Gemeindebrief Nr. 2/2021 - März - Mai 2021 - Jerusalem-Kirche
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Das Diakonissenhaus Jerusalem, Schäferkampsallee 30, das „Ella-Louisa-Haus“, wurde vom Diakoniewerk an einen Investor verkauft. Die Schwestern haben weiterhin Wohnrecht und leben in Gemeinschaft zusammen. Die Schwesternschaft gehört dem Kaiserswerther Verband an und versteht sich als Glaubens- und Lebensgemeinschaft evangelischer Christinnen, in der Spiritualität, Gast- freundschaft und Begegnungen ihren Platz haben. Die Zahl der Diakonissen ist kleiner geworden, aber auch die „Feierabendschwestern“ tragen mit ihrer Fürbitte und der ihnen noch zur Verfügung stehen- den Kraft unsere Jerusalem-Gemeinde mit. Das Krankenhaus Jerusalem Bereits seit dem Jahre 1913 vereint das Krankenhaus Jerusalem hohe Fachkompetenz mit intensiver persönlicher Zuwendung. Ständige Erweiterungen und umfassende bauliche Erneuerungen haben die Klinik im Zentrum von Hamburg kontinuierlich dem Stand des medizinischen Fortschritts angepasst – so beherbergt das Krankenhaus Jerusalem hinter seiner historischen Fassade heute eine moderne Be- legarzt-Klinik mit 105 Betten. Im Zuge von Gesundheitsreform und anderen Anpassungen war aber nun auch dies nicht mehr ausreichend, um die Arbeitsplätze und den Betrieb dauerhaft sicherzustellen. Deshalb wurde ein Verkauf eingeleitet. Mit dem Wechsel des Klinikträgers im September 2007 und einer Investitionssumme von zehn Millionen Euro wird das Krankenhaus Jerusalem nun schrittweise erweitert und modernisiert werden. Eine Liste mit Namen und Adressen der Fachärzte ist in der Auf- nahme des Krankenhauses erhältlich. Inhaltsverzeichnis: Editorial Seite 1 Hans-Christoph Goßmann, Predigt über 1. Thessalonicher 5, 1-11 Seite 2 Renate Heidner; Michael Arretz, Jerusalem-Kirche – seit 108 Jahren in Eimsbüttel – I Seite 6 Michael Arretz, Jerusalem-Kirche – seit 108 Jahren in Eimsbüttel – II Seite 7 Fachausschuss Hygieneschutzmaßnahmen der Jerusalem-Gemeinde, Hygieneschutzkonzept für Gottesdienste in der Jerusalem-Kirche Seite 8 Fachausschuss Hygieneschutzmaßnahmen der Jerusalem-Gemeinde, Hygieneschutzkonzept für Abendmahlsfeiern der Jerusalem-Gemeinde in der Jerusalem-Kirche Seite 9 Gedanken zu Monatssprüchen: - Onno Hofmann, Lukas 19, 40 (März) Seite 9 - Oliver Haupt, Kolosser 1, 15 (April) Seite 11 - Dorothea Pape, Sprüche 31, 8 (Mai) Seite 13 Reinhard Brunner, Mein Quereinstieg in den Pfarrdienst der Nordkirche. Die Nordkirche sucht dringend Pastorinnen und Pastoren und geht dabei neue Wege Seite 15 Michaela Lohr, Weltgebetstag 2021 Seite 17 Aus dem Programm der Jerusalem-Akademie Seite 19 Veranstaltungskalender Seite 20 Spenden für die Gemeinde erbitten wir auf folgende Konten: Haspa: IBAN - DE33 2005 0550 1211 1292 16 BIC - HASPDEHHXXX Evangelische Bank eG: IBAN – DE25520604106306446019 BIC – GENO DEF1 EK1 Konto des Fördervereins Jerusalem-Kirchengemeinde Hamburg e.V.: Haspa: IBAN - DE40 2005 0550 1211 1237 55 BIC - HASPDEHHXXX Unsere Internet-Seiten finden Sie unter: Jerusalem-Kirche = www.jerusalem-kirche.de Bestellungen und andere Anfragen richten Sie bitte an die Jerusalem-Gemeinde Sekretariat: Frau Birthe Henkel, Schäferkampsallee 36, 20357 Hamburg, Öffnungszeiten: Di. und Do. von 9.00 bis 12.00 Uhr und Mi. von 14.30 bis 17.30 Uhr, Telefon: 040/202 28 136, Fax: 040/202 28 138, E-Mail: buero@jerusalem-kirche.de Pastor: Dr. Hans-Christoph Goßmann, E-Mail: jerusalem-pastor@gmx.de Impressum: Herausgeber ist die ev.-luth. Jerusalem-Gemeinde zu Hamburg. Auflage: 600 Stück Redaktion: Dr. Hans-Christoph Goßmann, Druck: H.-D. Dietrich Druckerei, Beeksfelde 18, 25482 Appen/Pi. Für namentlich gekennzeichnete Artikel zeichnen die Autoren verantwortlich. Der Brief erscheint viermal im Jahr und wird auf Spendenbasis an Mitglieder und Freunde der Ge- meinde verschickt. Redaktionsschluss für den Jerusalem-Brief 3-2021 ist der 3. Mai 2021.
1 Editorial Liebe Leserin, kirchliche Pfarramt. Auch an dieser Stelle lieber Leser, danken wir ihm herzlich für all sein Enga- am Beginn die- gement in unserer Jerusalem-Kirche! ser Ausgabe des Jerusalem- Am 5. März werden wir auch in Eimsbüttel Briefes steht wieder den Weltgebetstagsgottesdienst eine Predigt feiern, diesmal in der Apostelkirche. Mi- über 1. Thessa- chaela Lohr bringt uns in ihrem Beitrag lonicher 5, 1-11 Vanuatu näher – dem Land, aus dem die – elf Verse, in diesjährige Weltgebetstagsordnung kommt. denen Paulus den Gemeinde- In dieser Ausgabe des Jerusalem-Briefes gliedern in finden Sie auch den Hinweis auf einige Thessaloniki verdeutlicht, dass sie als Veranstaltungen der Jerusalem-Akademie: Christinnen und Christen ihre Verantwor- den Vortrag „Jüdisches Leben in Deutsch- tung für die Gestaltung ihrer Gegenwart land – der große Überblick“ von Dr. Uri wahrzunehmen haben. Kaufmann am 4. Mai, das Konzert des Jewish Chamber Orchestra am 24. Mai und Daran schließen sich zwei Beiträge an, in die jeweils einmal pro Monat stattfinden denen Dr. Renate Heidner und Dr. Michael Lektürekreise: den Martin Buber-Lektü- Arretz Einblicke in die Geschichte unserer rekreis sowie den Reinhard von Kirchbach- Jerusalem-Kirche geben. Lektürekreis. Auf den darauf folgenden Seiten finden Sie Wann die nächsten Gottesdienste und Bi- das derzeit gültige Hygieneschutzkonzept belstunden stattfinden werden, können Sie für Gottesdienste in unserer Kirche sowie dieser Ausgabe des Jerusalem-Briefes na- das für Abendmahlsfeiern unserer Ge- türlich wie gewohnt auch entnehmen. meinde, die in unserer Kirche gefeiert wer- den. Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihr Hans-Christoph Goßmann In dieser Ausgabe des Jerusalem-Briefes können Sie Gedanken zu den Monatssprü- chen für die Monate März bis Mai lesen: für März („Jesus antwortete: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden * * * die Steine schreien“ [Lukas 19, 40]) von Onno Hofmann, für April („Christus ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstge- borene der ganzen Schöpfung“ [Kolosser 1, 15]) von Oliver Haupt und für Mai („Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen“ [Sprüche 31, 8]) von Dorothea Pape. Reinhard Brunner verlässt die jesusfriends, um Pastor unserer Landeskirche zu wer- den. Er gibt in dieser Ausgabe einen Ein- blick in seinen Quereinstig in das landes-
