Gerontopsychiatrie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt

 
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Gerontopsychiatrie – highlighted
Demenz – Depression – Delir                   Fall 1: „Die tüttelige                              vergangenen Jahren habe es wiederholt Phasen
Die durchschnittliche Lebenserwartung                                                             von Niedergestimmtheit gegeben, diese seien
                                              Schwiegermutter“
hat in den vergangenen hundert Jahren                                                             aber nie behandelt worden. Im Alltag benötige
von 47 auf 83 Jahre (Frauen) und 78 Jahre                                                         ihre Schwiegermutter inzwischen Unterstützung,
(Männer) zugenommen. Bis 2060 wird            Anamnese                                            zum Beispiel bei der Regelung finanzieller An-
                                              Eine 84-Jährige kommt in Begleitung ihrer           gelegenheiten, der Vorbereitung ihrer Medika-
sie sich auf über 89 Jahre (Frauen) und
                                              Schwiegertochter zum Erstgespräch in unser          mente oder bei der Planung und Organisation
85 Jahre (Männer) erhöhen [1]. In Deutsch-
                                              Memory-Zentrum und berichtet über eine lang-        von Terminen. An körperlichen Vorerkrankungen
land wird die Anzahl Demenzkranker auf        sam zunehmende Vergesslichkeit seit dem Tod         bestehe langjährig ein arterieller Hypertonus.
1,2 Millionen geschätzt [2]. Das Risiko an    ihres Ehemannes vor fünf Jahren. Jetzt, seit
einer Demenz zu erkranken, steigt mit zu-     dem plötzlichen Tod ihres älteren Sohnes vor        Diagnostik und Befund
nehmendem Alter. Datenanalysen lassen         einigen Wochen, leide sie außerdem unter Ein-       Im psychopathologischen Befund zeigen sich bei
ebenso einen Anstieg der Depressionsrate      und Durchschlafstörungen, ihre Stimmung sei         der allseits orientierten Patientin eine affekti-
vermuten (4 Prozent bei 20 bis 29-jährigen,   deutlich gedrückt und sie fühle sich schwach.       ve Niedergestimmtheit mit psychomotorischer
14 Prozent bei 70 bis 79-jährigen) [3, 33].   Im alltäglichen Leben brauche sie kaum Hilfe,       Unruhe und Agitiertheit. Im formalen Gedan-
Auch das Phänomen der Polypharmazie           auf Nachfragen berichtet sie, sich jedoch häufig    kengang fallen eine Sprunghaftigkeit sowie ei-
nimmt mit steigendem Alter zu bzw. ist mit    über ihr Tun bei der Schwiegertochter rückzuver-    ne Weitschweifigkeit auf. Es imponieren zudem
                                              sichern. Ihr räumliches Orientierungsvermögen sei   leichte Merkfähigkeitsstörungen. Im Rahmen
dessen Auswirkungen verbunden, insbe-
                                              im Vergleich zu früher „etwas schlechter“. Früher   der leitliniengerechten, syndromalen und ätio-
sondere ab 85 Jahren [4]. Mit zunehmen-
                                              habe sie gerne genäht, das mache sie jetzt nicht    logischen Differenzialdiagnostik [5] wird neben
der Lebenserwartung stehen Ärzte einer        mehr. Fremdanamnestisch gibt die Schwieger-         der Eigen- und Fremdanamnese, der klinischen
Patientengruppe gegenüber, die aufgrund       tochter an, dass sich die Patientin seit einigen    Untersuchung, der Routinelabordiagnostik und
ihrer Aetas und Multimorbidität besonderer    Jahren immer öfter zum Beispiel an Arztkontak-      kognitiven Screenings, eine ausführliche neuro-
Kompetenz in Bezug auf gerontopsychiatri-     te oder Terminabsprachen nicht mehr erinnern        psychologische Diagnostik, eine weiterführende
sche Behandlungsansätze bedarf.               könne. Sie verlege oder verstecke häufig ihren      Labordiagnostik sowie eine zerebrale Bildgebung
                                              Schmuck, Geldbeutel oder andere Dinge und finde     durchgeführt. Über eine Liquoruntersuchung wird
                                              diese meist alleine nicht wieder. In fremder Um-    die Patientin im Beisein ihrer Schwiegertochter
                                              gebung benötige sie Orientierungshilfen. In den     ausführlich aufgeklärt, sie entscheidet sich aber

408     Bayerisches Ärzteblatt 9/2019
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Titelthema

                                                                               Dr. Katharina Grobholz
                                                                               Dr. rer. biol. hum. Verena Buschert
                                                                               Dr. Alexander Kuss
                                                                               Privatdozent Dr. Jens Benninghoff

