Geschlechtsangleichende Hormontherapie bei Transidentität: Voraussetzungen und Therapiemanagement
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Gynäkologische Endokrinologie J. Gynäkol. Endokrinol. CH Gesine Meyer https://doi.org/10.1007/s41975-021-00215-x Zentrum für Innere Medizin, Medizinische Klinik 1, Schwerpunkt Endokrinologie, Universitätsklinikum Angenommen: 26. August 2021 Frankfurt, Frankfurt, Deutschland © Der/die Autor(en) 2021 Geschlechtsangleichende Hormontherapie bei Transidentität: Voraussetzungen und Therapiemanagement Eine Geschlechtsinkongruenz liegt vor, auf das 10-Fache erhöht [4, 5]. Eini- Voraussetzungen zur wenn das bei Geburt zugewiesene, biolo- ge Studien weisen auf eine signifikante Einleitung einer geschlechts- gische Geschlecht und die empfundene Verbesserung zuvor bestehender psychi- angleichenden Hormontherapie Geschlechtsidentität nicht übereinstim- scher und körperlicher Symptome sowie men. In direkter Übersetzung aus dem eine Zunahme der Lebensqualität nach Die GAHT führt rasch zu deutlichen, Englischen wird oftmals noch die Be- Beginn einer geschlechtsangleichenden teilweise irreversiblen Veränderungen. zeichnung Transsexualität genutzt. Viele Hormontherapie hin [6–8]. Die Rate Unabdingbare Voraussetzung zum The- Betroffene bevorzugen jedoch den als derer, die ihre Entscheidung zur Ge- rapiebeginn ist daher die Diagnosesi- weniger stigmatisierend empfundenen schlechtsangleichung später bereuen, ist cherung und klare Indikationsstellung Begriff Transidentität oder bezeichnen in Europa mit 0,3–0,6 % sehr gering durch einen erfahrenen Psychothera- sich selbst als Transgender. Biologisch [1]. Die geschlechtsangleichende Hor- peuten oder Psychiater. Ideal ist eine männliche Menschen mit weiblicher montherapie (GAHT) ist für Betroffene interdisziplinäre Vernetzung der Be- Geschlechtsidentität werden als Trans- identitätsstiftend. Allerdings stellt die handler z. B. in Form von Behandlerar- frauen bezeichnet, biologisch weibliche Gabe biologisch kontrasexueller Hor- beitskreisen, Qualitätszirkeln oder mul- Menschen mit männlicher Geschlechts- mone einen erheblichen Eingriff in die tidisziplinären Therapieeinrichtungen identität entsprechend als Transmänner. körperliche Integrität dar. Insbesondere [11, 12]. Ein Therapiebeginn ist prin- Zur Epidemiologie der Transidentität bei unkontrollierter oder überdosier- zipiell – das schriftlich dokumentierte existieren keine sicheren Daten. Aus ter Behandlung besteht ein nicht un- Einverständnis der Erziehungsberech- Hochrechnungen der Daten großer spe- erhebliches Risiko für unerwünschte tigten und eine entsprechende Reife zialisierter Behandlungszentren für tran- Wirkungen, wichtig vor allem vor dem des Jugendlichen vorausgesetzt – ab ei- sidente Menschen wird die Prävalenz auf Hintergrund einer zumeist lebenslangen nem Alter von etwa 16 Jahren möglich. 0,02–0,03 % geschätzt [1]. Schätzungen, Behandlung körperlich gesunder und Bei Minderjährigen ist eine Bestätigung die auf Befragungen zur Geschlechtsi- junger Menschen. der Indikation durch einen unabhän- dentität basieren, ergeben eine mehr als In den letzten Jahren ist ein Anstieg gigen zweiten Therapeuten zu fordern 10-mal so hohe Prävalenz von 0,3–0,5 % der Anzahl transidenter Menschen zu [11]. Vor Therapieeinleitung muss ei- [2]. Im Kindesalter liegen die Zahlen beobachten, die sich mit dem Wunsch ne ausführliche Aufklärung hinsichtlich teils deutlich darüber, nur bei einem nach geschlechtsangleichenden Maß- der Wirkungen, des zeitlichen Verlaufs, kleineren Anteil persistiert die Trans- nahmen vorstellen [1]. Mögliche Mitur- der gegebenen Grenzen sowie über die identität bis in das Erwachsenenalter sachen hierfür liegen in der steigenden möglichen unerwünschten Wirkungen hinein [3]. In diesen Fällen entwickelt gesellschaftlichen Akzeptanz der The- erfolgen [11, 12]. sich typischerweise mit dem Einsetzen matik und der deutlichen Zunahme der körperlichen Veränderungen in der der öffentlichen und medialen Wahr- Medizinische Abklärungen vor Pubertät ein deutlicher Leidensdruck nehmung. Trotz dieser zunehmenden Therapiebeginn (Geschlechtsdysphorie), der bei vielen, Wahrnehmung und Akzeptanz verläuft wenngleich nicht allen Betroffenen zum die medizinische Versorgung Betroffener Zur Erfassung möglicher Kontraindika- Wunsch nach geschlechtsangleichen- häufig nicht optimal [9, 10]. tionen und zur Abklärung eventuell vor- den Maßnahmen führt. Die Rate an handener Risikofaktoren ist ein umfas- Suizidgedanken und -versuchen ist bei sendes prätherapeutisches Risikoscree- Menschen mit Geschlechtsdysphorie bis ning mit ausführlicher Eigen- und Fa- Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz
Gynäkologische Endokrinologie Tab. 1 Empfehlungen zur Abklärung vor Therapiebeginn und Kontraindikationen. (Nach [11, riante der Geschlechtsentwicklung not- 12]) wendig. Eigen- ✔ Vorerkrankungen (v. a. kardiovaskuläre und thromboembolische Erkrankun- Komorbiditäten und Risikofaktoren anamnese gen, metabolische Störungen bzw. Erkrankungen, Lebererkrankungen, Tumoren, (z. B. arterielle Hypertonie, Diabetes, Migräne) Fettstoffwechselstörung, chronische Le- ✔ Vormedikation (Selbstmedikation mit Hormonpräparaten, regelmäßige Einnah- bererkrankungen, HIV) müssen einer me anderer Medikamente) adäquaten Behandlung zugeführt wer- ✔ Nikotin, Alkohol, Drogen den und stellen bei suffizienter Therapie ✔ Sozialanamnese (sozialer Rollenwechsel, berufliche Tätigkeit, Partnerschaft, keine absolute Kontraindikation dar. sexuelle Orientierung) Absolute Kontraindikationen sind ✔ Kinderwunsch selten (. Tab. 1). Die GAHT ist für Familien- ✔ Thromboembolische Erkrankungen die Betroffenen so essenziell, dass ihr anamnese ✔ Kardiovaskuläre Erkrankungen im Einzelfall und in möglichst breitem ✔ Hormonsensible Tumorerkrankungen (Mamma, Zervix, Prostata) Konsens mit allen Behandlern sowie ✔ Fettstoffwechselstörungen nach ausführlicher Risikoaufklärung Körperliche ✔ Internistische Untersuchung einschließlich Gewicht, Blutdruck auch bei Vorliegen relativer Kontrain- Untersu- ✔ Sekundäre Geschlechtsmerkmale (Brust, Genitalien, Behaarungsmuster) dikationen Priorität eingeräumt werden chung kann. Aufgrund der hohen Risiken ei- ✔ Biologische Frauen: gynäkologische Vorsorgeuntersuchung inklusive zumindest transabdomineller Sonographie des inneren Genitales ner unkontrollierten Selbstmedikation bei Vorenthalten einer therapeutisch ✔ Biologische Männer > 40 Jahre: urologische Vorsorgeuntersuchung kontrollierten Hormontherapie ist eine Labor ✔ Leberwerte individuelle Lösungsfindung anzustre- ✔ Blutbild ben. ✔ HbA1c, ggf. Nüchternglukose ✔ Lipidprofil Transidentität von Mann zu Frau ✔ Hormonstatus (TSH, LH, FSH, Estradiol, Testosteron, Prolaktin; bei biologischen (Transfrauen) Frauen zusätzlich DHEAS, Androstendion) ✔ Bei biologischen Männern PSA Therapie [11] ✔ Kleiner Gerinnungsstatus (INR, PTT) ✔ Thrombophiliescreening bei positiver Eigen- oder Familienanamnese Zur feminisierenden Hormontherapie Kontra- ✔ Florider Alkohol- oder Drogenabusus wird eine Therapie mit 17β-Estradi- indika- ✔ Noncompliance ol oder 17β-Estradiolvalerat oral oder tionen transdermal empfohlen. Aufgrund des ✔ schwerwiegende, die Entscheidung oder Therapie beeinflussende psychische Komorbidität deutlich ungünstigeren Risikoprofils ist ✔ Schwere thromboembolische Vorerkrankung der Einsatz von Ethinylestradiol, wie es in den meisten kombinierten ora- ✔ Unkontrollierte chronische Vorerkrankung (Diabetes mellitus, arterielle Hyperto- nie, Epilepsie) len Kontrazeptiva enthalten ist, obsolet [6, 13, 14]. Das Risiko für thrombo- ✔ Ischämische kardiovaskuläre oder zerebrovaskuläre Vorerkrankung embolische Komplikationen