2 Predigt über 1. Thessalonicher 5, 1-11 von Pastor Dr. Hans-Christoph Goßmann Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus es den damaligen Leserinnen und Lesern und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft seines Briefes leichter zu machen, den In- des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. halt seiner Worte zu verstehen. Dieses Ziel Amen. wird er auch gewiss erreicht haben. Auch wir gebrauchen sprachliche Bilder, um Liebe Jerusalem-Gemeinde, Sachverhalte möglichst klar darstellen zu der Predigttext für den heutigen drittletzten können. Nur haben sich im Lauf der nahe- Sonntag des Kirchenjahres steht im ersten zu zweitausend Jahre, die vergangen sind, Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde seit Paulus diesen Brief geschrieben hat, in Thessaloniki, in der Stadt, die wir heute die Lebenswirklichkeiten und damit auch unter dem Namen Saloniki kennen. Er hat die Vorstellungen und Bilder von ihnen folgenden Wortlaut: verändert. Vieles, was Paulus damals selbstverständlich voraussetzen konnte, hat Von den Zeiten und Stunden aber, liebe sich geändert. Deshalb sind seine Bilder in Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schrei- unserer Zeit nicht mehr so sprechend, wie ben; denn ihr selbst wisst genau, dass der sie es zur Zeit des Paulus gewesen sind. Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb Wenn Paulus die Wendung gebraucht „wie in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Es ein Dieb in der Nacht“, dann nimmt er da- ist Friede, es hat keine Gefahr –, dann wird mit darauf Bezug, dass Diebe damals des sie das Verderben schnell überfallen wie Nachts kamen, wenn diejenigen, die sie be- die Wehen eine schwangere Frau und sie stehlen wollten, tief und fest schliefen. Ein werden nicht entfliehen. Ihr aber, liebe Blick auf die Polizeistatistik zeigt, dass Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass dies heutzutage anders ist. Diebe kommen der Tag wie ein Dieb über euch komme. meist am helllichten Tag, wenn die Haus- Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und bzw. Wohnungsbesitzer bei der Arbeit sind Kinder des Tages. Wir sind nicht von der und die Nachbarn denken, dass Handwer- Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns ker oder Möbelpacker am Werk sind. Auch nun nicht schlafen wie die andern, sondern der Vergleich mit den plötzlich einsetzen- lasst uns wachen und nüchtern sein. Denn den Wehen ist in unserer Zeit nicht mehr die schlafen, die schlafen des Nachts, und geeignet, das Unerwartete und Überra- die betrunken sind, die sind des Nachts schenden sprachlich zu illustrieren. In un- betrunken. Wir aber, die wir Kinder des serer Gegenwart, wo der Geburtstermin Tages sind, wollen nüchtern sein, angetan schon bald nach Beginn der Schwanger- mit dem Panzer des Glaubens und der Lie- schaft ärztlich auf den Tag genau berech- be und mit dem Helm der Hoffnung auf net wird, ist das Einsetzen der Wehen im das Heil. Denn Gott hat uns nicht bestimmt Allgemeinen nichts Überraschendes, son- zum Zorn, sondern dazu, das Heil zu er- dern etwas Erwartetes. Entsprechendes gilt langen durch unsern Herrn Jesus Christus, für das sprachliche Bild vom nächtlichen der für uns gestorben ist, damit, ob wir Schlaf: Dass die Nacht ausschließlich die wachen oder schlafen, wir zugleich mit Zeit des Schlafens ist, gilt in unserer post- ihm leben. Darum ermahnt euch unterei- modernen Informationsgesellschaft auch nander und einer erbaue den andern, wie nicht mehr. Heute sind es bei weitem nicht ihr auch tut. nur die Nachtwächter, die es auch zur Zeit 1. Thessalonicher 5, 1-11 des Paulus gegeben haben wird, die des Nachts arbeiten, sondern unzählige In diesem Teil seines Briefes verwendet Schichtarbeiter und Dienstleister, die durch der Apostel eine Vielzahl von Bildern, um ihre nächtliche Arbeit dazu beitragen, dass
3 unser Leben so verlaufen kann, wie wir es war überaus beruhigend: Timotheus konnte gewohnt sind. Auch das Bild von Men- in Korinth berichten, dass die junge Ge- schen, die nachts betrunken sind, wird meinde trotz aller Bedrängnisse dem durch einen Blick auf unsere Straßen kor- Evangelium treu geblieben ist. Eine Frage rigiert, auf denen auch tagsüber oft schon beschäftigte die Gemeindeglieder in Thes- Betrunkene zu sehen sind. Und dass auch saloniki: die Frage, ob die Gemeindeglie- das Bild von dem Panzer des Glaubens, der, die zwischenzeitlich verstorben waren, das Paulus hier ebenfalls zur Sprache bei der Wiederkunft Christi benachteiligt bringt, in unserer Zeit erklärungsbedürftig seien. Auf diese Frage geht der Apostel ist, haben wir gesehen, als wir vor einigen Paulus in seinem Brief ein, den er wahr- Wochen in unserer Bibelstunde das sechste scheinlich ein Jahr nach Gründung der Kapitel des Epheserbriefes gemeinsam Gemeinde im Jahr 50/51 n. Chr. geschrie- gelesen und ausgelegt haben. ben hat. In dem Teil seines Briefes, der Um diesen Text des Apostels Paulus nicht dem Predigttext des heutigen Sonntags falsch zu verstehen, sondern vielmehr so, unmittelbar vorausgeht, schreibt Paulus: wie er ihn gemeint hat, ist es hilfreich, sich die Zeitbedingtheit der sprachlichen Bilder Wir wollen euch aber, liebe Brüder, nicht vor Augen zu halten. Und es ist nicht min- im Ungewissen lassen über die, die ent- der hilfreich, sich den geschichtlichen Hin- schlafen sind, damit ihr nicht traurig seid tergrund dieses Briefes zu vergegenwärti- wie die andern, die keine Hoffnung haben. gen: Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestor- Paulus war zusammen mit seinen beiden ben und auferstanden ist, so wird Gott auch Mitarbeitern Silvanus bzw. Silas und Ti- die, die entschlafen sind, durch Jesus mit motheus von Philippi nach Thessaloniki ihm einher führen. Denn das sagen wir gekommen. Die Stadt war aufgrund ihres euch mit einem Wort des Herrn, dass wir, Hafens und ihrer Lage an der Fernhandels- die wir leben und übrig bleiben bis zur straße Via Egnatia damals ein bedeutendes Ankunft des