Diagnostik und antivirale Therapie von Herpes-simplex-Virus-Infektionen

Die Seite wird erstellt Lana Strauß
 
WEITER LESEN
ÜBERSICHT

Diagnostik und antivirale Therapie von Herpes-simplex-Virus-Infektionen
A. Sauerbrei
Institut für Virologie und Antivirale Therapie, Universitätsklinikum Jena, Konsiliarlabor für HSV und VZV

Diese Übersicht wurde im Rahmen der Aufgaben der Kommission für Antivirale Therapie der Gesell-
schaft für Virologie e.V. und der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V.
erstellt.

                                                                   Zwischen HSV-1 und HSV-2 besteht eine partielle klini-
1. Erreger, Epidemiologie und Infektion                            sche Kreuzimmunität, weshalb bei bestehender HSV-1-
Virus. Das Herpes-simplex-Virus (HSV) ist ein umhüll-              Immunität eine genitale HSV-2-Primärinfektion auch
tes, wenig umweltresistentes DNA-Virus mit einer Größe             asymptomatisch verlaufen kann.
von 150-200 nm. Das doppelsträngige DNA-Genom be-                  Infektionsformen. Das HSV ist bei produktiver Infek-
sitzt 152 kb und kodiert für mehr als 70 Proteine. Das             tion zytopathogen und wird im Anschluss an die Primär-
Nukleokapsid besteht aus 162 Kapsomeren (ca. 100 nm).              infektion in Ganglienzellen latent. Nach axonalem Trans-
Die Replikation der Herpesviren ist ein komplexer kas-             port persistiert die virale DNA in zirkulärer Form in den
kadenartig regulierter Prozess, bei dem sequentiell α-, β-         sensiblen Neuronen. Die Viren verbleiben latent im Tri-
und γ-Gene des Virus exprimiert werden und der im We-              geminusganglion (meist HSV-1) sowie in den Sakral-
sentlichen im Zellkern abläuft. Es existieren zwei Typen:          ganglien (überwiegend HSV-2). Von dort aus können sie
HSV-1 (humanes Herpesvirus 1, HHV-1) und HSV-2                     reaktiviert werden und nach neuralem zentrifugalem
(humanes Herpesvirus 2, HHV-2). Die DNA-                           Transport rezidivierende Manifestationen auf Haut und
Sequenzhomologie zwischen den beiden Typen beträgt                 Schleimhaut auslösen. Reaktivierungen treten etwa in
ca. 85%. Typspezifische Epitope finden sich auf den                50% aller latent Infizierten auf, die Häufigkeit und vor
Oberflächen-Glykoproteinen gG (HSV-1 und HSV-2)                    allem der Schweregrad sind aber bei Immundefizienten
und gC (HSV-1).                                                    deutlich größer. Auch subklinische Reaktivierungen des
Epidemiologie. Die nur beim Menschen natürlich vor-                HSV tragen zur Boosterung der Immunität bei. Ausgelöst
kommenden Infektionserreger HSV-1 und HSV-2 sind                   durch hormonellen oder psychischen Stress, sind bei im-
weltweit verbreitet. Die Übertragung erfolgt durch                 mungenetischer Disposition klinisch manifeste HSV-
Schleimhaut-/Hautkontakt. Wichtigste Quelle für Primä-             Rezidive nach der Pubertät häufig. Ihre Zahl nimmt im
rinfektionen mit HSV-1 sind der rekurrente Herpes labi-            Alter deutlich ab. Die HSV-Latenz wird derzeit noch
alis sowie asymptomatische Virusausscheidungen über                nicht ausreichend verstanden. Von entscheidender Be-
den Speichel. Die Durchseuchung mit HSV-1 beginnt                  deutung scheinen die so genannten Latency-Associated
schon im frühen Kindesalter. Herpes-simplex-Virus Typ 1            Transcripts (LAT) zu sein, die als einzige Region des
kann auch durch Sexualkontakt übertragen werden, die               HSV-Genoms während der Latenz transkribiert werden.
entscheidende Rolle spielt hier jedoch das HSV-2, dessen           Sie kommen in großen Mengen in latent infizierten Neu-
Durchseuchung damit deutlich später beginnt. Risiko-               ronen vor, kodieren aber nicht für ein bislang bekanntes
gruppen sind junge sexuell aktive Menschen mit häufi-              Protein. Eine Schlüsselfunktion für die Virusreaktivie-
gem Partnerwechsel, Prostituierte und Homosexuelle                 rung kommt vermutlich dem viralen immediate early
ohne Gebrauch von Kondomen. Neugeborene werden in                  (IE)-Gen ICPO zu. Es wird angenommen, dass LAT-
der Regel über den Geburtstrakt bei klinisch manifester            RNA als Antisense-RNA zu den Transkripten des ICPO
oder asymptomatischer mütterlicher Infektion infiziert.            wirkt und auf diese Weise zur Aufrechterhaltung der La-
Ein hohes Risiko für schwere Infektionen haben Neuge-              tenz beiträgt.
borene, deren Mütter in der Spätschwangerschaft an ei-             Pathogenese. Bei der Primärinfektion (Inkubationszeit
nem primären Herpes genitalis erkranken. Wegen der ge-             2-12 Tage) dringt das Virus über Haut- und Schleimhaut-
ringeren Virusproduktion ist der rezidivierende Herpes             läsionen in den Organismus ein und vermehrt sich lokal
genitalis weniger gefährlich. Infektiosität ist bei klinisch       in Keratinozyten der Haut und in den Epithelzellen der
manifester Infektion gegeben, solange Läsionen noch                Schleimhaut sowie in den regionären Lymphknoten. Es
nicht vollständig eingetrocknet sind (bei oralen Läsionen          schließt sich eine kurzzeitige Virämie an, die nur schwer
i.d.R. etwa eine Woche, bei genitalen Läsionen z.T. län-           diagnostizierbar ist. Nach einer HSV-1-Primärinfektion
ger). Entsprechend dem Übertragungsmodus besteht für               zeigen 99% der Infizierten einen inapparenten Verlauf,
HSV eine typenabhängige Durchseuchungskinetik. Die                 und nur bei circa 1% kommt es zu Erkrankungen, die sich
HSV-1-Seroprävalenz ist abhängig von sozioökonomi-                 vorwiegend am Eintrittsort mit typischen Herpesbläschen
schen Faktoren und beträgt in entwickelten Industrielän-           manifestieren. Für HSV-2 wird eine Häufigkeit asympto-
dern bei Erwachsenen 75-95%, während etwa 15-20%                   matisch verlaufender Primärinfektionen von ≥70% ange-
der Erwachsenen Antikörper gegenüber HSV-2 besitzen.

