DIASPORA STARK IN DER - Evangelische Kirche in Niederösterreich
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NR. 3/2019 STARK IN DER DIASPORA Nach der Freiheit greifen THEMA BLICK VON AUSSEN ULRICH H. J. KÖRTNER: ANDREAS DANZER ÜBER EVANGELISCHE FREIHEIT „FREIHEIT‟ VON GEORG DANZER FOCUS ANDERSWO JULIA SCHNIZLEIN: ONDREJ PROSTREDNIK DIGITALE KIRCHE MIT HERZ UND ANNA POLCKOVA: FREIHEIT IN BRATISLAVA SCHAUPLATZ DIE ERBEN DES TOLERANZPATENTS
E D I T O R I A L ▶ unter uns … Freiheit einzutre- ten und vor allem für die des ande- Die evangelischen Kirchen in Österreich ren. sind aufgrund der Geschichte Minder- Im thema gibt Foto: epd/ uschmann heitenkirchen. Diese Diaspora-Situation Prof. Ulrich H. J. prägt unser Gemeindeleben, unsere Got- Körtner einen tesdienste und ist besonders beim Reli- Überblick über gionsunterricht spürbar. die „Freiheit vor Dennoch brauchen wir uns nicht klein Gott. Evangeli- und schwach zu fühlen. In einer Diaspora sche Freiheit‟. Dass es unsere Grundauf- entsteht durch die unterschiedliche An- gabe ist, die „Menschen dort abzuholen, forderung viel an Gemeinschaft und Zu- wo sie sind‟, v. a. in den sozialen Me- sammenhalt, ja an Stärke. „Stark in der dien, zeigt Julia Schnizlein im Gespräch Diaspora‟ – so lautet unser diesjähriges mit Astrid Schweighofer auf, zu lesen im Jahresthema von superNews. In den focus. nächsten Ausgaben fragen wir nach dem, „Schauen wir uns die Evangelischen ein- was uns Evangelische ausmacht. mal an‟ – diese Erfahrung beschreibt Mit der vor Ihnen liegenden Ausgabe Erich Witzmann im schauplatz. Er stellt „greifen wir nach der Freiheit‟. Der Ge- sich auch mit Hubert Arnim-Ellissen im danke der Freiheit war und ist für die standpunkt dem Gedanken: Nach der Kirchen der Reformation von zentraler Freiheit greifen. Weiters widmet sich der Bedeutung. Martin Luther zeigt mit sei- blick von außen dem bekannten Lied nem berühmten Satz vor dem Reichstag von Georg Danzer „Freiheit‟. Werner in Worms diese Haltung der Freiheit: „Ich Sejka traf dazu den Sohn des Lieder- stehe hier, ich kann nicht anders. Gott machers. Und wie es anderswo mit der helfe mir. Amen.‟ „Freiheit‟ ausschaut, erzählen eine Pfar- Dieser Satz drückt – auch wenn er wahr- rerin und ein Pfarrer der evangelischen scheinlich nicht so wortwörtlich gefal- Pfarrgemeinde in Bratislava. len ist – Haltung aus: Die Freiheit eines Nicht fehlen dürfen Berichte von der Christen – aktueller denn je –, die Frei- kirche in nö, der militärseelsorge, mit heit, die Jesus Christus uns schenkt, dem gemeindemosaik, einem Lite die Konsequenz daraus, für die eigene raturtipp und den nächsten Terminen. Gedanken zu den vor uns stehenden Na- tionalratswahlen gibt auch das noch auf den Weg, nach dem Motto: Die Frei- Von der Freiheit eines Christenmenschen heit zu bestimmen, wohin die Geschichte geht. Greifen Sie nach der „Freiheit‟, denn sonst passiertʼs: Man sperrt sie ein, und augenblicklich ist sie weg! Ihre/Eure Pfarrerin Birgit Lusche
S U P E R I N T E N D E N T ▶ Die Blattlinie der superNews Durch die Neuwahl der kirchlichen Gre- Natürlich gibt mien im Jahr 2018 sind viele neue Lese- es in den super- rinnen und Leser der superNews hinzu- News Berichte gekommen. Wir vom Redaktionsteam über Ereignisse hoffen, dass Sie in den letzten Nummern in Pfarrgemein- einige interessante Artikel und Berichte den und über gefunden haben. diözesane Veran- Besonders für die Newcomer, aber auch staltungen. Es gibt auch Ankündigungen für die erfahrene Leser/innenschaft, über Zukünftiges. Jedoch sind die super- möchte ich an dieser Stelle darlegen, News nicht im Kern ein Berichts- und Mit- wozu wir die superNews schreiben – was teilungsblatt. also die Blattlinie ist. Die superNews wollen vielmehr qualitäts- Die superNews sind kurz nach seinem volle, überlegte kirchliche Arbeit ermög- Amtsantritt auf Initiative von SI Paul Wei- lichen statt (nur) darüber zu berichten. land entstanden. Die erste Ausgabe er- Gleichberechtigte Verantwortung aller schien nur wenige Monate nach seinem Christ/inn/en gehört zum evangelischen Amtsantritt Anfang 1999. Paul Weiland Verständnis von Kirche unbedingt dazu. sagte im Interview damals: „Einerseits Darum gestalten Ehrenamtliche die Kir- soll ,superNewsʻ über wichtige Anliegen che auf Augenhöhe mit Pfarrer/inne/n. und Angelegenheiten aus den Gemeinden Weil Verantwortung anspruchsvoll ist, und der Diözese informieren, und zwar braucht sie aber eine Basis. Denn idea- über den Kreis von Pfarrern und Kurato- lerweise werden Entscheidungen nicht al- ren hinaus. Andererseits soll es dazu bei- lein aufgrund von Emotionen oder Traditi- tragen, das Gemeinschafts bewusstsein onen, sondern aufgrund von Wissen und zu stärken oder überhaupt erst be- Bildung getroffen. Die superNews wollen wusst zu machen bzw. ist ,superNewsʻ zur Bildung beitragen, indem sie in jedem ein Teil der Vernetzung unserer nieder Heft ein Thema „umkreisen‟, das (zumin- österreichischen Gemeinden.‟ dest aus Sicht des Redaktionsteams) für Es ging um Vernetzung und Information Evangelische in Niederösterreich relevant unter den Evangelischen in Niederöster- ist. reich. Und: Die superNews waren von Die Beiträge der superNews sollen eine Anfang an kein Werkzeug der Öffentlich- inhaltliche Hilfe für Ihre ehrenamtliche keitsarbeit nach außen, sondern sie rich- Tätigkeit in den Pfarrgemeinden und Ar- teten sich an die Mitarbeitenden, also ins beitsbereichen sein. Mit einem Zugewinn Innere der Kirche. an Wissen und Nachdenken wollen wir Dieser Linie sind die superNews bis heute Menschen zur (ehrenamtlichen) Arbeit treu geblieben. und zu Entscheidungen ermächtigen. Darüber hinaus hat sich jedoch noch ein weiterer, für mich vielleicht der entschei- Ihr/Euer dende, Aspekt herausgebildet, der die Superintendent superNews ausmacht. Lars Müller-Marienburg 3