Herrn, denen nicht zuvor- Handelszentrum. Die drei Missionare be- kommen werden, die entschlafen sind. gannen, in dieser Metropole das Evan- Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der gelium zu verkündigen und konnten eine Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzen- Gemeinde gründen. Diese Gemeinde wird gels und die Posaune Gottes erschallen, sich wohl überwiegend aus Lohnarbeitern, herabkommen vom Himmel, und zuerst Handwerkern und Kaufleuten zusammen- werden die Toten, die in Christus gestor- gesetzt haben. Die gottesdienstlichen Ver- ben sind, auferstehen. Danach werden wir, sammlungen dieser Gemeinde fanden in die wir leben und übrig bleiben, zugleich Privathäusern statt. Paulus und seine bei- mit ihnen entrückt werden auf den Wolken den Mitarbeiter haben sich während ihres in die Luft, dem Herrn entgegen; und so Aufenthaltes in Thessaloniki ihren Le- werden wir bei dem Herrn sein allezeit. So bensunterhalt als Handwerker verdient und tröstet euch mit diesen Worten untereinan- zusätzlich noch Unterstützung von der der. Gemeinde in Philippi bekommen. Als sie 1. Thessalonicher 4, 13-18 die Gemeinde nach mehreren Monaten verlassen mussten, war ein herzliches Ver- In dem dann folgenden Abschnitt des Brie- hältnis zu ihr entstanden. Die drei Missio- fes, also in unserem Predigttext, führt Pau- nare ließen eine Gemeinde zurück, die lus diese Gedanken weiter aus, allerdings zwar aktiv, jedoch noch nicht gefestigt unter einem anderen Aspekt. Nun geht es war. Das wird die drei gewiss mit Sorge ihm nicht um die Verstorbenen, sondern erfüllt haben. Deshalb schickte Paulus aus um die Lebenden und deren Situation an- Athen seinen Mitarbeiter Timotheus zu- gesichts der Parusie, der Wiederkunft rück, damit der vor Ort nach dem Rechten Christi. Denn es ist dem Apostel wichtig, sehen konnte. Das Ergebnis dieser Reise dass die Gewissheit der baldigen Wieder-
4 kunft Christi nicht dazu führt, dass die Ge- Mit dieser Aussage will der Apostel die genwart vernachlässigt wird. Paulus ver- von ihm gegründete Gemeinde gegenüber deutlicht den Gemeindegliedern in Thessa- einer dem Christentum ablehnenden Um- loniki, dass sie als Christinnen und Chris- welt stabilisieren. Möglich wäre allerdings ten ihre Verantwortung für die Gestaltung auch, dass Paulus hier auf die römische ihrer Gegenwart wahrzunehmen haben. Er Formel „pax et securitas“ der römischen beginnt diesen Abschnitt mit dem Satz: Staatsideologie anspielt und die Gemeinde „Von den Zeiten und Stunden aber, liebe dadurch ermahnen möchte, sich nicht Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schrei- durch derartige Sicherheiten blenden zu ben; denn ihr selbst wisst genau, dass der lassen. Ihr Vertrauen sollen die Gemeinde- Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb glieder allein auf Jesus Christus werfen, in der Nacht.“ An dieser Stelle greift Pau- denn im Augenblick größter Sicherheit lus auf die alttestamentliche Vorstellung wird der Tag des Herrn anbrechen. Das des Tages des Herrn zurück und überträgt Bildwort von den plötzlich einsetzenden sie auf den Tag der Wiederkunft Christi. Wehen einer schwangeren Frau dient zum Der Prophet Amos hatte vom Tag des einen dazu, wie auch das Bildwort vom Herrn als einem Tag gesprochen, den man Dieb in der Nacht, deutlich zum Ausdruck sich nicht herbeiwünschen könne, da er zu bringen, dass der Tag des Herrn plötz- nicht Licht, sondern Finsternis sei (Amos lich und unerwartet kommen wird. Dieses 5, 18-20). Im Buch des Propheten Jesaja Bildwort hat in der jüdischen Tradition begegnet die Vorstellung vom Tag des darüber hinaus auch noch eine weitere Be- Herrn, der über alles Hohe und Erhabene deutung: Es verdeutlicht, dass die Zeit des kommen wird, um es zu erniedrigen (Jesaja Messias erst nach dem Leiden und Drang- 2, 12). Bei Maleachi ist der Tag des Herrn salen der letzten Zeit vor dem Ende kom- wie ein Ofen, in dem Verächter und Gott- men wird – wie auch eine Geburt erst nach lose wie Stroh brennen müssen (Maleachi den Wehen erfolgt. Dabei ist es von ent- 3, 19). Indem Paulus diese Vorstellung scheidender Bedeutung, dass die Wehen aufnimmt und auf die Wiederkunft Christi selbst nicht das Ende sind, sondern dessen bezieht, kommt ein anderer Charakter die- notwendiges und unausweichliches Vor- ses Tages zum Ausdruck: Der Tag des zeichen. Angesichts dieser Wehen ermahnt Herrn ist für die Gemeinde nicht mit den Paulus die Gemeindeglieder in Thessaloni- Schrecken verbunden, die in den Schriften ki: „Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der der drei zitierten alttestamentlichen Pro- Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über pheten zur Sprache gebracht werden. Denn euch komme.“ Dabei ist es ihm wichtig, an ihm wird das Heil offenbar. Aber dieser ihnen zuzusprechen, dass für sie der Tag Tag ist der des endzeitlichen Gerichtes des Herrn nichts Furchterregendes hat. Für Gottes. Deshalb betont Paulus mit Nach- sie ist dieser Tag kein Gerichtstag, denn sie druck, wie wichtig es ist, sich auf diesen sind bereits Kinder des Lichtes und gehö- Tag einzustellen und vorzubereiten. Denn ren somit dem Heilsbereich des Lichts und er wird plötzlich und unerwartet kommen, des Tages an. Und so schreibt er: „Denn gerade dann, wenn man es am wenigsten ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder erwartet. Dies illustriert Paulus mit dem des Tages. Wir sind nicht von der Nacht Bildwort vom Dieb in der Nacht. Wenn er noch von der Finsternis.“ Aus diesem Indi- dann mit den Worten fortfährt: „Wenn sie kativ, diesem Zuspruch, folgt dann der sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Imperativ, der Anspruch: Paulus fordert Gefahr –, dann wird sie das Verderben von der Gemeinde Wachsamkeit und schnell überfallen wie die Wehen eine Nüchternheit – nicht, damit sie dadurch zu schwangere Frau und sie werden nicht ent- Kindern des Lichtes werden, sondern weil fliehen“, dann sind mit dem „sie“, die sa- sie Kinder des Lichtes sind. Deshalb sollen gen, dass Friede ist und es keine Gefahr sie nicht schlafen, sondern wachen und hat, wahrscheinlich Nichtchristen gemeint. nicht betrunken, sondern nüchtern sein.