                                                                                           MIKROBIOLOGE 24.Jg. 2014    151
nommen. Im Stadium der Viruslatenz kann durch ver-           wenn das Material für die Virusisolierung vorgesehen ist.
schiedene Provokationsfaktoren wie fieberhafte Infekte,
intensive Sonnen- bzw. UV-Bestrahlung, Menstruation,         Virusnachweis. Die Diagnose der akuten HSV-Infektion
mechanische und psychische Traumen, Stress u.a. das          erfolgt über den direkten Virusnachweis (Tab. 1). Me-
HSV endogen reaktiviert werden. Als Folge kommt es zu        thode der Wahl, insbesondere bei zeitlich dringender Fra-
einem klinisch manifesten Herpesrezidiv oder einer           gestellung, ist der Nachweis von Virusgenomen mittels
asymptomatischen Virusausscheidung.                          Polymerasekettenreaktion (PCR) in Bläscheninhalt, Ge-
                                                             nitalabstrich, Liquor, Gewebe, bronchoalveolärer La-
Krankheitsbilder. Im Kindesalter verläuft die Mehrzahl       vage, Fruchtwasser, Serum oder EDTA-Blut. Die PCR
der klinisch manifesten HSV-1-Primärinfektionen als          soll zwischen HSV-1 und HSV-2 unterscheiden. Alterna-
Gingivostomatitis herpetica. Circa 15-30% der Bevölke-       tiv kann man akute Infektionen über die Virusanzucht in
rung erkranken an der mit Abstand häufigsten rezidivie-      der Gewebekultur diagnostizieren, wobei eine Typisie-
renden HSV-Erkrankung, dem Herpes labialis. Eine mit         rung der Virusisolate zweckmäßigerweise unter Verwen-
Hornhautgeschwüren einhergehende herpetische Kerato-         dung von Fluoreszein-markierten HSV-typspezifischen
konjunktivitis kann durch Vernarbung der Infektions-         monoklonalen Antikörpern mittels Immunfluoreszenz
herde auf der Kornea zur Beeinträchtigung des Sehver-        vorgenommen wird. Prinzipiell stellt die Virusisolierung
mögens führen. Auf der Grundlage eines endogenen Ek-         eine empfindliche Methode zum Nachweis des HSV dar,
zems ist die Entstehung eines Eczema herpeticatums           da HSV in vielen Zelltypen gut repliziert. Der Direkt-
möglich. Der Herpes genitalis ist eine der häufigsten se-    nachweis von HSV-Antigenen mittels kommerzieller
xuell übertragenen Infektionen. Die Erkrankung wird          Nachweissysteme auf der Basis der Immunfluoreszenz
vorwiegend durch HSV-2 hervorgerufen. In entwickelten        ist eine häufig eingesetzte und preiswerte Methode, die
Industrieländern wurde im letzten Jahrzehnt über die Zu-     innerhalb weniger Stunden ein Ergebnis liefert, aber eine
nahme genitaler Infektionen durch HSV-1 berichtet, das       eingeschränkte Sensitivität und Spezifität besitzt. Zu be-
zumindest die Hälfte aller genitalen Primärinfektionen       achten ist, dass Methoden zum direkten Virusnachweis
verursachen soll. Prinzipiell können der Erstinfektion re-   keine Unterscheidung von Primär- und rezidivierender
gelmäßige Rezidive folgen, wobei genitale Infektionen        Infektion erlauben.
durch HSV-1 weniger gravierend sind bzw. nur selten zu
Rezidiven neigen. Der Herpes genitalis ist ein starker Ri-   Antikörpernachweis. Die serologische HSV-Diagnostik
sikofaktor für eine HIV-Infektion. Das Vorkommen in-         (Tab. 2) hat vor allem mit der Bestimmung von IgG zum
trauteriner HSV-Infektionen ist umstritten. Es existieren    Nachweis der Serokonversion nach Primärinfektion Be-
nur unzureichend dokumentierte Einzelfallberichte über       deutung, bei der sich regelmäßig IgM-Antikörper nach-
Spontanaborte im Zusammenhang mit einer HSV-                 weisen lassen. Dies kann insbesondere für den Nachweis
Primärinfektion sowie über kongenitale Infektionen mit       von HSV-2-Infektionen im Rahmen der Betreuung von
Hautläsionen, Chorioretinitis, Mikrozephalie und ande-       Schwangeren von Wert sein. Der Nachweis einer Sero-
ren Stigmata. Klar dokumentiert und zahlenmäßig we-          konversion kann auch mittels Bestimmung typenspezifi-
sentlich bedeutender ist die perinatale Infektion (Herpes    scher IgG-Antikörper erfolgen, die aufgrund der sehr en-
neonatorum), die aszendierend oder bei der Passage           gen Verwandtschaft von HSV-1 und HSV-2 nur mit ei-
durch den infizierten Geburtskanal akquiriert wird. Der      nem ELISA bzw. Immunoblot auf der Basis der
Schweregrad kann von leichten auf die Haut oder              Glykoproteine G (gG-1) oder C (gC-1) von HSV-1 und
Schleimhäute beschränkten Infektionen bis zur generali-      der Glykoproteine G (gG-2) von HSV-2 möglich ist. Bei
sierten sepsisähnlichen Erkrankung mit hoher Letalität       der Interpretation der Befunde ist zu beachten, dass zwi-
                                                             schen HSV-1 und HSV-2 eine partielle Kreuzimmunität
reichen. Die Herpesenzephalitis, eine hämorrhagisch-
nekrotisierende Entzündung im frontomediobasalen und         besteht. Liegt eine Erstserumprobe aus der Frühphase der
temporalen Bereich des Gehirns, ist mit einer Letalität      Erkrankung vor, kann durch den Virustyp-spezifischen
von 70% bei unbehandelten Patienten die folgen-              DNA-Nachweis mittels PCR in Kombination mit Virus-
schwerste HSV-Erkrankung. Sie stellt eine zentripedale       typ-spezifischem IgG-Nachweis zwischen Primärinfek-
Infektion des ZNS dar und tritt in circa zwei Drittel der    tion und Rezidiv unterschieden werden. Für die Unter-
Fälle bei einer Reaktivierung und zu einem Drittel im        scheidung zwischen Primärinfektion und Rezidiv kann
Rahmen einer Primärinfektion auf, insbesondere wenn          auch der Aviditätsnachweis eingesetzt werden, wozu bis-
diese nicht frühkindlich durchgemacht wird. Die Erkran-      lang aber nur wenige Erfahrungen existieren. Ein negati-
kungshäufigkeit liegt bei circa 1:200.000 pro Jahr. Prob-    ver HSV-IgG-Nachweis schließt eine rezidivierende
lematisch sind HSV-Infektionen bei Patienten mit gestör-     HSV-Infektion aus. Der Nachweis intrathekaler HSV-
ter Immunabwehr. Bei diesen Personen kommt es häufig         spezifischer IgG-Antikörper kann für die retrospektive
zu ausgedehnten, schlecht heilenden Haut- und Schleim-       Diagnostik von ZNS-Infektionen genutzt werden. Die
hautläsionen, und es kann ein viszeraler Herpes mit Pneu-    Bestimmung von HSV-IgM hat prinzipiell nur eine ge-
monie, Ösophagitis oder Hepatitis auftreten.                 ringe Bedeutung für die frühzeitige Sicherung einer
                                                             akuten HSV-Infektion. Aufgrund von Kreuzreaktivitäten
                                                             mit anderen Herpesviren (Varicella-Zoster-Virus) kann
2. Labordiagnostik                                           der IgM-Nachweis falsch positive Werte ergeben. Eine
Probeneinsendung. Herpes-simplex-Virus-haltige Pro-          Unterscheidung zwischen primärer und rezidivierender
ben müssen als gefahrgutrechtliche Stoffe der Kategorie      HSV-Infektion ist mittels IgM-Antikörper nicht möglich,
B, Risikogruppe 2 nach UN 3373 versendet werden.             da IgM auch bei rezidivierenden Infektionen unabhängig
Dazu muss das Primärgefäß mit der Patientenprobe in ei-      von der klinischen Symptomatik positiv ausfallen kann.
nem Umverpackungsröhrchen und mit adsorbierendem             Auf den wenig zuverlässigen Nachweis HSV-
Material in einem gekennzeichneten Transportbehältnis        typenspezifischer IgM-Antikörper sollte in der Praxis
(Kartonbox) verschickt werden. Der Versand ist bei           verzichtet werden.
Raumtemperatur möglich. Kühlung wird nur empfohlen,