T H E M A ▶ Freiheit vor Gott Evangelische Freiheit Ulrich H. J. Körtner ausartet? Ist nicht der Preis grenzenloser Freiheit die Einsamkeit dessen, der sich an nichts und niemanden gebunden wis- sen will? Das Christentum versteht sich als Religi- on der Freiheit. Sie setzt voraus, dass der Mensch von Haus aus keineswegs frei, sondern vielfältigen Zwängen ausgesetzt ist, nicht nur äußerlich, sondern auch in- nerlich. Der Glaube an Gott, der Glaube an Jesus Christus – so heißt es – macht den Menschen wahrhaft frei, frei von al- ler Selbstsorge und Lebensangst, frei von allen inneren Zwängen, frei von Schuld und Zukunftsangst. Aber ist dem Verspre- chen, Freiheit durch Religion zu erlangen, nicht zu misstrauen? Freiheit durch Gott, Freiheit vor Gott? Muss es nicht heißen: Freiheit von Gott? Macht nicht jede Reli- gion, gleich welche, unfrei und abhängig? So lautet der Vorwurf der Religionskritik. Freiheit, so lautet eine geläufige Formel, Sigmund Freud spricht von einer kollekti- heißt tun und lassen können, was man ven Zwangsneurose. will. Frei sein bedeutet demnach, durch nichts und niemanden bevormundet Tatsächlich kann Religion zwanghafte zu werden, ganz und gar sein eigener Züge tragen und in Gesetzlichkeit erstar- Herr sein, selbstbestimmt, autonom. Die ren; in strengen Regeln, die es zu befol- Sehnsucht nach grenzenloser Freiheit ist gen gilt und die Menschen vorschreiben, tief in uns Menschen verankert. In der was erlaubt und verboten ist. Gott er- Urlaubszeit meldet sie sich besonders scheint dann als strenger und strafender stark. „Über den Wolken mag die Freiheit Gesetzgeber, in dessen Namen Menschen wohl grenzenlos sein‟, heißt es in einem unterdrückt werden. Auch politisch kann bekannten Chanson von Reinhard Mey. Religion zum Instrument der Unterdrü- Aber grenzenlose Freiheit bleibt letztlich ckung und zur Ideologie missraten. ein unerfüllter Traum. Oder ist sie viel- leicht sogar ein Albtraum, weil sie über Zwischen Gott und Religion als mensch- kurz oder lang in Willkür und Egoismus licher Suche nach ihm, zwischen Gottes 4
T H E M A Anrede an den Menschen und Religion als Erfahrung des Apostels Paulus in der Versuch einer menschlichen Antwort, ist Begegnung mit dem auferstandenen jedoch zu unterscheiden. Gott selbst ist Christus. Das war auch die Erfahrung darum auch nicht mit unseren menschli- Martin Luthers, der sich durch den Glau- chen Gottesbildern und Gottesvorstellun- ben an Christus von jeglichem religiö- gen zu verwechseln. sen Leistungszwang, von klerikaler Be- vormundung, von aller Höllenangst und Die biblische Überlieferung berichtet von Angst vor einem strafenden Gott befreit Erfahrungen, die Menschen mit Gott als wusste. Fortan wusste er sich allein dem Befreier gemacht haben, der Menschen ihm gnädigen Gott und seinem Gewissen aus allen falschen inneren und äußeren verantwortlich. Bindungen und von allen äußeren und inneren Zwängen und Mächten befreit, Nicht von Gott überhaupt, sondern von die Menschen beherrschen können. Die- einem falschen Gottesbild wurde Luther ser Gott befreit auch von falschen reli- frei. Gott galt ihm nicht als Hindernis auf giösen Zwängen. Das war die Erfahrung dem Weg zur Freiheit, sondern im Gegen- des Volkes Israel, das aus der Sklaverei teil als ihre einzige Quelle. Menschliche in Ägypten befreit wurde. Das war die Freiheit lebt von Voraussetzungen, die Erfahrung der Menschen, denen Jesus sie selbst nicht schaffen und garantieren von Nazareth begegnet ist. Das war die kann. SIGGIS SIGILLUM 5
T H E M A Niemand kann sich selbst das Leben „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.‟ schenken und sich auf die Welt bringen. Nein, es muss umgekehrt heißen: Kon- Bevor wir uns unserer Freiheit bewusst trolle ist bisweilen gut, aber Vertrauen werden und von ihr Gebrauch machen – ist besser! angefangen damit, dass ein kleines Kind lernt, nein zu sagen –, haben wir unser Glaube im biblischen Sinne ist ein wech- Leben schon von anderswoher empfan- selseitiges Vertrauensverhältnis zwischen gen. Und auch im weiteren Leben hän- Gott und Mensch. Ein anderes Wort dafür gen unsere Freiheit und ihr Gebrauch ist Liebe. Liebe kann nur in Freiheit ent- von Faktoren ab, die wir selbst nie voll- stehen und bestehen. Sie macht auf para- ständig unter Kontrolle haben. Der letzte doxe Weise frei, indem sie die Liebenden Grund der Freiheit aber ist nicht in in- wechselseitig aneinander bindet, so dass nerweltlichen Kausalzusammenhängen der eine nicht mehr ohne den anderen zu suchen, und letztendlich hängt unsere sein kann und will – aber das in Freiheit! Freiheit auch nicht von anderen Men- Zwang dagegen zerstört jede Liebe. schen ab. Es ist vielmehr Gott, der uns geschaffen hat und uns zur Freiheit be- Im 1. Johannesbrief heißt es: „Gott ist stimmt, ohne dass wir sie uns zuvor ver- Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der dienen müssen. bleibt in Gott und Gott in ihm.‟ Wir kön- nen auch sagen: Gott ist Freiheit, und Wahre Freiheit ist eine Glaubenssache. wer in seiner Liebe bleibt, der bleibt in Allein der Glaube an Gott, der in Jesus der Freiheit und diese in ihm. Christus Mensch geworden ist, macht frei. Das jedenfalls war die Überzeugung Martin Luthers. Glauben hieß für ihn, Gott über alle Dinge fürchten, lieben und ver- trauen. Gottvertrauen ist die Quelle der Freiheit. Dass Vertrauen Quelle der Freiheit ist, kennen wir auch aus dem Alltagsleben. Ein Kind, das seinen Eltern vertraut und auch spürt, dass seine Eltern ihm etwas zutrauen, fasst dadurch Mut, zum Bei- spiel wenn es Schwimmen oder Radfah- O. Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Ulrich H. J. Körtner ren lernen soll. Der Satz, dass Vertrauen ist Vorstand des Institutes für Systematische Theologie und Religionswissenschaft an der Quelle der Freiheit ist, gilt aber auch in Evangelisch-Theologischen Fakultät der Univer- umgekehrter Richtung. Nur wenn Eltern sität Wien. vertrauensvoll bereit sind, ihre Kinder auch loszulassen, können sie sich frei Bekannt ist er u. a. für seine Tätigkeit in der entwickeln. Helikoptereltern, die ängst- Bioethikkommission und für seine Forschungs- schwerpunkte im Bereich der Fundamental- lich ihre Kinder auf Schritt und Tritt theologie, Hermeneutik, Ethik, Medizinischen überwachen, erziehen ihre Kinder zur Ethik und Ökumenischen Theologie. Unfreiheit. Von Lenin stammt der Satz: 6
F O K U S ▶ Astrid Schweighofer im Gespräch mit Julia Schnizlein „Wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie sind: in den sozialen Medien‟ Julia Schnizlein (40) hat evangelische Theologie in Heidelberg und Amster dam studiert, sich in Wien dem Journalismus verschrieben und war Vikarin in der Lutherkirche in Wien-Währing. Ab September 2019 ist sie als Pfarramtskandidatin in der Lutherischen Stadtkirche in der Wiener Dorotheergasse tätig. Im superNews-Gespräch erzählt die Mutter zweier Töchter (Helene, 9 und Elsa, 5), die regelmäßig Kolumnen für die „Kronen- Zeitung‟ schreibt, über ihren beruflichen Wechsel, über die Gemeinsam keiten von Journalismus und Pfarramt und über ihr „Herzensprojekt‟, die „digitale Kirche‟. Sie sind von der APA (Austria Presse war, haben wir erfahren, dass sie nur ein Agentur) zu NEWS und von dort zur halbes Herz hat. Die Ärzte meinten da- Evangelischen Kirche gewechselt. Was mals, wir sollten sie eher nicht bekom- war der Grund für den beruflichen Um- men. Mit drei Operationen könne man stieg? es zwar hinkriegen, dass sie lebe, man wisse allerdings nicht, wie lange, da der Da muss ich etwas ausholen. 2013 wur- Herzfehler nicht behandelbar sei. Das war de unsere jüngere Tochter Elsa geboren. für uns einer dieser Momente, die alles Als ich in der 23. Schwangerschaftswoche auf den Kopf stellen. Nach einigen Tagen 7
