GEMEINSCHAFTSGÄRTEN - WER MACHT MIT? - WIE FLÄCHENEIGENTÜMER*INNEN, UNTERSTÜTZER*INNEN UND GÄRTNER*INNEN ZUSAMMENKOMMEN - COPROGRÜN

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GEMEINSCHAFTSGÄRTEN - WER MACHT MIT? - WIE FLÄCHENEIGENTÜMER*INNEN, UNTERSTÜTZER*INNEN UND GÄRTNER*INNEN ZUSAMMENKOMMEN - COPROGRÜN
Foto: RVR / Luisa Gehnen
www.rvr.ruhr

               Gemeinschaftsgärten –
               wer macht mit?
               Wie Flächeneigentümer*innen, Unterstützer*innen und
               Gärtner*innen zusammenkommen

               CoProGrün
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Broschüre Gemeinschaftsgärten CoProGrün

Gemeinschaftsgärten –
Wer macht mit?
     Einleitung								1
		Zielsetzung der Broschüre					1

     Wer macht mit? Wie sich Akteur*innen für einen
     Gemeinschaftsgarten gewinnen lassen			5
   Akteur*innen ermitteln: Wie finde ich mögliche
		Mitmacher*innen?						7
		Methode: Austausch mit Schlüsselpersonen			7
		Methode: Internetrecherche					8
		Methode: Datenbasierte Akteursanalyse				9
		 Akteur*innen anwerben: Wie gewinne ich potenzielle
		Gärtner*innen?							9
		Methode: Provokante Gegenteils-Bilder				10
		Methode: Temporäres Leitsystem				10
   Methode: Bepflanzte Irritationen                        10
		 Methode: Naschwanderungen im städtischen Raum		         10
		 Methode: Tag des grünen Daumens
		(thematische Veranstaltung)					10
   Methode: Pflanzentauschbörse                            11
		 Methode: Spielerische Intervention und Urban Games		    11
   Methode: Persönliche Ansprache                          11
		 Methode: Bewerbung über Print- und Onlinemedien		       12
		Methode: Informations- und Mitmachstand			12
		 Akteur*innen aktivieren: Wie werden Interessierte zu
		Mitwirkenden?							14
		 Methode: Bilateraler Workshop zwischen
			          Flächeneigentümer*innen und Gärtner*innen		   14
   Methode: Regelwerk mit Rechten und Pflichten entwickeln 16
		 Methode: Mitmachworkshop zur Entwicklung eines
			 Gartenkonzepts					17

     Schlussfolgerungen und Empfehlungen aus dem
     Modellvorhaben CoProGrün					21
   Belastbare Kommunikationsstrukturen schaffen            21
		Zentrale Ansprechstellen einsetzen				21
		 Kooperation zwischen Flächeneigentümer*innen,
		Anrainer*innen und Interessierten verbessern			22
		Flächenverfügbarkeit verbessern					23
   Potenzialflächenkataster anlegen                        23
   Langfristige Nutzungsperspektiven ermöglichen           23
		Bestehen des Projektes sichern					23
   Vergütung der Projektkoordination ermöglichen           23
		 Nachbar*innen, Anrainer*innen und aktuelle Nutzer*innen
		 frühzeitig in die Projektentstehung einbinden			        23
		 Zusammenarbeit durch gemeinsame Erarbeitung von
		Regeln und Inhalten verbessern					23

     Quellenverzeichnis						25

                                                                Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?   i
GEMEINSCHAFTSGÄRTEN - WER MACHT MIT? - WIE FLÄCHENEIGENTÜMER*INNEN, UNTERSTÜTZER*INNEN UND GÄRTNER*INNEN ZUSAMMENKOMMEN - COPROGRÜN
Quelle: Die Urbanisten 2016
GEMEINSCHAFTSGÄRTEN - WER MACHT MIT? - WIE FLÄCHENEIGENTÜMER*INNEN, UNTERSTÜTZER*INNEN UND GÄRTNER*INNEN ZUSAMMENKOMMEN - COPROGRÜN
Einleitung
Im Jahr 1996 entstand mit dem Interkulturellen
Garten Göttingen der erste bekannte Gemein-
schaftsgarten in Deutschland. Seitdem entwi-           ■ Gesellschaftliche Teilhabe und Kommu-
ckelt sich die Urban Gardening Bewegung in               nikation erhöhen,
der Bundesrepublik rasant und erfreut sich bis
heute kontinuierlich steigender Beliebtheit. Al-       ■ Engagement und Sensibilisierung für
lein die Stiftung anstiftung&ertomis listet in ihrer     den öffentlichen Raum fördern,
Datenbank zum April 2020 bereits 708 urbane
Gärten in Groß- und Mittelstädten deutsch-             ■ Das Mikroklima verbessern und
landweit (anstiftung.de).                                Straßen und Plätze begrünen.

Urban Gardening hat längst auch in der Metro-          ■ Umweltbildung unterstützen.
pole Ruhr Fuß gefasst. Die Region ist der fünft
größte Ballungsraum Europas und erstreckt              ■ (Brach-)Flächen inklusive ihrer unmit-
sich über eine Fläche von über 4.400 Quadrat-            telbaren Umgebung aufwerten und
kilometern zwischen Ruhr, Emscher und Lippe.             diese attraktiv machen
Das soziale Netzwerk der Gemeinschaftsgär-
ten in Nordrhein-Westfalen „UrbaneOasen.de“            ■ und nicht zuletzt Kosten für grünpfle-
zählt über 50 Gartenprojekte mit einer Vielzahl          gerische Maßnahmen einsparen.
an Themen und Formen: Seniorengärten, inter-
kulturelle und internationale Gärten, Nachbar-
schaftsgärten, Mädchengärten, Flüchtlingsgär-          Inhaltlich setzen sich Urban Gardening Projek-

                                                                                                                      Auseinandersetzungen
ten, Schul- und Kitagärten, Stadtteilgärten oder       te mit vielen Themen auseinander: Mit ökolo-
Gemeinschaftsgartenparzellen in Kleingarten-           gischen, wie der Aufzucht alter Sorten, Biodi-

                                                                                                                          Thematische
anlagen, aber auch Projekte der solidarischen          versität und Nachhaltigkeit, aber auch sozialen
Landwirtschaft.                                        und kommunalpolitischen, wie Fragen zur Mit-
                                                       wirkung in der Quartiersentwicklung oder der
Der Großteil der Urban Gardening Projekte wird         Bedeutung des öffentlichen Raumes für die
von Bürger*innen initiiert. Doch zunehmend             Nachbarschaft.
werden Gemeinschaftsgärten auch als Projekte
von Kommunen, wie bei der Stadt Essen als
Grüne Hauptstadt, oder durch private Woh-                      Zielsetzung der Broschüre
nungsunternehmen angestoßen, wie durch die
städtische Wohnungsbaugesellschaft GEBAG               Die Urban Gardening Bewegung wird bereits
in Duisburg. Auch Stadtverwaltungen und Poli-          seit mehreren Jahren wissenschaftlich begleitet
tik erkennen die Potenziale der Gemeinschafts-         und untersucht. Mehrere Studien beschäftigen
gärten und unterstützen die Bewegung. So               sich intensiv mit der Entstehung, den Poten-
entwickelte beispielsweise die Stadt Bottrop           zialen und der Vorgehensweise bei der Pro-
ein Potenzialflächenkataster und die Grüne             jektentwicklung von Gemeinschaftsgärten. Zu
Fraktion Dortmund Innenstadt-West initiierte ein       nennen wäre hier exemplarisch:
Urban Gardening Projekt. Die geplante Inter-
nationalen Gartenausstellung (IGA) Metropole           ■ Gemeinschaftsgärten im Quartier.
Ruhr 2027 widmet sich in der Ausstellungse-              Handlungsleitfaden für Kommunen, heraus-
bene „Mein Garten“ dem bürgerschaftlichen                gegeben vom Bundesministerium für Um-
Engagement, indem sie Vereine und Privatiniti-           welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
ativen einlädt, ihre nachbarschaftlichen Grünini-        (2015)
tiativen zu präsentieren.
                                                       ■ Gemeinsam Gärtnern in der Stadt
Das große Interesse an dieser Form des städti-           Praxisbeispiele aus Nordrhein-Westfalen,
schen Gärtnerns liegt sicherlich an den vielzähli-       herausgegeben vom Ministerium für Klima-
gen positiven Effekten sowohl aus ökologischer,          schutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und
ökonomischer als auch sozialer Perspektive.              Verbraucherschutz des Landes Nord-
Gemeinschaftsgärten können:                              rhein-Westfalen (2016)

