Produkt No. 5.1 - Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Quelle: ESRa/Germanwatch, Shutterstock Produkt No. 5.1 – Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem Decision Theatre Arbeitspaket: AP5 Federführende Organisation: GCF - Global Climate Forum e.V. Mitwirkende AutorInnen: Konstantin Winter, Sarah Wolf, Marcel Endres, Carlo Jaeger (alle GCF) Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und www.esra-projekt.de Energie im 7. Energieforschungsprogramm.
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem Decision Theatre Haftungsausschluss Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieses Berichts liegt bei den Autor*innen. Er gibt nicht unbedingt die Meinung der fördergebenden Institution wieder. Copyright-Meldung Dieser Bericht steht unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International License (CC BY 4.0); eine Kopie ist hier verfügbar: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/. Es steht Ihnen frei, das Material zu teilen (das Material in jedem Medium oder Format zu kopieren und weiterzuverbreiten) und zu adaptieren (das Material für jeden Zweck, auch kommerziell, zu Remixen, umzuwandeln und darauf aufzubauen) unter den folgenden Bedingungen: (i) Namensnennung (Sie müssen eine angemessene Namensnennung vornehmen, einen Link zur Lizenz bereitstellen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden; Sie können dies in jeder angemessenen Weise tun, jedoch nicht in einer Weise, die den Eindruck erweckt, dass der Lizenzgeber Sie oder Ihre Verwendung besonders unterstützt); (ii) keine zusätzlichen Einschränkungen (Sie dürfen keine zusätzlichen Klauseln oder technische Verfahren einsetzen, die anderen rechtlich irgendetwas untersagt, was die Lizenz erlaubt). www.esra-projekt.de S. ii
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem Decision Theatre ESRa Produkt Vollständiger Titel Verbundvorhaben: ESRa - Energiewende im Sozialen Raum Angewandte nichtnukleare Forschungsförderung im 7. Förderprogramm Energieforschungsprogramm der Bundesregierung ‚Innovation für die Energiewende‘ Förderbereich Energiewende und Gesellschaft Fördergeber Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Start Datum August 2020 Zeitraum 18 Monate Projekt-URL https://esra-projekt.de/ Projekt- Global Climate Forum EV (GCF) Koordinator Produktnummer 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem Produktname existierenden DT Arbeitspaket AP5 „Simulation, Visualisierung und Kommunikation“ Datum der Abgabe 15. März 2021 Federführende GCF Organisation Konstantin.winter@globalclima Konstantin Winter teforum.org; (GCF), Sarah Verantwortliche/r sarah.wolf@globalclimateforum Wolf (GCF), E-Mail Autor/in (en/nen) .org; Marcel Endres (GCF) marcel.endres@globalclimatefo rum.org. Reviewer/in Carlo Jaeger (GCF) Decision Theatre, Koproduktion von Wissen, Modellierung, Stichwörter Simulationen, Szenarienerstellung, Nachhaltige Mobilität. www.esra-projekt.de S. iii
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem Decision Theatre Vorwort Die Energiewende geht mit einem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel einher. Ihr Erfolg wird zu einem beträchtlichen Maß davon abhängen, ob sozialräumliche Herausforderungen überwunden werden können. Im Forschungsprojekt „Energiewende im Sozialen Raum“ (ESRa) untersuchen wir die Faktoren, die profitierende von benachteiligten sozialen Räumen unterscheiden, und wie sich diese Faktoren im Hinblick auf eine nachhaltige Regionalentwicklung positiv gestalten lassen. Dazu führen wir in ESRa zwei vergleichende Fallstudien unter enger Beteiligung von Bürger*innen und Praxispartner*innen durch: in der Metropole Berlin und in der Strukturwandelregion Spree-Neiße in der brandenburgischen Lausitz. Um die vorliegende Synopsis einer breiteren (wissenschaftlichen) Leserschaft zugänglich zu machen, wurde der vorliegende Bericht in Synergie mit einem zu veröffentlichenden wissenschaftlichen Artikel geschrieben. Deshalb bestehen weitgehende Überschneidungen zwischen beiden Texten. Eine Vorversion dieses Artikels ist als GCF Working Paper erhältlich (Wolf et al. 2021). Während der genannte Artikel im weiteren genauer auf Aspekte der Modellierung eingeht, die an dieser Stelle nicht als relevant erachtet wurden, enthält dieser Bericht seinerseits Informationen, z.B. zur Qualitativen Sozialforschung, welche über den genannten Artikel hinausgehen. www.esra-projekt.de S. iv
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem Decision Theatre Forschungsteam Die Partner Abkürzung Land Logo 1 Global Climate Forum e.V. GCF DE 2 Fraunhofer IEE FH IEE DE 3 Germanwatch e.V. GW DE Institut für Klimaschutz, Energie 4 IKEM DE und Mobilität Leibniz-Institut für Raumbezogene 5 IRS DE Sozialforschung www.esra-projekt.de S. v
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem Decision Theatre Zusammenfassung Der vorliegende Bericht stellt die Erkenntnisse der bisherigen Erfahrungen mit der Decision Theatre Methode dar. Das Decision Theatre kombiniert empirische Daten, Modellierung/Simulation und Stakeholder-Dialoge. Es wurde bisher am Anwendungsfall der ‚Nachhaltigen Mobilität‘ mit GCF’s agentenbasiertem Mobility Transition Model implementiert. Das Decision Theatre funktioniert in der Theorie als Methode zur Kommunikation, Koproduktion von Wissen und Entscheidungsunterstützung zu gesellschaftlichen Herausforderungen wie auch als Methode der qualitativen Sozialforschung. Basierend auf den Erfahrungen, die in einer Reihe von DT-Veranstaltungen zum Thema nachhaltige Mobilität gesammelt wurden, sind Wissenskommunikation für nicht- fachkundiges sowie Fachpublikum und Erkenntnisgewinnung für die Wissenschaftler*innen zur Weiterentwicklung der DT-Methode routinemäßig mit der angewandten Methodologie zu erreichen. Die Koproduktion von Wissen im Bereich der qualitativen Sozialforschung anhand der DT-Methode steht gerade erst am Anfang, wurde in ESRa aber durch zwei „Bürger*innen-DTs“ erfolgreich getestet, wie im parallelen ESRa-Produkt 2.1 nachzuvollziehen ist. www.esra-projekt.de S. vi