F O K U S haben mein Mann und ich uns entschlos- nen Weg aufgezeigt hat, den ich gar nicht sen, es zu versuchen. Ich kann heute gar vor Augen hatte – gebraucht, um mich zu nicht genau sagen, warum, aber ich den- befreien. Und ich habe die Entscheidung, ke, wir haben uns so entschieden, weil ins Vikariat zu gehen, tatsächlich als ei- wir es konnten, weil wir die emotionalen, nen Befreiungsschlag erlebt, auch wenn finanziellen und auch sozialen Möglichkei- es ein Sprung ins kalte Wasser war. Denn ten hatten, uns um sie zu kümmern. Zum mein Mann war damals auch gerade auf Glück ging alles besser als gedacht, auch Jobsuche. Aber man muss ein bisschen wenn die erste Zeit wahnsinnig mühsam Gottvertrauen haben. Wenn man das hat, war. Elsa hatte vergangenen September ist die Freiheit umso schöner. die letzte Operation und kann im Moment ein ganz normales Leben führen. Beruf- Hat die Krankheit Ihrer Tochter Sie nie an lich war die Erfahrung mit der Krankheit Gott zweifeln lassen? meiner Tochter der Auslöser, mich aus dem Hamsterrad zu befreien. Ich denke, man hat in so einer Situa- tion zwei Möglichkeiten. Entweder man Ich war bei der APA zwar glücklich, hatte fragt sich, warum Gott einem so etwas aber immer das Gefühl, dass mir etwas antut, warum er einen so straft; oder fehlt. Dann bot sich die Chance, zu NEWS man vertraut darauf, dass Gott es ma- zu wechseln. Dort konnte ich viele tolle chen wird, weil er genau uns füreinander Reportagen schreiben, eine etwa über ausgesucht hat. Dieses Vertrauen hatte Mütter, die ihre Kinder zur Adoption frei- ich damals, und ich habe es bis heute. gegeben hatten. Leider wurde mit der Durch Elsa habe ich das Gefühl des Ge- Zeit zunehmend Geld gestrichen, und ich tragenseins von Gott wieder gelernt. Ich musste Geschichten schreiben, die mir bin überzeugt, dass Gott uns trägt, auch gar nicht lagen. Ich wurde immer unzu- wenn nicht immer alles gut ist. Mein Tauf- friedener, sah aber noch nicht die Mög- spruch Jes 43,1 „Fürchte dich nicht, denn lichkeit, zur Kirche zu gehen. Mein Stu- ich habe dich erlöst, ich habe dich bei dium lag ja schon so lange zurück. Als deinem Namen gerufen, du bist mein‟, ich dann bei einer Podiumsdiskussion mit dieses „Fürchte dich nicht‟, das ist mein Michael Chalupka zusammentraf und er Mantra. meinte, ich solle doch das Vikariat ma- chen, ging alles recht schnell. Sehen Sie Parallelen zwischen Journalis- mus und Pfarrberuf? Waren die beruflichen Umstiege auch ein Griff nach Freiheit? Eine starke Parallele liegt im Kontakt mit den Menschen, im Interesse an den Men- Auf jeden Fall. Ich war so im Hamsterrad schen und der Bereitschaft zur Empathie. gefangen, so damit beschäftigt, das Rad Also dass ich jemandem begegne und ihn am Laufen zu halten, dass ich gar nicht oder sie nicht in eine Rolle presse, son- weiterdenken konnte. Offensichtlich habe dern bereit bin, zu hören, was er oder ich diese Impulse von außen – also zum sie erzählt. Leider ist das im Journalis- einen die Erfahrung mit meiner Tochter, mus, bedingt durch die Verknappung des zum anderen einen Menschen, der mir ei- Personals, immer seltener möglich. Dort 8
F O K U S geht es um die Story, die spannend sein Twitter. Da entsteht durchaus Gemein- muss. Wenn der Interviewpartner oder schaft, obwohl natürlich das gemeinsame die Interviewpartnerin das nicht bringt, Brot-Brechen und Singen ganz wichtige dann muss ich die Geschichte darauf Elemente des Gottesdienstes sind, die im hinschreiben. Bad news are good news, digitalen Raum nicht funktionieren. Seel- das hat mir nicht gefallen. Als Pfarrerin sorge hingegen funktioniert total digital. bin ich freier, ich muss nichts verkaufen. Ich kann die Botschaft verkünden und die Ich sehe auch meine Kolumne in der „Kro- Menschen können sich überlegen, was nen-Zeitung‟, auf die ich viele Reaktionen sie damit machen. Ich muss keine Auf- per Mail bekomme, als eine Art digitaler lagen erfüllen, keine Coverstories liefern. Seelsorge. Leider hinkt Österreich im Be- Das ist der große Unterschied. reich der „digitalen Kirche‟ noch nach. Ich würde mir wünschen, dass mehr Sie sind als Vikarin stark im Internet und Pfarrerinnen und Pfarrer auf diesen Zug den sozialen Medien präsent, posten auf aufspringen. Meine Hoffnung wäre eine Facebook, Twitter, Instagram. Was hat es Projektpfarrstelle für digitale Kirche! mit der „digitalen Kirche‟ auf sich? Ich hatte am Anfang ein wenig Sorge, wie sich mein alter und mein neuer Beruf mit- einander vertragen würden und dachte, ich müsste ganz weg vom Journalismus und nur noch Gemeindepfarrerin vor Ort sein. Aber ich konnte es dann doch nicht ganz lassen, auf Facebook zu posten, was ich als Vikarin so tue, und merkte, dass sich die Menschen wirklich dafür interes- sieren, wenn ich beispielsweise erzähle, wie meine erste Gruftbestattung verlau- fen ist. Wir dürfen nicht warten, bis die Menschen mit ihren Fragen zu uns in die Kirche kommen, sondern wir müssen sie dort abholen, wo sie sind: in den sozialen Medien. © juliandthechurch D. h. Gottesdienste und Seelsorge im Netz? In Deutschland wird in diesem Bereich https://www.instagram.com/ gerade viel ausprobiert. Auf Twitter gibt juliandthechurch/ es beispielsweise Twomplet, ein Abend- gebet, bei dem sich jeder/jede einklin- ken und etwas schreiben kann. Auch ich mache manchmal ein Abendgebet auf 9
