anfrage, ob es möglich Gespräch mit Holzer berichtete ten Spesenabrechnungen und wäre, Haarproben zum forensi- Mirfakhrai folgendes: „Mag. An- vom mutmaßlichen Verkauf ei- schen Nachweis des Drogenkon- dreas Holzer meinte, dass er aus nes Nationalrats-Mandats. Diese sums des Strache zu beschaffen. dem Ermittlungsbereich Drogen- Vorwürfe bewirkten den massi- Ich berichtete das Oliver Riba- kriminalität komme, man vom ven Absturz der FPÖ bei der Na- rich und so kam es dazu, dass Drogenkonsum Heinz Christian tionalratswahl 2019, Strache wur- mir dieser einige Zeit darauf das Straches ohnehin wisse und man de aus der FPÖ ausgeschlossen. Büschel Haare übergab. Nach in erster Linie an den Lieferan- Die Polizei, konkret Soko-Ibiza- den Angaben des Ribarich han- ten interessiert sei. Wir sprachen Chef Holzer, wusste anscheinend delte es sich dabei um Haare auch darüber, wo und mit wem schon 2015 von Vorwürfen gegen bzw. Haarschnipsel des Heinz- Strache Drogen konsumierte.“50 Strache im Zusammenhang mit Christian Strache, die er anläss- dem mutmaßlichen Konsum von lich eines Friseurbesuchs an sich Drogen. Diese Informationen be- genommen habe.“46 Als eine Art kam Holzer von Ramin Mirfakhr- Kostprobe verlangt wurde, über- ai, dem Anwalt des ehemaligen mittelte Mirfakhrai Fotos von Ta- Leibwächters Heinz-Christian schen mit Bargeld und Chatverläu- Straches. Der Ex-Leibwächter fe zwischen Strache und seinem soll sich zuerst an den ehemali- Leibwächter. 47 gen ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger gewendet haben, berichtet Mirfakhrai im Unter- Die ÖVP hatte es auf das Haar des suchungsausschuss. Und weiter: Heinz-Christian Strache (damals noch „Es kam sodann zu direktem Kon- FPÖ-Chef ) abgesehen. takt zwischen mir und Mag. Fritz Kaltenegger, dann zu Dr. Diet- mar Halper [Anmerkung: damals Foto: Parlamentsdirektion/Zinner Leiter der Politischen Akademie der ÖVP] und Mag. Werner Sup- pan [Anmerkung: Parteianwalt der ÖVP]. Mag. Fritz Kalteneg- ger brachte ca. zeitgleich Daniel Kapp ins Spiel, der über hervor- ragende Kontakte verfügen soll- te. Das Ganze spielte sich in der Zeit Spätsommer/Herbst 2014 bis Sommer 2015 ab.“45 Mirfakhrai sagte in seiner Be- schuldigtenäußerung weiters: „Von [...] – meinem Jugendfreund – erfuhr ich, dass man sich von 20 www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 21 von 56 Im Laufe des Jahres 2015 seien dann die Gespräche mit der ÖVP im Sand verlaufen, so Mirfakhrai. Auch weil sein Mandant, Ribarich, das Interesse verlor, die Causa wei- terzuverfolgen.51 Und auch im Bun- deskriminalamt passierte nichts, obwohl Holzer Beweise, Zeugen und einen Tatverdacht gehabt ha- be.52 Zwei Jahre später platzt die Ibi- za-Bombe und ebenjener Holzer wird Leiter der Sonderkommis- sion, die mit der polizeilichen Er- mittlungsarbeit in der Causa rund um das Ibiza-Video betraut wird. In der WKStA hegte man von Be- ginn an Zweifel an der Unabhän- gigkeit der Soko Ibiza. So forderte man die Soko in einem E-Mail zur Stellungnahme auf: „Hinsichtlich jedes einzelnen Beamten möge mitgeteilt werden, ob er/sie Mit- glied einer politischen Partei oder einer parteinahen Organisation ist oder (wenn ja in welchem Zeit- raum) war; [...] ob sonst Gründe vorliegen, die geeignet sind, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel“ zu zie- hen.“53 Die Soko wehrte sich aller- dings erfolgreich dagegen, die Fra- gen zu beantworten. Holzer hat es sich in der Zwischen- zeit weiter verbessert. Innenmi- nister Nehammer (ÖVP) hat ihn im Februar 2021 zum Direktor des Bundeskriminalamts ernannt. Holzer war von Anfang an Ver- trauensmann der ÖVP, wofür er schlussendlich auch belohnt wur- de. Die ÖVP wusste so bereits 2015 von Straches angeblichen Drogen- konsum, seinen Spesenabrech- nungen und geheimen Geldkof- fern. #IbizaUA – 21 www.parlament.gv.at