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Inhaltverzeichnis Haftungsausschluss ............................................................................... ii Copyright-Meldung ................................................................................. ii 1. Einleitung .......................................................................................... 9 2. Die DT-Methode für den Beispielfall ‚Nachhaltige Mobilität‘ ............ 11 2.1 Der Aufbau der mobilen Decision Theatre-Veranstaltung von GCF ........ 11 2.1.1 Physische Veranstaltungen ...................................................... 11 2.1.2 Online Veranstaltungen ........................................................... 14 2.2 Das Mobility Transition Model (MoTMo) ............................................. 15 2.2.1 Einleitung Agentenbasiertes Modell ........................................... 15 2.2.2 Synthetische Population und Mobilitätsprofile ............................. 15 2.2.3 Maximierung des erwarteten Nutzens ....................................... 16 2.2.4 Erwartungen und Netzwerkstruktur .......................................... 17 2.2.5 Szenarien ............................................................................. 18 2.2.6 Maßnahmen .......................................................................... 23 2.3 Empirische Daten .......................................................................... 24 3. Resultate: Erkenntnisse aus den bisherigen Decision Theatre Veranstaltungen.............................................................................. 26 3.1 Wissenschaftskommunikation .......................................................... 28 3.2 Entscheidungsunterstützung ........................................................... 29 3.3 Lernen zum Zwecke der Modellentwicklung ....................................... 30 3.4 Qualitative Sozialforschung ............................................................. 32 4. Fazit und Ausblick ........................................................................... 35 Literaturhinweise ................................................................................. 37 www.esra-projekt.de S. 7
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Liste der Abbildungen Abbildung 1: Einblick in das mobile Decision Theatre von GCF ....................... 12 Abbildung 2: Gruppenarbeit im Decision Theatre.......................................... 12 Abbildung 3: Mobilitätswahl des MoTMo-Agenten ......................................... 16 Abbildung 4: Beispiel Komfortkurve für Elektrofahrzeuge .............................. 17 Abbildung 5: MoTMo-Netzwerkstruktur ....................................................... 18 Abbildung 6: Modal Split im Business-as-usual (BAU) Szenario ...................... 19 Abbildung 7: Emissionen verursacht durch den Individualverkehr im BAU- Szenario und Vergleich zum EU-Ziel ........................................................... 19 Abbildung 8: Visualisierung der Entwicklung der Ladesäulen bis ins Jahr 2035 im Szenario BAU auf einer Deutschlandkarte ................................................... 20 Abbildung 9: Visualisierung der Entwicklung der unmotorisierten Mobilität (Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen) bis ins Jahr 2035 im Szenario BAU auf einer Deutschlandkarte mit Zoom auf Nordostdeutschland ....................... 20 Abbildung 10: Detailgrad geografischer und demografischer Daten in MoTMo - Modal Split im BAU-Szenario für das Bundesland Brandenburg und Paar- Haushalte mit einem Kind (Alter 6-13 J.) .................................................... 21 Abbildung 11: Szenarienvergleich mit Hilfe von Plots - Hier am Beispiel von Mobilitätswahl zwischen dem BAU-Szenario und einem von der Gruppe "Loewe" erstellten Szenario für die Region Brandenburg............................................ 22 Abbildung 12: Szenarienvergleich mit Hilfe von Karten - Hier am Beispiel der ÖPNV-Entwicklung im Jahr 2035, wobei die Visualisierung für das Szenario "Loewe" die Differenz zum Szenario BAU darstellt ........................................ 22 Liste der Tabellen Tabelle 1: Optionen in MoTMo und deren Implementierung ........................... 23 Tabelle 2: Übersicht bisheriger DT-Events von GCF ...................................... 26 www.esra-projekt.de S. 8
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT 1. Einleitung Große gesellschaftliche Herausforderungen, wie das Erreichen der Energiewende-Ziele entstehen in komplexen Mehrebenensystemen von Mensch-Umwelt-Interaktionen. Diese Herausforderungen können eine Veränderung der grundlegenden Struktur und Funktion relevanter Elemente im zugrundeliegenden System erfordern, um von einem gegebenen Status quo zu einer grundlegend anderen und wünschenswerteren zukünftigen Situation überzugehen (Markard, Raven und Truffer 2012), z.B. in Form einer Nachhaltigkeitstransition wie sie die Energiewende darstellt. Um eine solche gesellschaftliche Herausforderung zu bewältigen, benötigt es die Definition von (einem oder mehreren) Zielen sowie ein Verständnis möglicher Entwicklungen des komplexen sozialen – oder besser gesagt sozio-ökonomischen, sozio-ökologischen und sozio- technischen – Systems, das betrachtet wird, insbesondere im Hinblick auf die möglichen Konsequenzen alternativer Handlungen. Daher müssen alle Akteursgruppen, die Wissen sowie die für die Entscheidungsfindung notwendigen Perspektiven und Werte einbringen können, in einen solchen Prozess einbezogen werden (Renn und Schweizer 2009). In der Forschung zu gesellschaftlichen Herausforderungen, z.B. in der Nachhaltigkeitswissenschaft, kommen dementsprechend auch partizipative Methoden zum Einsatz (Kasemir et al. 2003; Mielke et al. 2016). Für die Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen wird die Interaktion und Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft als essentiell angesehen. Der Beteiligungsgrad von Nicht-Forschenden an Forschungsprozessen reicht von der bloßen Datensammlung (z.B. über beobachtete Tierarten) oder Datenbereitstellung (z.B. über Präferenzen oder Interessen) in einigen Citizen Science-Projekten bis hin zur gemeinsamen Definition und Entwicklung von Forschungsfragen und Antworten darauf (Serrano Sanz et al 2015; Schleicher und Schmidt 2020), mit dem Ziel der Ko- Produktion oder Ko-Kreation von Wissen (Cornell et al 2013; Lang et al 2012). Eine besondere Methode der partizipativen Forschung ist das sogenannte Decision Theatre (DT). Das Decision Theatre ist ein IT-gestütztes Dialogformat zur Einbindung von Stakeholdern und Bürgern in Entscheidungs- oder Forschungsprozesse, wobei Visualisierungen empirischer Informationen sowie mathematische Modellierung und Simulation möglicher Zukunftsszenarien zum Einsatz kommen. In DT-Workshops können Stakeholder mit Modellen experimentieren, Szenarien zusammenstellen und interaktiv vergleichen. Wie der Name schon andeutet, lag der ursprüngliche Fokus des Decision Theatre auf der Unterstützung der Entscheidungsfindung – tatsächlich war ein Hauptziel, quantitativen Daten und Modellierungen in komplexen Entscheidungsprozessen mehr Gewicht zu verleihen (siehe Bush et al 2017, und Referenzen darin).1 In Bezug auf Forschung wurde das DT bisher angewendet, um Entscheidungsprozesse selbst zu analysieren, z.B. um die Auswirkungen bestimmter Akteur*innen oder Rollen auf 1 Boukherroub et al. (2016) geben einen Überblick über Einrichtungen, die DTs durchführen, und Arbeiten im Kontext der Entscheidungsunterstützung. www.esra-projekt.de S. 9