dagegen. Der neurologische Untersuchungsbe-         Patienten, die zu Hause leben und unter leicht             durch einen nahen, am besten im Haushalt des
fund und das Labor sind unauffällig. Im aktuel-     bis mittelschweren kognitiven Defiziten leiden.            Betroffenen lebenden Angehörigen, ausgefüllt
len cCT (zerebrale Computertomografie) – eine       Entscheidend ist dabei, dass es sich um eine               werden sollten. Das Ergebnis ist als Instrument
zerebrale Kernspintomografie (cMRT) wird von        Fremdbeurteilung handelt und die Fragen somit              der Verlaufsbeurteilung besonders hilfreich [8].
der Patientin bei Klaustrophobie nicht gewünscht
– zeigt sich eine leichtgradige globale Atrophie
sowie eine leicht- bis mittelgradige Mikroangio-     Nr.   Frage                                                                                           JA      NEIN
pathie. In der Elektroenzephalografie (EEG) fällt
                                                     1.    Sind Sie grundsätzlich mit Ihrem Leben zufrieden?
eine geringe Verlangsamung des Grundrhythmus
auf. Die neuropsychologische Leistungsdiagnos-       2.    Haben Sie viele Ihrer Aktivitäten und Interessen aufgegeben?
tik mittels CERAD-Testbatterie und ergänzen-         3.    Haben Sie das Gefühl, Ihr Leben sei unausgefüllt?
de Verfahren weisen neben psychomotorischer          4.    Ist Ihnen oft langweilig?
Verlangsamung, visuellen Wahrnehmungsdefi-
                                                     5.    Sind Sie die meiste Zeit guter Laune?
ziten und Beeinträchtigungen im Benennen auf
Einbußen im episodischen Gedächtnis hin. Bei         6.    Haben Sie Angst, dass Ihnen etwas Schlimmes zustoßen wird?
der CERAD-Testbatterie (Consortium to Estab-         7.    Fühlen Sie sich die meiste Zeit glücklich?
lish a Registry for Alzheimer’s Disease) handelt     8.    Fühlen Sie sich oft hilflos?
es sich um ein standardisiertes Instrument zur
                                                     9.    Bleiben Sie lieber zuhause, anstatt auszugehen und Neues zu unternehmen?
differenzierteren Erfassung kognitiver Defizite
bei Patienten mit Demenz. Diese umfasst die                Glauben Sie, mehr Probleme mit dem Gedächtnis zu haben als die
                                                     10.
Bereiche Sprache, Orientierung, episodisches               meisten anderen?
Gedächtnis sowie konstruktive Praxis [6]. Aus        11.   Finden Sie, es sei schön, jetzt zu leben?
der Selbstbeurteilung zu affektiven Symptomen        12.   Kommen Sie sich in Ihrem jetzigen Zustand ziemlich wertlos vor?
GDS (Geriatric Depression Scale) [7] ergeben sich
                                                     13.   Fühlen Sie sich voller Energie?
keine Hinweise auf eine klinisch relevante de-
pressive Symptomatik. Bei der Kurzversion der        14.   Finden Sie, dass Ihre Situation hoffnungslos ist?
GDS-Skala werden 15 Ja/Nein-Fragen spontan           15.   Glauben Sie, dass es den meisten Leuten besser geht als Ihnen?
beantwortet, je nach errechneter Punktzahl kann      Auswertung: Für Antwort NEIN auf die Fragen 1, 5, 7, 11, 13 sowie für Antwort JA
eine Aussage zur Wahrscheinlichkeit einer vorlie-                auf die Fragen 2, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 12, 14, 15 gibt es je einen Punkt.
genden Depression gemacht werden (Tabelle 1).
                                                     Bewertung:      0 bis 5 Punkte: Depression unwahrscheinlich
Die Fremdbeurteilung zum Alltagsverhalten der                        6 bis 10 Punkte: Depression möglich
Patientin mittels Bayer-ADL-Skala weist auf                          11 bis 15 Punkte: Depression wahrscheinlich bestehend
Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags
                                                    Tabelle 1: Geriatrische Depressionsskala (GDS)
hin. Die Bayer-ADL-Skala dient insbesondere zur                                                 Modifiziert nach: Sheikh JI, Yesavage JA. Geriatric Depression Scale (GDS):
Einschätzung der Alltagskompetenz bei älteren                                  recent evidence and development of a shorter version. Clin Gerontol. 1986 June;5(1/2):165-173