5 Und so ermahnt Paulus die Gemeinde in euch untereinander und einer erbaue den Thessaloniki: „So lasst uns nun nicht andern, wie ihr auch tut.“ Dabei betont schlafen wie die andern, sondern lasst uns Paulus anerkennend, dass dies in der Ge- wachen und nüchtern sein.“ Die Gemein- meinde in Thessaloniki ja bereits ge- deglieder sollen jederzeit bereit sein für schieht, mit anderen Worten: dass die Ge- den Tag des Herrn. Sie sollen sich als Kin- meinde auf dem richtigen Weg ist. der des Lichts und des Tages anders ver- Von dieser Ermahnung können auch wir halten als Kinder der Dunkelheit und der uns ansprechen lassen, die wir in einer Nacht. Über die sagt der Apostel: „Denn ganz anderen Zeit unter gänzlich anderen die schlafen, die schlafen des Nachts, und Rahmenbedingungen leben. Aber haben die betrunken sind, die sind des Nachts wir auch zu den Aussagen des Apostels betrunken.“ Dass die Gemeindeglieder die Paulus über die Wiederkunft Christi einen Fähigkeit haben, sich anders zu verhalten, unmittelbaren Zugang? Diese Frage wer- liegt daran, dass sie gut gerüstet sind, wie den wir wohl nicht ohne weiteres mit „Ja“ Paulus des Weiteren ausführt, wenn er beantworten können. Wir leben nach ca. schreibt: „Wir aber, die wir Kinder des zweitausend Jahren Christentumsge- Tages sind, wollen nüchtern sein, angetan schichte nicht mehr in einer Naherwartung. mit dem Panzer des Glaubens und der Lie- Leben wir überhaupt noch in der Erwar- be und mit dem Helm der Hoffnung auf tung der Wiederkunft Christi oder haben das Heil.“ Hier kommt die berühmte Trias wir uns in unserer Welt so gut eingerichtet, aus Glauben, Liebe und Hoffnung zur dass dafür eigentlich gar kein Raum mehr Sprache. Ohne diese drei sind die geforder- da ist? In „Der Großinquisitor“ von Fjodor te Wachsamkeit und Nüchternheit nicht Dostojewskij wird der wiederkommende denkbar. Bemerkenswert ist, dass die in Jesus Christus mit den Worten abgewiesen: diesem Bildwort genannten Waffen – Pan- „Warum bist Du denn jetzt gekommen, uns zer und Helm – Waffen sind, die aus- zu stören?“ Wäre es anders, wenn Christus schließlich der Verteidigung dienen. Wer in unseren Tagen wiederkommen würde? sein Vertrauen ganz auf Gott wirft und Wohl kaum. Dabei täte es auch uns heute somit zu den Kindern des Lichts gehört, ist Lebenden gut, die Frage nach der Zukunft gegen die Verunsicherungen seiner Zeit wieder neu in den Blick zu nehmen. Denn gut geschützt. Diese Aussage kann in ihrer die wird häufig ausgeblendet. Zwar gehört Bedeutung gar nicht hoch genug geschätzt die Phase der Parole „no future“ nun schon werden. Denn es geht um nichts weniger seit längerem der Vergangenheit an. Aber als um die Zusage der Rettung am Tag des der Gedanke an die Zukunft wird dennoch Herrn, also im endzeitlichen Gericht Got- oft verdrängt. Angesichts von Klimawan- tes. Diese Rettung ist nicht das Ergebnis del und dadurch bedingten Naturkatastro- menschlichen Tuns. Sie verdankt sich ein- phen ist dies vielleicht nachvollziehbar, zig und allein dem Heilshandeln Gottes in aber sicher nicht der richtige Weg. Der Jesus Christus, der für uns gestorben ist. Predigttext für den heutigen Sonntag kann Und dies bringt Paulus hier zur Sprache, uns beim Nachdenken darüber wichtige wenn er schreibt: „Denn Gott hat uns nicht und hilfreiche Impulse vermitteln. Denn er bestimmt zum Zorn, sondern dazu, das kann uns einerseits zu der Einsicht in die Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Wirklichkeit unserer Welt verhelfen, die in Christus, der für uns gestorben ist, damit, allem der Zeitlichkeit und somit der Ver- ob wir wachen oder schlafen, wir zugleich gänglichkeit unterworfen ist, und somit mit ihm leben.“ An diese Zusicherung des auch in die Wirklichkeit der Zukunft als Heils schließt Paulus die Aufforderung an, etwas, was wir mit all unserem Planen sich gegenseitig zu ermahnen und erbauen, niemals zur Gänze beherrschen können. d.h. einzelne in der Gemeinde zu trösten Andererseits können uns die Worte des bzw. zu ermutigen und aufzurichten bzw. Apostels Paulus daran erinnern, dass uns im Glauben zu stärken: „Darum ermahnt diese Einsicht nicht dazu verleiten darf,
6 unsere Gegenwart zu vernachlässigen. Pau- lus verdeutlicht in seinem Brief an die Gemeindeglieder in Thessaloniki, dass sie als Christinnen und Christen ihre Verant- wortung für die Gestaltung ihrer Gegen- wart wahrzunehmen haben. Diese Mah- nung gilt uns Heutigen ebenso. Und so können wir uns unseren Aufgaben in dieser unserer Welt in der Gelassenheit zuwen- den, die uns im Vertrauen auf Gottes Heilshandeln in Jesus Christus geschenkt ist. Amen. Foto: Monika Sauter Jerusalem-Kirche – seit 108 Jahren in Eimsbüttel – I Die Träume von einer eigenen Kirche mit steinimitat vom Sockel- und Fensterberei- einem Gemeindehaus wurden lange ge- chen ist erhalten geblieben. Und ebenso träumt. Vor 110 Jahren bekam man erst ein wurden zahlreiche Mosaiken innen wie Grundstück und dann die Erlaubnis, ein außen restauriert, wovon der brennende repräsentatives Bauwerk am Eck von Dornbusch im Kirchturm-Eingang mit dem Moorkamp und Schäferkampsallee zu er- Wort „ardens sed virens“ – zu Deutsch: richten. Pastor Arnold Frank wollte die „brennend in Blüte“ – hier ein gutes Zeug- Vorstellungen von einem Kirchen- nis ablegt. Ensemble, wie es in Nordirland, England Doch zurück zum Anfang: Grotjan wurde und Nordamerika gebräuchlich war, über- Anfang 1911 beauftragt, und im August nehmen. Mit diesem Gruppenbau wurde 1911 ging es dann los. Nach rund acht der Architekt für die Fassade des Hambur- Monaten wurde Ostern 1912 schon die ger Rathauses, Johannes Grotjan, beauf- Eröffnung gefeiert. Möglich war dieser tragt. Dieser fertigte detaillierte Zeichnun- rasante Bau wohl auch durch die großzügi- gen für innen und außen an. Wie dies gen Zuwendungen des Hamburger Groß- vonstattenging, belegen die Ausführungen kaufmanns Hermann Conrad Johannes des Architekten und Ingenieur Verein Fölsch, der sich insbesondere an den Hamburg von 1914: „Die Baukosten be- Turmbaukosten beteiligte. Aber das wird trugen trotz außerordentlich liebevoller noch einmal eine andere Geschichte. Ausbildung aller Einzelheiten nur 160.000 RM“. Insgesamt wird deutlich, dass es für den Das zweigeschossige Gemeindehaus ist in Bau des Jerusalem-Ensemble nicht nur der seiner Höhenausdehnung der Kirche eben- Träume von Pastor Arnold Frank und sei- bürtig und bildete mit dieser ursprünglich nen Mitstreitern bedurfte, sondern auch ein Kreuz. Durch Brandbomben im Juni genialer Partner wie Johannes Grotjan und 1942 wurde die Kirche zerstört. Der Wie- Gönnern wie Herman Fölsch. So konnte deraufbau erfolgte ab 1952, wobei der zum vor über 100 Jahren das Jerusalem- Moorkamp gewandte Giebel durch eine Ensemble in Rekordzeiten und zu ver- Traufwand ersetzt wurde. Aber die farben- gleichsweise niedrigen Kosten in Eimsbüt- frohe Optik mit den schwarzen Dächern tel erbaut werden. von Gemeindehaus und Kirche, dem grün- oxidierten Turmhelm des Kirchturms, dem (Aufgeschrieben nach Gesprächen mit Dr. Rot des Mauerwerks und dem hellen Sand- Renate Heidner durch Dr. Michael Arretz.)