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Entscheidungsprozesse sowie Ziele und wahrgenommene Herausforderungen der Teilnehmer*innen zu untersuchen (Bush et al 2017). Oder um zu untersuchen, wie Entscheidungsträger*innen die Legitimität und Relevanz eines Modells für ihren Entscheidungskontext bewerten (White et al 2010). Durch die Kombination aus Visualisierung und Dialog und dadurch, dass Menschen mit ihrer Kreativität und intuitiven Einsicht untereinander und mit Daten und Modellen interagieren können, stimulieren DTs die Koproduktion und aktive Nutzung von Wissen und erleichtern damit die Bereitstellung und Bewertungen von Lösungen (Boukherroub et al 2016; John et al 2020). Allerdings werden Decision Theatres bisher nicht systematisch als Instrument für Kommunikation, Forschung und Entscheidungsunterstützung zu gesellschaftlichen Herausforderungen eingesetzt. Das Forschungsprojekt ESRa jedoch nutzt das Decision Theatre systematisch als zentrale Forschungsmethode. DTs in ESRa werden mit Bürger*innen und Praxispartner*innen aus den Beispielregionen zu aktuellen Fragen der Energiewende durchgeführt. Die Methode des DT verbindet Gruppendiskussionen, wie sie aus dem bewährten Erhebungsinstrument der Fokusgruppen bekannt sind, mit neuen Formen IT-gestützter interaktiver Visualisierung von empirischen Informationen und Modellergebnissen. In der Weiterentwicklung der DT-Methode wird auch auf Elemente aus anderen Dialogformaten, wie Perspektivwechsel2 oder Transformationsreise3, zurückgegriffen. GCF nutzt für ESRa ein mobiles Decision Theatre für Energiewendemaßnahmen unter enger Beteiligung (Partizipation) gesellschaftlicher Akteur*innen, zunächst am Beispielfall der Verkehrs- und Mobilitätswende. Die von GCF eingesetzte DT-Methode kombiniert drei Elemente: empirische Daten und Informationen, mathematische Modellierung und Simulation sowie ein transdisziplinäres Dialogformat, das durch Visualisierungen der ersten beiden Elemente unterstützt wird. Das Arbeitspaket (AP) 5 ist für die Erprobung und Weiterentwicklung der Methode verantwortlich und arbeitet inhaltlich eng mit den APs 1-4 zusammen. 2 Für einen Perspektivwechsel werden gemeinsam mit den Stakeholdern die relevanten Systemelemente und -akteur*innen sowie (prioritäre) Herausforderungen und jeweils dahinterstehende Hauptinteressensgruppen identifiziert. Sodann werden die DT-Teilnehmer*innen gebeten, entweder auf Basis ihrer funktionalen Zugehörigkeit zu einer Interessengruppe oder auf Basis eines Rollenspiels, die hinter den Interessen liegenden Bedürfnisse zu identifizieren. Diese werden anschließend in wertschätzender Weise gegenseitig hinterfragt, um Handlungsspielräume zu öffnen und einen kleinsten gemeinsamen Nenner als Ausgangspunkt für gemeinsame Lösungswege zu identifizieren. 3 Die Transformationsreise besteht aus einer Exkursion zu „Gewinnern“ der Energiewende. Durch den Besuch von verschiedenen Best-Practice Beispielen wird das Potential bzw. der Beitrag von Energiewendemaßnahmen und -investitionen für wirtschaftlich rentablen Strukturwandel erlebbar und im DT diskutierbar. Das schafft Inspiration, Raum für Innovation und führt im besten Fall zur Aktivierung lokaler Akteur*innen für die weitere Unterstützung und Umsetzung der Energiewende vor Ort. Außerdem kann so anhand von Praxisbeispielen eruiert werden, welche Ressourcen/Fähigkeiten diese Orte/Projekte darin unterstützen die Chancen der Energiewende für sich zu nutzen. Darauf aufbauend kann weiter erforscht werden, inwiefern andere Regionen in ähnlichem Maße von solchen Energiewendeinvestitionen profitieren können. www.esra-projekt.de S. 10
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT 2. Die DT-Methode für den Beispielfall ‚Nachhaltige Mobilität‘ Das „Decision Theatre“4 (DT) ist eine Methode IT-gestützter transdisziplinärer Forschung und Entscheidungsfindung, deren Ursprünge in der Managementwissenschaft der 1970er Jahre liegen. Wichtige Durchbrüche, vor allem im Einsatz der Informationstechnik, wurden seit 2005 an der Arizona State University (ASU) erzielt. Der DT-Ansatz von GCF baut auf dem an der Arizona State University etablierten Decision Theatre auf5. Er wurde für den Beispielfall einer nachhaltigen Mobilitätswende in Deutschland entwickelt und getestet. Im Folgenden wird zunächst ein kurzer Überblick über eine DT-Veranstaltung (Abschnitt 2.1), das verwendete Modell (Abschnitt 2.2) und die empirische Komponente (Abschnitt 2.3) in diesem Kontext gegeben. 2.1 Der Aufbau der mobilen Decision Theatre-Veranstaltung von GCF 2.1.1 Physische Veranstaltungen Eine DT-Veranstaltung ist hier eine IT-gestützte Diskussion von ca. 5 bis 25 geladenen Gästen und einem "DT-Team" bestehend z.B. aus Expert*innen für IT, das untersuchte Problem, das verwendete Modell und die Visualisierung, sowie einem/r Moderator*in, wobei mehrere, aber nicht alle dieser Rollen von einer Person übernommen werden können und alle Teammitglieder mit den anderen Bereichen einigermaßen vertraut sein müssen. Gemeinsam diskutieren die Gäste und das DT- Team mögliche Strategien für eine nachhaltige Mobilität in Deutschland und experimentieren mit Modellsimulationen. Weitere Personen können als Impulsgeber eine Rolle als Problem-Expert*innen einnehmen; sie können anschließend auch als Gäste in der interaktiven Phase des DTs teilnehmen. Zudem können weitere Gäste als Zuhörer*innen mit einer weniger aktiven Rolle an der Veranstaltung teilnehmen; sie können sich an der Diskussion beteiligen, interagieren aber nicht unmittelbar mit dem Modell. Findet das DT als physisches Meeting statt, wird es in einem Raum abgehalten, der mit mehreren (normalerweise 4-5) Großbildschirmen ausgestattet ist. Während das 4 Die US-amerikanische Schreibweise „Decision Theater” wird hier zwecks der Verwechslung zum deutschen Wort “Theater” nicht benutzt, sondern die britische („Decision Theatre“) 5 https://dt.asu.edu/, zuletzt aufgerufen: 01. März 2021 www.esra-projekt.de S. 11