                                                                                           Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?              1
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■ Soziale Aktivierung zum gemeinschaftlichen      Die Methoden wurden im Zuge des For-
                            Gärtnern. Ein Leitfaden für die partizipative   schungsprojektes „Co-produzierte Grünzüge
                            Förderung von Gemeinschaftsgärten in Städ-      als nachhaltige, kommunale Infrastruktur“ –
                            ten und Quartieren; von Maximilian Schmies      kurz: CoProGrün– zusammengetragen, wei-
                            und Marcel Hunecke, herausgeben von der         terentwickelt und in Modellprojekten erprobt.
                            Stadt Bottrop (2016)                            Das Projekt war eine Kooperation des RVR mit
                                                                            dem Verein „die Urbanisten“, dem Fachbereich
                          ■ Die neuen Gartenstädte: Urbane Gärten,          Agrarwirtschaft der FH Südwestfalen und der
                            Gemeinschaftsgärten und Urban Gardening         Landwirtschaftskammer NRW. Die Koordinati-
                            in Stadt- und Freiraumplanung. Internatio-      on übernahm der Fachbereich Landschaftsar-
                            nale Best Practice Beispiele für kommunale      chitektur der RWTH Aachen University. Ziel war
                            Strategien im Umgang mit Urbanen Gärten.        es zu erforschen, wie Wissenschaftler*innen,
                            Arbeitspapier von Ella von der Haide (2014)     Bürger*innen und Unternehmer*innen Grün-
                                                                            züge attraktiv gestalten, bewirtschaften und
                          ■ Potentialflächen für Gemeinschaftsgärten: Ein   langfristig erhalten können. Die Kooperation
                            Leitfaden zur Unterstützung von Gemein-         dieser Akteur*innen soll gleichzeitig Formen der
                            schaftsgarteninitiativen, herausgegeben vom     Co-Produktion darstellen – ein Begriff, der auf
                            Regionalverband Ruhr (2014)                     Elinor Ostrom zurückgeht, einer US-amerikani-
                                                                            schen Professorin für Politikwissenschaft, die
                          ■ Urbane Gärten für Mensch und Natur.             als führende Forscherin im Bereich der Um-
                            Übersicht und Bibliographie von Kristina        weltökonomie galt.
                            Dietrich, herausgeben vom Bundesinstitut für
                            Naturschutz (2014)                               Danach kann von Co-Produktion gesprochen
                                                                             werden, wenn die beteiligten Akteur*innen
                          Die Studien enthalten zudem Handlungsemp-          nicht als reine Konsument*innen auftreten,

                                                                                                                               Co-Produktion
                          fehlungen, vor allem für öffentliche Träger,       die bereitgestellte Leistungen nicht durch den

                                                                                                                                 Definition
                          und informieren darüber, wie diese die Urban       Staat oder die Kommune in Anspruch neh-
                          Gardening Bewegung beim Aufbau neuer und           men oder eines Anbieters einkaufen, sondern
                          beim Erhalt bestehender Projekte unterstützen      selbst über die Art und Qualität dieser Leis-
                          können.                                            tungen bestimmen und an deren Erbringung
                                                                             mitarbeiten (Ostrom 1996:1073).
                          Im Vordergrund dieser Broschüre steht
                          die Frage, wie Menschen angesprochen              Als Untersuchungsraum des Forschungspro-
                          und eingebunden werden können, um                 jektes wurde der Grünzug Östliches Emscher-
                          Gemeinschaftsgartenprojekte zu unter-             tal des Emscher Landschaftsparks gewählt.
                          stützen. Die Broschüre stellt dabei konkrete      Er umfasst die Grün- und Freiflächen von
                          Methoden vor, mit denen sich Handlungsemp-        Dortmund bis Castrop-Rauxel und Waltrop, im
                          fehlungen umsetzen lassen. Dadurch lässt sich     näheren und weiteren Umfeld rechts und links
                          auch untersuchen, wie einzelne Handlungs-         der Emscher und ihrer Zuflüsse.
                          empfehlungen noch präzisiert und verbessert
                          werden können.                                    Die hier vorgestellten Vorgehensweisen und
                                                                            Praxisbeispiele sind spezifisch für bzw. mit den
                                                                            Mitmachenden aus dem Untersuchungsraum
                                                                            in der Metropolregion Ruhr erarbeitet worden.
                                                                            Dennoch sind die angewandten Methoden
                                                                            übertragbar und in - evtl. leicht abgeänder-
                                                                            ter und ortsangepasster Form bundesweit
                                                                            anwendbar.

2   Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?
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Abb.1: Lage des Grünzugs F im Untersuchungsgebiet

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GEMEINSCHAFTSGÄRTEN - WER MACHT MIT? - WIE FLÄCHENEIGENTÜMER*INNEN, UNTERSTÜTZER*INNEN UND GÄRTNER*INNEN ZUSAMMENKOMMEN - COPROGRÜN
Quelle: Die Urbanisten 2016

4                                 Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?
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Wer macht mit?
                       Wie sich Akteur*innen für einen Gemeinschaftsgarten gewinnen lassen

                                     Vorüberlegungen

                      Gemeinschaftsgärten sind Orte im öffentlichen
                      Raum einer Stadt, die gemeinschaftlich, freiwil-
                      lig und in den meisten Fällen ehrenamtlich von
                      Privatpersonen bewirtschaftet werden. Die Ori-
                      entierung am Gemeinwohl sowie die Offenheit        In dieser Broschüre gehen wir vorwiegend von
                      und Zugänglichkeit sind Grundprinzipien dieser     Fall 2 aus, das heißt, davon, dass eine Fläche
                      Projekte.                                          bereits nutzbar ist oder zumindest der Projektort
                                                                         feststeht. Jetzt müssen Akteur*innen gewonnen
                      Damit ein Gemeinschaftsgarten entstehen            werden, die einen Gemeinschaftsgarten starten
                      kann, sind zwei zentrale Ressourcen unabding-      und betreiben wollen. Dabei ist es wichtig, sich
                      bar: Die Menschen, die das Projekt entwickeln      folgende grundlegende Dinge zu verdeutlichen:
                      und betreiben, und die Fläche, auf der der
                      Garten wachsen und gedeihen kann. Bei der          Abb. 2: Skizze der möglichen Ausgangssituation beim Start
                      Gründung eines Gartenprojektes sind dement-        eines Gemeinschaftsgartens (Eigene Darstellung nach
                      sprechend drei Ausgangssituationen mögliich:       Kemper/Weltring 2015, S. 12)

                                                                                                               #
                                                                                              !
                                                                                                                "
                              FALL 1                            FALL 2                              FALL 3
                          AKTIVE GRUPPE                    FLÄCHE BRAUCHT                        VERMITTLUNG
                          AUF DER SUCHE                     AKTIVE GRUPPE                      ZWISCHEN GRUPPE
                           NACH FLÄCHE                                                            UND FLÄCHE

                      Fall 1 Flächen gesucht: Der Gemeinschafts-         Vor der inhaltlichen Ausarbeitung des Projektes
                                                                                                                                          Rahmenbedingungen

                      garten entsteht auf Initiative einer Gruppe von    ist es ratsam, mit Projektträger*in und Fläche-
                      Privatpersonen, die auf der Suche nach einer       neigentümer*in den Handlungsrahmen zu klä-
                                                                         ren (siehe S.14). So lassen sich die Grenzen
                                                                                                                                               klären

                      geeigneten nutzbaren Fläche sind.
                                                                         des Machbaren frühzeitig stecken und die
                      Fall 2 Mitmachende gesucht: Der Gemein-            Mitwirkung der Teilnehmer*innen wird konstruk-
                      schaftsgarten entsteht auf Initiative einer Kom-   tiver. Dies beugt einer Frustration über unreali-
                      mune, sozialen Einrichtung oder eines Woh-         sierbare Vorstellungen vor.
Ausgangssituationen

                      nungsunternehmens. Sie stellen eine Fläche zur
                      Verfügung, auf die der Gemeinschaftsgarten         Gemeinschaftsgärten werden maßgeblich von
                      entstehen soll. Hier geht es vornehmlich darum,    den Gärtner*innen entwickelt. Minutiös festge-
                      aktiv Mitwirkende zu gewinnen. Die Suche nach      legte Vorhaben sind deshalb nicht zielführend.
                                                                         Die Aktiven müssen möglichst von Anfang an
                                                                                                                                     Gemeinschaftsgärten

                      Gärtner*innen kann auch eine Rolle spielen,
                                                                                                                                     Beteiligungsprojekte

                      wenn das Projekt bereits läuft.                    die Möglichkeit haben mitzumachen, zu inter-
                                                                         venieren und zu steuern. Deshalb sollten zent-
                      Fall 3 Kontakte gesucht: In einigen Fällen         rale Aufgaben im Projekt frühzeitig an sie über-
                                                                                                                                              sind

                      sind sowohl interessierte Akteur*innen als auch    geben werden. Dies ist entscheidend für die
                      eine Projektfläche vorhanden, jedoch fehlt die     Langfristigkeit der Projekte. Damit haben die
                      Verbindung zwischen Interessierten und Anbie-      Mitwirkenden die Möglichkeit, sich zu identifi-
                      tenden. Hier gilt es, beide Seiten zusammen-       zieren, Eigeninitiative zu zeigen und Verantwor-
                      zubringen und zwischen ihren Vorstellungen,        tung zu übernehmen. Andererseits erfordert
                      Ansprüchen und Bedenken zu vermitteln.             ein solches Vorgehen vor allem von planerisch