152   MIKROBIOLOGE 24.Jg. 2014
Tab. 1:    Methoden zum Nachweis des HSV bzw. von viraler Nukleinsäure (DNA)

 Prinzip                       Methode                                        Untersuchungsmaterial

 Virus-DNA-Nachweis            Polymerasekettenreaktion (PCR)                 Bläscheninhalt in Virustransportmedium mit
                                                                              Spezialtupfer, Liquor, Gewebe, bronchoalveo-
                               Basisdiagnostik                                läre Lavage, EDTA-Blut, Fruchtwasser

 Virusisolierung               Anzüchtung in der Zellkultur, Nachweis mit-    Bläscheninhalt in Virustransportmedium mit
                               tels monoklonaler Antikörper                   Spezialtupfer, Gewebe, bronchoalveoläre La-
                                                                              vage
                               Spezialdiagnostik

 Virusantigen-Nachweis         Immunfluoreszenztest mit monoklonalen An- Zellreicher Bläscheninhalt in Virustransportme-
                               tikörpern                                 dium mit Spezialtupfer, Gewebe
                               Eingeschränkte Sensitivität und Spezifität
                               Basisdiagnostik

 Virustypisierung              Immunfluoreszenz mittels typspezifischer       Virusisolat
                               monoklonaler Antikörper
                               Basisdiagnostik

 Genotypisierung               Restriktionsenzymanalyse, Sequenzierung        Virus-DNA
                               der Virus-DNA
                               Spezialdiagnostik

Tab. 2:    Methoden zum Nachweis HSV-spezifischer Antikörper

 Methode                                         Anmerkungen

 Enzyme linked immunosorbent assay (ELISA) Bestimmung und Differenzierung der Ig-Klassen (IgG, IgM), in Serum, Plasma
                                           und Liquor
                                                 Bestimmung von Virustyp-spezifischen Antikörpern gegen die viralen Gly-
                                                 koproteine (gG-1, gC-1, gG-2)
                                                 Bestimmung von Virustyp-übergreifenden Antikörpern mit viralem Gesamtan-
                                                 tigen aus HSV-1 oder HSV-2-infizierten Zellkulturen
                                                 Einfache Durchführung, kommerziell vertrieben, automatisiert, Basisdiagnos-
                                                 tik

 Indirekter Fluoreszenzantikörpertest (IFAT)     Bestimmung und Differenzierung der Ig-Klassen (IgG, IgM), in Serum, Plasma
                                                 und Liquor
                                                 Einfache Durchführung, kommerziell vertrieben, erfordert Erfahrung bei der
                                                 Auswertung, Spezialdiagnostik

 Immunoblot                                      Qualitative Bestimmung von Virustyp-spezifischen IgG-Antikörpern gegen die
                                                 viralen Glykoproteine (gG1, gG2) in Serum
                                                 Einfache Durchführung, sensitiv, kommerziell vertrieben, z.T automatisierte
                                                 Durchführung und Auswertung, Spezialdiagnostik