7 Jerusalem-Kirche – seit 108 Jahren in Eimsbüttel - II von Dr. Michael Arretz Zu Beginn des letzten Jahrhunderts hat das Krankenhaus in den 1920er Jahren unser Pastor Dr. Arnold Frank den Plan einen großen Aufschwung. Mit seinem gefasst, alle Aktivitäten der Jerusalem Renommee und trotz des Berufsverbotes Gemeinde an einem Ort zu vereinen. Dafür für die jüdischen Ärzte wurde diese Arbeit war ein Grundstück wichtig und dieses in den 30er und 40er Jahren fortgesetzt. wurde an der Ecke Schäferkampsallee / Das Zusammenspiel von Diakoniewerk, Moorkamp Krankenhaus gefunden. und Gemeinde wurde dann Zusätzlich zur nach dem Kirche sollte Krieg neu be- aber auch ein lebt, und nach Diakonissen- unzähligen ge- haus und heilten Frauen Krankenhaus und über eingerichtet 25.000 Gebur- werden, damit ten fand es erst die Diakonis- in 2007 durch sen gut unter- den Verkauf gebracht sind des Kranken- und die Patien- hauses sein ten eine opti- Ende. male Versor- gung bekom- Der Jerusa- men. lem-Gemeinde wird es oblie- Denn es war gen, im nach- für die Jerusa- barschaftliche lem-Gemeinde n Dialog und immer wich- mit der Ener- tig, in die gie aller drei Nachbarschaft Gemeinden, und damit in eben auch der die Gesell- Immanuel- schaft hinein Gemeinschaft zu wirken. und den jesus- Auch dieses friends, der Gebäude wurde im neuromanischen Stil drei Pastoren und der Freunde der Ge- von dem Architekten Johannes Grotjan meinden neue Möglichkeiten für den erbaut und von Hermann Fölsch ganz we- Standort Schäferkampsallee / Moorkamp sentlich finanziert. Schwerpunkt der Arbeit zu entwickeln. des Jerusalem-Krankenhauses sollte die Frauenheilkunde und Geburtshilfe sein. Und wer weiß – Vielleicht wiederholt sich Aufgrund der Heilkünste der Ärzte, der ja ein Aufschwung wie vor 100 Jahren. Ich liebevollen Betreuung durch die Diakonis- würde es mir natürlich wünschen. sen und der modernen Ausstattung erlebte
8 Hygieneschutzkonzept für Gottesdienste in der Jerusalem-Kirche vom Fachausschuss Hygieneschutzmaßnahmen der Jerusalem-Gemeinde 1. Die Gottesdienstteilnehmerinnen und - 9. Es können nur Personen an den Gottes- teilnehmer betreten die Kirche durch diensten teilnehmen, die keine Symp- den Eingang an der Schäferkampsallee. tome einer akuten Atemwegserkrankung aufweisen. 2. Der Kircheninnenraum wird durch die Tür beim Eingang an der Schäfer- 10. Es werden keine Gesangbücher und kampsallee betreten. Psalmenhefte verteilt; stattdessen liegen Kopien mit dem jeweiligen Psalm und 3. Dabei wird – wie auch während des dem Gloria in excelsis Deo für den Gottesdienstes und beim Verlassen der einmaligen Gebrauch an den markierten Kirche – der Mindestabstand von 1,5 Plätzen bereit. Metern zwischen den Anwesenden ein- Die Gemeinde darf die Psalmen, das gehalten. Vaterunser und das Gloria in excelsis 4. Die Anwesenden begrüßen sich ohne Deo unter Maske leise mitbeten. Körperkontakt (nicht mit Handschlag, 11. In der Kirche wird nicht gesungen. Auf Umarmung o.ä.). dem Gelände bei der Kirche, also unter 5. Vor dem Betreten des Kirchinnenrau- freiem Himmel, darf nur mit Mund- mes sind die Hände zu desinfizieren. Nasen-Schutz (medizinische oder FFP2- 6. Beim Betreten der Kirche, während des Masken) und einem Mindestabstand Gottesdienstes und auch beim Verlassen von 1,5 Metern gesungen werden. der Kirche sind Mund-Nasen-Schutz- 12. Es gibt keinen Chorgesang. Masken (medizinische oder FFP2- 13. Während des Gottesdienstes hält sich Masken) zu tragen. niemand auf der Empore auf. 7. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer 14. Es gibt kein Treffen zum Kirchenkaffee an den Veranstaltungen hinterlassen ih- im Anschluss an den Gottesdienst. re Namen und Kontaktdaten (Telefon- nummern), um gegebenenfalls Infekti- 15. Die Toiletten dürfen jeweils nur von onsketten nachvollziehen zu können. einer Person zurzeit benutzt werden. Diese Daten werden verschlossen auf- Wenn eine der Toiletten benutzt wird, bewahrt und nach vier Wochen vernich- ist das Schild an der Außentür auf „BE- tet. SETZT“ zu drehen. Nach Benutzung der Toilette ist diese sowie die Türklin- 8. Aufgrund des Sicherheitsabstandes ken, das Waschbecken, Handläufer und können nicht mehr als 27 Plätze für Schild anschließend vom Benutzer zu Gottesdienstteilnehmerinnen und desinfizieren und das Schild auf „FREI“ -nehmer ausgewiesen werden. zu drehen. Reinigungsutensilien hängen Die in der Mitte der Bankreihen sowie bereit. die an deren Rand markierten Plätze sind entweder als Einzelpersonen oder 16. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen mit Personen, mit denen sie verlassen die Kirche durch den hinteren in einem Haushalt leben, zu besetzen. Eingang beim Jerusalem-Krankenhaus.
9 Hygieneschutzkonzept für Abendmahlsfeiern der Jerusalem-Gemeinde in der Jerusalem-Kirche vom Fachausschuss Hygieneschutzmaßnahmen der Jerusalem-Gemeinde 1. Die Regeln des aktuellen Hygiene- Nach der Einsetzung durch die Pas- schutzkonzeptes für Gottesdienste in torin / den Pastor und dem (gespro- der Jerusalem-Kirche sind zu befol- chenen) Agnus Dei begeben sich die gen. Gemeindeglieder unter Beachtung 2. Für die Abendmahlfeier als Wandel- der Abstandsregeln einzeln oder kommunion gilt folgender Ablauf: paarweise (wenn in einem Haushalt lebend) von rechts an den Altar. • Die Oblaten werden einzeln Beim Aufnehmen der Oblate wird verpackt auf einem Tisch ihnen von der Küsterin / dem Küster rechts neben dem Altar aus ein „Christi Leib, für Dich gegeben" Sicht der Gemeinde bereitge- zugesprochen, beim Aufnehmen des stellt. Kelches von der Pastorin / dem Pas- • Die Kelche stehen auf der rech- tor ein „Christi Blut, für Dich ver- ten Altarseite bereit. gossen" (oder auch umgekehrt). Die leeren / benutzten Kelche werden Zum Rüstgebet begeben sich die Pas- nach dem Empfang des Abendmahls torin / der Pastor auf die rechte Seite auf der linken Seite des Altars abge- des Altars hinter die Kelche, die stellt. Küsterin / der Küster auf die rechte Seite hinter den Tisch mit den Obla- 3. Die Gemeindeglieder gehen auf der ten (oder auch umgekehrt). linken Seite des Kircheninnenraumes zurück an ihre Plätze. . * * * Gedanken zum Monatsspruch im März 2021 „Jesus antwortete: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.“ (Lukas 19, 40) von Onno Hofmann Der Vers für den Monatsspruch März steht anischen Weissagungen ihrer Heiligen im Lukasevangelium an einer Stelle, wo Schrift, der hebräischen Bibel. Sie fühlen Jesus und seine Jünger gerade seinen Ein- sie erfüllt. Und nicht nur in ihnen klingen zug nach Jerusalem vorbereiten. Es werden sie; die Jünger bringen sie zum Klingen. dabei einige Motive aus den messianischen Sie fangen an Jesus als König zu besingen, Weissagungen des Alten Testaments ver- sie jubeln, sie freuen sich laut. In der bibli- wendet. Zum Beispiel, dass Jesus auf ei- schen Auslegung wird sogar geschrieben, nem Esel reiten soll (Sacharja 9,9). Die es solle an den Jubel der Engel bei der Ge- Jünger sind freudig erregt. Sie erinnern burtsgeschichte Jesu erinnern. Also muss sich an die Wohl- und Wundertaten Jesu. man es sich unglaublich leicht vorstellen, In ihnen klingen wahrscheinlich die messi- vielleicht ein Engelslachen aus den Mün-