K SKK CK K H XAX XU X X PXX LXA X T Z Wir schauen uns die Evangelischen einmal an Erich Witzmann Was blieb vom Toleranzpatent? Ein Blick in eine ehemalige steirische Toleranzgemeinde und – unter umgekehrten Vorzeichen – in ein tief katho lisches niederösterreichisches Dorf. Die Tradition aus der Zeit des Geheim- 200 Jahre später unter der glorifizierten protestantismus hat sich in der kleinen Regentin Maria Theresia kam es zu den Gemeinde unter dem Dachstein über letzten Protestantenverfolgungen. Jahrhunderte erhalten. „Bei uns gibt es nach wie vor zahlreiche Hausbibelkreise, Die bäuerliche Bevölkerung von Ramsau zehn bis 15 werden es schon sein‟, sagt war aber – wie auch in weiten Teilen der Martina Ahornegger. Diese wurden, so Habsburgermonarchie – zu 100 Prozent die Pfarrerin von Ramsau, in der Zeit, da evangelisch. Man ließ nun die Rekatho- die evangelische Religion verboten war, lisierung über sich ergehen, in den eige- begründet und haben sich über Jahrhun- nen Familiengemeinschaften aber wurde derte bis heute erhalten. hinter verschlossenen Türen am Abend die Luther-Bibel aus dem Versteck ge- Im Geheimen wurde die Bibel gelesen – man durfte sich nicht erwischen lassen. (Foto: privat) Ein Blick in die Vergangenheit und in die Geschichte von Ramsau: Nach der von den habsburgischen Lan- desfürsten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (nach dem Konzil von Trient, 1545–1563) mit aller Härte voll- zogenen Gegenreformation war die Lu- ther-Lehre untersagt. Wer sich dennoch Joseph II., der älteste Sohn Maria Theresias, öffentlich zu ihr bekannte, musste Haus, fühlte sich dem aufgeklärten Absolutismus Hof und das Land verlassen. Auch noch 10 verpflichtet. (Foto: www.evang.at)
S C H A KUK KPK KL XAX XT X X Z holt. Im kleinsten Kreis wurde gelesen stein von Gosau bis Ramsau oder in Nie- und gebetet. Erst später verliehen His- derösterreich Mitterbach. toriker und Heimatkundler diesem ver- deckten Leben die Bezeichnung Geheim- In der Ramsau votierten nun offiziell und protestantismus. amtlich 100 Prozent der Bevölkerung für den evangelischen Glauben. Die Bibel- Das Jahr 1781 brachte die längst fällige kreise blieben aber bis heute bestehen. Wende. Ein Jahr nach seinem Regierungs- „Einige treffen einander wöchentlich, antritt ermöglichte Joseph II. mit dem To- andere im Abstand von zwei oder drei leranzpatent die freie Religionsausübung Wochen‟, sagt Martina Ahornegger. Ein für Protestanten und Orthodoxe (etwas Kreis kann nur die eigene Familie umfas- später für Juden), wenn auch mit gewis- sen, bei einem anderen sind es bis zu 15 Personen, die in einem Bauernhaus oder in einer einfachen Wohnung zusammen- kommen. Wobei in der Fremdenverkehrs- gemeinde manchmal auch Gäste hinzuge- zogen werden. In der Gemeinde Ramsau mit ihren 2.800 Einwohnern verfügen die Evangelischen heute noch über einen An- teil von fast 80 Prozent. Im Jahresdurch- schnitt finden sich 100 bis 120 Gläubige bei den Sonntagsgottesdiensten ein, an den Feiertagen ist es die dreifache Zahl. Szenenwechsel ins niederösterrei chische nördliche Grenzland: Georg Krätschmer steht in der offenen Tür eines ehemaligen Bauernhauses in der kleinen Ortschaft Pillersdorf. Das niedrige Haus glänzt im Schönbrunnergelb, viele Blumen im Hof deuten auf eine liebevolle Gartenarbeit hin. Eigentlich ist es ein Ge- spräch über die evangelische Diaspora in diesem Landesteil, als Georg plötzlich die Kurz nach Erlassung des Toleranzpatents Bemerkung fallen lässt: „Diese Gegend entstanden die ersten evangelischen Gemeinden, die sogenannten Toleranz hier, der Hollabrunner Bezirk, war einmal gemeinden. (Foto: www.evang.at) total evangelisch.‟ Und heute? Pillersdorf zählt mitsamt den Wochenendbewohnern sen Einschränkungen. Jene Gemeinden, 146 Seelen. Georg Krätschmer und sei- in denen sich spontan zahlreiche Be- ne Frau sind die einzigen Evangelischen wohner zum evangelischen Glauben be- hier. Wenige Kilometer nördlich wohnt kannten, wurden als Toleranzgemeinden im Städtchen Retz gerade eine Handvoll bezeichnet. Das waren in der Steiermark Evangelische, und noch ein Stück weiter, etwa die Ortschaften rund um den Dach- im Grenzort Unterretzbach, gibt es mit 11
KKC S KKK H XAX XU X X P X LX X A X T Z Constanze Pollak eine aktive Evangeli- Kirche nach Schrattental oder Zellerndorf. sche. Sie vertritt wie Krätschmer die Re- Die älteren Leute seien sicher religiöser gion in der Gemeindevertretung der gut als die jüngere Generation. Und wie wird 50 Kilometer entfernten (zuständigen) das evangelische Ehepaar Krätschmer Pfarrgemeinde Stockerau. angenommen? Da dreht Georg den Spieß um: Er habe gleichsam ein Experiment ge- Georg Krätschmer, Jahrgang 1958, war wagt und sei auf die Leute hier zugegan- Selbstständiger und ist heute im Ruhe- gen bzw. habe gemeinsam mit Constanze stand. Nimmt man Maß an der Reforma- Pollak einen ökumenischen Gottesdienst tion und Gegenreformation, dann haben geplant. „Wir haben versucht, die Leute er und seine Frau den umgekehrten Weg zu aktivieren. Wir galten ja als anrüchig, beschritten. Beide waren römisch-katho- etwas sektenhaft.‟ lisch, Manfred auch Ministrant und in der Jungschar. „Vor 20 Jahren hatten wir von Aber etliche Ortsbewohner wurden neu- der Kirche genug‟, sagt er und erwähnt gierig. „Wir schauen uns die Evangeli- nur kurz die seinerzeitigen Turbulenzen in schen einmal an‟, lautete die Devise. Am der katholischen Kirche. Samstag, dem 9. Februar dieses Jahres, war es schließlich so weit. Der Begeg- nungsort war der katholische Pfarrsaal im benachbarten Zellerndof (zu dem die Pillersdorfer Katholiken gehören). Und 90 Männer, Frauen und Jugendliche beider Konfessionen erlebten einen eindrucks- vollen Gottesdienst. „Da sind beide, unser Christian Brost und der römisch-katho- lische Pfarrer Jerome Ciceu, wunderbar angekommen, sie haben die Anwesen- den in den Bann gezogen.‟ Diese hätten Von Zeit zu Zeit gibt es Gottesdienste in anschließend auch sofort gefragt, wann Retz, „und manchmal waren wir zu dritt, denn ein nächstes Treffen stattfinden der Pfarrer und wir zwei‟, so das Ehepaar wird. Krätschmer. (Foto: privat) Bei der Frage, warum der Gottesdienst im Aber es habe etwas gefehlt, und so be- Pfarrsaal, der eigentlich ein Theatersaal gaben sie sich auf Suche. Bei Christian ist, und nicht in der Pfarrkirche stattge- Brost, dem evangelischen Pfarrer in Sto- funden hat, antwortet Georg Krätschmer ckerau, haben sie schließlich „den Hafen‟, neuerlich mit einem Verweis auf die Zeit wie Krätschmer sagt, wieder gefunden. des Geheimprotestantismus: „Für uns ist das nichts Neues. Als die Evangelischen Das Dorf hier sei nicht mehr oder weniger verboten waren, haben sie ihre Gottes- religiös als die anderen Ortschaften der dienste auch im Stall gemacht.‟ Umgebung. In der kleinen Weinhauer kirche in Pillersdorf werden gerade zu Ob im Pfarrsaal oder in der Pfarrkirche: den Begräbnissen und zur Weinsegnung Nächstes Jahr soll in Zellerndorf wieder ein 12 Messen gehalten, die Leute gehen in die ökumenischer Gottesdienst stattfinden.