                                                                                                                     Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?     5
GEMEINSCHAFTSGÄRTEN - WER MACHT MIT? - WIE FLÄCHENEIGENTÜMER*INNEN, UNTERSTÜTZER*INNEN UND GÄRTNER*INNEN ZUSAMMENKOMMEN - COPROGRÜN
arbeitenden Akteur*innen wie Kommunen oder                   Aktive Mitwirkende für einen Gemeinschafts-
                                                          Unternehmen ein erhöhtes Maß an Flexibilität                 garten zu gewinnen, gelingt in drei Schritten:
                                                          und Offenheit.                                               Schritt 1: Potenzielle Akteur*innen
                                                          Die Mitarbeit in einem Gemeinschaftsgarten                              ermitteln;
                                                          bedeutet, unabhängig davon, wie groß die                     Schritt 2: Deren Interesse wecken;
                                                          Motivation der Aktiven ist, eines: Aufwand. Die              Schritt 3: Interessierte zum Mitwirken
                                                          Mitmachenden bringen – je nach Kapazitäten                              aktivieren.
                                                          und Bereitschaft – vor allem ihr Interesse,                  Abb.4: Drei Schritte zur Aktivierung von Mitwirkenden
                                                          ihre Arbeitskraft und ihre Fähigkeiten mit in                (Quelle: eigene Darstellung)
                                                          das Projekt. Die Gestaltung und Erhaltung
                                             Engagement
                                             Nutzen und

                                                          eines Gemeinschaftsgartens erfordern zeitli-
                                                          che Ressourcen und kommunikative Eigen-
                                                          schaften sowie teilweise auch eine finanzielle
                                                          Beteiligung. Die Interessierten werden sich
                                                          folglich in einem solchen Projekt nur engagie-
                                                          ren, wenn sie darin einen Mehrwert für sich                  Für jeden Schritt gibt es Methoden, die in den
                                                          erkennen. 					                                              folgenden Kapiteln vorgestellt werden. Dabei
                                                          Der Schlüssel zum Erfolg ist also, Interessier-              ist es im Allgemeinen ratsam, die Methoden
                                                          ten zu verdeutlichen, was das Projekt ihnen                  mit lokalen Expert*innen vor Ort (siehe S.7)
                                                          nutzt und welche entscheidende Bedeutung                     auf die Rahmenbedingungen zuzuschneiden.
                                                          sie für das Projekt haben.

                                                                             Output                                                        Input
                                                                Ein Gemeinschaftsgarten bietet seinen                       Der Beitrag der Nutzer*innen für den
                                                                           Nutzer*innen:                                           Gemeinschaftsgarten:
                                                                Gemüse & Kräuter für den Eigenbedarf
                                                                                                                                             Gärtnern
                                                                  produzieren (in geringem Maße)
                                                                         Natur in der Stadt erfahren                           Organisatorische Unterstützung
                                                               Vernetzung und Austausch mit anderen                    Weitere Akteur*innen durch eigenes Netzwerk
                                                                  Personen, Gruppen, Institutionen                                       aktivieren
                                                                                                                       Sponsor*innen oder Fördermittelgeber*innen
                                                                           Gemeinschaftsgefühl
                                                                                                                                      akquirieren
                                                              Klimatische und soziale Verbesserung des
                                                                     nachbarschaftlichen Umfelds
                                                                     Aufwertung des Wohnumfelds
                                                                              Umweltbildung
                                                                     Sinnhafte Freizeitbeschäftigung

                                                          Abb.3: Output und Input aktiver Gärtner*innen in einem Gemeinschaftsgarten (Quelle: Eigene Darstellung)
    Quelle: Die Urbanisten 2016

6                                 Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?
Akteur*innen ermitteln: Wie finde ich
           mögliche Mitmacher*innen?
           Im Zentrum eines Gemeinschaftsgartens               künftigen Mitwirkenden zielgerichtet analysiert,
           stehen die Menschen, die sich darin enga-           angesprochen und aktiviert werden können.
           gieren. Sie entwickeln den Garten, bauen ihn        Zudem wissen Raumagent*innen von indivi-
           auf und betreiben ihn, sie pflanzen und säen,       duellen Hindernissen oder weiteren Kontakten
           pflegen und ernten. In der ausgeprägtesten          vor Ort, was den Entwicklungsprozess stark
           Form nach Rosol (2006, S.3) ist ein urbaner         vereinfacht. Lokale Netzwerke sprechen dabei
           Garten zuvorderst ein Gemeinschaftsprojekt          vor allem die Nachbarschaft und die unmittel-
           im öffentlichen Raum, an dem sowohl Einzel-         bare Umgebung an –für sie ist der Bezug zum
           personen jeden Alters und jeder Herkunft als        Garten über den direkten räumlichen Kontext
                                                                                                                  Abb. 5: Kennenlerntreffen zur
           auch Gruppen und Institutionen teilnehmen           gegeben. Daneben gibt es thematische Netz-
                                                                                                                  Entwicklung des Westgartens
           können. Im Fokus stehen hierbei vor allem           werke wie Kleingärten, BUND oder NABU, die         in Dortmund, das von den
           diejenigen, die in der Nähe der Projektfläche       aufgrund ihrer Aktivitäten und Inhalte mit den     Urbanisten moderiert wurde.
           wohnen oder ihren Standort haben. Denn              urbanen Gärten in Verbindung stehen.               (Quelle: die Urbanisten, 2016)
           um die Teilnahme im Garten gut in den Alltag
           einbinden zu können, ist eine rasche Erreich-
           barkeit klar von Vorteil, vor allem, wenn in
           der heißen Sommerphase täglich gegossen
           werden muss. Die Nähe spielt auch einen
           ausschlaggebenden Faktor bei der Einbin-
           dung von sozialen Einrichtungen wie Kitas
           oder Schulen. Für sie ist die Anreise organisa-
           torisch anspruchsvoll. Ein weiter Weg schließt
           ihre regelmäßige Teilnahme somit oftmals aus.

           Bevor also die passende Methode zur Identifi-
           zierung der relevanten Akteur*innen für das ge-
           plante Gemeinschaftsgartenprojekt ausgewählt
                                                               Im Zuge des Projektes CoProGrün wurden 47
           wird, sollten die Initiator*innen vorab einige
                                                               qualitative Interviews mit Expert*innen durchge-
           Fragen beantworten. Die Antworten können
                                                               führt, von denen 21 einen Bezug zum Thema
           den Kreis der potenziellen Mitwirkenden grund-
                                                               Urban Gardening hatten. Um dem Ansatz der
           legend einschränken:
                                                               Co-Produktion gerecht zu werden, spiegelten
                                                               die Interviewpartner*innen alle gesellschaftlich
           ■ Wie offen zugänglich soll der Garten
                                                               relevanten Bereiche wider:
             sein? Ist er nutzbar für alle Interessier-
             ten oder nur für bestimmte Personen?              • Politik, • Verwaltung, • Wirtschaft,
             Wenn ja, für welche?                              • Zivilgesellschaft,
                                                               • Daseinsgrundfunktionen
                                                                 (Wohnen, Arbeiten, Bildung, Sich-versorgen,
                                                                                                                           Experteninterviews

           ■ Gibt es bereits einen thematischen
                                                                                                                             Praxisbeispiel

                                                                  Konsum und Kultur)
                                                                                                                             in CoProGrün

             Fokus, durch den bestimmte Zielgrup-
             pen vorab für das Projekt definiert sind?         Ihre Relevanz ergab sich einerseits aus ihrem
             Sind dadurch andere Gruppen ausge-                räumlichen Bezug:
             schlossen?                                        • Flächenbesitz, • Standort,
                                                               • produktive und konsumptive Nutzung
           Methode: Austausch mit Schlüsselpersonen
           Lokale Schlüsselpersonen und ihre Netzwerke         Andererseits aus ihrer potenziellen Rolle für Ur-
           sind wichtig, um potenzielle Mitwirkende zu         ban-Gardening-Projekte:
           identifizieren. Sie werden auch als Multiplika-     • Aktive, • Flächenanbieter*innen,
           tor*innen oder Raumagent*innen bezeichnet.          • Unterstützende, • Multiplikatoren*innen
Methoden

           Es sind Vor-Ort-Expert*innen, die oftmals über      Die Suche nach konkreten Interviewpartner*in-
           themenbezogenes Fachwissen verfügen und             nen verlief zunächst durch bekannte Schlüssel-
           in der lokalen Szene gut integriert sind. Sie be-   personen und nach dem Schneeballprinzip, in-
           sitzen wertvolle Kenntnisse über die Akteur*in-     dem Interviewte Hinweise auf weitere relevante
           nen in einem Handlungsraum, sodass die zu-          Akteur*innen gaben.