 Neutralisationstest                             Nachweis von HSV-1- und HSV-2-neutralisierenden Antikörpern in Serum,
                                                 schwierig, Spezialdiagnostik

                                                                                        MIKROBIOLOGE 24.Jg. 2014        153
3. Antivirale Therapie                                             für die Diagnostik eine intravenöse (i.v.) Therapie einzu-
                                                                   leiten. Nach i.v. Applikation von Aciclovir sind gelegent-
3.1. Zugelassene antivirale Therapeutika                           lich zentralnervöse Nebenwirkungen beschrieben wor-
Für die Behandlung von HSV-Infektionen stehen in ers-              den, während die orale Gabe insbesondere mit gastroin-
ter Linie die Nukleosidanaloga Aciclovir/Valacicovir               testinalen     Nebenwirkungen      einhergehen       kann.
und Penciclovir/Famciclovir zur Verfügung (Tab. 3). Die            Nierentoxische Substanzen sollten nicht gleichzeitig mit
Spezifität ihrer antiviralen Wirkung beruht darauf, dass           Aciclovir gegeben werden. Nieren- und Leberwerte sind
diese Hemmstoffe durch die virale Thymidinkinase (TK)              zu überwachen.
zum Monophosphat phosphoryliert werden, während die                Valaciclovir. Es handelt sich um das oral applizierbare
weiteren Phosphorylierungsschritte über das Di- zum                Prodrug, einem L-Valylester, von Aciclovir. Nach oraler
Triphosphat von zellulären Enzymen vorgenommen wer-                Aufnahme wird es über ein hepatisches Enzym, die Va-
den. Das Wirkungsspektrum der Präparate wird somit                 laciclovir-Hydrolase, in Aciclovir umgewandelt. Für Va-
durch das Vorhandensein des Schlüsselenzyms, der vira-             laciclovir beträgt die orale Verfügbarkeit 54%. Dadurch
len TK, vorgegeben. Die Triphosphate der Nukleosida-               werden drei- bis vierfach höhere Wirkstoffkonzentratio-
naloga hemmen und fixieren die viralen DNA-                        nen als nach oraler Gabe von Aciclovir erreicht. Daraus
Polymerasen (Pol) bzw. werden als „falsches“ Substrat              resultieren eine Verlängerung der Dosierungsintervalle
des Enzyms in die wachsende DNA-Kette eingebaut, was               sowie eine bessere Compliance. Valaciclovir wird vor al-
bei Aciclovir/ Valaciclovir zum Kettenabbruch führt, da            lem zur Therapie des Herpes genitalis eingesetzt. Mögli-
die zur weiteren Verknüpfung notwendige Hydroxyg-                  che Nebenwirkungen ähneln denen nach der Gabe von
ruppe in der 3’-Position fehlt. Bei den anderen Nukleo-            Aciclovir.
sidanaloga ist eine Inkorporation in die DNA möglich.
                                                                   Penciclovir. Abgeleitet von Ganciclovir durch den Aus-
Aciclovir. Es stellt das Standard-Therapeutikum bei                tausch des Ethersauerstoffatoms in der azyklischen Sei-
HSV-Infektionen dar. Allerdings beträgt die orale                  tenkette durch eine Methylbrücke. Die orale Resorption
Bioverfügbarkeit lediglich 15-30%. Haut- und Schleim-              ist sehr gering, weshalb Penciclovir nur in Form von Cre-
hautinfektionen bei immunkompetenten Personen kön-                 mes zur lokalen Therapie des Herpes labialis oder facialis
nen oral behandelt werden. Schwere HSV-Infektionen,                zum Einsatz kommt.
insbesondere bei Immundefizienten, werden mit Aciclo-
vir i.v. behandelt. Bei der Keratokonjunktivitis herpetica,        Famciclovir. Es handelt sich um das inaktive Diacethyl-
Herpes labialis und facialis ist eine lokale Therapie mit          ester-Prodrug von Penciclovir, das durch Abspaltung von
Salben bzw. Cremes möglich. Seit wenigen Jahren sind               zwei Estergruppen im Dünndarm und in der Leber ent-
für die topische Behandlung des Herpes labialis auch A-            steht. Nach oraler Applikation besitzt Famciclovir eine
ciclovir-Cremes mit Zusatz von Hydrocortison als Ent-              Bioverfügbarkeit von 77%. Wie Valyciclovir wird Fa-
zündungshemmer auf dem Markt. Der primäre und re-                  mciclovir vor allem zur Therapie des Herpes genitalis
zidivierende Herpes genitalis wird meist oral behandelt,           eingesetzt. In seltenen Fällen kann die Einnahme von Fa-
wobei bei über 6 Rezidiven pro Jahr auch eine Suppres-             mciclovir zu Kopfschmerzen, Verwirrtheitszuständen
sions-Dauertherapie möglich ist. Bei Verdacht auf Her-             und Übelkeit führen.
pesenzephalitis ist sofort nach Asservierung der Proben

Tab. 3: Antivirale Chemotherapeutika gegen HSV

    Chemotherapeutikum             Applikation   Indikation

    Aciclovir                      i.v.          Schwere und generalisierte HSV-Infektionen (Herpesenzephalitis, Herpes
                                                 neonatorum, Herpes simplex bei Immunsuppression, Eczema herpeticatum)

                                   oral          Herpes genitalis

                                   lokal         Herpes labialis, Herpes facialis, Herpeskeratitis

    Valaciclovir1                  oral          Herpes genitalis

    Penciclovir                    lokal         Herpes labialis, Herpes facialis

    Famciclovir2                   oral          Herpes genitalis

    Brivudin                       oral          HSV-1-Infektionen

    Foscarnet                      i.v.          Infektionen durch TK-negative HSV-Stämme

                                   lokal         Herpes labialis, Herpes facialis

    Trifluridin                    lokal         Herpeskeratitis
1
  oral applizierbares Prodrug von Aciclovir
2
  oral applizierbares Prodrug von Penciclovir