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Decision Theatre der Arizona State University eine fest installierte Einrichtung ist, ist das DT des Global Climate Forum mobil und damit flexibel in der Wahl des Ortes: Es kann in jedem Raum aufgebaut werden, der mehrere Großbildschirme beherbergt (siehe Abbildung 1). Somit kann die DT-Veranstaltung "zu den Akteur*innen kommen". Die Anmietung von Bildschirmen vor Ort reduziert die Notwendigkeit des Transports und erlaubt, die Anzahl und Größe der Bildschirme an die Anzahl der Teilnehmer*innen und die Größe des Raumes anzupassen. Weitere benötigte Hardware wird vom Team mitgebracht. Insbesondere werden eine tragbare Workstation und einige mobile Geräte, wie Tablet-Computer, benötigt. Die Workstation ist mit einer Visualisierungsumgebung ausgestattet, mit der sowohl empirische Informationen als auch die Ergebnisse der Modellsimulationen interaktiv auf den Bildschirmen dargestellt werden können. Sie kann auch schnelle Simulationen bei Bedarf direkt vor Ort und spontan ausführen und/oder große Datenmengen aus vorberechneten Modellsimulationsläufen speichern. Die mobilen Geräte (z.B. Tablets) ermöglichen den Teilnehmenden eine direkte Interaktion mit dem Modell (Abbildung 2), wie weiter unten beschrieben wird. Abbildung 1: Einblick in das mobile Decision Theatre von GCF © David Tàbara Abbildung 2: Gruppenarbeit im Decision Theatre © Jonathan Schanz Eine DT-Veranstaltung dauert zwischen 2-3 Stunden und einem ganzen Tag; der Workshop ist in mehrere Schritte gegliedert. www.esra-projekt.de S. 12
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT • Briefings: Im ersten Schritt werden den Teilnehmenden einige kurze Briefings präsentiert, gefolgt von ebenso kurzen Diskussionen. Die Briefings können von externen Expert*innen und/oder vom DT-Team durchgeführt werden. Für die Briefings werden die Bildschirme zur Darstellung von Daten, Bildern und Textelementen genutzt. Ein erste Art von Briefing skizziert z.B. das Problem, einschließlich Visualisierungen von unstrittigen Fakten und offenen Fragen. Eventuell werden alternative mögliche zukünftige Entwicklungen vorgestellt, um die Offenheit der Zukunft im Umgang mit gesellschaftlichen Herausforderungen zu verdeutlichen. Die erste Diskussion kann dazu genutzt werden, anhand einiger exemplarischer Fragestellungen die bisherigen Ansichten der Teilnehmer auszutauschen, wobei der Fokus auf Erwartungen und Visionen sowie deren Plausibilität und Erwünschtheit liegt. Für diese Art von Briefing können ein bis drei Präsentationen von verschiedenen Experten genutzt werden. Eine zweite Art von Briefing erklärt die Grundstruktur und die wichtigsten Annahmen des interaktiven Simulationsmodells, mit dem die Teilnehmer*innen experimentieren werden. Ein wichtiges Merkmal dieser Grundstruktur ist die Tatsache, dass das Modell nicht deterministisch ist. Das Briefing zeigt auch, welche Art von Modell-Output angezeigt werden kann und präsentiert ein Menü von Auswahlmöglichkeiten aus denen Szenarien zusammengestellt werden können. Diese Auswahlmöglichkeiten umfassen Aktionen (wie alternative politische Maßnahmen oder Investitionsoptionen) und Ereignisse, d.h. alternative Annahmen über die Entwicklung bestimmter Einflussfaktoren, die über die Entscheidungsfindung im gegebenen Kontext hinausgehen (wie z.B. zukünftige Weltmarktentwicklungen). Die zweite Diskussion sollte insbesondere dazu genutzt werden, mögliche Fragen zum Modell zu klären, z.B. zu bestimmten Annahmen im Modell oder verwendeten Daten. • Entscheidungssituation: Im zweiten Schritt bilden die Teilnehmenden Gruppen, die nicht größer als etwa fünf Personen sind, um eine Entscheidungssituation zu simulieren. Insbesondere diskutieren die Gruppen ihre Ziele und Annahmen und wählen unter den zuvor präsentierten Optionen die passenden im Hinblick auf ihre Ziele aus. Die Auswahl wird über ein mobiles Gerät umgesetzt. Jede Gruppe wird von einem geschulten Mitglied aus dem DT-Team unterstützt. • Untersuchung der Konsequenzen: In einer anschließenden gemeinsamen Diskussionsphase stellen die Gruppen ihre Ziele und Entscheidungen vor, und die vom Modell simulierten Konsequenzen werden interaktiv auf den Bildschirmen dargestellt und untersucht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Vergleich zwischen verschiedenen Szenarien in Bezug auf unterschiedliche Aspekte oder Ziele. Es sollte klargestellt werden, dass die Modellergebnisse keine Vorhersagen sind, sondern Werkzeuge, um das zugrundeliegende komplexe soziale System besser zu verstehen, z.B. indem Mechanismen identifiziert werden oder auf unerwartete Effekte hingewiesen wird. Insbesondere stellt die Explorationsphase auch das Modell selbst zur Diskussion: Die Teilnehmenden können Annahmen kritisieren, neue vorschlagen oder zusätzliche Optionen angeben, die sie mit Hilfe des Modells www.esra-projekt.de S. 13
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT erforschen möchten. Die Schritte der Entscheidungssituation und der Untersuchung der Konsequenzen können einige Male iteriert werden. • Gemeinsames Nachdenken: In einem abschließenden Schritt reflektieren die Teilnehmenden gemeinsam, welche Lehren sie aus ihren Entscheidungen und den daraus resultierenden Ergebnissen ziehen wollen. Sie fassen auch zusammen, welche Eigenschaften des Modells sie als nützlich empfunden haben und wo und wie sie das Modell modifiziert haben möchten. Diese Art von Feedback der Teilnehmer*innen fließt in die "Nachbearbeitung" jeder Veranstaltung durch das DT-Team und die Dokumentation der gewonnenen Erkenntnisse ein. 2.1.2 Online Veranstaltungen DTs können auch als Online-Veranstaltungen stattfinden. In diesem Fall wird eine Videokonferenz über eines der gängigen Videokonferenzsysteme, die für die meisten Teilnehmer*innen zugänglich sind, organisiert. Anstelle der multiplen Bildschirme gibt es natürlich physisch nur einen Bildschirm – den vor dem die Teilnehmenden sitzen. Durch die Bildschirmfreigabe können aber visuelle Inhalte so geteilt werden, dass die Bildschirmumgebung aus dem physischen DT-Event bestmöglich nachgeahmt wird. Um den Vorteil mehrerer Bildschirme zu imitieren, kann der Monitor eine geteilte Ansicht mit vier Bildschirmen zeigen und in einen dieser Bildschirme hineinzoomen, wenn dies hilfreich ist. Die einzelnen oben genannten Schritte können auch im Online-DT genauso durchgeführt werden. Für Briefings können externe Experten und das DT-Team ihre Bildschirme teilen und ihr Mikrofon aktivieren. Für die Gruppendiskussionen wird zurück ins Plenum geschaltet. Zusätzlich können – im Gegensatz zum physischen Meeting – über eine Chat-Funktion Fragen und Inputs gesammelt werden. Natürlich können je nach Bedarf auch zusätzliche Software-Applikationen zum Einsatz kommen – denkbar sind Whiteboards, Mindmaps, etc. Auch im Online-DT läuft die Visualisierungssoftware auf der Workstation. Die Entscheidungssituation findet in Break-out-Räumen für die Teilgruppen statt. Die Break-out-Räume werden von Mitgliedern des DT-Teams moderiert. Auf dem geteilten Bildschirm kann das Mitglied des DT-Teams die möglichen Entscheidungsoptionen im Detail zeigen und die gemeinsame Auswahl für die Szenarien einloggen, was wiederum zurück an die Workstation gespielt wird – ein Prozess, der in mehreren parallellaufenden Break-out- Gruppen technisch möglich ist. Für die ‚Untersuchung der Konsequenzen‘ und das ‚Gemeinsame Nachdenken‘ kommen die DT-Teilnehmenden wieder im Plenum zusammen. www.esra-projekt.de S. 14