                                                                                                    Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?        7
Methode: Vor-Ort-Begehung                    Hilfreiche Informationen über Netzwerke finden
                                                                                 Sie hier:
                            Eine Vor-Ort-Begehung liefert wichtige Infor-
                            mationen über die möglichen Mitwirkenden             • Anstiftung: Netzwerk der urbanen Gärten in
                            im Projekt. Wer wohnt hier? Wer arbeitet hier?         Deutschland (https://anstiftung.de)
                            Welche Einrichtungen gibt es rund um den
                            Gemeinschaftsgarten? Viele Siedlungen verfü-         • UrbaneOasen.de: Soziales Netzwerk für
                            gen nur über wenig freie Grünflächen, die zum          Urban Gardening Projekte, vorwiegend aus
                            Anbau oder Bepflanzen genutzt werden können.           Nordrhein-Westfalen (https://www.urbaneoa-
                            Andere weisen zwar Grünflächen auf, hier ist           sen.de/)
                            jedoch die gärtnerische Nutzung durch den
                            oder die Vermieter*in eingeschränkt oder nicht       stadtbezogene Netzwerke in:
                            erlaubt. Vor allem, wenn die Bewohner*innen
                            keine eigenen Gärten oder Balkone haben, kann        o Berlin (https://www.berlin.de/gemein-
                            ein potenzielles Interesse an der Mitwirkung in      schaftsgaertnern/)
                            einem Gemeinschaftsgarten bestehen. Gesprä-
                            che auf der Straße liefern zusätzlich interessante   o Bonn (https://bonnimwandel.de/gartnern-
                            Erkenntnisse über das Viertel und seine Men-         in-bonn/)
                            schen und haben den Vorteil, über das Projekt
                            und die Mitmachmöglichkeit zu informieren.           o Bottrop (http://www.gemeinsinnschafftgar-
                                                                                 ten.de/die-gaerten)
                                    Methode: Internetrecherche
                                                                                 o Chemnitz (http://sprossachse.org/wp/)
                            Viele Informationen finden sich auch im Internet.
                            Hier lassen sich relativ schnell und einfach die     o Essen (https://gemeinschaftsgartenessen.
                            passenden Ansprechpartner*innen wie Woh-             wordpress.com)
                            nungsunternehmen oder auch bestehende
                            Gemeinschaftsgärten oder ähnliche Projekte           o Frankfurt (https://frankfurter-beete.de/)
                            im Umfeld finden. Zudem gibt es bereits Web-
                            seiten, die als lokale, regionale oder deutsch-      o Freiburg (http://ttfreiburg.de/mitmachen/
                            landweite Netzwerke fungieren. Sie bieten            urbanes-gaertnern/)
                            Ansprechstellen und Tipps zu Fördermöglich-
                            keiten sowie praktische Anleitungen für den          o Köln (https://gemeinschaftsgaerten-koeln.de/),
                            Gartenaufbau. Viele stadtbezogenen Netzwerke
                            laufen über bürgerschaftliche Initiativen, wie       o Nürnberg und Fürth (https://www.nuernberg.
                            beispielsweise die transition-town-Bewegung,         de/internet/agenda21/urban_gardening.html)
                            Vereine, wie die Urbanisten oder gemeinnützige
                            Stiftungen, wie die Anstiftung. Daneben finden       o Potsdam (http://transition-potsdam.de/),
                            sich aber auch Informationen und Ansprech-
                            stellen zu Gemeinschaftsgärten, die von einzel-      o Osnabrück (https://www.osnabrueck.de/
                            nen Städten bzw. deren Abteilungen, wie das          urbangardening/),
                            Stadtplanungsamt oder Gesellschaften, wie die
                            Wirtschaftsförderung, bereitgestellt werden.         o Stuttgart (https://www.stuttgart.de/urbane-
                                                                                 gaerten)

                                                                                 o Wuppertal (https://www.wuppertals-urba-
                                                                                 ne-gaerten.de/).

                            Der Dortmunder Verein „die Urbanisten“ hat die breit aufgestellte Urban-Gardening-Onlineplattform
    Gemeinschaftsgärten
    Internetplattform für

                            UrbaneOasen.de entwickelt, die die Gemeinschaftsgärten und ihre Bewegung, Vielfalt, Formen
       UrbaneOasen.de
        im Ruhrgebiet
       Praxisbeispiel:

                            und positiven Auswirkungen in Nordrhein-Westfalen darstellt. User*innen können sich hier über
                            Neuigkeiten, Termine, Projekte, Ansprechpartner*innen und Flächen informieren, andere Städte-
                            und Themennetzwerke kennenlernen und selbst Inhalte beitragen. Kommentarfunktionen und Foren
                            ermöglichen einen Austausch auf vielen Ebenen. Die Plattform ist wie die Gemeinschaftsgärten als
                            Beteiligungsprojekt gedacht.

8   Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?
Methode: Datenbasierte Akteursanalyse               Emotionaler Ansatz: Methoden, die durch
                                                                       Emotionen aktivieren und die Zielgruppe
                  Zu Projektbeginn sind manchmal die Strukturen        auf der Gefühlsebene ansprechen:
                  vor Ort noch unklar. In solchen Fällen lassen
                                                                       Sie zeigen spielerisch eine machbare Verän-
                  sich mögliche lokale Partner*innen auch mithilfe
                                                                       derung des Raumes und die Möglichkeit zum
                  einer datenbasierten Akteursanalyse finden. Eine
                                                                       Mitmachen auf, ohne dies zu erzwingen. Die
                  räumliche Analyse mithilfe eines Geoinformati-
                                                                       Nachrichten sind leicht zu verstehen und er-
                  onssystems (GIS) kann dabei helfen, potenzielle
                                                                       möglichen eine spontane Auseinandersetzung,
                  Mitmachende, wie beispielsweise Kindergärten,
                                                                       ohne großes Lesen oder Informationsflut. Visu-
                  Schulen oder Kleingärten, zu analysieren und
                                                                       elle Irritationen provozieren beispielsweise dazu,
                  kartografisch darzustellen.
                                                                       den eigenen Lebensraum anders zu sehen
                  Ebenfalls denkbar ist es, Daten über ausge-
                                                                       und sich Gedanken zur Gestaltung zu machen.
                  wählte Flächen einzuholen. Gibt es Altlasten
                                                                       Diese Form der Ansprache funktioniert vor allem
                  oder andere wissenswerte Informationen zu
                                                                       dann, wenn sie ohne besondere Kenntnisse der
                  einer Fläche, die eventuell Auswirkungen auf die
                                                                       Empfänger*innen angenommen werden kann.
                  Konzeption des Gemeinschaftsgartens haben?
                                                                       Sie dient daher als Einstieg.
                  Mithilfe solcher Informationen können Hinder-
                  nisse bereits zu Projektbeginn erkannt und           Informativer Ansatz: Methoden, die durch
                  ausgeräumt werden. Diese Daten sind meistens         reine Informationen aktivieren, sprechen
                  im Besitz der Kommunen, die deshalb in dieser        die Zielgruppe auf der sachlich-fakti-
                  Phase eine Schlüsselrolle für die Projektentwick-    schen Ebene an.
                  lung spielen.
                                                                       Mit gezielten Informationen und Wissen ver-
                                                                       weisen sie auf Möglichkeiten zum Mitmachen,
                  Im Zuge des Projektes CoProGrün konnte auf
                                                                       Potenziale, Hindernisse und bieten Lösungsvor-
                  geobasierte Daten des Regionalverbands Ruhr
                                                                       schläge sowie Best-Practice-Beispiele an.
                  zurückgegriffen werden. Die Urbanisten verar-
                  beiteten diese in Form von Tabellen und geoba-
GIS-Analyse in

                                                                        Die meisten Interessierten kommen mit Mo-
Praxisbeispiel:

                  sierten Dateien mit den Standorten von Wohn-
  CoProGrün

                  gebäuden, sozialen Einrichtungen und den              tivation und dem Wunsch zu handeln zu sol-
                  Interviewpartner*innen. Während der gesamten          chen Veranstaltungen. Der Mehrwert für ihre
                                                                        Teilnahme am geplanten Urban Gardening
                  Projektzeit war es möglich, auf diesen Datensatz
                                                                        Projekt sollte für sie klar und greifbar sein.
                  zurückzugreifen und Akteur*innen zu identifizie-
                  ren, die aufgrund ihrer Nähe zur Projektfläche re-    Das Projekt sollte deshalb spätestens ein
                  levant waren. Dies vereinfachte die zielgerichtete    bis zwei Monate nach der Werbekampagne
                  Ansprache deutlich.                                   starten. Im Nachgang zu der öffentlichen Be-
                                                                        kanntmachung ist also durch die Initiieren-
                                                                        den sicherzustellen, dass eine schnelle und
                  Akteur*innen anwerben: Wie gewinne ich                zeitnahe Umsetzung mit allen Beteiligten er-
                                                                        folgen kann.
                  potenzielle Gärtner*innen?