                                                                                                                       Bayerisches Ärzteblatt 9/2019                409
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 ICD-10: Demenzsyndrom                                                                                                 Demenzielles Syndrom
                                                                                                                       In dem hier aufgeführten Fallbeispiel zeigt sich,
 G1.1      Abnahme des Gedächtnisses, am deutlichsten beim Lernen neuer Information und in
                                                                                                                       dass die Durchführung leitliniengerechter Dia­
           besonders schweren Fällen bei der Erinnerung früher erlernter Informationen.
           Die Beeinträchtigung betrifft verbales und nonverbales Material.
                                                                                                                       gnostik bei kognitiven Einbußen im höheren
           Die Abnahme sollte objektiv verifiziert werden.                                                             Alter zu einer verlässlichen Diagnose eines de-
                                                                                                                       menziellen Syndroms führen kann. Die durch
 G1.2      Eine Abnahme anderer kognitiver Fähigkeiten, charakterisiert durch eine Verminderung
                                                                                                                       die Diagnose indizierte Behandlung, bestehend
           der Urteilsfähigkeit und des Denkvermögens. Dies sollte, wenn möglich, durch eine
           Fremdanamnese und eine neuropsychologische Untersuchung oder quantifizierende
                                                                                                                       aus psychopharmakologischen und psychoso-
           Verfahren objektiviert werden. Die Verminderung der früher höheren Leistungsfähigkeit                       zialen Maßnahmen, trägt zur Stabilisierung der
           sollte nachgewiesen werden.                                                                                 demenziellen Symptomatik bei. Der Patientin
                                                                                                                       wurde die Fortführung der medikamentösen an-
           Ein Grad des Gedächtnisverlustes, der mindestens die täglichen Aktivitäten beeinträch-
           tigt, und/oder die Abnahme kognitiver Fähigkeiten beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit                     tidementiven Therapie sowie der psychosozialen
           im täglichen Leben (Zusatzmerkmale für G1).                                                                 Behandlungsmaßnahmen empfohlen.
 G2.       Die Wahrnehmung der Umgebung muss ausreichend lange erhalten geblieben sein (das
                                                                                                                       Notiert
           heißt Fehlen einer Bewusstseinstrübung).
           Bestehen gleichzeitig delirante Zustandsbilder, sollte die Diagnose Demenz aufgescho-                       » E ine differenzierte, leitliniengerechte Diag-
           ben werden.                                                                                                   nostik in der Demenzabklärung führt meist
                                                                                                                         zur Diagnose.
 G3.       Die Verminderung der Affektkontrolle, des Antriebs oder des Sozialverhaltens, manifes-
           tiert sich in mindestens einem der folgenden Merkmale:
           Emotionale Labilität, Reizbarkeit, Apathie, Vergröberung des Sozialverhaltens.                              » D ie Verwendung standardisierter Tests in-
                                                                                                                         klusive Fremdbeurteilungsbögen ermöglicht
 G4.       Für eine sichere klinische Diagnose sollte G1 mindestens sechs Monate vorhanden sein.
                                                                                                                         eine valide Verlaufsbeurteilung.
Tabelle 2: Allgemeine Demenzdefinition nach ICD-10.
                                          Modifiziert nach: T. Jahn & K. Werheid: Demenzen. Göttingen: Hogrefe; 2015
                                                                                                                       » E ine Einbeziehung und Psychoedukation
                                                                                                                         der Angehörigen soll so früh wie möglich
                                                                                                                         erfolgen.

Diagnose                                                Verlauf                                                        Fall 2: „Wird mein Mann dement?“
In Zusammenschau der Befunde wird die Diagnose          Eine im Anschluss an die Behandlungsmaßnah-                    Wenn die Psyche verrückt spielt
eines leichtgradig demenziellen Syndroms vom            men durchgeführte Verlaufsuntersuchung (MMST,
Alzheimer-Typ, gemischte Form (ICD-10: F00.2)           Mini-Mental-Status-Test) nach etwa sechs Mo-                   Anamnese
(Tabelle 2) [9] sowie einer Anpassungsstörung           naten zeigt im Vergleich zur Voruntersuchung                   Ein 75-jähriger Patient stellt sich in Begleitung
nach Tod des Sohnes (ICD-10: F43.2) gestellt. Im        tendenziell bessere Leistungen in der visuel-                  seiner Ehefrau in unserer PIA (psychiatrische Ins-
Rahmen eines Abschlussgesprächs werden mit              len Verarbeitungsgeschwindigkeit, im Wieder-                   titutsambulanz) vor. Er berichtet, er leide unter
der Patientin im Beisein ihrer Schwiegertochter         erkennen zuvor gelernten verbalen Materials,                   motorischer, nächtlicher Unruhe mit permanent
die Diagnose, Therapieoptionen, sinnvolle Ver-          im logisch-schlussfolgernden Denken, in der                    bestehenden Missempfindungen und konse-
haltensweisen im Umgang mit der Erkrankung              Wortflüssigkeit sowie in der Globalbeurteilung                 kutiven Schlafstörungen. Die Ehefrau ergänzt,
sowie Hilfe- und Unterstützungsangeboten aus-           kognitiver Kapazitäten. Der MMST dient bei der                 dass ihr Mann darüber hinaus nachts verwirrt,
führlich besprochen.                                    Demenzdiagnostik als neurokognitive Screening-                 ängstlich und getrieben sei und in der Wohnung
                                                        und Verlaufsuntersuchung. In Interviewform wer-                umherlaufe. Zudem fühle er sich beobachtet
Therapie                                                den über neun verschiedene Bereiche kognitiver                 und bestohlen. Insgesamt sei er von der Stim-
Gemäß der aktuellen, 2016 überarbeiteten,               Funktionen getestet (zeitliche und räumliche                   mung niedergedrückt und habe wenig Antrieb
S3-Leitlinie Demenzen [5] wurden sowohl eine            Orientierung, Merk- und Erinnerungsfähigkeit,                  und Motivation. Die Ehefrau ist sehr besorgt,
pharmakologische Therapie mit einem Antide-             Aufmerksamkeit, Sprache und Sprachverständ-                    ihr Mann könne sich etwas antun. Der Patient
mentivum als auch psychosoziale Behandlungs-            nis, Lesen und Schreiben, Zeichnen und Rechnen).               befürchtet, an Alzheimer-Demenz erkrankt zu
maßnahmen begonnen. Da kardiale Ursachen                Die maximal zu erreichende Punktzahl beträgt                   sein und habe in diesem Zusammenhang akute
(QT-Zeit-Verlängerung) einer Behandlung der            30. Anhand der vom Patienten erreichten Punk-                  Suizidgedanken geäußert.
ersten Wahl mit einem Acetylcholinesterase-             te kann eine erste Einschätzung getroffen wer-
hemmer entgegenstanden, leiteten wir eine               den, ob und in welchem Ausmaß eine kognitive                   Im Vorfeld des Ambulanztermins waren die Dia-
Medikation mit Memantin (Zieldosis 20 mg) ein.          Einschränkung wahrscheinlich ist, zudem kann                   gnosen eines Restless-legs-Syndroms sowie einer
Zur Stabilisierung und Leistungssteigerung wird         der Test als besonders schnell durchführbares                  leichtgradigen Polyneuropathie gestellt worden.
die Patientin in ein wöchentlich stattfindendes,        Instrument in der Verlaufskontrolle verwendet                  Wegen erstgenannter Diagnose besteht eine
standardisiertes ambulantes Behandlungspro-             werden [11]. Tendenziell schlechtere Leistungen                Behandlung mit Rotigotin, einem Dopaminre-
gram „Aktiv+++“ an unserem Memory-Zentrum               erzielt die Patientin im verbalen Arbeitsgedächt-              zeptor-Agonisten, der neben der Behandlung
über mehrere Monate hinweg eingebunden,                 nis und in der verbalen Lern- und Merkfähigkeit,               des idiopathischen Parkinson-Syndroms auch
welches kognitive Stimulation [10] und körper-          wobei insbesondere in den ersten beiden Lern-                  zur Behandlung des Restless-legs-Syndroms
liche Aktivierung beinhaltet. An der parallel zur       durchgängen erhebliche Aufmerksamkeits- und                    eingesetzt wird und Levodopa/Benserazid. Eine
Behandlung der Patientin stattfindenden An-             Konzentrationseinbußen zu beobachten sind.                     passagere Therapie mit Gabapentin und Tilidin
gehörigenschulung will die Schwiegertochter             Aus der Fremdbeurteilung zum Alltagsverhalten                  zur Besserung der Missempfindungen habe zu
aufgrund ihrer Berufstätigkeit zu einem spä-            der Patientin (Bayer-ADL-Skala) [8] resultiert ein             keinem Erfolg geführt. Aufgrund der depressiven
teren Zeitpunkt teilnehmen.                             stabiles Ergebnis (Abbildung 1).                               Symptomatik sei Escitalopram ergänzt worden.