ist unter ✔ Therapierefraktäre Migräne oraler Estradioltherapie höher [15], so- ✔ Leberinsuffizienz, Leberzirrhose dass bei zusätzlichen Risikofaktoren, ✔ Hormonsensible Tumoren (Mamma, Zervix, Prostata) wie Übergewicht, höherem Alter oder ✔ Kinderwunsch Nikotinkonsum, eine transdermale Ap- HbA1c glykiertes Hämoglobin plikationsform erfolgen sollte. Da auch die Absenkung der Andro- gene eine wichtige Voraussetzung für die milienanamnese, körperlicher Untersu- gradige Abweichungen wie beispielswei- erwünschte Feminisierung des Körpers chung und Bestimmung relevanter labor- se eine milde Erhöhung der Androgene darstellt [16], erfolgt ergänzend eine chemischer Parameter notwendig. Dieses im Rahmen eines polyzystischen Ovari- antiandrogene Medikation. Standard ist Screening dient auch zur Anpassung der alsyndroms sind nicht als ursächlich für dabei die Gabe von Cyproteronacetat geplanten Therapie an das individuelle die Geschlechtsinkongruenz anzusehen [17]. Eine mögliche Alternative stellt die Risikoprofil (. Tab. 1). und stellen keine Kontraindikation dar. Gabe von Spironolacton dar. Auch die Die seltene Differenzialdiagnose einer Ein Ausschluss chromosomaler Anoma- Applikation eines GnRH(Gonadotropin- organisch bedingten Variante der Ge- lien ist nur bei klinischen oder labor- Releasing-Hormon)-Analogons ist mög- schlechtsentwicklung muss vor Therapie- chemischen Anhaltspunkten für eine Va- lich, wobei hier die deutlich höheren beginn ausgeschlossen werden. Leicht- Kosten zu beachten sind. Ein zusätzli- Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz
Zusammenfassung · Résumé J. Gynäkol. Endokrinol. CH https://doi.org/10.1007/s41975-021-00215-x © Der/die Autor(en) 2021 G. Meyer Geschlechtsangleichende Hormontherapie bei Transidentität: Voraussetzungen und Therapiemanagement Zusammenfassung Die Anzahl transidenter Menschen, die sich mit Risikofaktoren erfolgen und Komorbiditäten der Fertilität und Schwangerschaftsverhütung dem Wunsch nach geschlechtsangleichenden sollten adäquat behandelt werden. Die erfolgen. Maßnahmen vorstellen, ist, ebenso wie die Behandlung erfolgt gemäß der vorliegenden Die geschlechtsangleichende Hormonthe- öffentliche Wahrnehmung des Themas, Leitlinienempfehlungen bei Transidentität rapie stellt einen wesentlichen Pfeiler der in den letzten Jahren angestiegen. Trotz von Mann zu Frau mit 17β-Estradiol oder medikamentösen Geschlechtsangleichung einer zunehmenden Akzeptanz verläuft die 17β-Estradiolvalerat in Kombination mit dar und mehrere Studien belegen eindeutig medizinische Versorgung Betroffener häufig Cyproteronacetat oder Spironolacton ihre positive Auswirkung auf die Lebensquali- nicht optimal. Aufgrund der weitreichenden als Antiandrogen, bei Transidentität von tät der Betroffenen. Bei sorgfältiger Beachtung und teilweise irreversiblen Konsequenzen Frau zu Mann mit transdermalen oder der notwendigen Vorsichtsmaßnahmen weist sollte eine geschlechtsangleichende intramuskulären Testosteronpräparaten. die Therapie ein akzeptables Risikoprofil auf. Hormontherapie nur bei Erreichen aller Regelmäßige klinische und laborchemische notwendigen Voraussetzungen im Konsens Verlaufskontrollen auf erwünschte und Schlüsselwörter mit dem behandelnden Psychiater bzw. mögliche unerwünschte Wirkungen der Transsexualität · Geschlechtsinkongruenz · Psychotherapeuten und nach ausführlicher Therapie sind ebenso wie gynäkologische bzw. Transgender · Geschlechtsdysphorie · Aufklärung durch einen erfahrenen Arzt urologische Früherkennungsuntersuchungen Geschlechtsangleichende Hormontherapie eingeleitet werden. Vor Therapiebeginn muss dauerhaft notwendig. Vor Therapiebeginn ein umfangreiches Screening auf etwaige sollte eine Aufklärung und Beratung zu Fragen Hormonothérapie féminisante/masculinisante lors de transidentité: conditions requises et gestion du traitement Résumé Le