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT 2.2 Das Mobility Transition Model (MoTMo) 2.2.1 Einleitung Agentenbasiertes Modell Das momentan in GCFs mobilem Decision Theatre verwendete Modell, genannt Mobility Transition Model, kurz MoTMo, ist ein agentenbasiertes Modell, das die private Mobilitätsnachfrage in Deutschland mit einem Zeithorizont von drei Jahrzehnten, 2005-2035, simuliert. Ein agentenbasiertes Modell (ABM) bildet, kurz gesagt, ein komplexes soziales System auf der Ebene der einzelnen Akteur*innen im System mit ihren Eigenschaften und ihrem Verhalten ab. „Agenten“ sind Softwareobjekte, die diese Akteur*innen kapseln. Ihre Interaktionen definieren die zeitliche Entwicklung des Systems, die durch die Simulation einer Folge von (meist sehr vielen) solcher Interaktionen berechnet wird (z.B. Epstein und Axtell 1996). 2.2.2 Synthetische Population und Mobilitätsprofile MoTMo-Agenten sind Teil einer synthetischen Population von Personen in Haushalten, d.h. sie entsprechen statistisch der Verteilung der deutschen Bevölkerung in Bezug auf Alter, Einkommen, Haushaltstyp, räumliche Verteilung usw. Für die räumliche Verteilung nach Bevölkerungsdichte wird ein 5 x 5km-Raster verwendet. Personen haben außerdem ein Mobilitätsprofil, das die monatliche Anzahl von Fahrten bestimmter Längenkategorien angibt und auf Befragungsdaten von Lenz et al. (2010) basiert. Sie befriedigen ihre Mobilitätsnachfrage mit einem von fünf Mobilitätstypen (siehe Abbildung 3): • Konventionelle Autos mit Verbrennungsmotor, • Öffentlicher Verkehr (ÖPNV), und • Nicht-motorisierte Mobilität (Fahrrad und zu Fuß gehen, auch als "aktive Mobilität" bezeichnet), • Elektrofahrzeuge als technologische Innovation, und • Carsharing als Verhaltensinnovation. Aufgrund des Zeitrahmens von mehreren Jahrzehnten und eines monatlichen Zeitschritts stellt MoTMo keine Einzelfahrten von Individuen dar. Mit den Mobilitätsprofilen der Agenten können jedoch z.B. die aus ihrer Mobilitätswahl resultierenden Emissionen berechnet werden. www.esra-projekt.de S. 15
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Abbildung 3: Mobilitätswahl des MoTMo-Agenten 2.2.3 Maximierung des erwarteten Nutzens In Anlehnung an die ökonomische Standardtheorie streben Personen durch ihre Mobilitätswahl eine Maximierung des erwarteten Nutzens an; allerdings wird die Wahl auf Haushaltsebene getroffen, da die Budgetbeschränkung für Mobilität eine Eigenschaft des Haushalts ist. Der Nutzen wird als aus vier Faktoren bestehend betrachtet: • Kosten/Zahlungsbereitschaft, • Innovation/Innovationswille, • Ökologie/Umweltbewusstsein und • Komfort. Agenten gewichten diese Faktoren unterschiedlich, dargestellt durch verschiedene Exponenten in einer Cobb-Douglas-Nutzenfunktion. Bei der Modellierung der Faktoren gilt: • geringere Kosten werden bevorzugt; • Wie innovativ ein Mobilitätstyp ist, wird in Relation zu den Entscheidungen anderer Agenten betrachtet und im Vergleich zur Gesamtbevölkerung gemessen; • Umweltbewusstsein hängt von den Emissionen der gewählten Mobilitätsart ab, die ebenfalls im Vergleich zu anderen Agenten bewertet werden, also auch im Vergleich zur Gesamtbevölkerung; • und Komfort (s.u.) ist das wichtigste Merkmal der Mobilitätsentscheidungen. Um eine ganze Reihe von Aspekten zu aggregieren (Reisegeschwindigkeit und - komfort, Zugang und Verfügbarkeit, Sicherheit usw.), aber vom vollständigen räumlichen Detail zu abstrahieren, wird Komfort als Funktion über die Bevölkerungsdichte modelliert (siehe Abbildung 4) und durch parametrisierte “Convenience”-Kurven für die Verkehrsmodi dargestellt. Für jeden Mobilitätstyp werden Annahmen über die Form der Komfortfunktion getroffen und wie sich diese www.esra-projekt.de S. 16
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Form mit der Technologiereife oder Nutzung dieses Mobilitätstyps verändert. Diese Annahmen sind leicht zu modifizieren und können in einer DT-Veranstaltung zur Diskussion gestellt werden. Abbildung 4: Beispiel Komfortkurve für Elektrofahrzeuge6 2.2.4 Erwartungen und Netzwerkstruktur Die zweite Komponente des erwarteten Nutzens, nämlich die Erwartung, erweitert die ökonomische Standardtheorie: MoTMo-Personen sind nicht allwissend, sondern bilden Erwartungen im Informationsaustausch mit ihren Peers in einer sozialen Netzwerkstruktur (siehe Abbildung 5). Die Umgebung der Agenten umfasst also ein Peer-Netzwerk zwischen Personen, das auf Basis der Ähnlichkeit von Merkmalen und räumlicher Nähe gesampelt wird. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass zwei bestimmte Agenten miteinander verbunden sind, ist höher, wenn sie sich in ihren Merkmalen ähnlich sind und ihre Standorte nahe beieinander liegen. 6 Niedriger Komfort für dünn besiedelte Gebiete (Reichweitenangst), dann ansteigend mit der Bevölkerungsdichte, aber abnehmend für sehr dichte Gebiete (Staus, Schwierigkeiten, Parkplätze zu finden etc.). www.esra-projekt.de S. 17
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Abbildung 5: MoTMo-Netzwerkstruktur Eine räumliche Umgebungsebene in MoTMo besteht aus den schon erwähnten 5 x 5km großen Rasterzellen („grid cell“); über die Bevölkerungsdichte bestimmen sie den Komfort jeder Mobilitätsart für die Agenten. Weitere räumliche Elemente, wie z.B. der Ausbau der Ladeinfrastruktur im Falle von Elektrofahrzeugen, haben einen Einfluss auf die Versorgungsleistungen der Agenten und damit auf ihre Entscheidungen. Des Weiteren werden auf einer globalen Ebene („world market“) in MoTMo technologische Veränderungen und Preise erfasst, die sich auf Basis externer Inputs sowie mit den Handlungen der Agenten koevolutionär entwickeln (siehe wiederum Abbildung 3). MoTMo kombiniert also technologische mit sozialen Veränderungsdynamiken in einer räumlich differenzierten Umgebung. 2.2.5 Szenarien „Business-as-usual (BAU)“-Szenario In einer DT-Veranstaltung wird als Beispiel für MoTMo-Simulationen ein „Business-as- usual (BAU)“-Szenario, das von einer Fortsetzung der aktuellen Trends in der Zukunft ausgeht, dargestellt, um sowohl einige repräsentative Modellergebnisse als auch eine Auswahl möglicher Visualisierungen zu präsentieren. Viele Aspekte möglicher Mobilitätszukünfte können untersucht werden; der grundlegendste ist die Entwicklung des ‚Modal Split‘ über die Zeit, d.h. die Anzahl der Agenten, die jede der möglichen Mobilitätsarten wählen (Abbildung 6). Basierend auf dem Modal Split und den Mobilitätsprofilen der Agenten werden die resultierenden Emissionen oder der Strombedarf berechnet und können visualisiert werden, wobei die Ergebnisse auch mit den EU-Emissionsreduktionszielen verglichen werden können (Abbildung 7). Aufgrund der hohen Modellauflösung können räumliche Verteilungen von Mobilitätsentscheidungen und deren Konsequenzen z.B. in Karten untersucht werden (Abbildungen 8 und 9), und über Aggregationen auf verschiedenen Ebenen ist es möglich, viele Details genauer zu betrachten. Die Ergebnisse können für ein www.esra-projekt.de S. 18
