Genügen zwei zum Glücklichsein? - Treue Schwule gibt es angeblich nicht. Wir haben trotzdem welche gefunden. Welche Vorteile birgt das ...
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MÄNNERSACHE — Monogamie Genügen zwei zum Glücklichsein? Treue Schwule gibt es angeblich nicht. Wir haben trotzdem welche gefunden. Welche Vorteile birgt das Beziehungsmodell Monogamie und wo tun sich Stolperfallen auf? 36 Mai 2019
MÄNNERSACHE — Monogamie Aus Überzeugung monogam «Ich glaube, jeder Mensch definiert eine gute Bezie- hung anders. Monogam zu sein, macht nur Sinn, wenn das für dich selbst optimal erscheint. Darum gibt es keine monogamie"pischen Stärken, die an- dere Beziehungsformen nicht haben», sagt Stephan Phin Spielhoff. Der Journalist und Autor, dessen Debütroman «Der Himmel ist für Verräter» (Albino Text – Martin Busse Verlag) im Februar erschien, ist seit dreizehn Jahren Illustration – Anja Bartelt mit seinem Partner zusammen. Für die beiden Mi%- D dreissiger stand es nie zur Deba%e, ob sie daran et- ass schwulen Männern Klischees gern an- was ändern sollten. «Die Herausforderung ist, dass du ha!en wie lästiges Klebeband, ist nicht neu. nicht mit anderen Menschen schläfst. Das lässt sich Besonders hartnäckig hält sich das Stereo- gut meistern, wenn du vom Typ her jemand bist, der "p des promiskuitiven, stets testosterongeladenen es in Ordnung findet, jeden Tag neben demselben Kerl Kerls, der auch in einer Partnerscha! kaum treu sein aufzuwachen», sagt er. Die meisten seiner Freunde kann. Offene Beziehungen scheinen eine zeitgemässe oder Arbeitskollegen seien ebenfalls in monogamen Lösung, um unseren naturbedingten Trieben gerecht Verbindungen. «Vermutlich sind Menschen wie wir werden und gleichzeitig unser Bedürfnis nach Inti- aber weniger sichtbar. Du gehst halt nicht mehr auf mität befriedigen zu können. Doch ist Monogamie Par"s, um jemanden mit nach Hause zu nehmen, und tatsächlich ein reines Lu!schlosskonzept, das in einer Grindr benutzt du auch nicht. Also entsteht bei denen, aufgeklärten Gesellscha! keinen Platz hat? die noch auf der Suche sind, vielleicht der Eindruck, dass es uns nicht gibt.» Nur ein schlechter Witz? «Der höhere Grad an Commitment, der aber selbst- Lachende Emoticons, ungläubige Fragezeichen und verständlich auch keine absolute Sicherheit bedeutet, Kommentare à la «Viel Glück beim Suchen!» waren spricht meines Erachtens nach für ein monogames die ersten und häufigsten Reaktionen auf meine vir- Modell. Es fühlt sich richtig an. Ich habe aber keinen tuelle Suche nach Interviewpartnern zum $ema Vergleich», sagt Christian, der über 15 Jahre in einer «Monogamie in homosexuellen Beziehungen». Und monogamen Beziehung lebt. Antoine und Daniel, dies allem voran von Männern, die selbst schwul die seit neun Jahren liiert sind, gehen sogar noch ei- sind. Als hä%e unsere Communi" sich bereits mit nen Schri% weiter und sehen in der Monogamie die der Tatsache arrangiert, dass bedingungslose Zwei- Grundlage ihrer gemeinsamen Vergangenheit und samkeit nur das Relikt einer von Disneyfilmen ver- Zukun!. «Wir haben Polygamie niemals in Betracht klärten Kindheit sein kann. Spannender als die- gezogen. Aus unserer Sicht bietet eine monogame se Beobachtung empfand ich jedoch die Tatsache, Beziehung die besten Chancen, um dauerha! zusam- dass viele der monogamen Paare, die ich in meinem menzuleben.» Freundes- und Bekanntenkreis kontaktierte, sich re- Was aber, wenn die Beziehung irgendwann an den gelrecht weigerten, Stellung zu beziehen. Ha%e ich eigenen Massstäben zu scheitern droht? als Journalist etwa ein Tabuthema angeschni%en? Wohl kaum. Stellt die Verbindung zweier Menschen Was lauert ausserhalb der Komfortzone? zu einer Einheit doch gesellscha!lich o! ein Ideal- «Wir waren circa drei Jahre zusammen, als Finn im bild dar. Über Umwege fand ich nach intensivierter Alkoholrausch auf einer Par" mit einem anderen Recherche dann doch noch ein paar Freiwillige, die Mann rummachte. Mir zerbrach es das Herz, denn sich bereit erklärten, zu