B L I C K V O N A U S S E N „Die Freiheit ist ein wildes Tier!‟ 1979 veröffentlicht der österreichische Liedermacher Georg Danzer das Lied „Freiheit‟. superNews-Redakteur Werner Sejka trifft dazu Sohn Andreas Danzer (37), Sportjournalist und Fotograf. In seinem Song „Freiheit‟ lässt Georg jeder ,echteʻ Christ‟, führt Danzer wei- Danzer Besucher eines Zoos ein „wunder- ter aus, „ist im Grunde Menschenfreund. sames Tier‟ bestaunen. Schilder warnen: Was man von der Kirche nicht immer be- „Nicht füttern!‟, „Nicht reizen!‟ Der Käfig haupten kann!‟ selbst aber ist völlig leer … Georg Danzer gab seinen Kinder mit, er- „,Die Freiheitʻ ist textlich tatsächlich mein fahre ich, dass sie stets selbst entschei- Lieblingslied. Nach wie vor finde ich den den sollten, ob sie ein guter oder ein Gedankengang meines Vaters faszinie- schlechter Mensch sein möchten. „Werde rend. Der Text ist traurig, humorvoll und einfach ein Mensch, an den man glauben tiefgängig zugleich – und was ich beson- möchte und glauben kann!‟, habe Danzer ders spannend finde, es ist keinerlei In- seinen Kinder stets gesagt! tellekt notwendig, um zu verstehen, was Ich frage Sohn Andreas, wie es sein Vater hier gemeint ist! Jeder kann verstehen, mit dem Glauben gehalten hat! was Freiheit bedeutet.‟ „Mein Vater war lange Zeit sehr spirituell, Es ist verblüffend den Text zu „Freiheit‟ aber wohl nicht gläubig im klassischen 40 Jahre nach seinem Erscheinen zu le- Sinne. Im Laufe der Jahre hat sich das sen und das Lied zu hören. Die Aussage dann gewandelt. Erst meinte er noch, er scheint aktueller denn je. sei Gnostiker, er glaube an etwas, später Andreas Danzer und ich versuchen, Frei- dann aber wurde er zum Agnostiker!‟ heit zu definieren. Das viele Leid auf der Welt trotz Gottes „Freiheit ist immer auch eine Form des Existenz, ließ Georg Danzer sehr nach- Egoismus, und das muss sie wohl auch denklich werden. „Also wenn das alles sein!‟, meint Danzer, „denn es ist mein meine Kinder wären, die sich so beneh- mir eigener Egoismus, der mich eigene men, ich würde das so nicht zulassen!‟, Wege gehen lässt. Ohne diesen Egois- erinnert sich Andreas Danzer, was sein mus gäbe es am Ende wohl nur einen Vaters dazu meinte. einzigen, gültigen Weg, und das wäre das Der Käfig im Zoo des Liedes „Freiheit‟ ist Ende jeder Freiheit.‟ leer. Verwaist. Im Text heißt es dazu: Ein Gedanke, der uns auch zur Freiheit im „Ich schaute und ich sagte, lieber Herr. Glauben bringt. „Religionen sind immer Ich sehe nichts, der Käfig ist doch leer! wieder dogmatisch orientiert und üben „Das ist ja gerade‟, sagte er, „der Gag! oft sehr starke Kontrolle über die Gläu- Man sperrt sie ein, und augenblicklich ist 13 bigen aus! Aber jeder ,echteʻ Gläubige, sie weg!‟
KKT S KKA K XNX XD X P XXU X X XN K T Das ist es: Grenzenlos frei! Die einzige Grenze sind die anderen. Ja, aber die sind zu viele – da bleibt nicht viel übrig für mich und meine Sehnsucht nach Freiheit. Dieses Mit einander, diese ständig geforderte Empathie führt schließ- lich doch zum Verzicht. Nicht nur die Menschen rund um mich, meine unmittelbaren Mitmenschen fordern von mir, auf sie einzugehen, auf sie Rücksicht zu nehmen – mittler- weile wird uns doch ständig vor Augen geführt, dass wir in einem globalen Dorf leben: verantwortlich für die Lebens bedingungen und die Lebensqualität von Menschen, die weit weg von mir leben, die ich nie kennenlernen werde ... und auch gar nicht kennenlernen will. Selbst dann nicht, NACH DER FREI wenn ich in ihr Land reise: Da will ich ungestört in einem gesicherten Resort leben und allerhöchstens während eines „Ideal wäre ein Staat, in dem Ausflugs im klimatisierten Bus zum bunten Markt gefahren ausgenommen die Freiheit, in und von den Einheimischen in ihren originellen Bekleidun- zugreifen.‟ gen unterhalten werden. Und dann wieder nach Hause, vollgepackt mit meiner Safaribeute. Bertrand Russell ( und Mathemati Und dann sind da noch die Menschen, die nach mir kommen: „Wir haben unsere Welt nur geborgt von unseren Kindern!‟ Ja, was denn noch! Ich soll aufs Auto verzichten, weniger im Internet surfen, kein Fleisch essen – alles Lebensnotwendige für mich wird zum Lebenshindernis meiner Enkelkinder? Da lobe ich mir doch einen Staat, der auf all diese Einschränkungen ver- zichtet und aufs Wesentliche schaut: darauf, dass ich aufhöre zu rauchen, und darauf, dass diese bunten Mitmenschen von sonst woher den Spieß nicht umdrehen und alle bei uns auftauchen. Schön daheim bleiben. Ich, meine Kinder und meine Enkelkinder sollen die Welt sehen. Wir kehren ja auch wieder nach Hause zurück, weil’s da schöner ist. Sicherer. Bequemer. Mit Heizung. Klimaanlage mittlerweile, wer braucht bei diesen Temperaturen noch Heizung. Fernseher. Internet. Ich greife nicht in die Freiheit der anderen ein. Ich nehme mir lediglich meine Freiheit. Die ist nicht grenzenlos, aber eingrenzen lasse ich mich nicht. Nicht von der Not, die ich ohnehin nur aus Zeitung, Radio und Fernsehen kenne – und nicht von der Angst vor der Zukunft. Die ist doch immer ungewiss. Kommt nicht der Klimawandel, dann eben der Komet. Und gegen den nützen auch Tofu, Soja, Fahrrad nicht. Hubert Arnim-Ellissen ist Journalist 14
S T A N D KKK PKK U XNX XK X T X F ür die Freiheit haben die Menschen gekämpft und geblu- tet. In meiner Kindheit waren es die Ungarn, die versuchten, ihr kommunistisches Regime abzuschütteln. Dann wollte Jan Palach mit seinem Feuertod auf dem Prager Wenzelsplatz ein Fanal für die Freiheit setzen. Vor 30 Jahren hatten schließ- lich die Landsleute der seinerzeitigen Ostblockstaaten mehr Erfolg. All dies spielte sich vor unserer Haustüre ab. Wir Ös- terreicher sahen gleichsam wie in einer Theaterloge auf die Kämpfenden, waren etwas irritiert, konnten uns aber mitfüh- lend zurücklehnen. Wir hatten ja die Freiheit. Heute denkt kaum jemand an die europäischen Schicksalstage der Ver- IHEIT GREIFEN gangenheit. Zudem ist Freiheit zu einem individuellen Begriff geworden. Nach der Devise „ich lebe meine Freiheit, nicht die m jeder alle Freiheiten h ätte, Freiheit der Gemeinschaft‟. Freiheit hat einen persönlichen, n die Freiheit der anderen ein auch egoistischen Anstrich erhalten. Und damit stellen sich fast zwangsläufig jede Menge Konfrontationen ein. (1872 – 1970), britischer Philosoph Natürlich darf man eine derartige Zuschreibung nicht verall- iker, 1950 Nobelpreis für Literatur gemeinern. Aber nach allen Beobachtungen steigt der Egois- mus einzelner Menschen, wird in großen Teilen der Gesell- schaft nicht aufʼs Allgemeinwohl geschaut. Diese Einstellung finden wir in der Politik, wo eine Partei auf jeden Fall einmal Vorschläge und Initiativen der anderen Partei ablehnt. Und das spiegelt sich in der Gesellschaft wider. Im Wirts- haus wird nicht mehr gestritten, es raufen sich die Leute nicht mehr zusammen, weil ohnedies die Anhänger einer Meinung zusammensitzen und mit der entgegengesetzten Gruppierung nichts zu tun haben wollen. Die Freiheit ist ein sehr enger Begriff geworden. Die Freiheit des anderen – von der Gedankenfreiheit bis zur Freiheit der persönlichen Lebensgestaltung – wird kaum ak- zeptiert. „Wie Political Correctness die Freiheit zerstört‟, lautet die Schlagzeile eines Ber- liner Monatsmagazins („Cicero‟, Juniausgabe). Über die für die Mehrheit unliebsamen Ansichten, so das Magazin, soll nicht mehr diskutiert, soll der Meinungsaustausch ver- boten werden. Und das in den deutschen Universitäten, die ja die Stätte der kritischen Auseinandersetzung sein sollten. Das mögen noch einzelne Vorstöße sein. Aber auch in unseren Breitengraden erleben wir, dass nicht-konforme Gedanken und Äußerungen un- erwünscht sind. Sollten sich derartige Initiativen allgemein durchsetzen, wäre dies eine krasse Einebnung des Meinungsspektrums. Erich Witzmann ist Wissenschaftsjournalist 15