410       Bayerisches Ärzteblatt 9/2019
Gerontopsychiatrie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt
Titelthema

Diagnostik und Befund
Psychopathologisch zeigt sich der Patient zu           CERAD Abzeichnen

allen Qualitäten orientiert. Im interpersonellen
                                                            CERAD Tiere
Kontakt ist er hilfesuchend und klagsam. Seine
mnestischen Funktionen sind intakt. Der for-            CERAD Benennen
male Gedankengang ist verlangsamt. Es fallen
wahnhafte Symptome in Form von Verfolgungs-,                     TMT-A
Bestehlungs- und Verarmungsideen bei ausge-
prägter depressiver Affektivität auf. Die Schwin-              ZN vorw.

gungsfähigkeit ist reduziert. Psychomotorik und
                                                          CERAD Lernen
Antrieb imponieren vermindert. Es bestehen akute
Suizidgedanken.                                             CERAD Abruf

In der zerebralen Bildgebung mittels cCT findet sich         CERAD WE

ein altersentsprechender Befund. Ebenso ergeben
sich in der Routinelabordiagnostik keine wegwei-                    MZ

senden Befunde. In der Elektroenzephalografie
                                                              ZN rückw.
(EEG) in Ruhe zeigt sich ein regelrechtes alpha-
EEG. Im neurokognitiven Screening ergeben sich                   MMST
keine Hinweise auf eine demenzielle Entwicklung.
                                                                 TMT-B         nicht durchführbar
Diagnose
                                                                          -5      -4           -3   -2                 -1              0      1          2         3         4
In Zusammenschau der Befunde mit depressiv-
                                                                                                         Prä-Testung          Post-Testung
klagsamen Affekt, verminderter Schwingungs-
fähigkeit, reduziertem Antrieb und wahnhafter          Abbildung 1: Neuropsychologische Anfangs- und Verlaufsuntersuchung der 84-jährigen Patientin mit Alzhei-
                                                       mer-Demenz vor (Prätestung: 7. Dezember 2018) und nach (Posttestung: 17. Juni 2019) Teilnahme an einer
Begleitsymptomatik sowie regelrechter zerebraler       wöchentlich stattfindenden, mehrmonatigen psychosozialen Intervention.
Bildgebung und unauffälliger neurokognitiver
Testung ist somit die Diagnose einer schweren          Neuropsychologische Untersuchung – eingesetzte Untersuchungsverfahren: CERAD (Consortium to Establish
depressiven Episode mit psychotischen Sympto-          a Registry for Alzheimer‘s Disease), MZ = Matrizentest, WAIS-IV (Wechsler Intelligenztest für Erwachsene, dt.
                                                       Adaption); ZN = Zahlen nachsprechen vorwärts/rückwärts, MMST = Mini-Mental-Status-Test; GDS = Geriatric
men zu stellen (ICD-10: F32.2).
                                                       Depression Scale, Bayer-ADL = Bayer Activities of Daily Living Scale

