Gesellschafts- und Unternehmensrecht - to the point: 2. Quartal 2021 - Schoenherr
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to the point: Gesellschafts- und Unternehmensrecht 2. Quartal 2021
Inhalt: 1. Aktuelle Rechtsprechung 4 2. Autoren 11
In Kürze: OGH zu Entsendungsrechten in den Aufsichtsrat: Die – in Verletzung eines omnilateralen Syndikatsvertrags – erfolgte Abberufung eines vom Mitgesellschafter entsendeten Aufsichtsratsmitglieds durch Mehrheitsbe- schluss kann treuwidrig und damit anfechtbar sein. OGH zur Wirkung von nichtigen Beschlüssen auf Folgebeschlüsse: Die Nichtigkeit eines ersten Beschlusses hat auch die Nichtigkeit des zweiten zur Folge, wenn zwischen den beiden Beschlüssen ein Zusam- menhang besteht. OGH zur Kündigungskompetenz der Geschäftsführer in der GmbH & Co KG: Aufgrund der Annexkompetenz fällt die Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrags des Geschäftsführers der Komplemen- tär-GmbH einer GmbH & Co KG ebenso in die Kompetenz der Gesell- schafter der Komplementär-GmbH wie die Kündigung eines unmittelbar zur GmbH bestehenden Geschäftsführervertrags. OGH zur Haftung des Abschlussprüfers: Die Redepflicht des Ab- schlussprüfers gemäß § 273 UGB besteht bei schwerwiegenden Verstö- ßen der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung. Keine Rechtswidrigkeit der Unterlas- sung der Redepflicht besteht, wenn eine Frage strittig ist und der Ab- schlussprüfer eine objektiv vernünftige Rechtsmeinung vertritt, wobei nicht alles schon deshalb vertretbar ist, weil es einmal in der Literatur vertreten wurde. OGH zur Qualifikation des Verrechnungskontos bei der KG: Die Ver- buchung von Verlusten auf einem Konto zusammen mit der Verbuchung von entnahmefähigen und nicht entnahmefähigen Gewinnen führt zu einer eigenkapitalbezogenen "Infizierung" des gesamten Kontos. Damit entsteht auch bei einem positiven Saldo kein unmittelbares Forderungs- recht, sondern gelten die Entnahmebeschränkungen des § 122 UGB. Drei Entscheidungen zum Stiftungsrecht: (1) Die rechtliche Qualifika- tion von Zuwendungen von Privatstiftungen an Begünstigte (Erfordernis einer notariell zu beurkundenden Schenkung) bleibt offen. (2) Die Befug- nisse eines gesetzlich nicht vorgesehenen satzungsautonom geschaffe- nen Stiftungsorgans richten sich ausschließlich nach der Satzung. (3) Die Auslegung einer Stiftungsurkunde erfolgt objektiv (normativ); dies umfasst auch die Frage der Begünstigtenstellung. OGH in weiteren Entscheidungen: • Die sehr detaillierten Fristenregelungen zur Aufstellung des Jahresab- schlusses und der Offenlegung gemäß COVID-19-GesG lassen eine analoge Anwendung darüber hinaus nicht zu. • Der OGH scheint das Mitgliedschaftsrecht jedes einzelnen Gesellschaf- ters zumindest teilweise dem deliktsrechtlichen Schutz zu unter- stellen. • Bei der Anmeldung einer GmbH-Gesellschafteränderung ist der Nota- riatsakt grundsätzlich nicht vorzulegen. Ob Bedenken gegen die Rich- tigkeit des Eintragungsgesuchs bestehen, ist eine Frage des Einzelfalls. • Die Formpflicht nach § 76 Abs 2 GmbHG betrifft Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft. Einer allfälligen nachträglichen Heilung kommt keine "rückwirkende" Wirkung zu. • Neben einer Liquidationseröffnungsbilanz ist zusätzlich ein Jahresab- schluss für das Rumpfgeschäftsjahr der Gesellschaft zum Stichtag der Auflösung zu erstellen. • Der bloße Zusatz "in Liquidation" zum Firmenwortlaut begründet nicht den Entfall der Pflicht zur Jahresabschlussaufstellung, denn der Zusatz schließt für sich genommen eine (vorübergehende) Fortführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit keineswegs aus. • Beschränkungen des Innenverhältnisses schlagen grundsätzlich nicht auf das Außenverhältnis durch. Das gilt nicht für Geschäfte, bei denen dem Dritten der Vollmachtmissbrauch bekannt war und dieser wusste, dass der Geschäftsführer durch Abschluss des Geschäftes eine interne Pflicht verletzt. 3