154     MIKROBIOLOGE 24.Jg. 2014
Brivudin ((E)-5-(2-bromovinyl)-2'-deoxyuridine). Bei           3.3. Antiherpetika in Entwicklung
Brivudin, einem zyklischen Nukleosidanalogon, erfolgt
sowohl die Monophosphorylierung als auch die Diphos-           Helikase-Primase-Komplex-Inhibitoren (Helikase-
phorylierung durch die virale TK. Allerdings bestehen          Blocker). Es handelt sich um eine neuartige Substanz-
Unterschiede bezüglich HSV-1 und HSV-2. Die HSV-1-             klasse, die sich derzeit in klinischer Entwicklung und Er-
spezifische TK unterscheidet sich von der zellulären TK        probung befindet. Bislang konnte eine effektive Hem-
dadurch, dass eine zusätzliche Thymidylatkinaseaktivität       mung der HSV-Replikation in Zellkulturen, Tiermodel-
eine Umwandlung von Desoxythymidinmonophosphat in              len und ersten klinischen Studien nachgewiesen werden.
Desoxythymidindiphosphat möglich macht. In HSV-2-              Man geht davon aus, dass Helikase-Blocker sich an den
infizierten Zellen findet zwar eine Phosphorylierung zum       Helikase-Primase-Komplex, einer für die Virusreplika-
Brivudinmonophosphat statt, es werden aber keine               tion essenziellen Proteinkomponente, binden und auf
Diphosphatderivate gebildet. Deshalb ist Brivudin nur          diese Weise die virale DNA-Synthese und somit die Vi-
bei HSV-1- und nicht bei HSV-2-Infektionen wirksam,            rusreplikation effektiv inhibieren. In vitro und in vivo
was eine Typendifferenzierung in der Diagnostik voraus-        konnten bisher bessere Ergebnisse im Vergleich zu Aci-
setzt. Von Vorteil ist die orale Applikation mit einer         clovir und Valaciclovir erreicht werden. Da die Gene für
Bioverfügbarkeit von etwa 40%. Bei allgemein guter             den Helikase-Primase-Komplex in den konservierten Re-
Verträglichkeit können gastrointestinale Störungen, Ein-       gionen des Genoms mehrerer Vertreter der Herpesviridae
schränkung der Nierenfunktion, Anstieg der Lebe-               liegen, besitzen die Substanzen das Potenzial, gegenüber
renzyme und reversible Veränderungen des Blutbildes            einem breiten Spektrum von Herpesvirus-Infektionen
auftreten. Eine gleichzeitige Gabe von 5-Fluorouracil o-       wirksam zu sein. Es ist wahrscheinlich, dass sich nach ei-
der anderer 5-Fluoropyrimidine führt zu einer verstärkten      ner Monotherapie Resistenzen, vergleichbar den Nukleo-
und u.U. gefährlichen Toxizität.                               sidanaloga, entwickeln können. Unklar ist bislang, ob
                                                               durch Helikase-Blocker auch rezidivierende HSV-
Trifluridin. Halogeniertes Nukleosid mit ähnlicher             Infektionen verhindert werden können.
Struktur wie Idoxuridin und Thymidin. Es hemmt die Vi-
russynthese infolge eines kompetitiven Antagonismus zu         4. Prophylaxe
Thymidin und durch den Einbau abgeänderter Nukleotid-
basen. Trifluridin kommt wegen seiner Toxizität nur in         Eine wirksame Immunprophylaxe gibt es bislang gegen-
Form von Augentropfen zur lokalen Therapie der Kerato-         über HSV-Infektionen noch nicht. Ein bereits am Men-
konjunktivitis herpetica (Herpes corneae) zum Einsatz.         schen getesteter Glykoprotein-basierter Impfstoff zeigte
Es ist im Vergleich zu dem in Deutschland nicht mehr           eine ungenügende Wirksamkeit. Bei Impfstoffen auf der
erhältlichen Idoxuridin stärker und rascher wirksam.           Basis rekombinanter Viren war bisher von Nachteil, dass
                                                               es zur Etablierung einer latenten Infektion sowie zur Ent-
Foscarnet (Phosphonoformat). Das Pyrophosphatana-              stehung von Rekombinanten nach Koinfektion mit einem
logon Foscarnet hemmt die virale DNA-Pol zahlreicher           Wildtyp-HSV kam. Derzeit wird an der Entwicklung ei-
DNA- und RNA-Viren durch Unterbindung des Pyro-                nes sicheren und effektiven Impfstoffes auf der Basis ei-
phosphataustausches. Da diese Substanz für die Hem-            nes rekombinanten HSV gearbeitet. Zur Prävention der
mung der Virusreplikation nicht metabolisiert werden           neonatalen Infektion werden Schwangere mit genitalen
muss, wirkt sie auch gegen TK-negative HSV-Stämme,             Herpesläsionen und/oder mit positivem Virusnachweis
die gegenüber Nukleosidanaloga resistent sind. Aus die-        zum Entbindungstermin mittels Sectio entbunden. Im
sem Grund gilt Foscarnet i.v. als Alternativtherapeuti-        Falle eines Rezidivs kann eine vaginale Entbindung unter
kum im Falle einer Aciclovir-Resistenz bei schwer ver-         der Gabe von Aciclovir vorgenommen werden. Eine
laufenden Erkrankungen durch HSV, vorwiegend bei im-           Chemoprophylaxe mit Aciclovir, Valaciclovir oder Fa-
munsupprimierten Patienten. Darüber hinaus wird                mciclovir kommt bei immunsupprimierten Patienten in
Foscarnet auch als Creme zur topischen Behandlung des          Betracht, wie z.B. nach Hochdosis-Chemotherapie, Kno-
Herpes labialis oder facialis eingesetzt. Als wesentliche      chenmarktransplantation oder Transplantation solider
Nebenwirkungen treten Nierenfunktionsstörungen und             Organe. Auch zur Rezidivprophylaxe bei häufig rekurrie-
toxisch bedingte Ulzera der Urogenitalschleimhaut auf.         rendem Herpes genitalis ist die Gabe von Aciclovir, Va-
3.2. Nicht zugelassene antivirale Therapeutika                 laciclovir oder Famciclovir wirksam.
     (Einsatz im off-label-use)
                                                               5. Resistenzentwicklung
Cidofovir. Nukleotidanalogon zu Cytidin-Monophos-
phat. Es ist primär nur für die Cytomegalievirus-Retinitis     Bei immunkompetenten Personen hat eine Resistenzent-
zugelassen, prinzipiell aber auch gegen HSV wirksam.           wicklung von HSV bislang keine klinische Relevanz. Für
Allerdings fehlen noch umfangreiche klinische Erfahrun-        den Herpes labialis liegt die Prävalenz resistenter HSV-
gen beim Einsatz zur Therapie von HSV-Infektionen. Da          Stämme bei
zienten Patienten eine durchschnittliche Prävalenz resis-    Mutationen des TK-Gens werden in drei Phänotypen ein-
tenter HSV-Infektionen von 4 bis 7%. Bei Patienten mit       geteilt:
allogener Knochenmarktransplantation werden die höchs-        ▪ TK-negativ (TK-, keine TK-Aktivität nachweisbar)
ten Prävalenzen von 25-30% beschrieben. Von entschei-
dender Bedeutung dabei ist die Selektion der spontan ent-     ▪ TK-reduziert (TKr, verringerte TK-Aktivität, 1-
stehenden resistenten Virusmutanten (längere Dauer der             15% der normalen Aktivität)
Virusreplikation) durch die antivirale Therapie sowie de-     ▪ TK-altered (TKa, veränderte TK-Substratspezifität,
ren gestörte Elimination durch das Immunsystem.                    keine Phosphorylierung von Aciclovir bzw. Nukle-
                                                                   osidanaloga)
Resistenzen treten nach Mutation in dem Gen des jewei-
ligen Targetmoleküls oder dem Gen eines Proteins auf,        In den meisten Fällen treten TK-negative Mutanten auf.
das für die Metabolisierung des Wirkstoffs in die aktive     Thymidinkinase-Mutanten mit veränderter Substratspe-
Form verantwortlich ist. Für Aciclovir und den verwand-      zifität sind mit circa 5% relativ selten.
ten Nukleosidanaloga beruht eine Resistenz zu circa 95%      Etwa die Hälfte aller Aciclovir-Resistenzen ist durch Ba-
auf Mutationen des TK-Gens (UL-23) und zu circa 5%           sen-Deletionen oder Insertionen innerhalb homopolyme-
auf Mutationen im DNA-Pol-Gen (UL-30). Während die           rer Sequenzen von Guanin und Cytosin bedingt. Die dar-
TK für die Replikation des HSV zellabhängig nicht abso-      aus entstehenden Frameshifts führen meist zu einem vor-
lut notwendig ist, stellt die DNA-Pol ein für die Virus-     zeitigen Stopp der AS-Translation, was in einem Verlust
replikation essenzielles Enzym dar. Aciclovir-resistente     der TK-Aktivität resultiert. Die andere Hälfte der Aciclo-
HSV-1-Stämme mit Mutationen in der viralen TK sind           vir-Resistenzen ist mit AS-Substitutionen assoziiert, die
nahezu immer kreuzresistent gegen Brivudin. Eine Resis-      sich meist in aktiven oder konservierten Genregionen be-
tenz sowohl gegenüber Nukleosidanaloga als auch              finden. Eine AS-Substitution außerhalb aktiver oder kon-
Foscarnet kann durch Mutationen der viralen DNA-Pol          servierter Genbereiche schließt jedoch eine Resistenzas-
bedingt sein, wird aber bis heute nur sehr selten beobach-   soziation nicht aus. Gegenwärtig kann man davon ausge-
tet. Herpes-simplex-Virus Typ 1-Stämme mit einer             hen, dass die überwiegende Anzahl an Resistenz- und
Kreuzresistenz von Aciclovir und Foscarnet, die durch        Polymorphismus-assoziierten Substitutionen des TK-
Mutationen in der DNA-Pol hervorgerufen werden, kön-         Gens in der Literatur beschrieben ist. Neue Resistenzmu-
nen gegenüber Brivudin sensitiv sein. Dies stellt eine       tationen werden jedoch immer wieder beobachtet.
wichtige Alternative für die Therapie schwer verlaufen-
der HSV-1-Infektionen bei immungestörten Patienten           DNA-Polymerase-Gen. Dieses Gen mit einer Größe von
dar.                                                         3.707 bp (HSV-1) bzw. 3.722 (HSV-2) kodiert für 1.235
                                                             AS (HSV-1) bzw. 1.240 AS (HSV-2). Es besitzt neun
Thymidinkinase-Gen. Das 1.130 bp umfassende TK-              konservierte Regionen mit den Bezeichnungen I bis VII,
Gen codiert für 376 Aminosäuren (AS). Dieses Gen ist         Exo I und Delta C (Tab. 5). Auch dieses Gen ist hochpo-
reich an natürlichen Polymorphismen, die sich meist au-      lymorph, wobei sich in HSV-1-Stämmen durchschnitt-
ßerhalb aktiver oder konservierter Genregionen befinden,     lich 6 und in HSV-2-Stämmen im Mittel 5 natürliche Po-
aber von Resistenz-Mutationen unterschieden werden           lymorphismen überwiegend in N- und C-terminalen Re-
müssen. In HSV-1-Stämmen treten im Mittel 5 und in           gionen außerhalb konservierter Genbereiche nachweisen
HSV-2-Stämmen durchschnittlich mindestens 3 natürli-         lassen. Resistenz-assoziierte AS-Substitutionen sind fast
che Polymorphismen auf. Resistenzmutationen konzent-         immer in
rieren sich vor allem auf so genannte „Hot-spot“-Regio-
nen (homopolymere Sequenzen von Guanin und Cytosin:          Tab. 5:       Konservierte Bereiche des DNA-Pol-Gens von
z.B. Codons 92 und 146) bzw. aktive oder konservierte                      HSV-1 und HSV-2
Genbereiche (Tab. 4).
                                                                                         Lokalisation im DNA-Pol-Gen
Tab. 4:    Aktive und konservierte Bereiche des TK-Gens                Konservierter            (Aminosäuren)
           von HSV-1 und HSV-2                                          Genbereich
                                                                                            HSV-1           HSV-2
                               Lokalisation im TK-Gen
                                                                              I            881-896          886-901
          TK-Region                (Aminosäuren)
                                                                             II            694-736          699-741
                                HSV-1          HSV-2
                                                                             III           805-845          810-850
      ATP-Bindungsstelle        51-63           51-63
                                                                         IV (Exo II)       437-479          438-480
  Nukleosidbindungsstelle      168-177         169-178
                                                                             V             953-963          959-969
   Konservierte Regionen       83-88,           84-89,
                              162-164,         163-165,                      VI            772-791          777-796
                              216-222,         217-223,
                              284-289          285-290
                                                                            VII            938-946          943-951
       Hochkonservierte          336             337
         Cysteinreste                                                      Exo I           363-373          364-374