ihrer Beziehung Auskun! ich erwischte die beiden. Zwei Jahre zuvor war schon zu geben. Dem Rätsel Monogamie konnte also weiter nachgegangen werden. «Eine Beziehung wird unter anderem dadurch definiert, dass zwei Personen etwas miteinander tei- len, das in dieser Form nicht auch anderen geschenkt wird», erklärt der Berliner Diplomtheologe Ferdinand Krieg, der als Paartherapeut auch Regenbogenpaare «Homosexuelle scheinen berät. «Partner*innen, die eine offene Beziehung ein- gehen, ziehen Grenzen anders. Meine berufliche Er- generell ein bisschen mutiger im Ausprobieren fahrung ist, dass viele homosexuelle Paare ein wenig aufgeschlossener gegenüber dem Ausprobieren und und Umsetzen neuer Formen Umsetzen neuer Formen des Zusammenlebens sind. Gleichzeitig fühlen sich aber auch viele einem tiefen des Zusammenlebens.» Monogamiewunsch verpflichtet, beispielsweise in der Ehe für alle oder eingetragenen Partnerscha!.» Mai 2019 37
MÄNNERSACHE — Monogamie «Wer das Animalische in sich verleugnet, verleugnet einmal etwas Ähnliches passiert. Damals gab es einen riesigen Streit, der viel Miss- sich als trauen nach sich zog. Gerade als die Wun- den wieder verheilt schienen, geschah es Mensch.» also erneut. Aber genau da schob ich die Eifersucht für einen Moment zur Seite, schnappte mir Finn und wir packten un- sere Herzen auf den Tisch. Die halbe Nacht lang sprachen wir über Sex, was er uns be- deutet, und waren uns irgendwann einig. der Ausgestaltung einer Paarbeziehung braucht. Da- Nachdem wir dann Monate später einen bei etwas von der Leichtigkeit des Anfangs lebendig Dreier ausprobierten und anschliessend zu halten, wiederzubeleben oder etwas Vergleichba- Händchen haltend nach Hause gingen, res neu zu schaffen, ist wichtig.» Ausserdem solle man merkte ich, dass es sich wie immer an- Bedürfnisse und Befürchtungen bei der Beziehungs- fühlt. Sogar etwas leichter.» gestaltung verbalisieren, ansta% sie zu exkommuni- Felix ist seit über fünf Jahren an Finns zieren. «Man bleibt ein ‹Ich›, trotz des ‹Wir›.» Seite. Im August 2018 heiratete das Paar. Die Frage, ob wir Knecht unserer Biologie oder Ferdinand Krieg Bedacht reflektiert der 37-Jährige, der in über diese erhaben sind, dominiert unser Erleben an Der Berliner Diplomtheologe seiner Freizeit neben Hund und Sport vor vielen Stellen. Zumal nicht abschliessend geklärt wer- berät Paare und allem das humorvolle Vertonen verstaub- den kann, ob der Mensch eine von Grund auf eher Einzelpersonen zu Sexual- ter Schulliteratur im Kopf hat, die Öffnung mono- oder polygame Spezies ist. Streunender Tiger und Beziehungsleben. seiner Beziehung. oder der Zweisamkeit frönender O%er? Über alle Ar- «Ich ha%e zuvor rein monogame Bezie- ten hinweg, vom intelligenten Primaten bis hin zum hungen. Etwas anderes hä%e ich mir nicht niederen Säugetier, lassen sich vielfältigste Bezie- vorstellen können. Doch insgeheim merk- hungs- und Fortpflanzungskonzepte ausmachen. Das te ich, dass ich mich nach anderen Män- Bild des Genmaterial streuenden Alphamännchens nern umsah und auch an sie dachte. Ich grei! als Erklärung nicht weit genug, können doch habe mal aufgefangen, dass derjenige, der auch Fürsorge und Zusammenschluss das Fortbeste- das Animalische in sich verleugnet, sich hen der Nachkommen sichern. als Mensch verleugnet. Genau darin sehe ich die Schwierigkeiten einer monogamen Ein Blick ins Labor Beziehung. Über au&ommende Gefühle Was sagen aktuelle Forschungen? Der Wunsch, ein mit dem Partner zu sprechen, findet o! Gegenüber zu finden, das monogam ist, scheint beson- nicht sta%, weil man Angst hat, auf em- ders bei jüngeren Homosexuellen stark ausgeprägt. In pörte Ablehnung zu stossen.» einer Befragung, die das amerikanische Forscherpaar Lanz Lowen und Blake Spears an einer repräsenta- Hin- und hergerissen zwischen tiven Stichprobe durchführte, äusserten 90 % der Intellekt und Genetik 18- bis 39-Jährigen, dass sie monogame Beziehungen Ähnliche Gefühle und Bedenken begegnen gegenüber offenen bevorzugen würden. Weitere Un- auch