                  Nachdem in einem ersten Schritt mögliche Inte-       Im Folgenden werden einige Methoden der
                  ressierte ausgemacht wurden, gilt es nun, diese      beiden Ansätze vorgestellt, um Mitmachende zu
                  konkret anzusprechen und einzuladen, sich an         gewinnen:
                  dem Gemeinschaftsgartenprojekt zu beteiligen.
                  Dabei können potenzielle Gärtner*innen auf ver-       (1) Beispiele für den Emotionalen Ansatz
                  schiedene Arten für ein Urban Gardening Projekt
                  gewonnen werden. Die Methoden unterschei-            Bei den folgenden Methoden des emotionalen
                  den sich in Intensität und Form der Ansprache.       Ansatzes ist zu beachten, dass diese nicht
                  Am sinnvollsten ist es, sie zu kombinieren, um       zwingend informative Elemente zum geplanten
                  möglichst viele Menschen anzusprechen und            Projekt beinhalten, sondern als reine positive
                  zu den geplanten Veranstaltungen einzuladen.         Irritation funktionieren. In diesen Fällen müssen
                  Allgemein lassen sich bei den Methoden zur           andere ergänzende „informative“ Methoden
                  Aktivierung von potenziellen Akteur*innen zwei       genutzt werden, um auf die Möglichkeit zum
                  Ansätze erkennen:                                    Mitmachen im Projekt hinzuweisen.

                                                                                                              Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?   9
Methode: Provokante Gegenteils-Bilder                               Methode: Bepflanzte Irritationen

                           Das Bild zeigt einen kahlen, leblosen und kaum                 Schon von weitem ist zu erkennen, dass der
                           genutzten Parkplatz ohne Aufenthaltsqualität,                  graue, seit Jahren mit Graffiti-Tags verunstaltete
                           der Titel „Erlebnisgarten“ liest sich wie ein Ver-             Stromkasten anders aussieht. Plötzlich stehen
                           sehen, so gegensätzlich ist er. Oder ist doch                  dort blühende Blumen. „Wer hat die hier abge-
                           etwas dran? Ist ein Garten vielleicht sogar hier               stellt? Und warum? Aber schön sind sie schon!“
                           möglich? Zumindest ein Busch oder Baum wäre                    Temporäre Objekte brechen bekannte Perspek-
                           doch schön? Provokante Bilder können Reali-                    tiven auf, irritieren im positiven Sinne und zeigen,
                           täten aufzeigen, die auf den ersten Blick nicht                dass bereits mit kleinen Dingen unattraktive und
                           vorstellbar sind. Sie erzeugen Aufmerksamkeit,                 ignorierte Räume verschönert werden können.
                           wecken Interesse und vermitteln die Botschaft:                 Sie weisen damit spielerisch und subtil darauf
                           „Nichts ist unmöglich!“. Im Internet oder vor Ort              hin, dass ein Ort schon mit kleinen Mitteln ver-
                           als Plakat angebracht fördern sie einen Denkan-                schönert werden kann.
                           stoß und eine (erste) kreative Auseinanderset-
                           zung mit dem Raum.                                                     Methode: Naschwanderungen
                                                                                                      im städtischen Raum
                                 Methode: Temporäres Leitsystem
                                                                                          Auch im urbanen Raum wachsen Obst, Gemü-
                                                                                          se und Kräuter. Auf dieser geführten Naschwan-
                                                                                          derung erfahren die Teilnehmenden, wie pro-
                                                                                          duktiv die Natur in der eigenen Nachbarschaft
                                                                                          sein kann und erweitern ihre alltägliche Perspek-
                                                                                          tive auf den urbanen Raum. Kräuterwanderun-
                                                                                          gen werden bereits in vielen deutschen Städten
                                                                                          zumeist von privaten Anbietern oder Naturschut-
                                                                                          zorganisationen angeboten, z.B. in Hamburg,
                                                                                          Dresden, Dinslaken oder im Ruhrgebiet.

                                                                                              Methode: Tag des grünen Daumens
                                                                                                 (thematische Veranstaltung)

                               Abb. 6: Temporärer Leitsystem (Quelle: Florieren-Online)

                           Mit Hilfe von zeitweise aufgestellten Schildern
                           oder Sprühgraffiti wird visuell auf die zukünftige
                           Projektfläche hingewiesen. Spielerisch können
                           interessierte Vorbeikommende mit dieser inno-
                           vativen Wegeführung zum Projektort gebracht
                           werden, wodurch sie sich mit dem Raum aus-
                           einandersetzen und dieser so ins Bewusstsein
                           gerückt wird. Mögliche Motive können Informa-
                           tionen, Pfeile oder gärtnerische Elemente sein,
                           evtl. auch das Logo des Projektes, soweit es
                           bereits existiert. Kurze Slogans wie „Mach mit:
                                                                                          Abb. 7: Tag des grünen Daumens (Quelle: die Urbanisten)
                           Hier kann was passieren!“ oder „Hier entsteht
                           ein Mitmach-Paradies!“ bleiben abstrakt genug,
                                                                                          Mit Nachbarn, Institutionen und Vereinen vor
                           um eine Erwartungshaltung und Spannung zu
                                                                                          Ort wird gemeinschaftlich öffentlichkeitswirksam
                           generieren, weisen aber gleichzeitig auf Teilnah-
                                                                                          eine unattraktive Fläche verschönert. Dazu brin-
                           memöglichkeiten hin.
                                                                                          gen die Teilnehmenden Pflanzen mit, die einge-
                                                                                          pflanzt werden. Lokale und regionale Erzeuger
                                                                                          oder bspw. Baumärkte können als Sponsoren

10   Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?
und Sachspender dazu gewonnen werden.                      (2) Beispiele für den Informativen Ansatz
    Diese Aktion zeigt, wie rasch das Aussehen
    eines Ortes positiv geändert werden kann,                  Folgende gängige Methoden eigen sich beson-
    wenn gemeinsam angepackt wird. Nebenbei                    ders, um konkrete Inhalte und Sachinformati-
    kommen Menschen in Kontakt, tauschen sich                  onen zielgerichtet an ausgewählte Personen-
    aus, vernetzen sich und stärken das Gemein-                gruppen zu vermitteln:
    schafts- und Verantwortungsgefühl für den
    gemeinsamen öffentlichen Lebensraum. Eine                      Methode: Persönliche Ansprache
    Fotodokumentation der Aktion erlaubt es, den
    Vorher-Nachher-Effekt noch besser zu erken-                Die zentralen Säulen für den Erfolg eines Ge-
    nen.                                                       meinschaftsprojekts wie der urbane Garten sind
                                                               der soziale Zusammenhalt zwischen den Mitwir-
           Methode: Pflanzentauschbörse                        kenden und eine konstruktive Zusammenarbeit.
                                                               Der direkte Kontakt ist während des gesamten
    Auf einer Pflanzentauschbörse werden kosten-               Projektes wichtig, um sich kennenzulernen,
    frei Samen, Saatgut und Pflanzen getauscht.                abzustimmen, Entscheidungen vorzubereiten,
    Praktische Erfahrungen und Probleme werden                 Unstimmigkeiten zu klären und eine Gemein-
    diskutiert und neue Kontakte geknüpft. Findet              schaft zu schaffen. Ein Besuch vor Ort ist eine
    eine solche Börse auf der zukünftigen Projektflä-          gute Möglichkeit, die Menschen in der Nähe der
    che statt, kann diese optimal der Öffentlichkeit           Projektfläche anzusprechen. Allerdings besitzt
    als Ort des geplanten Gartenprojekts präsentiert           die Methode der persönlichen Ansprache eine
    werden. Evtl. wird in einer gemeinschaftlichen             geringe Reichweite und ist sehr aufwendig.
    Pflanzaktion bereits ein erstes Beet erschaffen.           Deshalb spielen Gespräche mit Raumagent*in-
    Die Veranstaltung ermöglicht es, bereits erste             nen und lokalen Netzwerken eine besondere
    Mitmachende zu akquirieren und sich kennen-                Rolle.
    zulernen.
                                                               Im Modellprojekt "Garten für alle" im Sozialen
      Methode: Spielerische Intervention und                   Zentrum Dortmund wurden die potenziellen Mit-
                 Urban Games                                   wirkenden direkt angesprochen, um sie über den
                                                               geplanten Gemeinschaftsgarten zu informieren
    Sollten im größeren Stil mehrere Flächen ge-               und ihr Interesse am Mitmachen zugewinnen.
    staltet werden, so bietet sich die Entwicklung             Die gemeinnützige Einrichtung bietet betreute
    von spielerischen Interventionen an, um auf                Seniorenwohnungen, eine Beratungsstelle für
    urbane Möglichkeitsräume (z.B. Brachen) in den             Jugendliche und Erziehungs-, Familien- und
    Städten aufmerksam zu machen. So könnten                   Schwangerschaftsfragen sowie eine Drogenbe-
    beispielsweise Schnitzeljagden oder Street Art             ratungsstelle an einem anderen Standort. Der
    Bingos durch Quartiere entwickelt und in Grup-             Gemeinschaftsgarten sollte in die vorhandene
    pen gespielt werden: Anhand von Bildern müs-               Grünfläche der Einrichtung integriert werden. Ziel-              im Sozialen Zentrum Dortmund
    sen Orte gefunden werden und als Aufgaben                  gruppe waren die Bewohner*innen, Nutzer*innen                          Direkte Ansprache
    Ideen zu den Flächen entwickelt werden. Ziel ist           und Klient*innen des Sozialen Zentrums. Die An-
                                                                                                                                        Praxisbeispiel:

    es, die Aufmerksamkeit der Mitmachenden auf                sprache erfolgte durch Raumagent*innen, in die-
    unscheinbare oder unentdeckte Orte zu lenken,              sem Fall Betreuende und Gruppenleitende der
    Menschen ins Gespräch zu bringen und für be-               Einrichtung. Dies stellte sich aus zwei Gründen
    stimmte Thema zu sensibilisieren. Beispiele aus            als sehr erfolgreich dar:
    der Region gibt es aus Essen mit dem „Street.
                                                               • Die Raumagent*innen kennen die Menschen
    Bingo Zollverein“ oder mit dem Street Art Bingo
                                                                aus den Zielgruppen sehr gut und können opti-
    Unionviertel Dortmund
                                                                mal einschätzen, welche Personen fit genug für
                                                                ein Gemeinschaftsgartenprojekt sind.
                                                               • Zwischen den Raumagent*innen und den Ad-
                                                                 ressierten ist über längere Zeit aufgrund der
                                                                 engen Beziehung und Arbeit miteinander ein
 Weiterführende Informationen zu dem Praxisbeispiel Soziales     Vertrauensverhältnis entstanden. Die Mitarbeit
                              Zentrum Dortmund siehe auch:       der Klient*innen der Drogenberatungsstelle ist
http://www.coprogruen.de/files/machbarkeitsstudie_luenen.        definitiv dem aktiven Mitwirken ihrer Anleiterin
                                                        pdf      zu verdanken.

                                                                                                      Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?                     11
Methode:
                                        Bewerbung über Print-
                                          und Onlinemedien

                           Bei der Bewerbung des Projektes lässt sich           Die Ansprache sollte immer zentrale Informa-
                           durch die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit        tionen zum geplanten Projekt enthalten. Dazu
                           zusätzlich eine große Reichweite erzielen.           gehört, dass es sich um einen Gemeinschafts-
                           Hierzu zählt die Veröffentlichung von Informati-     garten handelt, für den aktive Mitmacher
                           onen über das Projektvorhaben über Print- und        gesucht werden, an welcher Stelle das Projekt
                           digitale Medien:                                     realisiert werden soll und wie man Teil des Pro-
                                                                                jektes werden kann – beispielsweise mit der
                             • Presse,                                          Einladung zu einem Auftakttreffen. Zusätzlich
                             • Flyer                                            sollten die Kontaktdaten einer Ansprechperson
                             • Poster                                           beigefügt werden, um Vorabfragen zu ermög-
                             • Website,                                         lichen. Zu beachten ist bei dieser Methode
                             • Facebook,                                        außerdem die Wahl der Sprache. Wer fremd-
                             • Instagram,                                       sprachige Menschen gewinnen möchte, sollte
                             • Twitter                                          die Informationen ebenfalls in verschiedenen
                             • E-Mail-Newsletter.                               Sprachen veröffentlichen. Ansonsten scheitert
                                                                                die Teilnahme bereits vor Projektbeginn an der
                           Die Wahl der passenden Kanäle richtet sich           Sprachbarriere.
                           nach den Zielgruppen des Projektes. Wenn             Es ist sehr ratsam, die Öffentlichkeitsarbeit mit
                           besonders Senior*innen angesprochen wer-             den lokalen Bedingungen vor Ort zu verknüp-
                           den sollen, bietet sich eher ein Flyer oder die      fen. So bietet es sich an, auf Veranstaltungen,
                           Presse an, bei Jüngeren digitale Medien. Der         die inhaltlich zum Projekt passen, Flyer zu ver-
                           lokalen Presse oder auch lokalen Webseiten (z.       teilen. Plakate sollten nach Möglichkeit an viel
                           B. Coolibri Ruhrgebiet) kommt eine besondere         frequentierten Stellen im Umfeld angebracht
                           Bedeutung zu, genauso wie Online-Netzwerke           werden. In Gesprächen mit Raumagent*innen
                           zum Thema Urban Gardening (siehe S. 8) Die           lässt sich gut in Erfahrung bringen, was sich
                           Online-Medien bieten sich zudem dafür an,            hierfür anbietet.
                           über die Startphase hinaus über die Entwick-
                           lung des Projektes zu berichten.                                      Methode:
                                                                                      Informations- und Mitmachstand

                                                                                Am Informations- und Mitmachstand erfahren
                                                                                Interessierte Wissenswertes rund um das
                                                                                geplante Projekt. In einer Mitmachaktion kön-
                                                                                nen sie gärtnerisch aktiv werden und z. B.
                                                                                vorbereitete Tetra-Paks mit Erde und Samen
                                                                                oder vorgezogenen Pflanzen befüllen, die sie
                                                                                anschließend mit nach Hause nehmen können.
                                                                                Möglich ist auch, die bepflanzten Tetra-Paks
                                                                                an einen Zaun, eine Wand o. ä. anzubringen,
                                                                                wenn der Stand sich bereits am Projektort
                                                                                befindet. So leisten die Teilnehmer*innen ihren
                                                                                ersten Beitrag zum Gartenprojekt und erschaf-
                                                                                fen ein gemeinsames Produkt.
                                                                                Das grüne Quartiersmanagement in Lünen Das

                                                                              Abb. 8:
                                                                              Mehrsprachiger Einladungs-
                                                                              flyer zum Auftakttreffen zur
                                                                              Reaktivierung des Stadtteil-
                                                                              gartens in Deininghausen
                                                                              (Quelle: die Urbanisten, 2019)

12   Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?
Das grüne Quartiersmanagement in Lünen stellte auf einem Mieterfest des Immobilienunterneh-
mens LEG* in unmittelbarer Nähe des angedachten Projektstandortes einen interaktiven Infostand

                                                                                                                                Infostand für den Gemeinschaftsgarten
auf. Ein Plakat informierte über den geplanten Gemeinschaftsgarten und andere Möglichkeiten,
sich aktiv an der Begrünung der Siedlung zu beteiligen. Auf einem zweiten Plakat konnten Besu-
cher*innen ihre Ideen zu Gemeinschaftsgärten in der Siedlung festhalten.

                                                                                                                                        Victoriasiedlung Lünen
Der Stand bot außerdem die Möglichkeit, sich mit Vertreter*innen der Stadt Lünen und dem grü-

                                                                                                                                            Praxisbeispiel:
nen Quartiersmanagement, als Initiator*innen des Projektes, auszutauschen und gemeinsam zu
diskutieren. Vor allem die Anrainer*innen und aktuellen Nutzer*innen der Projektfläche nutzten diese
Möglichkeit, um ihre Bedenken zu formulieren und lokale Begebenheiten auszutauschen. Dies er-
möglichte es den Projektinitiator*innen, auch die Skepsis zum Projekt wahrzunehmen. Sie initiierten
in der Folge Gespräche mit den Nutzer*innen und Anrainer*innen, um deren Bedenken zu begeg-
nen und die Potenziale des Projektes aufzuzeigen.
  *Die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) spielt im Zusammenhang mit dem geplanten Gemeinschaftsgarten in der
  Victoriasiedlung Lünen eine zentrale Rolle. Als größter Wohnungsanbieter in der Siedlung ist sie ein wesentlicher Part-
  ner in der Quartiersentwicklung. Die Fläche, auf der der Gemeinschaftsgarten entstehen soll, befindet sich in ihrem
  Eigentum und ihre Mieter*innen bilden die zentrale Zielgruppe für den Garten.

      Mehr zu dem Modellprojekt Aufbau eines Gemeinschaftsgarten in der Victoriasiedlung in Lünen erfahren Sie auch
                                          unter: http://www.coprogruen.de/files/machbarkeitsstudie_luenen.pdf

                                                                                                                                                             Abb. 9: Plakatreihe Infostand - Grüne Werkstatt (Quelle: Die Urbanisten e.V., 2019)

                                                                                                           Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?                                                                                                    13
Akteur*innen aktivieren:
                                                     Wie werden Interessierte zu
                                                     Mitwirkenden?