Therapie
Aufgrund der Suizidalität erfolgte die stationä-
re Aufnahme. Wegen der unter antidepressiver
Therapie persistierenden depressiven Sympto-           Syndroms hat sich zwar der Bewegungsdrang                            bisherigen Daten von einem deutlichen Überwie-
matik, verordnen wir anstelle des Escitaloprams        initial vermindert, es verstärkt sich dafür aber                     gen der Depression beim weiblichen Geschlecht
das duale (serotonerg und noradrenerg wirksa-          die wahnhafte Komponente. Die wahnhaften                             ausgegangen werden. Das Depressionsrisiko steigt
me) Antidepressivum Venlafaxin, worunter sich          Symptome können wiederum durch die anti-                             ferner beim älteren Menschen mit körperlichen Ko-
im Verlauf einerseits die depressive Affektlage        psychotische Therapie mit Risperidon beherrscht                      morbiditäten an [3]. Im Hinblick auf die Gesundung
bessert, andererseits die Missempfindungen als         werden, diese erhöht im Gegenzug jedoch durch                        scheint das Alter alleine die Prognose jedoch nicht
wesentlich erträglicher gewertet werden. Bei           ihren antidopaminergen Effekt den Bewegungs-                         zu beeinflussen, hier spielen das Vorhandensein
anhaltenden wahnhaften Symptomen wird die              drang, der jedoch aufgrund der minimalen Dosis                       eines Partners, ein stützendes soziales Umfeld,
dopaminerge Therapie mit Rotigotin und Levo-           von Risperidon nicht deutlich zunahm. Die Bes-                       psychische und somatische Komorbiditäten die
dopa beendet, die psychotische Symptomatik             serung der depressiven Symptomatik sowie die                         entscheidende Rolle [15 bis 19]. Die Differenzierung
nimmt danach spürbar ab. Trotz Zunahme des             Remission der psychotischen Begleitsymptoma-                         zwischen den Symptomen somatischer Erkrankun-
nächtlichen Bewegungsdranges nach Absetzen             tik wirken sich schließlich bei unserem Fall mit                     gen und den Beschwerden der Depression stellt
von Rotigotin und Levodopa wird die Medika-            zuletzt gut stabilisiertem psychischem Zustand,                      eine schwierige Aufgabe dar [20] – insbesondere,
tion um 0,5 mg Risperidon zur Nacht erweitert,         positiv auf die Restless-legs-Symptomatik und die                    wenn wie in diesem Fall aufgrund der berichte-
um die wahnhafte Begleitsymptomatik gänzlich           polyneuropathisch bedingten Parästhesien aus.                        ten Verwirrtheit, differenzialdiagnostisch eine
einzudämmen.                                                                                                                Demenz von einer sogenannten „depressiogenen
                                                       Depression                                                           Pseudodemenz“ abzugrenzen ist (Tabelle 3) [21].
Verlauf                                                Die Lebenszeitprävalenz für eine Depression, egal                    Hierbei ist auch zu beachten, dass Patienten, die
Der Patient wirkt hierunter im Verlauf deutlich        welcher Form, liegt in Deutschland wie interna-                      an einer Depression leiden, ein doppelt so hohes
entlastet, wahnhaftes Erleben oder Suizidalität        tional bei 16 bis 20 Prozent [12, 13]. Frauen in                     Risiko besitzen, im Laufe ihres Lebens an einer
lässt sich nicht mehr eruieren, die psychomoto-        Deutschland haben mit einer Zwölfmonatsprä-                          Alzheimer-Demenz zu erkranken [22].
rische Unruhe nimmt ab und der Bewegungs-              valenz für eine unipolare Depression von 10,6
drang wird nach eigenen Angaben nicht mehr             Prozent ein doppelt so hohes Erkrankungsrisiko                       Die Depressionsbehandlung hat ein großes Spek-
als relevant empfunden.                                wie Männer [14]. Auch wenn wiederholt diskutiert                     trum, das von „watchful-waiting“ bis zur Elektro-
                                                       wird, ob dieses Geschlechterphänomen nicht zum                       krampf-Therapie reicht. Mit jedem Patienten muss
Die medikamentöse Einstellung gestaltet sich hier      Beispiel auf einer unzureichenden Diagnosestellung                   somit individuell ein Therapiekonzept vereinbart
aufgrund der Komorbiditäten schwierig. Durch           bei Männern oder an einem invalidem Diagno-                          und dieses regelmäßig reevaluiert und gegebe-
die dopaminerge Therapie des Restless-legs-            sesystem liegen könnte, kann entsprechend den                        nenfalls angepasst werden.

