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Generika: Vor- und Nachteil aus ärztlicher Sicht Stephan Krähenbühl Chefarzt Klinische Pharmakologie & Toxikologie/Innere Medizin Universitätsspital Basel Kraehenbuehl@uhbs.ch
Inhalt • Definitionen • Gibt es Unterschiede zu Originalpräparaten ? • Prüfung und Sicherheit • Problematische Generika • Kosten im Gesundheitswesen und Generika • Generika in Universitätsspitälern • Schlussfolgerungen
Originalpräparate und Generika • Originalpräparate enthalten neu entwickelte Wirkstoffe • Die Synthese eines Wirkstoffes kann während 20 Jahren geschützt werden • Generika müssen mit dem Originalpräparat (OP) austauschbar sein (Bioäquivalenz → Wirksamkeit? Sicherheit?) • Der Preis eines Generikums darf in der Schweiz höchstens 80% desjenigen des OP betragen
Definition von Generika „Imitation von bei Swissmedic registrierten Originalpräparaten“ • gleicher Wirkstoff • gleiche Darreichungsform • gleicher Applikationsweg • gleiche Dosierung • gleiche Indikationen • Austauschbar mit OP
Mögliche Unterschiede zu Originalpräparat • Hilfsstoffe müssen nicht identisch sein - Unerwünschte Wirkungen möglich - Interaktionen mit anderen Medikamenten möglich • Kleine Unterschiede beim Wirkstoff toleriert - Unterschiedliche Salze (ist aber umstritten) • „Nur“ bei Gesunden auf Bioäquivalenz geprüft - Mögliche Unterschiede könnten sich bei Patienten manifestieren
Unterschiede zu Originalpräparaten • Viele „Fallberichte“ • Zum Teil klinisch relevant • Arzneistoffe mit engem therapeutischem Bereich • Therapie ernsthafter Krankheiten • Beispiele • Orale Antikoagulation • Immunsuppression • Neuroleptika • Antiepileptika
Therapie mit Clozapin (Leponex®) • 81-jähriger Patient mit Schizophrenie seit 29 Jahren - Halluzinationen, Schlafstörungen, akute psychotische Episoden - Initial viele Neuroleptika ohne guten Erfolg - Seit 7 Jahren stabil unter Clozapin (Leponex®) 150 mg/die • Umstellung auf Generikum in gleicher Dosierung - Psychotischer Schub nach 3 Wochen - Paranoide Reaktionen, trotz Dosissteigerung bis 800 mg/die - Hospitalisation → zurück zu 150 mg Clozapin (Leponex®)/die - Erholung innerhalb von 2 Wochen Clin Ther 2001;23:1720-31
Warfarin als Generikum • Retrospektive Studie in Israel nach landesweitem Switch auf Generikum • Vergleich der Wirkung von Warfarin als Originalpräparat oder als Generikum bei 975 Patienten • Prüfung der WSI (INR/Dosis) während je 6 Monaten (Periode 1=OP, Periode 2=Generikum) Clin Pharmacol Ther 2003;74:215-21
Warfarin als Generikum Clin Pharmacol Ther 2003;74:215-21
Technologische Anforderungen an Generika Herstellung nach GMP Richtlinien • Anforderungen identisch wie bei Originalpräparaten • International festgelegte Richtlinien • Lückenlose Dokumentation der Ausgangsstoffe und des Herstellungsprozesses • Periodische Überwachung durch Behörden
Rocephin und Generika
Rocephin und Generika • 34 Generika mit Originalpräparat verglichen • Klarheit (Turbidimetrie): 30/34 Generika ausserhalb GW • Gehalt: 3/34 Generika ausserhalb GW • Abbauprodukte: 33/34 Generika ausserhalb GW • Bakterielle Kontamination: 4 Produkte mit zuviel Endotoxinen • Nur das Originalpräparat erfüllte alle Punkte, alle Generika waren bei ≥2 Punkten ausserhalb des GW J Chemotherapy 2003:15:357-68
Pharmakologische Anforderungen an Generika Systemische Verabreichung • Peroral, rektal, subkutan, intramuskulär → Bioäquivalenz • Parenteral → Anwendungsbelege genügend (Bioäquivalenz ist gegeben, „Sicherheit“ genügt) Topische Verabreichung • Wirksamkeit und Sicherheit (wie Originalpräparat)
Rationale Grundlage der Bioäquivalenz von systemisch verabreichten Pharmaka Dosis Applikationsort Serumkonzentra- Serumkonzentration tionsprofil „identisch“ Serumkonzentration Ø Konzentration Wirkort(e) Therapeutische Pharmakologischer Effekt Wirksamkeit „identisch“ Therapeutische Wirkung
Anforderungen für Bioäquivalenz Diclofenac- Konzentration (ng/ml) Cmax 1. AUC 2. Cmax, Tmax Tmax Zeit (Stunden)
Bioäquivalenz- studien mit Cyclosporin Ther Drug Monit 2000;22:330-345
Mögliche Sicherheitsprobleme von Generika • Einmaldosen reflektieren nicht multiple Dosen • Grenzen zu weit für Arzneistoffe mit engem therapeutischem Bereich • Durchschnittliche Variabilität sagt etwas aus über „prescriptability“, aber nichts über „switchability“ • Kinetik bei gesunden Probanden sagt nicht alles aus über Kinetik bei Patienten/speziellen Populationen • Allergische Reaktionen/Interaktionen mit Hilfsstoffen nicht ausgeschlossen
Generika
Gesundheitskosten nach Leistungen 2002 5% 7% 10% 29% 49% Stationäre Behandlung Ambulante Behandlung Andere Leistungen Prävention / Verwaltung Arzneimittel Gesamtkosten: CHF 47’959 Mio Medikamente: ca. CHF 5’000 Mio Bundesamt für Statistik, Neuchâtel
Ausgaben privater Haushalte CH 2000 Zeitungen & Bücher Alkohol & Tabak Körperpflege Telefon Medikamente Sport & Erholung Wohnungseinrichtung Bekleidung & Schuhe Restaurant Auto Nahrungsmittel Steuern Wohnungsmiete 0 2 4 6 8 10 12 14 16 Ausgaben in % des Einkommens Bundesamt für Statistik, Neuchâtel
Generikafähiger Markt Schweiz 2003 43% 43% 14% Generika auf dem Markt Patentabgelaufene Originale ohne Generika Patentabgelaufene Originale mit Möglichkeit für Generika CHF 1’046 Mio IHA-IMS Health, Hergiswil
Nicht Generika-fähige Arzneistoffe • Atropin • Morphin • Methadon • etc.