10 dern der Jünger. Man sagt ja, Lachen sei die Menschen es nicht besingen – die Stei- ansteckend. Das hat bei den Pharisäern ne werden ihn bezeugen. anscheinend nicht funktioniert, denn sie Wenn wir in den weiteren Verlauf der kommen herbei, und wie sich Beschwer- Weltgeschichte schauen, zeugt letztlich den über Kinder an Eltern richten, spre- jede erbaute christliche Kirche davon. Je- chen sie Jesus direkt an. Er ist anscheinend der Stein auf dem andern ist zur Ehre Got- als das Oberhaupt der Gruppe erkennbar, tes gebaut worden. Dies wiederum, damit vielleicht der einzige, der nicht singt. Ihm Menschen in den Gebäuden Lob singen wird Autorität beigemessen, denn die Pha- können. In Kirchengebäuden kommen für risäer empfehlen ihm eindringlich, seine mich Lob und Steine zusammen, hier ist Jünger zur Mäßigung zu mahnen. Die Re- der Vers für mich viel greifbarer, als wenn aktion Jesu ist der Monatsspruch: „Ich sage ich irgendwelche altorientalischen oder euch: Wenn diese schweigen werden, so antiken Motive von Steinen zu entschlüs- werden die Steine schreien.“ seln versuche. In Kirchengebäuden singen Schreiende Steine, das klingt für mich eher die Steine vom Widerhall des Gotteslobs. nach Tod. Das Jubeln der Doch auch das wird in ge- Jünger über das Kommen wisser Weise zum Schwei- des Messias ist eher eine gen ermahnt. Erst waren in Botschaft des Lebens. der Corona-Zeit die Kir- Und schreiende Steine? chen einige der wenigen Es wirkt wie eine Um- Orte, in denen es erlaubt deutung des Todes zum war, in einer großen Grup- Leben und würde dann pe zusammenzukommen auch gut in den weiteren und (Gottesdienst) zu fei- Verlauf des Lebens Jesu ern. Das Singen empfand passen. Aber tatsächlich ich in Lockdownzeiten als tauchen in verschiedenen besonders erhebend. Doch mythologischen Erzäh- das Verbot des Singens lungen immer wieder stellte sich schnell in vielen Steine auf, die schreien, Kirchen ein und hat sich wenn sich der wahre Kö- für manche vielleicht ein nig auf sie setzt. Es steckt bisschen so angefühlt, wie also in der schlagfertigen die Rüge der Pharisäer, nur Antwort Jesu ein weiteres Motiv der Erfül- dass der Grund des Verbots deutlich nach- lung, der Bestätigung von Jesus Christus vollziehbarer sein sollte. Wir dürfen aktu- als dem König der Könige. ell nicht singen, wie nach damaligen Ge- Für mich klingt assoziativ in Jesu Worten pflogenheiten die Jünger anscheinend nicht jetzt ein wenig mit, dass selbst Steine ihn übermäßig in der Öffentlichkeit lobsingen als den Messias, den kommenden König sollten. Was bleibt, sind die Steine der Kir- des Friedens erkennen. Denn das griechi- chengebäude, die in ihrem oft beeindru- sche Wort, was für schreien steht, heißt ckenden Bau Gott die Ehre geben sollen. krazein und kann auch „rufen“ oder je nach Ich merke an dieser Geschichte, in deren Kontext eine Art nachdrückliche propheti- Kontext der Vers steht, wie wichtig für sche Rede bedeuten. Es könnte also bedeu- Menschen der Ausdruck von Freude sein ten, dass die Steine die Freudenbotschaft, kann. Freude teilt man, indem man sie mit- das Evangelium verkünden würden, selbst, teilt – selten flüsternd, eher jauchzend, wenn es die Jünger nicht mehr dürfen oder meistens in einer Art Spannung die sich können. Die Pharisäer, über die sich in der entlädt. Oder man singt sogar vor Freude. Bibel oft lustig gemacht wird, erkennen ihn Maria singt nach der Geburtsankündigung nicht als Messias, sonst würden sie in den durch den Engel ein Lied. Und ich singe in Jubel mit einstimmen. Doch selbst wenn meinem Alltag meistens in der Kirche. So
11 kommen für mich freudiges Singen, Lob der Corona-Krise über etwas Kleines oder und Steine zusammen. Aktuell müssen wir Großes gefreut? den Kirchenmauern, an denen die Orgeltö- Ich habe mich zuletzt gefreut, als mir ein ne widerhallen, das klangvolle Lob über- befreundeter Pfarrer erzählt hat, dass er lassen. Doch freue ich mich in diesen Zei- einem Gemeindemitglied, das aus Risiko- ten besonders, dass es die Kirchen über- gründen nicht mehr in die Kirche geht, am haupt gibt und es erlaubt ist, Gottesdienste Telefon ein Lied gesungen hat. Wir können zu feiern. Vieles, was vor der Corona- nicht warten, bis die Steine schreien, ju- Krise als selbstverständlich galt, ist jetzt beln oder singen. Letztlich müssen wir es besonders. Und über besondere Dinge doch als Menschen tun und Wege finden, freuen wir uns eben mehr, wie sich die wie wir trotz Singverbot und anderen Stei- Jünger über Jesus als besonderen Men- nen, die im Weg liegen, uns miteinander schen gefreut haben; Nicht nur irgendeiner, freuen und Freude gemeinsam teilen kön- der ein paar gute Dinge sagt, sondern je- nen. Steine und andere nicht lebendige mand, der uns mit einer Freude erfüllen Gegenstände können keine Freude schen- kann, die über seinen Tod hinaus und auch ken, wie es Menschen wie Jesus, aber auch in Zeiten des Todes wirken kann. Ich hof- wie Du und ich, tun können. Und diese fe, dass diese Freude der Person und Bot- Freude unter Menschen hat sich doch auch schaft Jesu auch die erreicht, die nicht in in schlimmen Zeiten nie ganz unterdrücken die Kirche gehen können oder wollen. Die lassen. Dies ist für mich die Botschaft des Angst vor Corona, die für Risikopati- Verses, die frohe Botschaft. Wortwörtliche ent*innen ja einer Todesangst gleich- Lebens-Freude bahnt sich einen Weg in kommt, hat viele Freuden des Alltags unser Bewusstsein und wir können uns längst genommen. Doch bestehende All- dabei von der Kraft des Glaubens helfen tagspraktiken bekamen dadurch plötzlich lassen, der nicht nur Berge versetzen, son- einen neuen Wert. Ich freue mich, dass dern auch Steine zum Klingen bringen Kleinigkeiten in der Corona-Krise an Be- kann. deutung gewonnen haben. Ich freue mich, dass ich noch in den Gottesdienst gehen * * * kann. Wann hast Du Dich das letzte Mal in Gedanken zum Monatsspruch im April 2021 „Christus ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.“ (Kolosser 1, 15) von Oliver Haupt „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Got- Zänkerei eifersüchtiger Theologen, die das tes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung.“ Rampenlicht suchen (obwohl es natürlich Dieser Vers und die ihm folgenden Aus- auch für solche Profilierungen genutzt führungen zur geistlichen Natur Jesu wurde). Es geht um eine wichtige und für Christi begeistern mich. Der Apostel Pau- den christlichen Glauben wesentliche, lus spricht hier über Jesus, der von den grundlegende Frage: Ist Jesus, genannt der Christen seit Ostern verehrt wird als … ja, Christus (gr. für „der Gesalbte“), ein als was eigentlich genau? Es hat sich im Mensch wie alle anderen, gehört er also Laufe der Jahrhunderte immer mal wieder dem Bereich aller geschaffenen Wesen an, Streit erhoben, wie das wahre Wesen, die ist er „Geschöpf“? Oder ist er göttlich, dem Natur Jesu, treffend beschrieben werden Bereich des Ewigen zuzuordnen und damit kann und wie dagegen auf gar keinen Fall. selber auch ungeschaffen, mit der ewigen Und das ist keine Nebensächlichkeit, keine Gottheit eins und untrennbar von ihr? Für