                                                                                                                                     Bayerisches Ärzteblatt 9/2019        411
Gerontopsychiatrie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt
Titelthema

Notiert
» K omorbiditäten erschweren die Depres­
  sionsbehandlung älterer Patienten, wes-
  wegen vor Medikationsbeginn Interakti-
  onen, Wechselwirkungen und mögliche
  Verschlechterungen anderer Erkrankungen
  mittels Risiko-Nutzen-Abwägung bedacht
  werden müssen.

» E ine Demenz und eine „Pseudodemenz“ las-
  sen sich oft bereits durch Anamnese und
  klinische Befunderhebung unterscheiden.

Fall 3: Der verwirrte Nachbar
Anamnese
Ein 64-Jähriger (ledig, alleinlebend, Rentner)
wird nach Wohnungsöffnung verwirrt und ver-
wahrlost in die Klinik gebracht. Der Betroffe-
ne ist desorientiert, situationsverkennend und
psychomotorisch unruhig. Eine Eigenanamne-
se ist nicht erhebbar, fremdanamnestisch lässt                                           Abbildung 2: Zerebrale Computertomografie nativ, transversale Schichtung.
sich eruieren, dass der Betroffene seit mehreren                                         Frontotemporal betonte Atrophie bei 71-jähriger Patientin mit Alzheimer-Demenz.
Monaten zunehmend Alltagskompetenz und Ge-
dächtnisleistung verloren habe.

Diagnostik und Befunde                                  verkennend und kann keinerlei Aufgaben selbst                    Die Laboruntersuchungen mit Blutbild, Ge-
Ein fokal-neurologisches Defizit findet sich in         übernehmen. Aufforderungen befolgt er nicht,                     rinnung, Elektrolyten, TSH basal, Leber- und
der körperlichen Untersuchung nicht. Der Betrof-        es besteht eine Harn- und Stuhlinkontinenz und                   Nierenwerten, Blutfetten, HBA1c sowie CRP,
fene ist in der Vigilanz schwankend, situations-        fremdaggressives Verhalten.                                      Creatinkinase und Troponin I sind normwertig.
                                                                                                                         Ein Infektfokus findet sich nicht. Die Serolo-
                                                                                                                         gie für TPHA, HIV und Hepatitis C ist negativ,
                                                                                                                         für Hepatitis B zeigt sich die Konstellation
 Symptom           Demenz                                             „depressiogene Pseudodemenz“                       einer abgelaufenen, ausgeheilten Infektion.
                                                                                                                         Im nativen cCT lässt sich keine akute Affek-
 Alter             höheres Lebensalter                                jedes Erwachsenenalter
                                                                                                                         tion nachweisen, auffällig ist jedoch eine
 Beginn            schleichender Beginn (Monate bis Jahre)            rascher Beginn                                     ausgeprägte symmetrische, fronto-temporal
 Verlauf           langsam und stetig progredient                     rasch zunehmend, wechselnder                       betonte Atrophie (Abbildungen 2, 3 und 4).
                                                                      Verlauf                                            Nach notfallmäßiger Lumbalpunktion ist der
 Arztbesuch        fremdmotiviert                                     eigenmotiviert                                     Liquorstatus bei regelrechter Zellzahl ohne
                                                                                                                         wegweisenden Befund. Die Proteine 14 bis 33
 Angst             gering                                             hoch
                                                                                                                         sind negativ, es findet sich jedoch eine Erhö-
 Beschwerde-       eher selten spontan, schildert die Be-             klagsam, schildert detailliert,                    hung der Tau-Proteine mit einem Alpha-Tau
 schilderung       schwerden ungenau, dissimulierend                  aggravierend                                       von 784 pg/ml bei einem Referenzbereich von
 Stimmung          wechselnd, leicht umzustimmen (Defi-               gleichbleibend depressiv (Defizite                 < 605 und einem p-Tau-Protein von 92,6 pg/ml
                   zite werden weniger wahrgenommen)                  werden als schwerer erlebt)                        bei einem Referenzbereich von < 61 bei gleichzei-
 Aufmerksam-       gestört                                            nur bei schweren Formen der                        tig erniedrigtem ß-Amyloid-Quotienten (42/40)
 keit                                                                 Depression gestört                                 (x10) von 0,49 bei einem Referenzbereich von
 Körperpflege      zunehmend vernachlässigt                           meist unauffällig                                  > 0,6. Eine Erhöhung der Tau-Proteine (Gesamt-
                                                                                                                         Tau) ist ein Zeichen eines neurodegenerativen
 Verhalten         meist unbesorgt, fordernd                          meist sehr besorgt, unsicher und
                                                                                                                         Prozesses. Bei der Alzheimer-Demenz kommt es
                                                                      zurückhaltend
                                                                                                                         durch eine fehlerhafte Hyperphosphorilierung
 Auffassung        meist stark gestört                                meist nicht gestört                                (p-Tau-Protein, Phospho-Tau-Protein) zur int-
 Gedächtnis-    von Gedächtnisstörungen ist zunächst                  abgesehen von einer Verlangsa-                     razellulären Ablagerung der Tau-Proteine und
 störungen und das aktuelle Geschehen betroffen, spä-                 mung keine weiteren Störungen                      somit zum Zelluntergang. Amyloid-Beta 42 und
 andere kogni- ter kommen weitere Störungen hinzu                                                                        40 gelten als neurotoxisch und sind Peptide,
 tive Störungen                                                                                                          die extrazellulär akkumulieren und die senilen
 Dauer             chronisch voranschreitend                          nur passager                                       Plaques bei der Alzheimer-Erkrankung darstel-
Tabelle 3: Unterschiede zwischen Demenz und „depressiogener Pseudodemenz“.
                                                                                                                         len. Durch die Aggregatbildung kommt es bei
                              Modifiziert nach: Maier W., Schulz J.B., Weggen S.: Alzheimer und Demenzen verstehen.      der Alzheimer-Demenz zu einer Erniedrigung
                                                Diagnose, Behandlung, Alltag, Betreuung. Stuttgart: Trias-Verlag; 2011   der gemessenen Peptide.