K K KNK KD X XEX R A X X XSX XW X O ▶ Freiheit macht uns zum Ebenbild Gottes Ondrej Prostrednik und Anna Polckova Der Dienst einer Kirchengemeinde soll ein Dienst der Freiheit sein. Diese Überzeugung gründet sich auf dem Glauben, dass Gott uns Menschen mit der Fähigkeit der freien Entscheidung ausgerüstet hat. Nur dort, wo Men schen ihre Freiheit gegenseitig respektieren, leben sie als Ebenbilder Got tes. Pfarrerin Polckova und Pfarrer Prostrednik berichten über die Arbeit der evangelischen Pfarrgemeinde Bratislava-Altstadt. Wenn die Gemeinschaft der Kirche ihre Leider ist es der evangelischen Kirche in Existenz und ihren Dienst theologisch be- der Slowakei nicht gelungen, Profil zu zei- gründen will, kann sie es nur, wenn sie gen und den Missbrauch von Angst durch den Begriff der Freiheit mit der Ebenbild- die Verkündigung von Liebe, Toleranz lichkeit Gottes in Beziehung setzt. Frei- und Versöhnung zurückzuweisen. Gerade heit als Geschenk Gottes macht uns zum das Gegenteil ist der Fall. Zusammen mit Ebenbild Gottes. Anderen die Freiheit zu der römisch-katholischen Kirche bekräf- nehmen würde ihnen das nehmen, was tigt auch die evangelische Kirche die ver- Gott ihnen als maßgebendes Merkzeichen meintliche Bedrohung durch Liberalismus ihrer Menschlichkeit gegeben hat. und andere Religionen. Das ist die theologische Grundlage, die In diesem Raum bemüht sich unsere Kir- wir uns in der evangelisch-lutherischen chengemeinde, als kritische Stimme zu Kirchengemeinde Bratislava-Altstadt zu agieren und den christlichen Universalis- eigen gemacht haben. Sie hat weitrei- mus und Inklusivismus zu predigen. chende Konsequenzen für den Inhalt und So wird für viele Gottesdienstbesuchende die Gestaltung unseres Gemeindelebens. unsere Kirchengemeinde zu einem Raum der Freiheit, in dem offen und auch pro- 1. Freiheit, die brennenden Themen phetisch kritisch das Versagen der Ge- anzusprechen sellschaft und der Kirche einerseits und der Weg des Evangeliums andererseits Im Dienst des Wortes (Martyria) bemüht benannt werden. Der Dienst an der Kan- sich unsere Gemeinde, Themen anzuspre- zel ist einer Breite von Predigerinnen und chen, die die Gesellschaft bewegen. Es Predigern offen. Es wird in vier Sprachen geht vor allem um die Themen, die seit ca. gepredigt (Slowakisch, Deutsch, Unga- zehn Jahren bewusst von populistischen risch, Englisch). und nationalistischen Strömungen miss- braucht werden, um Angst und Abscheu 2. Freiheit, Gott in verschiedenen zu schüren: Fremdenhass, Antiziganismus Formen zu preisen und Homophobie sowie Versuche, die be- stehenden Frauenrechte einzuschränken, Eine Gemeinschaft ist in ihrem Zusam- sind die deutlichsten Manifestationen menleben auf Regeln angewiesen. So ha- dieses Trends. Oft wird umgekehrt der ben sich seit der Urkirche Regeln für das Schutz der traditionellen christlichen Kul- gemeinsame Lob Gottes (Leiturgia) her- 16 tur in der Slowakei versprochen. ausgebildet. Im Laufe der Jahrhunderte
A N D KEK K R K K SX X W X XO X wurden aber die Gottesdienstord- nungen immer stärker als Identi- tätsmerkmale verstanden. Diese Seite der Gottesdienstordnung wird in der evangelischen Kirche in der Slowakei leider überbetont. Das führt zu einem entleerten Traditio- nalismus, der kaum mehr fähig ist, den reichen symbolhaften Inhalt der Grundsteine der Gottesdienst- ordnung zu kommunizieren. Hier versteht unsere Kirchen- gemeinde ihren Dienst der Freiheit so, dass die traditionelle Gottes- Kirche als Ort der Begegnung für alle Menschen: dienstordnung in möglichst vielen jung und alt, Flüchtlinge und Einheimische. Foto: Ondrej Prostrednik und Anna Polckova Variationen gestaltet wird. Dabei spielt die Kirchenmusik eine wich- gung gestellt. Die Gemeinde bietet auch tige Rolle. So ist die Idee entstanden, die einen umfangreichen Bildungsdienst in alte Tradition der Kantatengottesdienste Form von Religionsunterricht, Konfirma- wieder zu beleben. In Laufe des Kirchen- tionsvorbereitung und Jugendgruppen. jahres werden in Zusammenarbeit mit Ein spezieller Teil des Dienstes in der professionellen Musikvereinen Sonder- Bildungsarbeit sind monatliche Diskus- gottesdienste mit Kantaten aus der Ba- sionsrunden zu aktuellen Themen in der rockzeit gefeiert. So wird das lutherische Gesellschaft. Einmal im Jahr organisiert Verständnis der Verkündigung durch Mu- die Kirchengemeinde auch eine Fach- sik betont. Die Gestaltung der Gottes- konferenz. In den vergangenen Jahren dienste wird durch den musikalisch und waren es Konferenzen über Gender oder theologisch ausgebildeten Gemeinde- die Stellung von LGBT-Menschen in der kantor Jan Vladimir Michalko vorbereitet. Gemeinschaft der Kirche. In dieser Freiheit konnten wir liturgische Modelle entwickeln, die in Treue zu den Freiheit tastet Grenzen an Grundsteinen der liturgischen Ordnung Die Erfahrung, die die Gemeinde in ihrem fähig sind, den modernen Menschen in Greifen nach der Freiheit bisher gemacht verständlicher Weise anzusprechen. hat, ist zweierlei: Im Vordergrund steht 3. Freiheit zu dienen die Begeisterung von der Freiheit: Eine wachsende Anzahl von Menschen in der Eine Vielfalt von Diensten (Diakonia) wird Stadt aber auch landesweit nimmt das in unserer Kirchengemeinde neben dem Angebot unserer Kirchengemeinde wahr. Gottesdienst angeboten. Eine Agentur für Jedoch spüren wir auch, dass unser Ver- Hauspflege „Simeon‟ sorgt für Senioren ständnis von Freiheit an Grenzen stößt. in der Gemeinde. Gedächtnisübungen Es sind Grenzen, die durch Menschen in werden angeboten. Eine Wohnung für der Kirche gezogen und bewacht werden, eine Flüchtlingsfamilie wurde aus dem die ihren Dienst eher als den Dienst der 17 Wohnungsfond der Gemeinde zur Verfü- Disziplin und Subordination verstehen.