12 den gelebten Glauben macht das einen geschaffenen Welt. Ja, nicht wörtlich in erheblichen Unterschied. Ist Christus Gott, Begriffen unseres heutigen theologischen dann ist es rechtmäßig, zu ihm zu beten, oder religiösen Sprachgebrauchs. Aber es ihn zu verehren, und Gebet, Gottesdienst, steht dort. Der, der damals als menschli- Taufe und das ganze christliche Leben in cher Säugling in Bethlehem das Licht der seinem Namen zu tun. Ist er dagegen Ge- Welt erblickte, der ist eben derselbe, der schöpf, steht alle Glaubenspraxis einzig im das allererste Licht am ersten Tag der Namen und in der Autorität des ewigen Schöpfung ins Sein rief. Der Erstgeborene himmlischen Vaters, und Jesus ist nur des Vaters vor aller Schöpfung. Jesus und Mittler, Prophet, abgestuft heilig und der Vater unterscheiden sich hinsichtlich mächtig und würdig – aber eben niemals ihrer Rolle im Verhältnis zueinander: Einer selber Gegenstand der Anbetung und des ist der Vater, einer der Sohn. Aber sie sind Glaubens. Kurz gesagt: Wenn Jesus Ge- einander gleich in ihrem Verhältnis zur schöpf ist, dann dürfen wir unser Glau- Welt als einziger und ewiger Gott, der die bensvertrauen nicht auf ihn setzen sondern Welt erschuf und regiert und richten wird. nur auf den Gott, den er Als Ebenbild des Vaters uns nahebringt. Ist Jesus steht Jesus dem Vater in aber selber göttlich, dann nichts nach, denn nach richtet sich unser Glau- klassischem Verständnis bensvertrauen rechtmäßig (anders als in unserer auf ihn selber in Person. individualistischen Mo- Und hier kommt nun das derne) verwirklicht und biblische Zeugnis ins verkörpert sich ein Vater Spiel. Was sagt das Neue selber in seinem Sohn, Testament denn über die und ein Sohn bezieht wahre, wesenhafte Natur seine Identität und sein Jesu, des Christus? Ge- Wesen aus seinem Vater. schöpf oder Gott? Ist die Auch der Begriff des Göttlichkeit Jesu viel- „Ebenbildes“ ist in der leicht doch nur eine viel Antike durchaus sakra- spätere philosophische mental gemeint und kei- Komplikation – so wird neswegs nur als Ähnlich- es ja in manchen Ver- keit, wie wir heute von schwörungstheorien behauptet – ersonnen Abbildungen denken. Also im Ebenbild von Kirchenfürsten, nur um ihren eigenen verkörpert sich die aktuelle Gegenwart des Traum vom göttlichen Erlöser durchzuset- Urbildes, das Ebenbild vertritt das Urbild zen gegen ein Kirchenvolk, dass ganz vollgültig und vollwirksam, ohne Ab- menschlich-natürlich an einen menschli- schwächung oder Abstufung, es ist einfach chen Messias-Propheten geglaubt hätte? eine Erscheinungsform des Urbildes. So Nein. Denn die Bibel ist in dieser Frage sind Kol 1,15 und die folgenden Verse in erstaunlich klar. Natürlich ist sie kein ihrem geistesgeschichtlichen Kontext zu Katechissmus, der die Stichworte darbietet, lesen. Bereits die ersten Generationen der die wir hören wollen. Aber liest man die Christen glaubten, verehrten und bekann- Texte des Neuen Testaments im Zusam- ten also Jesus als Gott, der Mensch wurde menhang, stößt man auf Passagen wie die- und dennoch göttlich blieb. se, die mit dem hier behandelten Monats- Es ist ein großer Schatz in allen theologi- spruch Kol 1,15 beginnt: „Er ist das Eben- schen Debatten und wechselnden Moden bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgebo- der Jahrhunderte, dass die Heilige Schrift rene vor aller Schöpfung.“ Mehr geht so klare Zeugnisse des göttlichen Wesens nicht. Hier steht, dass Jesus als göttlich Jesu dokumentiert und bewahrt hat. Sich anzusehen ist und eben nicht als Teil der auf sie immer wieder einmal zu besinnen,
13 bindet uns zurück an unsere Glaubens- chen Geheimnisse, die unser Leben tragen Wurzeln und an die unüberbietbare Offen- und durchziehen. Und gerade in einer Kul- barung, die uns Gott in Jesus Christus vor tur, in der über das Evangelium vom Augen stellt. Durch Texte wie Kol 1,15 ff. menschgewordenen Gott immer weniger werden wir stärker gemacht nicht nur im gesprochen wird, tut uns diese Stärkung Vertrauen auf Jesus, sondern gleicherma- gut. ßen im denkenden Ergründen der göttli- Gedanken zum Monatsspruch im Mai 2021 „Öffne deinen Mund für die Stummen, für das Recht aller Schwachen!“ (Sprüche 31, 8) von Dorothea Pape Ein paar Sprüche lassen sich manchmal eine sehr schaffensreiche, fruchtbare Zeit, ganz gut an. Vielleicht amüsiert man sich. auch eine ethisch läuternde Zeit, für die Und meistens steckt Weisheit darin … vor Israeliten geworden. Sie versuchten, ihre allem, wenn es um plattdeutsche Weishei- Kultur gegenüber der eindrucksvollen ba- ten geht: „Kannst Di dreien as du wist, bylonischen zu bewahren und reagierten dien Mors blifft jümmers achtern.“ Oder: auf ihre fremdartige Umwelt mit eigenen „Wer Dag för Dag sien Arbeit deit un Ansichten (Wir denken an die Stufentem- jümmers op sien Posten steiht, un deit dat pel der Babylonier und die dortige Vereh- got un deit dat gern, der darf sick ok mal rung von Sonne, Mond und Sternen. Unter amüseern.“ Oder: „‘N beten Grütz ünner den Israeliten entstand als Antithese dazu de Mütz is veel nütz, aver n groot Hart der Schöpfungsbericht, den wir heute als ünner de West, dat is best.” erstes in der Bibel lesen – man achte auf Wer hätte gedacht, dass auch die Bibel ein, die Darstellung der Erschaffung des Lich- wenn auch lüttes, Buch der Sprüche auf- tes!). 538 v.d.Z. wurden die Israeliten weist. Wir finden es in der Nähe der Psal- durch das Kyros-Edikt befreit und konnten men. Die Sprüche sind vielleicht nicht (al- wieder in ihr Land zurückkehren, 520 be- le) so humorvoll wie die plattdeutschen, gannen sie mit dem Bau des zweiten Tem- aber um Weisheit geht es auch in ihnen. pels (der dann grade so noch bis in die Zeit Es wird davon ausgegangen, dass der Text Jesu stehen würde). aus der Zeit vor der Zeitrechnung stammt: Zeiten politischer Katstrophen, Zeiten von „Das Buch der Sprichwörter (Sprüche Sa- Vernichtung und Leid bringen es oft mit lomos; Proverbien) ist in der vorliegenden sich, dass bei den Überlebenden der Form ein Werk der nachexilischen Zeit. Im Wunsch entsteht, „dass danach ALLES 5./4. Jahrhundert werden einzelne Sprüche besser werden“ soll. Die Menschen entwi- und Spruchgruppen gesammelt…“1 Nach- ckeln nicht nur eine Sehnsucht nach Frei- exilisch? Das meint hier die Zeit nach dem heit, Gerechtigkeit, Wahrheit und Frieden Exil in Babylonien, nach der Zerstörung – sie tun auch so einiges dafür. Auch jetzt, des ersten Tempels. Die Zeit im Exil war in der Corona-Zeit, werden Themen dieser Art ins Bewusstsein gehoben. Aber auch 1 diejenigen unter uns, die sich noch an die Zitiert aus der Bibel in Gerechter Spra- Nachkriegszeit erinnern, werden von Der- che, Hrsg. von Ulrike Bail, Frank Crüse- artigem erzählen können. Recht und Ge- mann, Marlene Crüsemann, Erhard rechtigkeit nehmen dann eine zentrale Rol- Domay, Jürgen Ebach, Claudia Janssen, le ein. Viele Menschen haben am eigenen Hanne Köhler, Helga Kuhlmann, Martin Leib oder in der Familie erlebt, was alles Leutzsch und Luise Schottroff, S. 1190.