                                                     Für den Erfolg eines Gemeinschaftsgartens ist       1. Nach einer kurzen Begrüßungsphase
                                                     es wichtig, eine konstruktive Zusammenarbeit           werden in einem kurzen Einleitungsvortrag
                                                     und gegenseitiges Vertrauen unter den Mit-             der Projektkontext, Projektträger*innen und
                                                     wirkenden aufzubauen. Alle Beteiligten sollten         Projektinitiator*innen sowie Ablauf und Ziel-
                                                     ihre Vorstellungen, Wünsche und Motivatio-             setzung des Workshops vorgestellt.
                                                     nen ebenso offen formulieren können wie ihre
                                                     Bedenken, Ängste, Zweifel und Grenzen – und         2. Im Anschluss zeigen Expert*innen– optima-
                                                     damit gemeinsam den Handlungsspielraum für              lerweise mit viel Bildmaterial – anhand be-
                                                     das Projekt und die Kooperationen erörtern.             stehender Projekte, welche Möglichkeiten
                                                     Geprägt wird dieser Schritt auch dadurch,               und Chancen, aber auch welche Probleme
                                                     dass Interessierte und Flächeneigentümer*in-            und Lösungen es in einem Projekt dieser
                                                     nen sich austauschen, um den Projektrahmen              Art geben kann.
                                                     und ein gemeinsames Konzept für den Garten
                                                     zu entwickeln.                                      3. Im an schließenden Workshopteil diskutieren
                                                                                                            die Teilnehmer*innen zu konkreten Fragen
                                                                       Methode:                             oder Problemen. Gemeinsam entwerfen sie
                                                           Bilateraler Workshop zwischen                    konstruktive Lösungen und Konzepte zur
                                                        Flächeneigentümer*innen und Gärt-                   Entwicklung neuer Urban Gardening Projek-
                                                                      ner*innen                             te.

                                                     Als eine erste konkrete Maßnahme Richtung           4. Abschließend werden die Ergebnisse zu-
                                                     Umsetzung können Kennenlerntreffen in Form             sammengefasst vorgetragen.
                                                     von bilateralen Workshops dienen. In einem
                                                     solchen Workshop treffen die Projektinitiator*in-   5. Im Anschluss an den Workshop erhalten die
                                                     nen als Flächensuchende auf kommunale und              Teilnehmer*innen eine Dokumentation sowie
                                                     private Flächeneigentümer*innen. Sie tau-              die Teilnehmerliste mit Kontaktdaten für den
                                                     schen dabei ihre Perspektiven, Anforderungen,          weiteren Austausch. Der direkte und regel-
                                                     Wünsche, Chancen und Risiken, aber auch                mäßige Kontakt zwischen beiden Parteien
                                                     ihre Befürchtungen zu dem Projekt aus. Ziel            sollte möglichst von Beginn an gefördert
                                                     des Workshops ist es zum einen, die Fläche-            und während der gesamten Projektlaufzeit
                                                     neigentümer*innen dazu zu motivieren, ihre             beibehalten werden.
                                                     Flächen dem Projekt zur Verfügung zu stellen.
                                                     Zum anderen sollen sie die Möglichkeit erhal-       Gibt es eine Fläche zur Nutzung, sollten rasch
                                                     ten, mit den zukünftigen Gärtner*innen Verhal-      die unmittelbaren Anrainer*innen und aktuellen
                                                     tensregeln und Nutzungsmöglichkeiten auszu-         Nutzer*innen in einem direkten Gespräch oder
                                                     tarieren, die für beide Seiten akzeptabel sind.     per Briefeinwurf über das geplante Vorhaben
                                                                                                         informiert werden. Sie sollten immer auch die
                                                     Der Workshop wird von einer objektiven Per-         Kontaktdaten derer erhalten, an die sie ihre
                                                     son moderiert. Akteur*innen aus bereits aktiven     Rückfragen adressieren können. Je früher
                                                     Gemeinschaftsgartenprojekten bringen ihre           diese Akteur*innen ins Boot geholt werden,
                                                     Erfahrungen und ihr Wissen aus der Praxis           desto besser lassen sich Konflikte vermeiden
                                                     ein. Der bilaterale Workshop könnte wie folgt       und eine höhere Akzeptanz für das Projekt in
                                                     ablaufen:                                           der Nachbarschaft schaffen.
 Quelle: Die Urbanisten 2016

14                             Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?
Die Urbanisten führten den bilateralen Workshop im März 2018 unter dem Titel „Gemeinschaftsgär-
ten: Wie kommen Flächeneigentümer und Garteninteressierte zusammen?“ durch.

In Vorträgen wurden drei Projektbeispiele zum Thema Urban Gardening mit unterschiedlichen
Schwerpunkten präsentiert, darunter der Heimatgarten Rheinhausen in Duisburg, das Gartenkol-
lektiv Stahlwerkstraße in der Dortmunder Nordstadt und der Gemeinschaftsgarten Tante Albert in

                                                                                                                        Wie kommen Flächeneigentümer und Garteninteressierte zusammen?“
Dortmund-Nord. Anhand dieser Beispiele formulierten die Teilnehmer*innen Perspektiven, Anfor-
derungen, Bedenken, Rahmenbedingungen, Wünsche und Hürden für Gemeinschaftsgartenpro-
jekte. Sie entwickelten eine Liste kritischer Punkte, die zur Bereitstellung eigener Flächen erfüllt sein
sollte:

                   Argumente:                                                 Lösungen:

                                                                                                                                   Bilateraler Workshop „Gemeinschaftsgärten:
• Flächeneigentümer*innen und Wohnungs-                 • Um die Zusammenarbeit zu regeln und Ver-
 bauunternehmen verlangen eine*n feste*n                  träge abschließen zu können, sind organisier-
 Ansprechpartner*in und Verantwortliche*n                 te Gärtnergruppen als juristische Person von
 aufseiten der Nutzenden, bevor sie bereit                Vorteil. Damit ist rechtlich gesichert, wer im
 sind, ihre Flächen zur Verfügung zu stellen.             Fall von Vandalismus oder bei Projektende

                                                                                                                                                  Praxisbeispiel:
                                                          verantwortlich ist.
• Gärtner*innen argumentieren, dass es in ih-
  rem eigenen Interesse sei, die Flächen attrak-        • Eine Ansprech- oder Koordinationsstelle
  tiv zu gestalten. Ihnen sei es zu verdanken,           für Gemeinschaftsgärten ist eine wichtige
  dass vermüllte Brachflächen wieder sinnvoll            Grundlage für eine gute Kommunikation zwi-
  genutzt werden, was ihre Attraktivität sowie           schen Initiator*innen und Eigentümer*innen.
  die ihres näheren Umfeldes deutlich steigere.          Hierdurch sind Projekte in der Lage, den
                                                         Kontakt zwischen Flächeneigentümer*in und
• Unklare Zuständigkeiten und fehlende Kon-              Gärtner*innen, die Öffentlichkeitsarbeit des
  takte bei Unternehmen oder Kommunen                    Projekts, die interne Organisation und auch
  erschweren den Initiativen die Suche nach              die Fördermittelakquise zu bündeln und Kon-
  einer Fläche maßgeblich. Die Ermittlung der            tinuität zu schaffen.
  Eigentümer*innen (insbesondere bei Flächen
  in Privatbesitz) ist oftmals sehr kompliziert und
  zeitaufwendig.

Der Workshop führte direkt zum Erfolg: Die Stadt Lünen stellte im Anschluss an den Workshop
eine „Grüne Quartiersmanagerin“ in der Victoriasiedlung ein. Zusätzlich ließ sie potenzielle Flächen
für einen Gemeinschaftsgarten analysieren, um sie dann als Projektorte zur Verfügung zu stellen.
Hieraus entwickelte sich das Modellprojekt Gemeinschaftsgarten Victoriasiedlung Lünen.