412        Bayerisches Ärzteblatt 9/2019
Gerontopsychiatrie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt
Titelthema

Abbildung 3: Zerebrale Computertomografie nativ, sagittale Schichtung.            Abbildung 4: Zerebrale Computertomografie nativ, coronare Schichtung.
Frontotemporal betonte Atrophie bei 71-jähriger Patientin mit Alzheimer-Demenz.   Frontotemporal betonte Atrophie bei 71-jähriger Patientin mit Alzheimer-Demenz.

Diagnose
                                                                     Anzeige
In Zusammenschau der Befunde ist somit die
Diagnose eines Delirs bei Alzheimer-Demenz mit
frühem Beginn zu stellen (ICD-10: F05.1; F00.0).
Für das Delir typisch ist die akute Verschlech-
terung, des sich bis dahin selbst versorgenden
Patienten sowie der fluktuierende Verlauf mit
Störungen von Bewusstsein, Aufmerksamkeit und
Orientierung. Als wahrscheinlicher Auslöser ist                                                                     die effiziente Praxis-Software
die Exsikkose zu sehen, wobei die vorbestehende
demenzielle Erkrankung in unserem Fallbeispiel                                                      Data-AL      wurde von Ärzten aus der Praxis
als entscheidender Risikofaktor zur Entwicklung                                                                für die Praxis entwickelt.
eines manifesten Delirs zu sehen ist. Die Diagnose
einer Alzheimer-Demenz lässt sich insbesonde-                                                         Die elektronische Karteikarte ist für den
                                                                                                     Informationsbedarf des Arztes optimiert.
re anhand des klinischen Bildes nach Abklingen
des akuten Delirs, der zerebralen Bildgebung,                                                         Die einfache und intuitive Bedienbarkeit
des Befundes der Neurodegenerationsmarker im                                                          macht Spaß und erspart Ihnen viel Zeit.
Liquor sowie des fremdanamnestisch berichteten
klinischen und zeitlichen Krankheitsverlaufs im
Vorfeld stellen.

Therapie
Wir behandeln strukturierend, sedierend und
entaktualisierend mit Risperidon und Loraze-
pam. Zunächst müssen nach der Diagnosefindung
auslösende Faktoren identifiziert und im Idealfall
kausal behandelt werden. Ein Beispiel wäre eine
leitliniengerechte antibiotische Behandlung eines
Infektes, der Ausgleich eines Flüssigkeitsmangels
oder einer Elektrolytentgleisung. Der Patient war
initial exsikkiert, sodass umgehend eine intravenö-                                                 Ihr Medizintechnikpartner in Bayern
se Flüssigkeitssubstitution eingeleitet wurde. Me-
                                                                                                        0961 390150
dikamentös rücken in der Behandlung bei älteren
Patienten neben dem klassischerweise eingesetz-                                                         www.4medic.de
ten, auch international in der Literatur immer noch

                                                                                                                     Bayerisches Ärzteblatt 9/2019          413
Gerontopsychiatrie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt
Titelthema

 Medikamentös                                                                                                    Patienten mit Demenz haben im Anschluss an
 » Antipsychotika („start low and go slow“)                                                                      ein Delir ein 33-prozentiges Risiko, langfristig
    – Haloperidol, Risperidon, Quetiapin, Olanzapin                                                              in einer Einrichtung untergebracht werden zu
 » Benzodiazepine („low dose“)                                                                                   müssen, wobei nur 20 Prozent der Delirpati-
    keine Substanz erster Wahl                                                                                   enten ohne vordiagnostizierte Demenz hier-
    – Einsatz vor allem bei Krampfanfällen, Delirien bei Alkohol- oder Sedativentzug                             von betroffen sind [31]. Das klinische Bild des
    – bevorzugt Lorazepam (kurze Halbwertszeit, kein aktiver Metabolit)                                          Delirs ist sehr variabel und oft schwierig von
 Nicht-medikamentös                                                                                              einer Demenz abzugrenzen. Ein wichtiges Un-
 » Überprüfung der prämorbiden Medikation                                                                        terscheidungsmerkmal ist der akute Beginn
 » Kontinuierliche Reevaluation                                                                                  des Delirs, im Vergleich zu dem schleichenden
 » Stressreduktion                                                                                               Beginn einer demenziellen Entwicklung. Delir­
 » Gabe von Orientierungshilfen (Kalender, Uhr, Fotos der Familie)                                               typisch sind zudem Fluktuationen der Sympto-
                                                                                                                 me, die üblicherweise in Frequenz und Ausmaß
 Allgemein
                                                                                                                 die Schwankungen bei einer Demenz übertreffen
 » Korrekte Diagnosefindung                                                                                      [5]. Ein Delir kann sowohl hyper- (fünf Prozent)
 » Überprüfung der Medikation                                                                                    als auch hypoaktiv (30 Prozent) sein, Misch-
 » Ursachenidentifikation und Behandlung                                                                         formen (65 Prozent) werden laut Literatur am
Tabelle 4: Therapieansätze bei Verdacht auf ein bestehendes oder sich entwickelndes Delir.                       häufigsten beobachtet [26, 32].