22 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ Von: Julian Hadschieff An: Heinz-Christian Strache Freitag , 6. Juli 2018 Sehr geehrter Herr Vizekanzler, zunächst noch einmal herzl ichen Dank für die zwischen uns bespro- chene Lösung zur Aufnahme der Privatklinik Währing in den PRIKRAF. ( ... ) Die beigeschlossenen Regelungen wurden so wie zwischen uns verein- bart mit Herrn Kanzleramtsminister G. Blümel und Herrn Finanzminister H. Löger abgestimmt. 22 www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 23 von 56 Die Erfüllung der Spenderwünsche Welches Gesetz soll ich ner Klinik an die Prikraf-Gelder zu kommen. Er holte sich dabei Hilfe vom ÖVP-nahen PR-Berater für dich ändern? Herbert Vytiska. Der langjährige Pressesprecher von Alois Mock Oder: Die Prikraf-Affäre lobbyierte unter anderem bei Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl für die Anliegen Grubmüllers. Die Bemühungen blieben erfolglos. Vytiska schlug Grubmüller dann vor, an ÖVP- nahe Vereine zu spenden, um die Sowohl die FPÖ als auch die ÖVP erhielten Spenden von ÖVP doch noch für Grubmüllers Privatklinikbetreibern. Als Dank wurde sogleich eine Än- Anliegen zu gewinnen. Sogar derung der Privatkrankenanstalten-Finanzierung beschlos- eine Liste mit möglichen Ver- sen, von der die Spender in Millionenhöhe profitierten. einen – darunter auch Wolfgang Sobotkas Alois-Mock-Institut - wurde ihm vorgelegt, so Grub- müller: „Er hat vor Zeugen ge- Finanzierung von „Hallo Walter! Welches Bundes- sagt, das ist nicht zum Derheben Privatkliniken Gesetz wäre für dich wichtig, – seine Worte –, du zahlst 100.000 Die gesetzliche Ausgangslage damit die Privatklinik endlich fair an verschiedene Vereine!, hat sieht so aus: Privatspitäler kön- behandelt wird? Prikraf! Lg“ mir eine Liste hingelegt. Ich habe nen über den Privatkrankenan- gesagt: Das mache ich nicht, ich staltenfinanzierungsfonds – kurz Und weiter: habe geglaubt, ich bekomme so- Prikraf –, der aus Sozialversiche- wieso alles! Ein Verein, an den rungsbeiträgen finanziert wird, „Brauche genaue Gesetzes- ich mich sicher erinnern kann, Leistungen verrechnen. Welche änderung, damit ihr zu euren war das Alois-Mock-Institut, weil Spitäler das dürfen, ist gesetz- Genehmigungen kommt! Lg“54 das ewig im Gespräch war.“55 lich geregelt. Walter Grubmül- ler, Strache-Freund, FPÖ-Spen- Grubmüller gab seine Bestellun- ÖVP-Spender profitierten der und Besitzer der Privatklinik gen ab, die Privatklinik spendete Währing, bemühte sich in den im selben Jahr 10.000 Euro an die Aber nicht nur der FPÖ-Spender vergangenen Jahren immer wie- FPÖ, und Strache lieferte die Ge- Grubmüller profitierte. Wie aus der um Aufnahme in ebendiesen setzesänderung und die Aufnah- den Akten des Untersuchungs- Prikraf. 2017 sah Grubmüller me der Privatklinik Währing in ausschusses hervorgeht, hat dann seine große Chance gekom- den Prikraf. auch die ÖVP nicht auf ihre Groß- men: Schon während der Koaliti- spender vergessen. In den Jahren onsverhandlungen fragte Strache Der lange Weg in den 2017 und 2018 spendete die Pre- bei seinem Freund per WhatsApp miQaMed Group jeweils 25.000 nach: Prikraf Euro an die ÖVP, insgesamt also Doch schon einige Jahre davor 50.000 Euro. Julian Hadschieff, versuchte Grubmüller mit sei- Vorstandsvorsitzender der Pre- #IbizaUA – 23 www.parlament.gv.at