1. Aktuelle Rechtsprechung 1.1 Entsendung in den Aufsichtsrat, Treuepflichten aus gere die Intensität der einzuhaltenden Treupflichten. So er- einem Syndikatsvertrag (OGH 18.02.2021, 6 Ob 155/20t) achtet der OGH die Stimmabgabe der Nebenintervenientin bei der Abberufung des entsandten Aufsichtsratsmitglieds In dieser Rechtssache (der Spar/dm-Rechtsstreit) beurteilt als treuwidrig und somit als anfechtbar. In Folge war der der OGH das Recht eines Gesellschafters zur Entsendung Abberufungsbeschluss daher nichtig. eines Mitglieds in den Aufsichtsrat einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung sowie die Frage der Rechtsfolgen Im Ergebnis behielt das von der übertragenden Gründungs- eines Verstoßes gegen Bestimmungen eines Syndikatsver- gesellschafterin entsendete Aufsichtsratsmitglied daher sei- trags. Der Gesellschaftsvertrag der beklagten Gesellschaft ne Position. sah vor, dass den beiden Gesellschafterinnen jeweils ein Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat zukommt und ein Aufsichtsratsmitglied von beiden Gesellschafterinnen zu Praxistipp: wählen ist; der omnilaterale Syndikatsvertrag regelte ua wechselseitige Mitwirkungspflichten der Gesellschafte- Im Falle der Verankerung eines Entsendungs- rinnen zur Umsetzung deren jeweiligen Rechte betreffend rechts im Gesellschaftsvertrag lautend auf die den Aufsichtsrat. Im Jahr 2004 wurde der Geschäftsanteil Gesellschafter sollte – sofern die Übertragung einer der Gründungsgesellschafterinnen (zunächst im Wege des Entsendungsrechts gewünscht ist – bei ei- der Gesamtrechtsnachfolge) an eine andere Gesellschaft, darauffolgend im Weg der Einzelrechtsnachfolge an die ner Rechtsnachfolge der Gesellschaftsvertrag Klägerin übertragen, wobei das von der übertragenden geändert werden, um den Übergang des Ent- Gründungsgesellschafterin entsandte Aufsichtsratsmit- sendungsrechts auf den neuen Gesellschafter glied weiterhin seine Organfunktion behielt. Im Jahr 2017 fasste die außerordentliche Generalversammlung ua den zu sichern. Beschluss, das von der übertragenden Gründungsgesell- (Linda Černá) schafterin entsandte Aufsichtsratsmitglied abzuberufen. Die Klägerin als Gesellschafterin der Beklagten begehrte die 1.2 Wirkung nichtiger Beschlüsse auf Folgebeschlüs- Feststellung der Unwirksamkeit, in eventu die Nichtigerklä- se, Treupflichten aus einem Syndikatsvertrag (OGH rung des Abberufungsbeschlusses; die andere Gesellschaf- 18.02.2021, 6 Ob 140/20m) terin beteiligte sich in diesem Verfahren als Nebeninterveni- entin auf Seiten der beklagten Gesellschaft. In der gegenständlichen Entscheidung beschäftigte sich der OGH ebenfalls mit dem Spar/dm-Rechtsstreit. Die Klä- Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage mit der Be- gerin, die als Rechtsnachfolgerin Gesellschafterstellung der gründung ab, dass das gesellschaftsvertraglich eingeräum- beklagten Gesellschaft erlangte, begehrte die Nichtigerklä- te Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat höchstpersönlich rung des Generalversammlungsbeschlusses über die Be- und unübertragbar sei. Der OGH ließ die außerordentliche stellung (durch Wahl der Generalversammlung) zweier von Revision wegen teilweiser Fehlbeurteilung durch das Beru- der Nebenintervenientin als Mehrheitsgesellschafterin vor- fungsgericht zu und behandelte die Fragen des Übergangs geschlagenen Aufsichtsratsmitglieder. des Entsendungsrechts auf die Klägerin sowie die Verlet- zung von Treuepflichten aus dem Syndikatsvertrag und so- Das Erst- und Berufungsgericht wiesen auch diese Klage mit die Rechtswirksamkeit des Abberufungsbeschlusses. aufgrund des Untergangs des Entsendungsrechts der Klä- gerin ab. Dadurch seien die übrigen Aufsichtsratsmitglieder Der OGH erwog zunächst, dass das in § 30c GmbHG – neben den von der Nebenintervenientin entsandten Mit- normierte gesellschaftsvertragliche Entsendungsrecht, gliedern – von der Generalversammlung zu wählen. Auch das Inhabern nicht vinkulierter Geschäftsanteile zukommt, hier