                                                                   Delta C (Exo III)       531-627          532-628

156    MIKROBIOLOGE 24.Jg. 2014
konservierten Genregionen lokalisiert. Nahezu die Hälfte     Genotypisierung. Beim genotypischen Resistenztest
aller ist in den konservierten Regionen II und III nach-     werden meist das TK-Gen und das DNA-Pol-Gen ampli-
weisbar, die wenigsten in der Region I, welche die kata-     fiziert und sequenziert. Anschließend werden die Daten
lytische Funktion des Enzyms bestimmt. Natürliche Po-        mit einem sensitiven Referenzstamm aus der Genbank
lymorphismen und Resistenzmutationen des DNA-Pol             (z.B. HSV-1 Stamm 17 Accession No. X14112, HSV-2
Gens von HSV-1 und HSV-2 sind noch nicht umfassend           Stamm HG52 Accession No. Z86099) abgeglichen. Zum
untersucht, weshalb weitere wissenschaftliche Studien an     schnellen Auffinden spezieller bekannter Mutationen ist
klinischen HSV-Stämmen erforderlich sind.                    vereinzelt auch die PCR mit modifizierten Primern ge-
                                                             bräuchlich. Für eine Resistenz sprechen das Auffinden
6. Resistenztestung                                          von Frameshift-Mutationen, zusätzliche Stopp-Codons
                                                             sowie nicht-synonyme Nukleotidsubstitutionen in kon-
Bei HSV-Infektionen, die innerhalb von mindestens 10         servierten und funktionell wichtigen Genbereichen. Die
Tagen nicht auf die Therapie mit dem eingesetzten anti-      Interpretation von AS-Substitutionen außerhalb aktiver
viralen Therapeutikum (meist Aciclovir) ansprechen,          oder konservierter Genregionen erfordert den Zugriff auf
wird von einem klinischen Therapieversagen gespro-           eine Datenbank, in der alle in der Literatur beschriebenen
chen, d.h. es besteht der Verdacht auf resistente Vi-        Resistenzmutationen zusammengefasst werden sollten.
russtämme. In diesen Fällen sollte eine phänotypische        Die derzeit zuverlässigste und praktikabelste Methode,
und/oder genotypische Resistenztestung erfolgen. Im          um die Resistenzassoziation neuer, bislang unbekannter
Falle einer Resistenz ist eine Alternativtherapie mit        AS-Substitutionen zu belegen, ist der Abgleich von Re-
Foscarnet angezeigt. Da insbesondere phänotypische Re-       sistenzphäno- und Resistenzgenotyp bei HSV-Isolaten.
sistenzteste mit einem relativ hohen Zeitaufwand von         Thymidinkinase-Funktionsassays mittels Massenspekt-
mindestens 7-10 Tagen verbunden sind, sollte bei ausge-      rometrie, Chromatographie oder enzymatischer Teste
prägter klinischer Resistenz das Ergebnis der Resistenz-     können unterschiedliche Ergebnisse aufweisen. Der we-
testung nicht abgewartet werden.                             sentliche Vorteil der Genotypisierung besteht in der di-
Phänotypisierung. Für die phänotypische Resistenztes-        rekten Testung von Patientenproben, was eine Virusiso-
tung werden in der Literatur Plaquereduktions- bzw. cpE-     lierung in der Zellkultur überflüssig macht. In Abhängig-
Hemmteste, Dye-Uptake-Assays und DNA-Hybridi-                keit von der Höhe der Viruslast, können die Ergebnisse
sierungsassays beschrieben, wobei der Plaquereduktions-      frühestens innerhalb von zwei Tagen vorliegen, was für
test die am häufigsten eingesetzte Methode darstellt. An-    eine Therapieentscheidung des Klinikers von großer Be-
hand der Hemmung morphologisch induzierter virusspe-         deutung ist. Limitierend kann sich bei der Analyse des
zifischer Zellveränderungen, sogenannter zytopatischer       DNA-Pol-Gens die begrenzte Menge an viraler DNA
Effekte (cpE) kann die Sensitivität von HSV gegenüber        auswirken, wenn ein Virusisolat fehlt. Beim Auffinden
Virostatika bestimmt werden. Es ist möglich, die Aus-        bislang unbekannter nicht-synonymer Nukleotidsubstitu-
wertung mit Hilfe von Zellstoffwechseltesten, wie z.B.       tionen, insbesondere außerhalb aktiver und konservierter
dem Tetrazoliumreduktionstest, zu erleichtern und zu ob-     Genbereiche, kann die Befundinterpretation deutlich er-
jektivieren. Hierbei kann die Anzahl der stoffwechselfä-     schwert sein. Um die Genotypisierung als Methode der
higen bzw. lebenden Zellen spektrophotometrisch be-          Wahl für die Resistenztestung des in breitem Maße HSV
stimmt werden. Mittels Testung des Virostatikums in ei-      zu etablieren, ist noch ein erheblicher Studienaufwand
ner absteigenden geometrischen Verdünnungsreihe wird         notwendig.
die mittlere inhibitorische Konzentration (IC50) des zu
prüfenden Virostatikums bestimmt, welche zu einer            7. Ausgewählte weiterführende Literatur
50%igen Hemmung der Virusreplikation führt. Bislang          Balfour et al. Management of acyclovir-resistant herpes simplex and
gibt es noch keine internationale Standardisierung des            varicella-zoster virus infections. J Acquir Immune Defic Syndr
Cut-off für eine Resistenz, was vor allem auf die Stör-           1994;7:254-260.
größe „Zellkultur“ zurückzuführen ist. Es ist deshalb not-   Bohn et al. Gene polymorphism of thymidine kinase and DNA poly-
wendig, in jedem Versuchsansatz einen TK-positiven Re-            merase in clinical strains of herpes simplex virus. Antiviral Ther
                                                                  2011;16:989-997.
ferenzstamm als Kontrolle mitzuführen. Am gebräuch-
lichsten und zuverlässigsten ist es, für Nukleosidanaloga    Burrel et al. Genotypic characterization of UL23 thymindine kinase and
                                                                  UL30 DNA polymerase of clinical isolates of herpes simplex vi-
und Cidofovir von einer Resistenz auszugehen, wenn die            rus: natural polymorphism and mutations associated with re-
IC50 des betreffenden HSV-Stammes die IC50 des sensiti-           sistance to antivirals. Antimicrob. Agents Chemother
ven Kontrollstammes 3 bis 5fach überschreitet. Für die            2010;54:4833-4842.
Testung von Foscarnet hat sich die Zugrundelegung eines      Larder and Darby. Selection and characterisation of acyclovir-resistant
Cut-off von 330 µM bewährt.                                       herpes simplex virus type 1 mutants inducing altered DNA poly-
                                                                  merase activities. Virology 1986;146:262-271.
Die Vorteile der Phänotypisierung bestehen vor allem in      Liermann et al. Evaluation of commercial HSV IgG and IgM enzyme
der zweifelsfreien Interpretation der Ergebnisse, weshalb         immunoassays. J Virol Methods 2014;199:29-34
diese Methode bis heute noch als Goldstandard zur Re-        Morfin and Thouvenot. Herpes simplex virus resistance to antiviral
sistenztestung des HSV angesehen wird. Von Nachteil               drugs. J Clin Virol 2013;26:29-37.
sind der hohe Zeit- und Materialaufwand, was durch die       Safrin et al. A controlled trial comparing foscarnet with vidarabine for
                                                                  acyclovir-resistant mucocutaneous herpes simplex in the acquired
Isolierung und Testung der HSV-Stämme in der Zellkul-             immunodeficiency syndrome. N Engl J Med 1991;325:551-555.
tur bedingt ist, sowie die fehlende Standardisierung. Eine
                                                             Sandherr et al. Antiviral prophylaxis in patients with haemotological
phänotypische Resistenztestung ist praktisch nur mög-             malignancies and solid tumours: Guidelines of the Infectious Dis-
lich, wenn Bläschen- oder respiratorische Abstriche des           eases Working Party (AGIHO) of the German Society for Hema-
Patienten vorliegen, aus denen das HSV gut isoliert wer-          tology and Oncology (DGHO). Ann Oncol 2006;17:1051-1059.
den kann. Aus Liquor, Blut oder Proben des Auges ist in      Sauerbrei and Wutzler. Serological detection of type-specific IgG to
den allermeisten Fällen eine Virusisolierung nicht erfolg-        herpes simplex virus by novel ELISAs based on recombinant and
                                                                  highly purified glycoprotein G. Clin Lab 2004;50:425-429.
reich.