24 von 56 1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ miQaMed, gibt an, vom „Wie mit Blümel und Löger der UNIQA Österreich war bis Wirtschaftsbund über „die gro- abgestimmt“ - 14,7 Millio- 2017 Hartwig Löger. ße Spendenkampagne der ÖVP“ nen mehr öffentliche Mit- informiert worden zu sein. Er tel im Privatspitälerfonds Bei diesem bedankte sich Had- habe daraufhin mit Hartwig Lö- schieff auch per WhatsApp, ger und Axel Melchior über seine Parallel dazu wurde von Seiten nachdem die Gesetzesnovelle im mögliche Spende gesprochen. der türkis-blauen Bundesregie- Nationalrat beschlossen wurde. Melchior war damals Bundes- rung an einer Novellierung des Für den Prikraf bedeutete das geschäftsführer der ÖVP. Er hat Prikraf-Gesetzes gearbeitet. Ein eine Mittelaufstockung von 14,7 ihn, wie Hadschieff berichtete, E-Mail von Julian Hadschieff Millionen: „[…] Herzlichen Dank „zu diesem Gespräch (über die zeigt, dass der damalige Finanz- für deine so wichtige Unterstützung große ÖVP-Spendenkampagne, minister Hartwig Löger und bei der Aufstockung des Prikraf. Anm.) eingeladen“ – und wie Regierungskoordinator Gernot Die gestrige Entscheidung war ein später bekannt wurde, „gefragt, Blümel mit an Bord waren. „(…) wichtiger Schritt in Richtung mehr ob 50.000 Euro an Spende möglich Die beigeschlossenen Regelungen Fairness in der Finanzierung des wären“.56 Die Überweisung der wurden, so wie zwischen uns ver- Spitalswesens.[…]“.58 Für die Pre- ersten Tranche von 25.000 Euro einbart, mit Herrn Kanzleramtsmi- miQaMed Group zahlte sich die erfolgte schließlich im Dezem- nister G. Blümel und Herrn Finanz- Aufstockung aus: 2019 bekam ber 201757. Die zweite Tranche minister H. Löger abgestimmt.“ Die sie so zusätzlich mehr als vier wurde schließlich im Juni 2018 PremiQaMed ist die Holding der Millionen Euro aus öffentlichen überwiesen. Privatspitäler der UNIQA Versi- Geldern.59 cherung. Vorstandsvorsitzender 25. November 2020: Der Untersuchungsausschuss übersiedelt vom Lokal 7 in der Hofburg ins geräumigere Camineum der Nationalbibliothek. Foto: Parlamentsdirektion/Jantzen 24 www.parlament.gv.at
1040 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Fraktionsbericht SPÖ 25 von 56 „Novomatic zahlt alle“ gen, die dem Untersuchungsaus- schuss geliefert wurden, ergab sich ein etwas anderes Bild. De facto gab es keine Kommunikati- on zwischen FPÖ und Novomatic bis knapp vor Weihnachten 2018. Aber es gab vom ersten Tag der „Novomatic zahlt alle.“ – Wohl eines der berühmtesten türkis-blauen Regierung ganz en- Zitate Heinz-Christian Straches aus dem berüchtigten gen Kontakt zwischen ÖVP und Ibiza-Video. Was sich im Laufe des Ibiza-Untersuchungs- Novomatic. ausschusses auf jeden Fall deutlich gezeigt hat: Dass der Zu Wolfgang Sobotka hatte der Glücksspielkonzern jedenfalls versucht hat, bei allen Par- Glücksspielkonzern eine beson- teien einen Fuß in die Tür zu bekommen. Bereits der „Mas- ders enge Bindung: Sponsorings terplan Novomatic“, den die Agentur von Peter Hochegger für das Alois-Mock-Institut, das 2005 erstellte, legt die Pläne des Konzerns offen. Man müs- Kammerorchester Waidhofen an se ganz viel Geld in die Hand nehmen und „das politische der Ybbs (Sobotka ist dort Diri- System korrumpieren.“60 Bei einigen Akteuren der politi- gent) und den NÖAAB. Auch Ger- not Blümel hatte enge Kontakte, schen Landschaft dürfte es auch gut funktioniert haben. So vor allem zu Ex-Novomatic-Chef wirkt etwa Wolfgang Sobotka wie ein wandelndes Novoma- Harald Neumann. So schreibt tic-Testimonial. Sogar eine ehemalige Grüne-Spitzenpoliti- Neumann am 12. Juli 2017 an kerin verirrte sich zu Novomatic. Blümel: „Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kur- zen Termin bei Kurz (erstens we- Der Ausgangspunkt unserer Un- FPÖ und dem Glücksspielkon- gen Spende und zweitens bezüg- tersuchungen im Untersuchungs- zern gegeben, um Peter Sidlo in lich einen Problemes das wir in ausschuss war die Annahme, es den Casinos-Vorstand zu hieven. Italien haben! Glauben Sie geht hätte einen Deal zwischen der Durch die Akten und Unterla- sich das noch diese Woche aus?? #IbizaUA – 25 www.parlament.gv.at
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