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT bestimmtes Bundesland in Deutschland oder für eine bestimmte Personengruppe, z.B. einen Haushaltstyp (Singlehaushalt, Paar, Mehrpersonenhaushalt), betrachtet werden (Abbildung 10). Abbildung 6: Modal Split im Business-as-usual (BAU) Szenario Abbildung 7: Emissionen verursacht durch den Individualverkehr im BAU- Szenario und Vergleich zum EU-Ziel www.esra-projekt.de S. 19
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Abbildung 8: Visualisierung der Verteilung der Ladesäulen im Jahr 2035 im Szenario BAU auf einer Deutschlandkarte Abbildung 9: Visualisierung der Entwicklung der unmotorisierten Mobilität (Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen) im Jahr 2035 im Szenario BAU auf einer Deutschlandkarte mit Zoom auf Nordostdeutschland www.esra-projekt.de S. 20
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Abbildung 10: Detailgrad geografischer und demografischer Daten in MoTMo - Modal Split im BAU-Szenario für das Bundesland Brandenburg und Paar- Haushalte mit einem Kind (Alter 6-13 J.) Szenarienvergleich Ein grundlegendes Feature der DT-Visualisierungsumgebung ist der Vergleich verschiedener Visualisierungen auf mehreren Bildschirmen (vgl. Abbildungen 1 und 2). Insbesondere können auch mehrere Zukunftsszenarien miteinander verglichen werden. Abschnitt 2.2.6 (Maßnahmen) erklärt die Erstellung der Szenarien genauer. Im online-DT gibt es die Möglichkeit ‘Szenen’ zu erstellen, die in einem 2x1- oder 4x2- Raster verschiedene ‘Plots’ (oder ‘Graphen’, wie in Abbildung 6 und 7) oder Karten (wie in Abbildung 8 und 9) vergleichend darstellen. Der Vergleich von ‘Plots’ ermöglicht zum Beispiel eine Analyse anhand von Kurven (siehe Abbildung 11). Mit Hilfe von Karten kann die Visualisierungssoftware unter anderem die Unterschiede verschiedener Szenarien in der Differenz der Zielzahlen zeigen (siehe Abbildung 12). www.esra-projekt.de S. 21
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Abbildung 11: Szenarienvergleich mit Hilfe von Plots - Hier am Beispiel der Mobilitätswahl zwischen dem BAU-Szenario und einem von der Gruppe "Loewe" erstellten Szenario für die Region Brandenburg Abbildung 12: Szenarienvergleich mit Hilfe von Karten - Hier am Beispiel der ÖPNV-Entwicklung im Jahr 2035, wobei die Visualisierung für das Szenario "Loewe" die Differenz zum Szenario BAU darstellt7 7 Weniger ÖPNV in Berlin, dafür mehr in bspw. Dresden im Vergleich zum BAU-Szenario. www.esra-projekt.de S. 22
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT 2.2.6 Maßnahmen Weiterhin wird im DT die Liste der Optionen vorgestellt, mit denen die Teilnehmer*innen des DT-Events experimentieren können. Diese repräsentieren (a) politische Maßnahmen, (b) Investitionsstrategien und (c) exogene Ereignisse, die von der Politik möglicherweise nicht beeinflusst werden können, über die man aber dennoch unterschiedliche Erwartungen haben kann. Im Modell werden diese Optionen implementiert, indem man eine Änderung in den Komfortfunktionen oder anderen Annahmen (z.B. Preisentwicklungen) induziert (siehe Tabelle 1). Die Teilnehmer*innen können die Beschreibung aller Optionen während der Gruppenarbeit auf den Tablets (oder per geteiltem Bildschirm im Online-Format) in anschaulicher Visualisierung einsehen. Da MoTMo insgesamt zu groß ist, um Simulationen vor Ort durchzuführen, werden bei DT-Ereignissen die Simulationsergebnisse auf der tragbaren Workstation gespeichert. Gruppen können innerhalb jeder Kategorie (Politikmaßnahmen, Investitionen, Ereignisse) bis zu zwei Optionen auswählen. Praktisch reduziert dies die Anzahl der im Voraus zu berechnenden Kombinationen; konzeptionell schränkt es die Entscheidungssituation insofern ein, als die Gruppen nicht einfach alle Optionen aktivieren können, sondern entscheiden müssen, welche sie auslassen. Insgesamt bildet MoTMo mögliche Verhaltensänderungen als Reaktion auf technischen Fortschritt, politische Maßnahmen oder Ereignisse ab und ist, insbesondere durch Wechselwirkungen zwischen der Mikro- und der Makroebene, in der Lage, mögliche unvorhergesehen Effekte (z.B. Rebound Effekte) und Wirkungsketten aufzuzeigen (siehe auch Mielke und Geiges 2018). Tabelle 1: Optionen in MoTMo und ihre Implementierung Kategorie Option Implementierung Während im BAU-Fall das Gewicht von Autos Gewichtsregulierung nach dem aktuellen Trend weiterwächst, nimmt von Fahrzeugen diese Option konstantes Gewicht ab 2018 an. Maßnahmen für den Die Komfort-Kurve für nicht-motorisierte Politikmaßnamen Fahrradverkehr Mobilität liegt höher als im BAU-Fall. Fahrverbote für Die Komfort-Kurve für Autos mit Verbrenner in Städten Verbrennungsmotor fällt bei höherer Bevölkerungsdichte stärker ab als im BAU-Fall. Im BAU-Fall ist der Umweltbonus von 2016 Kaufprämie für implementiert. Mit dieser Option verdoppelt Elektrofahrzeuge sich die Summe pro Fahrzeug (und somit auch die Gesamtsumme der Subvention). Investitionen Mit dem aktuellen Trend wächst die Anzahl der Ladestationen im BAU-Fall auf 200.000 bis Ausbau 2035. Mit dieser Option wird exponentielles Ladeinfrastruktur Wachstum auf 1 Million Ladestationen 2035 angenommen. www.esra-projekt.de S. 23