                                                                                        MIKROBIOLOGE 24.Jg. 2014               157
Sauerbrei et al. Virological diagnosis of herpes simplex encephalitis. J        Dis 2012;205:1539-1543.
     Clin Virol 1999;17:31-36.                                             Weller and Kuchta. The helicase-primase complex as a target for herpes
Sauerbrei and Wutzler. Herpes simplex and varicella-zoster virus infec-         viral infection. Expert Opin Ther Targets 2013;17:1119-1132.
     tions during pregnancy – current concepts of prevention, diagnosis    Zhu et al. HSV-2 vaccine: current status and insight into factors for de-
     and therapy. Part 1: Herpes simplex virus infections. Med Micro-           veloping an efficient vaccine. Viruses 2014;6:371-390.
     biol Immunol 2007;196:89-94.
Sauerbrei et al. Phenotypic and genotypic characterization of acyclovir-
     resistant clinical isolates of herpes simplex virus. Antiviral Res    Korrespondenzadresse:
     2010;86:246-252.
                                                                           Prof. Dr. Andreas Sauerbrei
Sauerbrei et al. Novel resistance-associated mutations of the tymidine
     kinase and DNA polymerase genes of herpes simplex virus type 1
                                                                           Institut für Virologie und Antivirale Therapie
     and type 2. Antiviral Ther 2011;16:1297-1308.                         Universitätsklinikum Jena
Sauerbrei et al. Seroprevalence of herpes simplex virus type 1 and type    Konsiliarlabor für HSV und VZV
     2 in Thuringia, Germany, 1999 to 2006. Euro Surveill                  Hans-Knöll-Straße 2
     2011;16:pii=20005.                                                    07745 Jena
Sauerbrei et al. Significance of amino acid substitutions in the thymi-    Tel.      03641 - 9395700
     dine kinase gene of herpes simplex virus type 1 for resistance. An-   Fax       03641 - 9395702
     tiviral Res 2012;96:105-107.
                                                                           E-Mail: Andreas.Sauerbrei@med.uni-jena.de
van Velzen et al. Latent acyclovir-resistant herpes simplex virus type 1
     in trigeminal ganglia of immunocompetent individuals. J Infect

158    MIKROBIOLOGE 24.Jg. 2014
Sie können auch lesen