Ferdinand Krieg in seinen Beratun- tersuchungen deuten an, dass die Fremdgehquote bei gen. «Es taucht häufig die Frage auf, wie monogamen homosexuellen Verbindungen mit 26 % viel Exklusivität in einer Paarbeziehung trotzdem ein Viertel all dieser Vereinigungen betrifft. überhaupt sinnvoll ist und ab wann sie Der Diplompsychologe Roland Kirchhof fasst in seiner individuelle Freiheitsbedürfnisse zu sehr Studie «Beziehungsverhalten schwuler Männer bezüg- einschränkt. Auf der anderen Seite gibt lich Monogamie» die Aussagen von rund 300 Teilneh- es aber eben auch die Sorge, den oder die mern wie folgt zusammen. Es seien vorrangig Partner- Partner*in im Dschungel sexueller Ange- scha!sdauer und die erwarteten Konsequenzen eines bote und Begegnungen zu verlieren», sagt Seitensprungs, die dessen Wahrscheinlichkeit beein- er. Diese Verunsicherung könne zu einer flussen. Zwar unterscheide sich die erwähnte Fremd- Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls gehquote von 26% kaum von der bei heterosexuellen in der Paarbeziehung führen. «Für beide Geschlechtsgenossen, nur gebe es eben unter schwulen genannten Problembereiche kann gelten, Paaren insgesamt eine deutlich höhere Akzeptanz, was dass es eine gewisse Konflik%oleranz bei alternative Beziehungskonzepte betrifft. 38 Mai 2019
MÄNNERSACHE — Monogamie «Das könnte auch daran liegen, dass sich homo- monogame Beziehung», gibt Sebastian an. Auf die sexuelle Beziehungen historisch gesehen gegen die Frage, ob es in seiner aktuellen, seit zehn Jahren wäh- herrschende heteronormative Mehrheitsgesellscha! renden Partnerscha! trotzdem auch andere Phasen mit ihren klassischen Vorgaben behaupten und durch- gab, antwortet der 43-Jährige: «Es gibt Umstände, da setzen mussten. Homosexuelle Beziehungen galten kann aus Knutschen auch mehr werden. Mir ist es ein- als Normverstoss, Regelübertretung, sündha!, ver- mal passiert. Mein Freund weiss nichts davon. Jeder werflich, waren geächtet, verpönt und einer Strafver- Mensch hat sexuelle Präferenzen und Vorlieben. In ei- folgung ausgesetzt», merkt Ferdinand Krieg in diesem ner Beziehung muss sich das nicht notwendigerweise Zusammenhang an. «Deshalb mussten sie zumeist im ergänzen. Beide Seiten trotzdem zufriedenzustellen, Verborgenen gelebt werden. Der offene Zugang zu klas- ist schwierig. Reden wäre ein Anfang. Es sollte ein sischen Beziehungsmodellen war gesellscha!lich ver- Kompromiss ge'nden werden, mit dem beide wirk- wehrt. Hieraus hat sich möglicherweise, zum Teil der lich glücklich sind, sonst hat auch Monogamie auf län- Not gehorchend, teilweise aus Experimentierfreudig- gere Sicht keine wirkliche Chance.» keit oder aus einer Protesthaltung, eine grössere Varia- Felix pflichtet dem bei: «Auch bei uns gibt es, trotz tionsbreite an Beziehungsformen herausgebildet.» offener Beziehung, grundsätzlich mehr monogame Aber egal, um welches Beziehungsmodell es sich Phasen. Alles andere wird meist zusammen gemacht auch handelt, die Wahrung vorher ausgeloteter Gren- oder vorher transparent kommuniziert. Nur so 'nk- zen und Regeln scheint essenziell. Oder etwa nicht? tioniert es.» Ob offen, geschlossen oder phasenweise mono- Ende gut, alles gut? gam – wie so o! scheint Kommunikation der Schlüssel «In meiner vorherigen Beziehung hat mein Freund zum Erfolg zu sein. Am Ende wäre es wünschenswert, auf eine offene Beziehung bestanden. Wir ha%en uns Herr über das persönliche Gefühls- und Triebchaos zu auf die «‹Don’t ask, don’t tell›-Variante verständigt. werden. Wer dabei der eigenen und der psychischen Wer Sex hat, erzählt es dem anderen nur, wenn ex- Gesundheit seines Partners einen Gefallen tun will, plizit danach gefragt wird. Letztendlich glaube ich, sollte versuchen, ehrlich zu sein. Es ist viel weniger in dass dieser Ansatz unserer Beziehung geschadet hat. Stein gemeisselt, als uns all die Klischees, Normen und Deswegen wollte ich mit meinem neuen Partner eine Werte weismachen wollen. ANZEIGE ©2017 TCFFC
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