Generikaumsatz Schweiz 160 140 120 CHF Mio. zu FAP 100 80 60 40 20 0 1999 2000 2001 2002 2003 Zuwachsrate -0.8% 12.7% 27.4% 17.3% 49.8% IHA-IMS Health, Hergiswil
Generika in der Praxis • Gesamter Umsatz an Medikamenten CH ca. 5 Mia p.a. • Ca. 20% oder 1 Mia sind generikafähig → Einsparungen von ca. 300 Mio Fr./Jahr möglich • Momentaner Generika Umsatz in der Praxis ca. 150 Mio oder ca. 15 % des möglichen Umsatzes • Mögliche Hindernisse in der Praxis - Verfügbarkeit von Generika - Fehlendes Vertrauen in Generika - Gute Beziehungen der Ärzte zu Originalherstellern - Tieferer Verdienst (?)
Gestaltung der Arzneimittelpreise Pharmazeutische Fachleistung nach KVG • LOA in Apotheke • Preisbezogener Vertriebskosten • Betriebskosten Zuschlag • Kapitalkosten • Fixer Zuschlag pro Packung Publikumspreis • Therapeutischer Fabrikabgabepreis Quervergleich • Vergleich mit Ausland BAG, Bern
Generika in der Praxis
Generikaumsatz in Spital und Praxis Apotheken/ SD-Ärzte Spitalmarkt CH 1% 3% Generika Originalpräparate Nur Verschreibungspflichtige Produkte Quelle: IHA - APO/SD/SPI, 4.Q 2000
Arzneimittelkommission Zusammensetzung • Klinischer Pharmakologe • Mediziner: Generalisten und Spezialisten • Apotheker • Pflegepersonal • Ökonome (Spitalleitung)
Aufgaben der Arzneimittelkommission • Erstellung einer Arzneimittelliste nach rationalen Kriterien • Berücksichtigung von „clinical outcome studies“: teurere AM können insgesamt billiger sein • Kontrolle des Arzneimittelverbrauchs • Information über Arzneimittel an Verbraucher • Ausarbeitung von Richtlinien zusammen mit Spezialisten
Bedeutung der Arzneimittelliste • Ca. 50% der bestellten Artikel in der Liste (90% der Kosten) • Listentreue: vereinfacht Arbeit in der Apotheke, billiger • Auswahl nach „rationalen“ Kriterien → erzieherisches Element • Bedeutung für Praktiker → richten sich nach Spitalliste • Konzept: bestehende Therapien können weitergeführt werden, neue Therapien nach Liste
Umgang mit Generika im Spital • Preis bisher nicht wichtigstes Kriterium bei der Auswahl der Medikamente • Spital könnte ohne Drittmittel nicht funktionieren! • „Gesamtrechnung“ bei der Auswahl von Arzneimitteln • Unvollständige galenische Gamme → Sicherheitsrisiko • Originalhersteller reagieren oft mit Preisnachlass • Bisher machen Generika
Finanzierung der Forschung CH 2000 Privatwirtschaft 69.1% Ausland 4.3% Andere 3.4% Kantone 6.8% Bund 16.4% Bundesamt für Statistik, Neuchâtel
Schlussfolgerungen • In den meisten Fällen sind Generika so sicher wie OP - Vorsicht beim Wechsel zwischen Generika • Durch Generika kann Geld gespart werden - In der Schweiz maximal ca. 300 Millionen p.a. - Macht in Bezug auf gesamte Gesundheitskosten wenig aus • In Spitälern setzen sich Generika weniger schnell durch - Wirtschaftlichkeit nicht einziges Kriterium - Probleme mit Sicherheit und Drittmitteln
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