nombre de personnes avec transidentité qui facteurs de risque et traiter correctement traitement, la personne doit être dûment viennent demander des mesures d’adaptation toute comorbidité. Le traitement, conformé- informée et conseillée au sujet de fertilité au genre visé a augmenté au cours des ment aux directives disponibles, consistera et de contraception. L’hormonothérapie dernières années, de même que la perception pour la transidentité homme → femme transgenre est un pilier du traitement publique de ce thème. Malgré une acceptation en l’administration de 17β-œstradiol ou médicamenteux féminisant/masculinisant et croissante, la prise en charge médicale de de 17β-œstradiolvalérate en association plusieurs études confirment clairement son ces personnes est souvent sous-optimale. En avec de l’acétate de cyprotérone ou de la influence bénéfique sur la qualité de vie des raison de l’envergure et du caractère parfois spironolactone comme anti-androgène, et personnes concernées. Lorsque les mesures de irréversible des conséquences, un traitement pour la transidentité femme → homme en précaution nécessaires sont scrupuleusement hormonal féminisant/masculinisant ne doit l’administration transdermique ou intra- respectées, le traitement présente un profil de être instauré que si toutes les conditions musculaire de préparations de testostérone. risque acceptable. requises sont remplies en accord avec le Des contrôles cliniques et biochimiques de psychiatre ou psychothérapeute traitant et l’évolution pour vérifier les effets souhaités et Mots clés après que la personne a reçu des informations les éventuels effets indésirables du traitement Transsexualité · Incongruence de genre · approfondies d’un médecin expérimenté. seront nécessaires à vie, de même que des Transgenre · Dysphorie du genre · Traitement Avant le début du traitement, il faut réaliser un examens gynécologiques ou urologiques hormonal féminisant ou masculinisant screening extensif pour détecter d’éventuels de dépistage précoce. Avant le début du cher Nutzen auf die Brustentwicklung derzeit eher nicht empfohlen [11]. Nä- perbehaarung und Bartwuchs nehmen durch eine additive Gabe von Proges- here Informationen zu Präparaten und ab, sistieren aber in der Regel nicht voll- teron konnte bislang nicht bestätigt üblichen Dosierungen finden sich in ständig, sodass in den meisten Fällen werden [18, 19]. Randomisierte kontrol- . Tab. 2. eine Epilationsbehandlung notwendig lierte Studien hierzu fehlen. Aufgrund wird. der belegten Erhöhung des Risikos für Zeitlicher Verlauf und Grenzen der Mammakarzinome sowie kardiovasku- Therapie Nebenwirkungen und Risiken läre und thromboembolische Ereignisse bei postmenopausalen Frauen unter Hor- Siehe . Tab. 3. Größe und Form des . Tab. 4 gibt einen Überblick über uner- monersatztherapie wird eine zusätzliche männlichen Larynx und somit die wünschte Wirkungen und Risiken. Ein Gabe von Progesteron bei Transfrauen Stimmlage sind nicht beeinflussbar. Kör- relevantes Risiko besteht in der Entste- Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz
Gynäkologische Endokrinologie Tab. 2 Geschlechtsangleichende Hormontherapie: Präparate und übliche Dosierungen. (Nach [11]) Medikation Präparate Empfohlene Dosierung Feminisierende Hormontherapie bei Transidentität von Mann zu Frau Estradiol Oral: Estradiol bzw. Estradiolvalerat 2–6 mg/Tag transdermal: Gel 1,5–3 mg/Tag transdermal: Spray 1,5–4,5 mg/Tag transdermal: Pflaster 25–200 μg/24 h Antiandrogene Cyproteronacetat 5–50 mg/Tag p.o. Therapie Spironolacton 100–300 mg/Tag p.o. GnRH-Analoga, z. B. Leuprorelin 3,75 mg alle 4 Wochen oder 11,25 mg alle 12 Wochen s.c. Virilisierende Hormontherapie bei Transidentität von Frau zu Mann Testosteron Transdermales Gel 40–125 mg/Tag Testosteronundecanoat 1000 mg alle 10–16 Wochen i.m. Ergänzende Gestagene: Menstruationsun- Medroxyprogesteron 5–10 mg/Tag terdrückung (falls erforderlich) Dydrogesteron 10–20 mg/Tag GnRH-Analoga, z. B. Leuprorelin 3,75 mg alle 4 Wochen oder 11,25 mg alle 12 Wochen s.c. p.o. peroral, s.c. subkutan, i.m. intramuskulär, GnRH Gonadotropin-Releasing-Hormon Tab. 3 Wirkungen und zeitlicher Verlauf einer geschlechtsangleichenden Hormontherapie. [6] beschrieben. Auch diese metaboli- (Nach [11, 12]) schen Nebenwirkungen scheinen unter Wirkung Beginn Maximaler Effekt Verwendung moderner, transdermaler Feminisierende Hormontherapie bei Transidentität von Mann zu Frau Estradiolformulationen sehr viel weni- Brustwachstum 3–6 Monate 2–3 Jahre ger häufig aufzutreten [17, 27]. Bislang Abnahme von Muskelmasse und -kraft 3–6 Monate 1–2 Jahre liegen nur wenige Langzeitdaten zum Fettumverteilung 3–6 Monate 2–3 Jahre kardiovaskulären Risiko vor, es konnte Rückgang der Körper- und Gesichtsbehaarung 6–12 Monate > 3 Jahre jedoch ein vermehrtes Auftreten ze- Weicherwerden der Haut 3–6 Monate – rebraler Ischämien im Vergleich zu Abnahme von Libido und spontanen Erektionen 1–3 Monate 3–6 Monate altersgleichen Frauen (2,4-fach erhöhtes Risiko) und Männern (1,8-fach erhöh- Abnahme der Hodengröße 3–6 Monate 2–3 Jahre tes Risiko) gesehen werden [28]. Die Virilisierende Hormontherapie bei Transidentität von Frau zu Mann Rate an Myokardinfarkten zeigte sich Aussetzen der Regelblutung 2–6 Monate – höher als die von biologischen Frauen, Stimmbruch 3–12 Monate 1–2 Jahre aber vergleichbar mit der Rate alters- Bartwuchs, Körperbehaarung 3–6 Monate 3–5 Jahre gematchter Männer [28, 29]. Es sollte Vermännlichung des Körperbaus, Zunahme der 6–12 Monate 2–5 Jahre (trainings- daher ein regelmäßiges Screening auf Muskelmasse abhängig) kardiovaskuläre Risikofaktoren erfol- Wachstum der Klitoris 3–6 Monate 1–2 Jahre gen, die bei Manifestation soweit als möglich optimiert werden müssen. Die Betroffenen sollten motiviert werden, hung venöser Thromboembolien. Älte- Gestagenen kein signifikanter additiver durch Lebensstiländerungen ihr per- re Studien unter Verwendung des heute Risikofaktorzu sein. Die möglichennega- sönliches Risikoprofil zu senken [11]. obsoleten Ethinylestradiols zeigen eine tiven Auswirkungen einer Therapiepause Ab dem etwa 50. Lebensjahr ist eine deutliche Risikoerhöhung auf 5,5–6,3 % auf Psyche und Körper, das Risikopro- Senkung der eingesetzten Estradioldosis [6, 13]. Unter modernen Therapieregi- fil sowie die eingesetzte Therapie müs- analog zum physiologischen Rückgang mes scheint die Inzidenz rückläufig auf sen bei der Empfehlung zum perioperati- der Estradiolwerte altersgleicher Frau- etwa 0,6–2 % [20, 21]. Das periopera- ven Management berücksichtigt werden en zu empfehlen [30]. Zum Erhalt der tive Thromboembolierisiko unter femi- [23]. Die meisten Behandler empfehlen Knochendichte ist möglicherweise je- nisierender Hormontherapie wurde bis- bislang eine 2-wöchige Pausierung der doch eine kleine Erhaltungsdosis auch lang nur in einer Studie untersucht [22]. GAHT vor geplanten operativen Eingrif- jenseits des statistischen Postmenopau- Die Ergebnisse entsprechender Studien fen [24]. senalters sinnvoll [31]. Bei zusätzlichen bei postmenopausalen Frauen unter Hor- Nicht selten wird eine Gewichts- Risikofaktoren für das Auftreten einer monersatztherapie sind heterogen. Ins- zunahme beobachtet [25, 26]. Weiter- Osteoporose und insbesondere in den gesamt scheint eine transdermale Estra- hin werden ein Anstieg der Triglyzeri- Fällen, in denen die GAHT nach Orchi- dioltherapie ohne gleichzeitige Gabe von de [26, 27] und auch der Leberwerte dektomie nicht fortgeführt wird, ist eine Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz
Tab. 4 Unerwünschte Wirkungen und Risiken der geschlechtsangleichenden Hormontherapie. Durch die Wirkung von Testosteron (Modifiziert nach [11, 12]) auf die Erythropoese entwickelt sich bei Feminisierende Hormontherapie Virilisierende Hormontherapie bis zu 11–17 % der Patienten eine Ery- Venöse Thromboembolienx Risiko deutlich Erythrozytose (Hämatokrit > 50) throzytose. Das Risiko steigt mit der Dau- erhöht Akne er der Hormontherapie und der Höhe der Zerebrale Ischämienx Risiko moderat Gewichtszunahme verabreichten Testosterondosis, ist aber Kardiovaskuläre Komplikationenx erhöht Kardiovaskuläre Komplikationen prinzipiell auch bei normwertigen Tes- Hypertriglyzeridämiex Arterielle Hypertonie tosteronspiegeln vorhanden [17, 35]. Bei Anstieg der Leberwertex,y Anstieg der Leberwerte Auftreten dieser Nebenwirkung sollte die Depressive Symptome/Verschlechterung Dyslipidämie einer vorbestehenden Depressiony Testosterondosis reduziert bzw. das In- Gewichtszunahmex,y jektionsintervall verlängert werden. Hyperprolaktinämie/Prolaktinomx Das Körpergewicht kann ansteigen Meningeomey [25, 26]. Während einige Studien auf Mammakarzinom Risiko nicht Mammakarzinom eine ungünstige Beeinflussung des Li- Prostatakarzinom oder nicht ein- Ovarialkarzinom pidstoffwechsels mit Anstieg des LDL- deutig erhöht Endometrium-, Zervixkarzinom x und Abfall des HDL-Cholesterins hin- potenzielle Nebenwirkung von Estradiol deuten [25, 26], zeigt sich in anderen y potenzielle Nebenwirkung von Cyproteronacetat Untersuchungen eher eine Angleichung der Blutfettwerte an den männlichen Kontrolle der Knochendichtemessung werden. Üblicherweise wird mit einer Normalbereich [17]. Insgesamt gibt es zu empfehlen [11]. niedrigen Dosis einmal täglich begon- Hinweise auf ein etwas erhöhtes Risi- Insbesondere unter hohen Estradiol- nen. Bei nicht ausreichendem Effekt ko für kardiovaskuläre Ereignisse [28, dosen kommt es häufiger zu leichten bis kann die Dosis auf 2-mal täglich er- 29]. Bei Anwendung moderner, leitli- mäßigen Anstiegen der Prolaktinkon- höht werden oder alternativ ein GnRH- nienbasierter Therapieregimes scheinen zentration, die toleriert werden können. Analogon eingesetzt werden. Nähere In- relevante Leberwerterhöhungen deut- Bei relevanter Erhöhung auf mehr als formationen zu Präparaten und üblichen lich seltener aufzutreten [17, 27] als in das Doppelte der oberen Norm muss Dosierungen finden sich in . Tab. 2. früheren Arbeiten [6] berichtet. die Estradioldosis ggf. angepasst werden und bei Persistenz sollte gegebenenfalls Zeitlicher Verlauf und Grenzen der Empfohlene Verlaufskontrollen auch eine Bildgebung der Hypophyse Therapie unter Therapie [11] erfolgen, da Einzelfälle von Prolaktino- men unter langdauernder, hochdosierter Siehe . Tab. 3. Nach Therapieeinleitung sollten regel- Estradioltherapie beschrieben sind [32]. mäßige Verlaufskontrollen erfolgen. Im Cyproteronacetat erhöht dosisabhän- Unerwünschte Wirkungen und ersten Jahr sind Kontrollen in 3-mona- gig das Risiko für Meningeome, sodass Risiken tigen Abständen sinnvoll, längerfristig die niedrigste wirksame Dosis dieses sollten sie alle 6–12 Monate erfolgen Präparats gewählt werden sollte. Einen Überblick über unerwünschte und auch nach geschlechtsangleichen- Wirkungen und Risiken gibt . Tab. 4. den operativen Eingriffen weiter fort- Transidentität von Frau zu Mann Häufigste unerwünschte Wirkung ist geführt werden. Serummessungen der (Transmänner) eine Akne [17, 33]. Bei Behandlungsbe- Geschlechtshormone sind zur Einschät- dürftigkeit kommen je nach Schweregrad zung der notwendigen Dosierungen Therapie der Akne topische oder systemische Re- und insbesondere zur Vermeidung einer tinoide oder Antibiotika zum Einsatz. Übertherapie hilfreich. Bei Transfrauen Es erfolgt die Gabe von Testosteron in Bei der Anwendung von Retinoiden sollten Estradiolwerte im mittleren Re- Form eines transdermalen Gels oder ist aufgrund der Teratogenität bei mit ferenzbereich prämenopausaler Frauen eines intramuskulär injizierten Depot- biologischen