K K KI K KR X C X X HX X E XXXX I N N Ö Kirchentag 2019 bewegenden Lob Gottes in der Musik be- richten. „Glaube bewegt – bewegter Glaube‟ lau- Grußworte überbrachten unter anderem tete das Motto des diesjährigen niederös- OKR Karl Schiefermair, der Bürgermeister terreichischen Kirchentags am 20 Juni. von Wiener Neustadt Klaus Schneeberger, Eingeladen hatte die Pfarrgemeinde Wie- die Vorsitzende des Gustav-Adolf-Zweig- ner Neustadt, allen voran Pfarrerin Ange- vereins NÖ Sybille Roszner und der Vor- lika Petritsch und Kurator Manfred Pfeiffer. sitzende des Gustav-Adolf-Werkes im Der Festtag begann mit ei- deutschen Bundesland nem Familiengottesdienst. Baden-Württemberg, mit Wir sahen und hörten, wie dem Niederösterreich seit Menschen zu biblischer langem partnerschaftlich Zeit und heute durch den verbunden ist. Glauben an Christus neue Der Nachmittag bot den Perspektiven und Auf- ca. 250 Teilnehmenden gaben für ihr Leben fan- ein buntes Programm: den: Biblische Grundlage Stadtführungen, Tisch- war die Geschichte von gespräche mit iranischen der Heilung eines Lah- Christinnen und Chris- men am Teich Bethesda. ten, Bodypercussion, eine Nach 38 Jahren Krankheit Zukunftswerkstatt mit wurde er wieder auf die Superintendent Müller- Füße gestellt. Als Antwort Marienburg, eine Tanzper- darauf erzählten Christ/ formance sowie die vielen inn/en von heute, wie sie vom Glauben Angebote des Bibelmobils ließen die Zeit bewegt werden: Einer weiß sich in den wie im Flug vergehen. Lektorendienst berufen. Ein anderer be- Natürlich kamen auch die Kinder und Ju- kommt Kraft und Mut, um seine Heimat gendlichen auf ihre Kosten. Für sie gab es zu verlassen und in einer fremden Kultur eigene Aktivitäten. und im neuen Glauben neu anzufangen. Die Schlussandacht wurde in traditionel- Eine engagiert sich in Hilfsprojekten, eine ler Weise von der Evangelischen Frauen- andere wird aus ihrem Glauben heraus arbeit gestaltet. vom Zorn bewegt und scheut sich nicht, Ein herzliches Dankeschön Euch, Ihr lie- politische Ungerechtigkeiten beim Namen ben Wiener Neustädter, für Eure Gast- zu nennen. Und ein weiterer konnte vom freundschaft und die gute Organisation! Fotos: privat 18
K I R C H EK K K IK K NX X XN X Ö X Angelika Petritsch tödlich verunglückt Am Nachmittag des 31. Juli 2019 ist die Wiener Neustädter Pfarrerin Mag.a Angelika Petritsch bei einem Autounfall während ihres Sommerurlaubs in Nami- bia ums Leben gekommen. Die Pfarr- Foto: epd/M. Uschmann gemeinde Wiener Neustadt verliert ihre Pfarrerin, die seit 2010 dort Dienst ge- tan hat und durch ihre natürlich Art und ihre Freude an Neuem viel bewegt und eine Atmosphäre der Wertschätzung ge- schaffen hat. Die Superintendenz verliert Dinge gut waren – und auch wenn sie eine loyale, fröhliche Kollegin, die vielen nicht gut waren. Für beides bin ich sehr zur Freundin geworden ist. Ich verliere dankbar. eine Wegbegleiterin im geistlichen Amt. Bei all dem können wir nicht ermessen, Angelika Petritsch hat mich als erste an- was der Verlust für ihre Familie bedeutet. gesprochen, ob ich mich der niederöster- Ihr und allen Angehörigen gilt unsere An- reichischen Wahl zum Superintenden- teilnahme und unser Gebet. ten stellen würde. Sie war eine ehrliche Angelika wurde 37 Jahre alt. Wegbegleiterin, die mir gesagt hat, wenn Superintendent Lars Müller-Marienburg Radiogottesdienst aus Niederösterreich Am Pfingstmontag übertrug der ORF in den verschiedensten Gründen in keine den Regionalradios den Gottesdienst Kirche gehen können. Durch solche Got- aus Waidhofen an der Thaya. Unter dem tesdienste bieten Pfarrgemeinden einen Motto „Weltweit in Waidhofen‟ wurde besonderen Dienst an einer großen, meist der Gottesdienst auf Deutsch, Lettisch unsichtbaren, Radio- und TV-Gemeinde. (Muttersprache der Ortspfarrerin Dace Dislere-Musta) und Tschechisch (wegen der Nähe zu Tschechien und den be- stehenden Kontakten) gefeiert. Die ver- schiedenen Sprachen sollten ein Zeichen für die Vielfalt der weltweiten Kirche sein. Denn die Größe der Kirche scheint auch in die vermeintlich kleinen und intimen evangelischen Pfarrgemeinden durch of- fene Türen hinein. Radio- und Fernseh- gottesdienste sind für alle gastgebenden Gemeinden etwas Ungewöhnliches. Aber (ORF-Radiogottesdienste können einige es ist wichtig, dass es Übertragungen im Zeit lang auf https://religion.orf.at/radio/ Fernsehen, Radio und Internet gibt, weil tags/gottesdienste/ nachgehört werden.) so Menschen mitfeiern können, die aus 19 red
K K KIK KL XIX XT X Ä M X XR XXX S E E L S O R G E ▶Momentaufnahme aus Bosnien … Seit Februar bin ich als neuer evangelischer Militär- pfarrer für Niederösterreich tätig. Aber nicht nur in Österreich: Wir Militärpfarrer begleiten und betreuen die Soldaten und Zivilbediensteten des Österreichi schen Bundesheeres auch in den Auslandseinsätzen. Auf dem Weg von meinem Zimmer zum Wie lange soll das noch so gehen, und großen Speisesaal im EUFOR-Camp was für einen Sinn macht das? Butmir/Sarajevo ruft mir ein polnischer Soldat freundlich „Morning, Padre!‟ zu. Gute Frage. Er hat wohl das Kreuz auf meiner Uni- Ich habe schließlich auch keine bes- form gesehen und weiß sofort: Das ist sere Antwort als diese: Solange die ein „Himmelverbindungsoffizier‟, wie wir EUFOR-Soldaten hier sind, werden die Militärpfarrer bei den Österreichern auch Menschen davon abgehalten, alte, vor manchmal scherzhaft genannt werden. langer Zeit ausgestellte schreckliche Rechnungen zu begleichen und sich ei- Beim Frühstück setze ich mich zu ein nander abzuschlachten. paar österreichischen Kameraden und plaudere mit ihnen ein wenig darüber, Es ist zumindest eine Form von Frieden – woher sie kommen, was sie hier ma- wenn auch nicht ideal und auf ewig. Und chen und wie es ihnen dabei geht. In dass dieser fragile Frieden halten möge, den ersten Tagen sind diese Gespräche darum bitten wir Gott bei den Gottes- noch etwas holprig, aber schon nach ein, diensten in der kleinen Camp-Kapelle, zu zwei Wochen, wenn sie mein Gesicht denen immer wieder ein kleines Häuflein wiedererkennen, wird die Unterhaltung zusammenkommt. lockerer. Immer wieder kommt das Gespräch auf die Frage der Sinnhaftigkeit dieses Ein- satzes, über 20 Jahre nach dem Krieg. Es hat sich – scheinbar – hier ja doch nichts verändert. Noch immer stehen sich die Bosnier, Ser- ben und Kroaten hier im Land skeptisch bis feindselig gegenüber, noch immer regiert ein kompliziertes, korruptes und aufgeblähtes System von Politikern aller Ethnien dieses Land unter der „Aufsicht‟ Michael Lattinger, MilSen 20 der internationalen Gemeinschaft. Militärpfarrer beim MilKdoNÖ
G E M E I N D E M O S A I K ▶ Berichte aus den Gemeinden Niederösterreichs Redigiert von Birgit Lusche Visitation in Bruck a. d. Leitha – Hainburg a. d. Donau Hainburg. Von 14. bis 19. Mai 2019 fand in unserer Pfarrgemeinde eine Visitation statt. Aus diesem Anlass haben wir mehrere öffentliche Veran staltungen vorbereitet. Am 30. April des Jahres waren es acht Jahre, dass die Martin-Luther-Kirche in Hainburg eingeweiht worden war. Die österreichische Post hat eine Briefmarkenserie über moderne Architektur in Österreich aufgelegt und der evangelischen Martin- Luther-Kirche in Hainburg, die wohl eines der architektonisch spektakulärsten Sakralgebäude unseres Landes ist, eine eigene Sondermarke gewidmet. (Foto: Josef Rittler, Christina Ritschel) Die Sonderbriefmarke wurde in einer Auf- Im Rahmen lage von 230.000 Marken in Bögen zu 50 unserer Ge- Stück ausgedruckt und am Dienstag, dem sprächsreihe am 14. Mai, präsentiert. Mittwochabend entführten uns Die Sonderbriefmarke So haben wir den Geburtstag der Kir- Maria und Walter mit der Martin-Luther- che mit der Präsentation der Marke Sinkovc in Wort Kirche in Hainburg. gemeinsam gefeiert. Bei dieser Feier- und Bild auf den stunde waren auch Superintendent Lars spanischen Jakobsweg. Ein interessanter Müller-Marienburg und das Visitations- Abend, an dem auch der Superintendent 21 team anwesend. unser Gast war.