14 geschehen kann. – So eine Welt wollen sie people to speak up for them. / Modern nicht mehr. Also versuchen sie, mit Weis- heißt es: öffne dein Mikrofon für den Ver- heit das Leben neu zu gestalten. stummten…”3 (Für alle, die kein Internet In den Sprüchen begegnet uns nicht von haben: Wenn man sich im Internet trifft, ungefähr – am Anfang und am Ende – das z.B. zu einem Zoom-Meeting, muss man Lob einer guten Frau. Diese ist nicht ir- oft sein eigenes Mikrofon ausschalten, gendeine Frau: „Die Eröffnung der Sprich- damit die Übertragung insgesamt für alle wörter (Kap. 1-9) enthält eine theologische besser wird. Man sieht auf dem Bildschirm Weiterentwicklung: die weibliche Gestalt viele verschiedene, stumme, aber lebendi- der Weisheit, die in göttlicher Nähe wirkt ge Gesichter. Will man etwas sagen, kann und den Menschen wie eine Prophetin man das Mikro öffnen, und alle hören, was göttliche Weisheitsordnung verkündet.“2 man sagt. Meistens redet aber die Person, Kapitel 31 ist das letzte Kapitel im Buch die das Meeting leitet.) Meine Hebräisch- der Sprüche; bald nach unserem Vers wird Lehrerin las bei Rabbinern aus vergange- wieder die Weisheit als Frau besungen und nen Zeiten: Es könnten die Toten sein, für das Buch endet. die gesprochen werden soll. Ja vielleicht ist Tu deinen Mund auf für das so. Wir sprechen die Stummen und für die heute auch immer noch Sache aller, die verlassen für die Ermordeten der sind. (Luther 2017) Schoah. Die Aktion # Tue deinen Mund auf für we remember, in der den Stummen, für die die Namen einzelner in Rechtssache aller Un- Auschwitz Getöteter glücklichen. (Elberfelder) laut ausgesprochen Tu deinen Mund für die werden, um sie nicht zu Stummen auf, und ver- vergessen, kann so et- folge die Rechtsfälle aller was sein. schwachen Frauen und Manchmal ist es aber Männer. (BigS) auch so eine Sache mit Öffne deinen Mund für dem Sprechen. Gar den Stummen, für das öffentlich, oder in einer Recht aller Schwachen. Gerichtsverhandlung zu (mit einem Verweis auf Ps 72,2.4.12-14) sprechen – vielleicht als Zeugin auszusa- (Einheitsübersetzung, Neue Jerusalemer gen – ist eine wichtige Angelegenheit. Wa- Bibel) rum schweigen denn die „Angeklagten“ (?) Ich persönlich würde es so übersetzen: Tu ? Weshalb haben sie keinen eigenen deinen Mund auf für die Stummen, die Mund? Sind sie nicht persönlich anwe- durch ein Gericht hindurch müssen und send? Wer hat sie „mundtot“ gemacht? Hat nicht sprechen dürfen oder können. man sie verängstigt und eingeschüchtert? Sie merken schon, es ist nicht so leicht, es Sind sie eventuell so hilflos, dass sie nie exakt zu übersetzen. Die letzte Passage – etwas sagen könnten? Gibt es Menschen, für wen hier der Mund geöffnet werden denen eher zugehört wird als anderen? Die soll – ist fraglich. Und obwohl ich auch mehr Einfluss haben? Wo andere tun, was jüdische Freunde gefragt habe, u.a. meine gesagt wird? … Vielleicht ist es auch wie Hebräisch-Lehrerin Hagit Nol und Rabbi- bei Fridays for future: Menschen bringen ner Dr. Walter Rotschild, war es nicht zur Sprache, was sonst nicht gehört wird? wirklich zweifelsfrei zu ermitteln, wer tat- Und diskutieren viel mehr?... Fragen über sächlich gemeint ist. „They are the ones Fragen. who, without a voice of their own, need 2 3 Ebd. Rabbiner Dr. Walter L. Rothschild.
15 Im Umfeld des Verses wird gesagt, dass Du mein Mund sein (Jes 15,19); Der Brief ein König diese Worte von der Weisheit war in meinem Mund süß wie Honig (Hes hört – in diesem Fall in Person seiner Mut- 3,3); Aus dem Mund zweier Zeugen (4. ter – als Ermahnung, als Lehre fürs Leben. Mose 35, 30). Wer ist denn der König (oder die Köni- Und dann gibt es aus dem Buch der Sprü- gin)? Wer beherrscht denn hier etwas? Die, che an anderer Stelle auch interessante die die Sprache „beherrschen“, „der Spra- Beschreibungen: Des Gerechten Mund ist che mächtig sind“, die sollen aufpassen, ein Brunnen des Lebens (10,11); Wer sei- was sie tun und lassen, verschweigen und nen Mund bewahrt, bewahrt sein Leben sagen. Sie sollen die beachten und auch für (13,3); Ein vernünftiger Mund ist ein edles die sprechen, die das nicht können, die Kleinod (20,15). quasi „mundtot“ sind. Oder aus anderen Resümee: Es ist gut, wenn wir sprechen – Gründen schweigen. Oder totgeschwiegen auch für andere – damit das Recht nicht werden. Oder „nichts zu sagen haben“. untergeht. Es ist gut, wenn wir uns einset- Ich habe auch noch einmal etwas anderes zen und in unserem Mund auch das führen, versucht. Folgende Bibelstellen, die mit was Gott möchte. Im Judentum unterschei- dem Wort „Mund“ verbunden sind, finde det man die böse und die gute Rede, die ich in dem Zusammenhang wichtig: Der Laschon rah und die Laschon towa. Unter- Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern scheiden können wir sie. Also sollten wir von einem jeden Wort, das aus dem Munde das anwenden. Und uns für andere einset- Gottes geht (5. Mose 8,3); Sein Lob soll zen, das können wir auch. „Öffne deinen immerdar in meinem Munde sein (Psalm Mund für den Stummen, für das Recht 34, 2); Er hat meinen Mund wie ein schar- aller Schwachen.“ fes Schwert gemacht (Jes 49,2); So sollst Mein Quereinstieg in den Pfarrdienst der Nordkirche Die Nordkirche sucht dringend Pastorinnen und Pastoren und geht dabei neue Wege. von Reinhard Brunner Neben dem Rückgang der Kirchensteuer- Kirchliche Mitarbeiter aus einem gemein- einnahmen und sinkenden Kirchenmitglie- denahen Dienst, die aber bisher keine ordi- derzahlen gibt es eine weitere große Her- nierten Pastorinnen oder Pastoren sind. ausforderung für alle Landeskirchen: Es Diese sollen mit einem berufsbegleitenden gibt viel zu wenig pastoralen Nachwuchs. Weiterbildungsstudium und einem Vikariat Und weil 2030 die sogenannte Babyboo- in den Pfarrdienst quereinsteigen. mer-Generation in den Ruhestand geht, Im vergangenen Jahr habe ich mich für wird eine enorme Lücke klaffen, Gemein- diese neue Möglichkeit beworben und den mit Pastorinnen und Pastoren zu ver- werde ab 1. März 2021 diesen Weg be- sorgen. Und dies gilt trotz allem Rück- schreiten. Warum? Ich bin zwar seit vielen gang, den die Kirche leider zu verzeichnen Jahren im pastoralen Dienst, aber viele hat. wissen vielleicht gar nicht, dass ich zwar Aus diesem Grund hat die Nordkirche nun seit 20 Jahren ordinierter Gemeinschafts- einen alternativen Einstieg in den Pfarr- pastor der Landeskirchlichen Gemein- dienst eröffnet. Menschen in der Lebens- schaften (Ev. Gnadauer Gemeinschaftsver- mitte sollen für den Pfarrdienst begeistert band) bin, nicht aber ordinierter Pastor der und ausgebildet werden. Hier hat man zwei Nordkirche. Ich konnte mich also bisher Zielgruppen im Auge: Menschen aus ganz nicht auf Pfarrstellen bewerben. Das möch- unterschiedlichen Berufen, die aber ehren- te ich ändern. Und nachdem die Nordkir- amtlich kirchlich engagiert sind. Außerdem che die Türen zum Pfarrdienst jetzt weit
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