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Kategorie Option Implementierung ÖPNV Preis- Laufende Kosten für den öffentlichen Verkehr Subvention halbieren sich im Vergleich zum BAU-Fall. Laufende Kosten für Autos mit Verbrennungsmotor basieren für 2005-2017 CO2-Preis für fossile auf Kraftstoffpreisdaten. Im BAU-Fall steigen Kraftstoffe sie ab 2018 um 1% pro Jahr; mit dieser Option um 3% pro Jahr. IKT Anwendungen verbessern den Komfort der Digitalisierung des Modi Elektromobilität, Öffentlicher Verkehr, und intermodalen Ereignisse Car Sharing, dargestellt durch verbesserte Verkehrs Convenience-Kurven für diese drei Modi. Weltmarktentwicklung Im BAU-Fall wächst der Marktanteil von Elektrofahrzeuge Elektroautos bis 2015 auf 10%. Diese Option nimmt höheres Wachstum auf 30% an. Im BAU-Fall wächst das Angebot an Car Verfügbarkeit von Car Sharing Autos um 3% pro Jahr, mit dieser Sharing Option um 6% pro Jahr. 2.3 Empirische Daten Bei der Entwicklung des Mobility Transition Models wurden empirische Daten unterschiedlicher Art und aus verschiedenen Quellen sowohl als Input als auch zur Kalibrierung verwendet, so dass das Modell für den der Vergangenheit entsprechenden Zeitraum die historischen Entwicklungen adäquat abbildet. So wurden beispielsweise eine Bevölkerungsdichtekarte für Deutschland vom Socioeconomic Data and Applications Center (SEDAC) (2015), die Preisentwicklungen für Elektro- und konventionelle Autos von Weiss et al. (2012) und Mobilitätsprofile von Agenten von Lenz et al. (2010) als Modelleingaben verwendet. Die synthetische Bevölkerung in MoTMo, das heißt, Personen und Haushalte, entspricht statistisch der deutschen Bevölkerung. Dafür wurde eine existierende synthetische Bevölkerung von 1987 durch neu verfügbare Datenquellen aktualisiert und um relevante Daten erweitert. Dies umfasst Faktoren, die für die Entscheidung über Verkehrsnutzung zentral sind, wie z.B. das Einkommen, Mobilitätsprofile und Lebenssituation. Eine vorläufige Kalibrierung des Präferenzmoduls (Haushaltstypen, Einkommen) wurde auf die Erhebung "Mobilität in Deutschland (MiD)" (DLR, 2008) vorgenommen. Für die Kalibrierung des Modells wurden auch Zahlen zu konventionellen und elektrischen Fahrzeugen für die Jahre 2012-2017 sowie Umfragedaten zur Mobilitätswahl verwendet (Wolf et al. 2018). Die Erhebung MiD-Daten 2008 dienen als Datenquelle darüber, wie Mobilität im Jahr 2008 in Abhängigkeit von verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen und räumlichen Faktoren genutzt wurde. Darüber hinaus treten empirische Informationen in einer DT-Veranstaltung in www.esra-projekt.de S. 24
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT verschiedenen Formen auf. Für die Glaubwürdigkeit müssen die beteiligten Forscher empirisches Wissen über das Problem mitbringen, insbesondere muss der Problemexperte in der Lage sein, ein "Big Picture" zu vermitteln, das durch eine Liste spezifischer Fakten unterstützt wird. Die visuelle Darstellung empirischer Informationen erfolgt, insbesondere im ersten Briefing-Block, durch Daten in Form von Diagrammen, Tabellen, Karten, Netzwerken usw.; Beispiele für den Status quo sind insbesondere aktuelle Trends und erklärte Ziele (und die Lücke zwischen ihnen) für Mobilität und Verkehr, z.B. für Emissionen auf nationaler Ebene oder den Modal Split auf Stadtebene. Bilder, die diesen Status quo illustrieren, z.B. einfache Fotos von Straßen mit regem Verkehr, sind eine weitere Form von empirischen Informationen, die verwendet werden können. Bilder, die potenzielle Zukünfte illustrieren, können zwar nicht im direkten Sinne als empirisch angesehen werden, sie können aber auf einer Metaebene empirische Inhalte liefern: z.B. eine Illustration einer grünen, autofreien Zukunft, die aus der Werbung stammt, ist zwar auf der direkten Ebene fiktiv, liefert aber empirische Informationen über Visionen, die in einer Gesellschaft vorhanden sind. www.esra-projekt.de S. 25
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT 3. Resultate: Erkenntnisse aus den bisherigen Decision Theatre Veranstaltungen Dieser Abschnitt fasst allgemeine Erkenntnisse zur Decision Theatre Methode aus mehreren DT-Veranstaltungen mit verschiedenem Publikum zusammen, darunter Forscher*innen und Praktiker*innen aus den Bereichen Wirtschaft, Verwaltung und Politik, sowie Schüler*innen und Studenten*innen, und, im Zusammenhang mit ESRa besonders wichtig, Bürger*innen. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die bisherigen DT-Veranstaltungen von GCF, darunter zwei DT-Events im Rahmen des ESRa- Projekts. Die konkreten Erkenntnisse aus den beiden bisher in ESRa durchgeführten DT- Veranstaltungen in Berlin (online) und im Spree-Neiße-Kreis (online) finden sich im Bericht des Arbeitspakets 2 „Lebensstile und Verkehrswende“ zur Phase 1 des ESRa- Projekts (Produkt 2.1). Die Erkenntnisse aus den bisherigen DT-Veranstaltungen lassen sich je nach Fokus unterteilen: Wissenschaftskommunikation für ein nicht-wissenschaftliches Publikum, Entscheidungsunterstützung für Entscheidungsträger, Lernen zum Zwecke der Modellentwicklung, und qualitative Sozialforschung zur Sammlung von Daten über Überzeugungen und Normen verschiedener sozialer Gruppen. Die letzteren Fokusse betrachten auch Koproduktion von Wissen im Bereich der Forschung, während die ersteren eher als Kommunikation von Wissen verstanden werden können. Tabelle 2: Übersicht bisheriger DT-Events von GCF Teilnehmersch Wann Wo Event aft Vorbereitungsworkshop „Cosa succede se …? Wissenschaftler*in Immaginando la mobilità del futuro con il nen, Stakeholder Talent Juni 2018 MoTMo“ (What if…? Imagining mobility (Verwaltung, Garden, futures with the Mobility Transition Model; Wirtschaft) Turin, Italien auf Italienisch) Decision Theatre zu „Transforming the Mobility Sector – Between Digitalization and Wissenschaftler*in November Haus der nen, Stakeholder Sustainability“ 2018 Kulturen der (Politik, Welt, Berlin https://globalclimateforum.org/2018/12/14/d Wirtschaft) ecision-theater-on-sustainable-mobility/ Interaktive Session als Teil der Konferenz Leuphana „Leverage points for sustainability Februar Konferenzteilnehm Universität 2019 https://globalclimateforum.org/2019/02/21/l er*innen Lüneburg everage-points-for-sustainable-mobility/ www.esra-projekt.de S. 26
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Teilnehmersch Wann Wo Event aft Wissenschaftler*in nen, Entscheidungsträg Sommer Mehrere „Mini-DTs“ mit 2-4 Teilnehmenden, GCF, Berlin er*innen aus 2019 um das DT als Instrument zu präsentieren Politik und Internationalen Organisationen Decision Theatre „Between Digitalization and Junior Sustainability – Exploring a Transition of the Wissenschaftler*in IASS Mobility Sector“ nen Juni 2019 Potsdam (Teilnehmer*innen https://globalclimateforum.org/2019/06/04/d einer Summer ecision-theater-enavi-summer-school-2019/ School) Interaktive Session bei der UNECE Sustainable Energy Week 2019 Mitglieder des September UN, Genf https://globalclimateforum.org/2019/10/15/u UNECE 2019 nece-sustainability-energy-week-geneva-25- Kommittees 27-09-2019/ Decision Theatre „Wege zu nachhaltiger Abiturient*innen Mobilität“ und Lehrer*innen Dezember IASS der UNESCO 2019 Potsdam https://www.iass- Projektschulen potsdam.de/sites/default/files/2019- 11/191114%20Flyer%20DIN%20lang.pdf Interaktive Session als Teil der Konferenz „Zukunftsstadt“ Konferenzteilnehm Halle, Dezember Münsterland, https://www.innovationsplattform- er*innen 2019 Münster zukunftsstadt.de/files/Konferenz%20Zukunfts (Wissenschaftler*i stadt%202019_Programm_Lageplan_barriere nnen, frei.pdf Decision Theatre „Mobility and Social Cohesion – What future for Berlin?“ Wissenschaftler*in März 2020 Zuse Institut nen, Berlin Decision Theatre „Klimafreundliche Mobilität Bürger*innen und September für Alle“ lokale Zollverein 2020 Essen https://globalclimateforum.org/2020/10/21/d Mobilitätsexpert*i tnamo-in-essen/ nnen Herbst online Mehrere online-DTs zu Test- und Wissenschaftler*in 2020 wissenschaftlichen Zwecken nen www.esra-projekt.de S. 27