                     Mehr zu dem Modellprojekt Aufbau eines Gemeinschaftsgarten in der Victoriasiedlung in Lünen
                      erfahren Sie auch unter: http://www.coprogruen.de/files/machbarkeitsstudie_luenen.pdf

Haben sich Interessierte und Mitmachende in             Gartengestaltung, sondern auch die Ab-
einem Projekt auf einer Fläche zusammenge-              sprachen zur Zusammenarbeit innerhalb der
funden und sind die Rahmenbedingungen mit               Gruppe. Um dabei die Selbstorganisation der
den Flächeneigentümer*innen geklärt, beginnt            Gemeinschaftsgarteninitiativen zu unterstüt-
die eigentliche Arbeit. Das betrifft nicht nur die      zen, können folgende Methoden hilfreich sein:

                                                                                                   Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?                                                   15
Methode:
                                         Regelwerk mit Rechten und Pflichten
                                                    entwickeln

                                       Wie in anderen gemeinschaftlich betriebenen                        Inhalte eines Regelwerks:
                                       Projekten können auch in einem Gemein-
                                       schaftsgarten Unstimmigkeiten und Streitigkei-         ■ Welche Nutzungen sind erlaubt, welche
                                       ten entstehen und es besteht Bedarf an Ab-               nicht?
                                       stimmung und Klärung. Für eine gute und faire
                                       Zusammenarbeit ist es sinnvoll, ein Regelwerk          ■ Wie wird die Teilnahme an regelmäßi-
                                       zu entwerfen. Dieses beinhaltet Pflichten und            gen gemeinsamen Gartentagen gere-
                                       Rechte der Akteur*innen und dient als Hand-              gelt?
                                       lungsrahmen und Entscheidungsgrundlage für
                                       Vorschläge sowie bei Streitfällen. Ein solches         ■ Wie werden die Beete zugeteilt? Gibt
                                       Regelwerk sollte fertig sein, bevor inhaltliche          es ausschließlich gemeinschaftliche
                                       Entscheidungen und Aktionen folgen. Alle Mit-            Bewirtschaftung oder auch private
                                       wirkenden sollten beim Entwurf der Regeln ein-           Beete?
                                       gebunden sein. Dies wahrt das Mitspracherecht
                                       und trägt zur Identifikation mit dem Projekt bei.      ■ Wie wird die Ernte verteilt?
                                       Ein solches Regelwerk oder Teile davon lassen
                                       sich gut in bilaterale Workshops (siehe S. 14)         ■ Wie werden allgemeine Aufgaben, vor
                                       oder Mitmachworkshops zur Entwicklung eines              allem die Pflege der Beete, aufgeteilt?
                                       Gartenkonzepts (siehe S. 17) integrieren.
                                                                                              ■ Welche Regeln gelten beim Anbau von
                                       Das Regelwerk muss kein endgültiges Doku-                Pflanzen?
                                       ment sein. Es kann kontinuierlich an die aktuel-
                                       len Gegebenheiten im Gartenprojekt angepasst           ■ Welche Regeln gelten zum Umgang
                                       werden – natürlich stets in Absprache mit allen          miteinander?
                                       Beteiligten. Es ist ratsam, das Regelwerk nur an
                                       wirklich wichtigen Stellen strikt zu formulieren       ■ Welche Regeln gelten beim Einsatz von
                                       und den Teilnehmer*innen kreative Freiheiten             Pflanzenschutzmitteln wie Herbiziden
                                       zum Ausprobieren zu ermöglichen. So kann ein             oder anderen chemischen Substanzen?
                                       Urban Gardening Projekt seinen individuellen             Welche Folgen hat die Verletzung der
                                       und einzigartigen Charakter entwickeln.                  Regeln?

                                       Im Modellprojekt „Reaktivierung des Stadtteilgartens Deininghausen“ erarbeiteten die Beteiligten ein
                                       gemeinsames Regelwerk. Sie wollten damit erreichen, dass Nutzung, Pflichten und Aufgaben im
                                       Garten klar geregelt waren, um Streitigkeiten darüber zu vermeiden. Sie erarbeiteten gemeinsam
                                       drei Punkte:
     Regelwerk für den reaktivierten
     Stadtteilgarten Deininghausen

                                       1. Die zur Verfügung stehende Fläche beträgt knapp 400m². Der Garten bietet demnach Platz für
                                          maximal 3-4 Familien. Die Anzahl der Gartennutzer*innen sollte dieses Volumen nicht
                                          übersteigen.
             Praxisbeispiel:

                                       2. Die Nutzer*innen und Interessierten sollen bei einem Treffen die Möglichkeit bekommen, sich
                                          kennenzulernen. Ein gutes Miteinander ist durch die Nähe und zeitliche Überschneidungen im
                                          Garten ausschlaggebend für den Erfolg des Projektes.

                                       3. Die Teilnahme am Stadtteilgarten verpflichtet zu gärtnerischer Arbeit. Allgemeine Pflegearbeiten
                                          (z.B. Rasen mähen, Laub harken) werden unter den Aktiven gleichmäßig verteilt. Den Garten
                                          lediglich als Treffpunkt zu nutzen, ist nicht erwünscht! Alle müssen sich an der gemeinsamen
                                          Gärtnerzeit beteiligen, um das Miteinander im Garten zu stärken.
                                                                                             Mehr zu den Praxisbeispielen in Deininghausen siehe auch
                                                                http://www.coprogruen.de/files/coprogruen_machbarkeitsstudie_deininghausen.pdf:

16     Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?
Methode:
   Mitmachworkshop zur Entwicklung
        eines Gartenkonzepts

Ein Mitmachworkshop markiert den öffentlichen                Die drei Säulen des Projektes
Starttermin des Projektes. Die Teilnehmer*innen
erarbeiten das Gestaltungs- und Nutzungs-          1. Säule: Inhalt und Gestalt
konzept für ihren zukünftigen Gemeinschafts-
garten. Sie lernen den Projektort kennen und       Die Teilnehmer*innen setzen sich damit ausein-
besprechen, wie der Garten angelegt werden         ander, was sie sich in ihrem Garten wünschen
soll. Der Workshop findet auf oder in unmit-       und was nicht:
telbarer Nähe der Gartenfläche statt, damit
bei der Entwicklung von Ideen eine konkrete        • Nutzungen (z. B. Gärtnern, Entspannen,
Auseinandersetzung mit den Begebenheiten             Grillen, Diskussionen)
möglich ist. Eine Moderation gewährleistet die
gleichberechtigte Mitwirkung der Teilnehmer*in-    • Elemente (z. B. Kräuterspirale)
nen und hält die Ergebnisse fest. Möglich ist,
dass die Projektinitiator*innen den Workshop       • erlaubte Pflanzen (z. B. Zierpflanzen,
leiten. Wenn sie allerdings selbst an dem            essbare Pflanzen, nur Bio-Saatgut).
Gartenprojekt teilnehmen möchten, sollte auf
eine externe Person zurückgegriffen werden.        Die Frage ist offen formuliert, damit alle Teil-
Diese kann zum Beispiel Mitglied eines beste-      nehmer*innen ihre Überlegungen einbringen
henden Gemeinschaftsgartens sein oder eine         können. Aus den Antworten wird ein Lageplan
Ansprechperson der Kommune.                        erstellt, auf dem die gewünschten und benö-
                                                   tigten Elemente im Garten positioniert werden.
                Workshopablauf                     Mit dem Lageplan geht es von der Planung in
                                                   die praktische Umsetzung. Zusätzlich kann ein
Zu Beginn des Workshops kann ein Bildervor-        Pflanzplan entstehen, der festlegt, welche Pflan-
trag mit Beispielen aus bestehenden Projekten      zen wo wachsen sollen.
das Thema Gemeinschaftsgärten greifbar
machen. Er erleichtert den Einstieg in den         2. Säule: Zusammenarbeit und
kreativen Teil des Workshops.                      		        Gemeinschaft

Anhand von drei Säulen (siehe unten) wird          Die Teilnehmer*innen diskutieren die folgenden
anschließend das Projektkonzept entwickelt. In     Fragen:
einem World-Café werden dazu Fragen disku-
tiert und beantwortet. Nach etwa 15 Minuten        ■ Für wen ist der Garten?
wechseln die Kleingruppen den Tisch, bis
sich schließlich alle Teilnehmer*innen mit allen   ■ Was bedeutet für uns gemeinschaftli-
Fragestellungen auseinandergesetzt haben.            ches Gärtnern?
Nacheinander bearbeiten sie die drei Säulen.
Ziel ist es, konkrete Ergebnisse oder Eck-         ■ Was macht unsere Gemeinschaft zu-
punkte für die drei Säulen zu entwickeln und         sätzlich aus?
ein Grundkonzept des Gemeinschaftsgartens
zu schaffen. Dies beansprucht Zeit und die         ■ Wie wird die Ernte verteilt?
ungeteilte Aufmerksamkeit der Teilnehmer*in-
nen. Wenn es die Umstände erlauben, ist die        ■ Wie sprechen wir uns intern ab?
Aufteilung des Workshops auf zwei Termine
deswegen durchaus eine gute Idee.                  Hier geht es um den sozialen Kitt des Garten-
                                                   projektes. Dabei kann auch ein Regelwerk (sie-
                                                                                                                                 Quelle: Die Urbanisten 2016

                                                   he S. 16) entstehen, welches die Rechte und
                                                   Pflichten für alle Mitwirkenden im Garten festhält.
                                                   Dieses Regelwerk beinhaltet die zentralen Aus-
                                                   sagen der ersten Säule und gewährleistet ein
                                                   faires und gutes Miteinander.

                                                                                          Gemeinschaftsgärten - Wer macht mit?     17
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