                                                                                                                 Notiert
                                                                                                                 » E in Delir ist bei älteren Patienten häufig
 Risikofaktoren
                                                                                                                   und sollte insbesondere im stationären
 » Höheres Lebensalter; > 70 Jahre                                                                                 Rahmen bei Zustandsverschlechterung dif-
 » Demenzielle Entwicklung                                                                                         ferenzialdiagnostisch bedacht werden.
 » Seh- und/oder Hörminderung
 » Depression                                                                                                    » A ls Erstes sollte nach Diagnosestellung
 » Alkoholabusus                                                                                                   ein­­­es Delirs eine Überprüfung der aktuellen
 » zerebrale (transitorische) Ischämie in der Anamnese                                                             Medikation sowie eine Ursachensuche und
 » vorheriges Delir                                                                                                -behandlung erfolgen.
 » Komorbidität
 Auslösende Faktoren                                                                                             » D elirien sind lebensbedrohlich und müssen
 » Medikamente/Polypharmazie/Substanzentzug                                                                        als ernstzunehmende, eigenständige Krank-
 » Operationen/Anästhesie                                                                                          heitsbilder gesehen werden.
 » Infektionen, Sepsis
 » Intubation/Hypoxie                                                                                            Das Literaturverzeichnis kann im Internet
 » Metabolische Entgleisungen (zum Beispiel Elektrolytentgleisung,                                               unter     www.bayerisches-aerzteblatt.de
    Hypo-/Hyperglykämie, Nieren-/Leberversagen)                                                                  (Aktuelles Heft) abgerufen werden.
 » Dehydratation
 » Traumata                                                                                                      Die Autoren erklären, dass sie keine finan-
 » Stress                                                                                                        ziellen oder persönlichen Beziehungen zu
Tabelle 5: Mögliche Risikofaktoren und Auslöser für ein Delir.                                                   Dritten haben, deren Interessen vom Ma-
                                                                                                                 nuskript positiv oder negativ betroffen sein
                                                                                                                 könnten.

als „Goldstandard“ gewerteten, niedrig dosierten          remobilisieren. Die führende medikamentöse Be-
Haloperidol zum Teil auch atypische Neurolepti-           handlung bestand aus Antipsychotika (Risperidon)
ka wie unter anderem Risperidon, Quetiapin, und           und zu Beginn des Aufenthaltes aus Lorazepam
Olanzapin in den Vordergrund. Diskutiert wird             bei ausgeprägter Unruhe und Agitation. Der
hier eine gleichwertige Wirkung bei günstigerem           Patient war zuletzt selbstständig auf Stations-
Nebenwirkungsprofil, zum Beispiel weniger das             ebene mobil. Psychopathologisch verblieb jedoch
extrapyramidalmotorische System (EPMS) betref-            eine vollständige Desorientierung, weswegen             Autoren
fend [24, 25]. Benzodiazepine hingegen sollten            die Entlassung in eine beschützte Einrichtung
nur im konkreten Bedarfsfall eingesetzt werden            erfolgen musste.                                        Dr. Katharina Grobholz
(Sedativa-Entzug, Anfälle, Agitation) [23, 24, 25].                                                               Dr. rer. biol. hum. Verena Buschert
Ergänzend sollten flankierende Therapieansätze            Delir                                                   Dr. Alexander Kuss
wie zum Beispiel Stressreduktion, Orientierungs-          Patienten im höheren Lebensalter sind besonders         Privatdozent Dr. Jens Benninghoff
hilfen und Einbindung von Angehörigen genutzt             gefährdet, ein Delir zu entwickeln [23, 26, 27, 28].
werden (Tabelle 4).                                       Die Prävalenz des Delirs beim älteren, hospitali-       Zentrum für Altersmedizin und Entwick-
                                                          sierten Patienten liegt bei bis zu 50 Prozent [29].     lungsstörungen, kbo-Isar-Amper-Klinikum
Verlauf                                                   Der Hauptrisikofaktor für ein Delir stellt das          München Ost, Vockestraße 72, 85540 Haar
Nach langwierigem und schwierigem Behand-                 primäre Vorhandensein einer demenziellen Er-
lungsverlauf gelang es, den Patienten wieder zu           krankung dar (Tabelle 5) [26 bis 30].

414       Bayerisches Ärzteblatt 9/2019
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