Männern sexuell aktiven (< 200 pg/ml) und Testosteronwerte im präparats (Testosteronundecanoat). Zur Transmännern auf eine sichere Kontra- weiblichen Referenzbereich (< 55 ng/dl) Menstruationsunterdrückung ist die vor- zeption zu achten (siehe hierzu auch angestrebt werden. Die Entwicklung ei- übergehende Hinzunahme eines Gesta- unten). Kombinierte orale Kontrazepti- ner weiblichen Brust ist interindividuell gens bis zur ausreichenden Suppression va mit einem antiandrogen wirksamen sehr unterschiedlich ausgeprägt, erfolgt der gonadotropen Achse durch die Tes- Gestagen sind für Transmänner keine überwiegend in den ersten 1–2 Jahren tosterontherapie möglich [11]. Um eine geeignete Therapieoption [34]. der Hormontherapie und bleibt häufig verlässliche Menstruationshemmung zu Gelegentlich wird über eine gesteiger- pubertär unvollständig. Mehrere Studien erreichen, müssen Gestagenpräparatio- te Aggressivität berichtet. Dies sollte be- zeigen, dass die Brustentwicklung nicht nen sehr regelmäßig in einem zeitlichen reits vor Therapiebeginn sowie regelmä- mit den gemessenen Estradiolwerten eng begrenzten Fenster eingenommen ßig im Verlauf angesprochen werden. korreliert [17, 18, 36]. Eine Steigerung Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz
Gynäkologische Endokrinologie der Estradioldosis über das physiolo- hin werden regelmäßige gynäkologische und die von den Betroffenen selbst zu gische Maß hinaus fördert das weitere Früherkennungsuntersuchungen wie für tragenden Kosten eingegangen werden, Wachstum der Brust nicht, erhöht jedoch biologische Frauen empfohlen [11]. die je nach Behandlungsart und -dauer das Risiko für unerwünschte Langzeit- Trotz ihrer wichtigen Bedeutung bis weit in den 5-stelligen Eurobereich wirkungen der Therapie. werden die genannten Früherkennungs- reichen können. Bei Transmännern wird ein Testos- untersuchungen – aus durchaus nach- Für Transfrauen ist eine Kryokonser- teronwert im männlichen Referenzbe- vollziehbaren Gründen – häufig nicht vierung von Spermien möglich. Diese reich (ca. 250–840 ng/dl) angestrebt. Hä- oder unregelmäßig wahrgenommen. Die sollte möglichst vor Therapiebeginn er- moglobin und Hämatokrit sind wichti- Hemmschwelle, sich als Transfrau einer folgen. Je nach Qualität und Menge des ge Marker der Testosteronwirkung und urologischen bzw. Transmann einer kryokonservierten Materials ist eine In- sollten ebenfalls regelmäßig verlaufskon- gynäkologischen Untersuchung zu un- semination oder IVF/ICSI-Behandlung trolliert werden. terziehen, ist oft sehr hoch. Nicht selten mit Eizellen der Partnerin erforderlich, Darüber hinaus sollte ein regelmäßi- berichteten insbesondere Transmänner wenn ein Kinderwunsch konkret wird. ges Screening auf mögliche unerwünsch- auch von erheblichen Schwierigkeiten, Eine assistierte Reproduktion recht- te Wirkungen und Risiken erfolgen mit in einer gynäkologischen Praxis als Pa- lich gleichgeschlechtlicher Paare ist in Erfragung von Risikofaktoren und even- tient angenommen zu werden [9]. Für Deutschland prinzipiell legal, wird aber tueller Komedikation sowie Kontrollen transidente Menschen muss, auch nach nicht in allen Zentren angeboten. von Körpergewicht, Blutdruck, Leber- erfolgter Personenstandsänderung, eine Die Fertilität von Transmännern kann werten, Lipidstatus, Blutbild und bei regelmäßige gynäkologische Betreuung durch eine Kryokonservierung von Ei- feminisierender Therapie auch Prolaktin gewährleistet sein. zellen oder ovariellem Gewebe erhalten [11]. werden. Ist eine geschlechtsangleichen- Kontrazeption de Operation mit Hysterektomie und Ad- Gynäkologische und nexektomie nicht oder erst später geplant, urologische Untersuchungen Die virilisierende Hormontherapie mit kann eine Schwangerschaft nach Abset- Testosteron allein bietet keinen ausrei- zen der GAHT unter Umständen auch Transfrauen chend