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT Teilnehmersch Wann Wo Event aft Online-Decision Theatre als Teil des ESRa- Bürger*innen und Dezember online Projekts „Lebenswerte Stadt – was bedeutet Mobilitätsexpert*i 2020 das für unsere Mobilität?“ nnen aus Berlin Bürger*innen, Entscheidungsträg Online-Decision Theatre als Teil des ESRa- er*innen (Politik), Januar online Projekts „Lebenswerte Kommune – was Mobilitätsexpert*i 2021 bedeutet das für unsere Mobilität?“ nnen aus dem Landkreis Spree- Neiße 3.1 Wissenschaftskommunikation Der wohl einfachste Zweck des DTs ist die Vermittlung wissenschaftlicher Arbeiten an ein nichttechnisches Publikum. Dazu gehören Forschungsziele und -fragen, Methoden (z.B. Modellierungsaktivitäten) und Ergebnisse. Entscheidungen, die die Forscher*innen bei der Anwendung von Methoden getroffen haben, wie z.B. der verwendete Modelltyp oder bestimmte Annahmen innerhalb des Modells, sowie Unsicherheiten in Bezug auf die Ergebnisse können neben der Methode und den Ergebnissen selbst kommuniziert werden. Die agentenbasierte Modellierung bietet hier den Vorteil, dass die vielen einzelnen Akteur*innen eines komplexen Systems und ihre Interaktionen direkt auf einem Computer dargestellt werden. Modellierer*innen müssen ihre Annahmen darüber transparent erklären – zumal es, anders als z.B. für Moleküle in einem chemischen System, für Interaktionen zwischen Menschen keine allgemein anerkannten Annahmen und entsprechende Gleichungen gibt. Die Diskussionsteilnehmer*innen benötigen jedoch keine theoretischen Kenntnisse z.B. in der mathematischen oder ökonomischen Modellierung. Aufgrund der Ähnlichkeit des Modells mit der realen Welt (Castro et al. 2020) kann das Verständnis für ein wichtiges Element im Forschungsprozess, das Computersimulationsmodell, vergleichsweise einfach bei einem nicht-technischen Publikum erreicht werden. Bei der Einführung von MoTMo für verschiedene Zielgruppen hat es sich außerdem als wertvoll erwiesen, dass sich die DT-Teilnehmer*innen mit den Agenten im Modell identifizieren können; schließlich erleben die meisten Menschen das Mobilitätssystem täglich und sie haben oft die gleichen Entscheidungen zu treffen wie die MoTMo- Agenten. Sie können daher die Annahmen zu den Mobilitätsentscheidungen der Agenten nachvollziehen und alternative Annahmen oder zusätzliche Elemente zur Aufnahme in ein Modell vorschlagen. Ein lokaler Fokus unterstützt auch die Identifikation der Teilnehmer*innen mit dem diskutierten Thema, sowohl für empirische Informationen, wie z.B. Daten im lokalen Maßstab oder lokale Bilder in den Briefings, als auch für die Erkundung der Modellergebnisse, z. B. durch das Heranzoomen auf einer Karte, vor allem mit der Option, in die Gemeinden zu zoomen, www.esra-projekt.de S. 28
Produkt 5.1 Synopsis der bisherigen Erfahrungen mit dem DT aus denen die Teilnehmenden kommen. Die Teilnehmer*innen nahmen den Schritt der (fiktiven) Entscheidungssituation in der DT-Veranstaltung in mehrfacher Hinsicht als förderlich für die Kommunikation wahr. Die Entscheidungssituation bietet einen Rahmen, der die Diskussion für einen Moment auf bestimmte Aspekte fokussiert, um nicht alles auf einmal zu diskutieren. Mit den in der Entscheidungssituation geäußerten Präferenzen, z.B. für eine Handlungsoption gegenüber einer anderen, erklärten die Teilnehmer*innen auch ihre Motive und machten deutlich, was sie in Bezug auf nachhaltige Mobilität für wünschenswert halten. Die Entscheidungssituation offenbarte oft Ziele, Annahmen und Werte, die sonst vielleicht implizit geblieben wären. Darüber hinaus veranschaulichte sie die Notwendigkeit, in jeder Gruppe innerhalb eines vorher festgelegten Zeitrahmens eine Entscheidung zu treffen, eine Einschränkung der realen politischen Entscheidungsfindung, bei der davon ausgegangen werden kann, dass viele Entscheidungen innerhalb begrenzter Zeit und unter unzureichenden Informationen getroffen werden müssen. Sobald die Szenarien von den Gruppen zusammengestellt sind, vermittelt ihr direkter Vergleich stark die Idee einer offenen Zukunft in gesellschaftlichen Entwicklungen, die für jede gesellschaftliche Herausforderung relevant ist. Schließlich führt die Dialogsituation, auch in der Art von Veranstaltung, in der sie hauptsächlich mit dem Ziel der Kommunikation von Wissenschaftlern zu einem breiteren Publikum eingesetzt wird, immer auch die umgekehrte Richtung der Kommunikation ein: von den Gästen zu den Forscher*innen. Insbesondere für die interaktive Erkundung verschiedener Szenarien in einer DT-Veranstaltung bedeutet dies, dass die Wissenschaftskommunikation auf eine bedarfsgerechtere Art und Weise erfolgt als z.B. bei einem schriftlichen Bericht oder einer Präsentation, bei der der/die Autor*in die Reihenfolge der Themen, Schwerpunkte und hervorgehobenen Details festlegen würde. Hier beeinflusst das Publikum den Fluss der Kommunikation und ermöglicht den Teilnehmer*innen einen genaueren Blick auf die Aspekte des Modells und der Ergebnisse, die sie am meisten interessieren. Auch hier gibt es einen Vorteil von agenten-basierter Modellierung: Der hohe Detailgrad des Modells bedeutet, dass eine große Anzahl von verschiedenen Aspekten untersucht werden kann. Im Prinzip können für jedes Merkmal und jede Aktion von Agenten Durchschnittswerte, Maxima, Minima und Verteilungen in der gesamten synthetischen Population visualisiert werden, so dass z.B. simulierte Effekte bestimmter Politikmaßnahmen nach Altersgruppe, Einkommensklasse oder Haushaltstyp betrachtet werden können. Bestimmte Agenten können durch einen Simulationslauf verfolgt werden, wenn dies von Interesse ist. Welche Informationen für die Teilnehmenden von Interesse sind, ist wiederum für die Forscher von Interesse (siehe Abschnitt 3.3). 3.2 Entscheidungsunterstützung Zunächst ist zu erwähnen, dass die hier als Fallbeispiele verwendeten DTs zur nachhaltigen Mobilität in Deutschland bisher nicht mit dem Ziel der Entscheidungsunterstützung in konkreten Entscheidungssituationen eingesetzt wurden. In der DT-Literatur scheint dies eher die Regel als die Ausnahme zu sein (John et al. 2020) und es wurde auch vor unrealistischen Erwartungen an die Fähigkeit der www.esra-projekt.de S. 29
Sie können auch lesen