G E M E I N D E M O S A I K Am Donnerstag haben wir in der Mat Ein wichtiges Treffen von Visitations- thäuskirche in Bruck einen Diskussions- team, Presbyterium und der Gemeinde- abend unter dem Namen „Kirche trifft vertretung gab es dann am Samstag. Am Politik und Wirtschaft‟ mit dem Super- Sonntag wurde die Visitation mit einem intendenten und Repräsentanten des öf- Gottesdienst auf einem Schiff auf dem fentlichen Lebens und der Wirtschaft im Neusiedler See abgeschlossen. Bezirk Bruck an der Leitha organisiert. Jan Magyar, Helga Reichel Kirche und Politik Dabei, so meint er, sollte sich die Kirche jedoch vom parteipolitischen Diskurs dis- Mödling. Am Sonntag, dem 19. Mai tanzieren und auf die Verantwortungs- 2019, durften wir in der evangeli ethik nicht vergessen. schen Kirche in der Scheffergasse in Mödling im Rahmen der Themen In der anschließenden Diskussion mit den gottesdienst-Reihe „Wie politisch Besucherinnen und Besuchern des Got- darf/soll Kirche sein?‟ den damali tesdienstes kamen auch aktuelle Themen gen Bildungsminister Univ.-Prof. Dr. wie der Karfreitag und die Einführung des Heinz Faßmann begrüßen. Ethikunterrichtes zur Sprache. Patricia Grimm-Hajek In seinem Vortrag zum Zitat „Mit der Bergpre- digt kann man nicht regieren‟ brachte er sechs Anmerkungen ein. Darin ging er auch auf die umgekehrte Perspektive ein, näm- lich welchen Stellen- wert Religion in einem säkularen Staat einneh- men soll. Bundesminister Faß- mann betonte in die- sem Zusammenhang die notwendige Äqui- distanz der Politik zu allen Religionen. Aus seiner Sicht ist Kirche jedenfalls politisch, ein Neben zahlreichen Besucherinnen und Besuchern ließ sich auch „mahnendes Wort‟ zu der designierte Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Öster sprechen sei eine Kern- reich, Michael Chalupka, diesen besonderen Gottesdienst nicht 22 aufgabe der Kirche. entgehen. (Foto: privat)
G E M E I N D E M O S A I K Konfi-Tage in Niederösterreich Wiener Neustadt, Krems. Kurz vor den Konfirmationen waren alle Konfis aus Niederösterreich zu den zwei Konfi-Tagen in Wiener Neustadt und Krems eingeladen. Sie können den Blick über die Gemein- danken gemacht. Am 11. Mai fand der degrenzen hinaus werfen, andere, 5. Konfi-Tag Krems für die Regionen Ost gleichaltrige, evangelische Jugendliche und West statt. Die Konfirmandinnen und kennenlernen und für einen Tag Konfir- Konfirmanden setzten sich mit Themen mandenzeit in einer richtig großen Grup- wie Schöpfungsverantwortung, Schuld pe erleben. Bereits zum 8. Mal fand am und Gnade, Homosexualität und Kir- 27. 4. der Konfi-Tag Süd statt. Fast 200 che und Kooperation und Teamfähigkeit Konfis aus der Region Süd waren zusam- auseinander. Den Abschluss bildete der mengekommen und haben gemeinsam Jugendgottesdienst in der Kremser Hei- gebetet, gesungen und sich über die landskirche. Herzlichen Dank an alle Mit- Fragen „Woher komme ich? Wohin gehe arbeiterinnen und Mitarbeiter! ich?‟ in den zahlreichen Workshops Ge- Michael Simmer (Foto: privat) Wir feiern unsere Unter den vielen Gästen waren auch Dr. Franz Reiner, Kurator der Evangelischen Pfeifenorgel Pfarrgemeinde Timelkam, von welcher die Orgel gekauft wurde, und Josef Six, Traisen. Am Sonntag, dem 5. Mai Bürgermeister von Vöcklamarkt. 2019, war es endlich soweit. Die langersehnte neue Pfeifenorgel Superintendent Mag. Lars Müller-Marien- wurde in Traisen in der Auferste burg hielt die Festpredigt. Nach dem Fest- hungskirche der evangelischen Pfarr gottesdienst trafen die Gäste einander im gemeinde St. Aegyd a. N.-Traisen ge- gemütlichen Gemeindesaal bei Gulasch 23 weiht. und Fassbier.
G E M E I N D E M O S A I K Unterstützt wurde er im Berggottesdienst vor dem zweiten Schwemm-Tunnel der Hubmerschen Holzknechte vom Naßwal- der Lektor Robert Schneeberger und der Sängerrunde Schwarzau im Gebirge. Gäs- te vom Burgenland bis Bayern saßen an- schließend fröhlich bis in den Nachmittag beisammen. Erstmals sorgte Juniorwirt Anton Hajszan vom „Wirtshaus zum Rax- könig‟ mit seinem Team top-organisiert für Speis und Trank. Kaffee und Kuchen lieferten Naßwalder Frauen. 2020 macht der Berggottesdienst Pause, denn am 11. Juni feiern wir den Evan- gelischen Kirchentag Niederösterreich in Naßwald! Und der wird genau so urig! red Orgelbaumeister Robert Niemeczek begeis terte mit seinen unterhaltsamen Ausführun gen über den Aufbau einer Orgel und den Beruf des Orgelbaumeisters Jung und Alt. Mecki messerscharf: (Foto: Planer) Das Nachmittagsprogramm wurde von Diözesankantorin Mag.a Sybille von Both und Orgelbaumeister Robert Niemeczek gestaltet. Der Festtag endete mit einem Abendlob. Karin Heistinger Naßwalder Berggottesdienst Gscheidl. Gezählte 250 Besucher kamen wieder zum traditionellen Naßwalder Berggottesdienst, um bei bestem „evangelischen‟ Wetter Es gibt eine Unschuld der Bewunde- am historischen Ort miteinander zu rung; der hat sie, dem es noch nicht in feiern. den Sinn gekommen ist, auch er könne einmal bewundert werden. Umʼs eher un-evangelische „Knie beu- Friedrich Nietzsche (1844–1900), gen‟ aus Ehrfurcht und Demut vor dem, deutscher Philologe und Philosoph, was Gott uns zuwendet, drehte es sich in in: Jenseits von Gut und Böse 24 der Predigt von Pfarrer Andreas Lisson.
L I T E R A T U R ▶ There is an alternative! Rezension von Birgit Schiller Renata Schmidtkunz fasst Transzendenz Vom Gottesbild ihrer Kindheit hat sich die weit: „Sich darin zu üben, dass es einen beim ORF tätige Redakteurin gelöst. Sehr Bereich gibt, der jenseits unseres Verste- persönlich erzählt sie von ihrer Suche hens und unseres Einflusses ist, bedeu- nach einem neuen Bild, das der heutigen tet neben vielem anderen auch, Distanz Gesellschaft verständlich und zugänglich zum Weltgeschehen zu bekommen. Es ist ist. Manchmal bleibt sie dabei eng am tra- eine Distanz, die befreien kann von jenen ditionellen christlichen Glauben, manch- Trieben, die unsere Welt und die Mensch- mal ist ihr Zugang sehr weit gefasst. Die heit im Moment zu zerstören drohen.‟ Die theologische Schulung ist, trotz einiger Pfarrerstochter und Theologin plädiert für kleiner sachlicher Fehler („christliche Re- den immer vorhandenen Moment der Un- ligionen‟), positiv zu spüren und wirft verfügbarkeit, nicht, um sich fatalistisch die Frage auf, ob es der Botschaft Jesus zurückzulehnen, sondern um dem Macht- Christi wirklich widerspricht, so verpackt anspruch Herrschender entgegenzutre- zu werden, wenn dadurch die Sehnsucht ten. Renata Schmidtkunz, bekannt als heutiger Menschen nach dem Transzen- Moderatorin und Dokumentarfilm-Regis- denten und nach Hoffnung wieder ge- seurin, war Mitinitiatorin des Volksbegeh- weckt werden kann. rens „Sozialstaat Österreich‟ 2001. Ich sehe hier einen notwendigen und Seither beobachtet sie die Veränderung interessanten Diskurs, zu dem das Buch der Gesellschaft unter dem Eindruck neo- anregen kann. liberaler Wirtschaftsmodelle. Sie sieht Geiz, Neid, Konkurrenz und brutales Ef- fizienzdenken sich ausbreiten, den Men- schen vom unantastbaren Lebewesen zum Konsumenten degradiert. Sie hört den Ruf „Es gibt keine Alternative‟, wenn es um die Rettung von Budgets und um ständiges Wirtschaftswachstum geht, wobei die sozial schwache und zuneh- mend auch die Mittelschicht leiden. Re- nata Schmidtkunz führt all das auf den Verlust der Transzendenz zurück, auf den Verlust der Fähigkeit und Bereitschaft, über sich hinauszuschauen, jenseits der „materiellen Wirklichkeit einen offenen Renata Schmidtkunz Raum‟ zu sehen, „einen Raum der Frei- Himmlisch frei. Warum wir wieder mehr heit‟, der die „Wahrnehmung von uns Transzendenz brauchen selbst, der Gemeinschaft und der Welt, in edition a, Wien, 2019 der wir leben‟ erweitert. 25 ISBN 978-3-99001-269-7
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