sicheren Kontrazeptionsschutz. spontan erzielt werden. Eine Eizellspende Mit biologischen Männern sexuell aktive ist in Deutschland rechtlich unzulässig. Das Risiko für die Entstehung eines Transmänner sollten darüber aufgeklärt Eine Austragung der Schwangerschaft ist Mammakarzinoms bleibt auch unter fe- und zu sicheren und in der Kombination somit nur durch den Transmann selbst minisierender Hormontherapie kleiner mit einer GAHT einsetzbaren Verhü- – unter Pausierung der Testosteronthe- als das biologischer Frauen, steigt jedoch tungsmethoden beraten werden. Neben rapie – möglich. im Vergleich mit Männern auf das 46-Fa- Barrieremethoden eignen sich orale Nach deutscher Gesetzgebung bleibt che an [37]. Transfrauen sollten daher an oder intramuskulär injizierte Gesta- die Transfrau, mit deren Spermien ein den üblichen empfohlenen gynäkologi- genpräparate sowie hormonfreie oder Kind entstanden ist, bzw. der Transmann, schen Früherkennungsuntersuchungen gestagenbeschichtete Intrauterinpessare. der ein Kind entbindet, auch nach er- teilnehmen [11]. Auch mit biologischen Frauen sexuell folgter Personenstandsänderung als Va- Da bei der geschlechtsangleichenden aktive Transfrauen müssen weiterhin auf ter bzw. Mutter dieses Kindes eingetragen Unterleibsoperation die Prostata in situ eine Verhütung achten. [12]. belassen wird und Einzelfälle von be- nigner Prostatahyperplasie [38] wie auch Fertilität und Kinderwunsch Fazit für die Praxis Prostatakarzinomen[39]beiTransfrauen unter Hormontherapie beschrieben sind, Sowohl die feminisierende als auch die 4 Die geschlechtsangleichende Hor- werden ab dem 50. Lebensjahr jährliche virilisierende Hormontherapie führen montherapie führt rasch zu erhebli- PSA-Kontrollen und klinische Untersu- im Verlauf zu einer Beeinträchtigung chen, teilweise irreversiblen Verän- chungen der Prostata empfohlen [11]. der Fertilität. Die Auswirkungen auf derungen und bedarf daher einer die Fruchtbarkeit sind interindividuell eindeutigen Indikationsstellung. Transmänner sehr unterschiedlich und zeitlich so- 4 Vor Therapieeinleitung ist ein um- wie in ihrer Ausprägung im Einzelfall fangreiches Screening auf etwaige Aufgrund der Aromatisierung von Tes- nicht vorhersehbar. Die Entstehung ei- Risikofaktoren notwendig. Vorbe- tosteron zu Estradiol besteht unter der ner irreversiblen Infertilität ist möglich. stehende Komorbiditäten müssen GAHT prinzipiell weiterhin ein Risiko Transidente Menschen müssen vor Be- adäquat behandelt sein. für hormonabhängige Tumoren. Die Da- ginn einer GAHT ausführlich darüber 4 Die feminisierende Behandlung tenlage hierzu ist insgesamt gering. Es und über die zur Verfügung stehenden erfolgt gemäß der vorliegenden wird daher insgesamt eher zur Durch- Methoden eines Fertilitätserhalts aufge- Leitlinienempfehlungen mit 17β- führung einer Hysterektomie mit beid- klärt werden. Dabei sollte auch auf die Estradiol(valerat) in Kombination seitiger Adnexektomie geraten. Bis da- bestehenden rechtlichen Limitationen mit einem Antiandrogen. Der Einsatz Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz
von Ethinylestradiol ist aufgrund des Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der cross-gender hormone treatment. Metabolism Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ 38(9):869–873 deutlich höheren Nebenwirkungs- licenses/by/4.0/deed.de. 14. Toorians AWFT, Thomassen MCLGD, Zweegman S profils obsolet. Zur virilisierenden et al (2003) Venous thrombosis and changes of Therapie werden transdermale oder hemostatic variables during cross-sex hormone treatment in transsexual people. J Clin Endocrinol intramuskuläre Testosteronpräparate Literatur Metab. https://doi.org/10.1210/jc.2003-030520 eingesetzt. 15. Sweetland S, Beral V, Balkwill A et al (2012) 4 Nach Therapieeinleitung sollten 1. 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