hat der OGH die außerordentliche Revision aufgrund höchstpersönlich sei und schloss sich der einhelligen Lehre einer Fehlbeurteilung des Vorliegens einer zur Beschlussan- an, wonach höchstpersönliche Entsendungsrechte unüber- fechtung berechtigenden Treuwidrigkeit durch das Beru- tragbar seien und mit dem Verlust der Gesellschafterstel- fungsgericht zugelassen. lung erlöschen. Die Klägerin sei somit nicht Gesamtrechts- nachfolgerin der übertragenden Gründungsgesellschafterin Mit der oben ausgeführten Entscheidung wurde der Ab- und ihr stehe daher auch nicht das gesellschaftsvertragliche berufungsbeschluss über das von der übertragenden Entsendungsrecht zu. Als Rechtsfolge dessen hätte das Gründungsgesellschafterin entsandte Aufsichtsratsmit- entsendete Aufsichtsratsmitglied mit einfacher Stimmen- glied für nichtig erklärt und daher aufgehoben. Der OGH mehrheit abberufen werden können. bestätigte zunächst den Tenor früherer Entscheidungen zu den Rechtsfolgen der Nichtigkeit von Beschlüssen auf Im Hinblick auf die Bestimmungen des Syndikatsvertrags Folgebeschlüsse, wenn zwischen den Beschlüssen ein Zu- bestätigte der OGH jedoch frühere Judikatur, dass weder sammenhang besteht, wonach die Nichtigkeit des ersten ein Stimmrechtsmissbrauch noch die treuwidrige Stimmab- Beschlusses auch die Nichtigkeit des zweiten zur Folge gabe zur Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses hat. Im gegenständlichen Fall folgte aus der treuwidrigen führen, sondern lediglich zu dessen Anfechtbarkeit. Ein om- Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds durch die Nebenin- nilateraler Syndikatsvertrag zwischen Gesellschaftern einer tervenientin auch die Treuwidrigkeit der Wahl der anderen Gesellschaft mit einer personalistischen Ausgestaltung stei- Aufsichtsratsmitglieder durch die Nebenintervenientin. Da- 4
her gab der OGH der Beschlussanfechtung der Klägerin deren Gesellschafter über die Kompetenz, ein Dienstverhältnis hinsichtlich der Wahlbeschlüsse statt. zu beenden. Das OLG Wien als Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers statt. In der Begründung verwies Die Klägerin stützte ihre Beschlussanfechtung in diesem das Berufungsgericht auf die mangelnde Kompetenz des Verfahren auch auf einen Verstoß der Treuepflicht durch die Gesellschafterausschusses der Komplementär-GmbH und Nebenintervenientin, der sich daraus ergebe, dass die Ne- führte aus, dass eine Kündigung nur durch einen weiteren benintervenientin die Verpflichtung aus dem Syndikatsver- Geschäftsführer, der als deren Vertreter auftritt, ausgespro- trag, über das zu wählende Aufsichtsratsmitglied das Ein- chen hätte werden müssen. vernehmen herzustellen, missachtet habe. Der OGH stellte zunächst fest, dass die Klägerin durch Vertragsübernahme Nach ausführlicher Darstellung der Literatur kam der OGH Partei des Syndikatsvertrags wurde. Des Weiteren bestä- zum Schluss, dass eine subsidiäre Kompetenz der Gesell- tigte er vergangene Judikatur, wonach eine Beschlussan- schafter der Komplementärin zur Kündigung eines Dritt- fechtung wegen Verletzung des Stimmbindungsvertrags anstellungsvertrags ihres Geschäftsführers mit der KG grundsätzlich ausscheidet, sofern sich die Stimmbindung insbesondere unbestritten besteht, wenn keine weiteren nicht darauf beschränkt, die – auch ohne Syndikatsvertrag Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Anzahl vorhan- gegebene – Treuepflicht zu konkretisieren. Stimmabgaben den sind. Der OGH folgte der Rechtsansicht des Erstge- in Verletzung eines omnilateralen Syndikatsvertrags sind richts und bestätigte, dass der Gesellschafterausschuss als laut OGH jedoch anfechtbar, wenn eine ausgeprägte per- Vertreter der Komplementär-GmbH auch zur Vertretung der sonalistische Gesellschaftsstruktur vorliegt. GmbH & Co KG in dieser Angelegenheit berechtigt sei. Die Annexkompetenz wurde insofern von den Höchstrichtern Im gegenständlichen Fall konkretisiert der Syndikatsver- auch bestätigt, zumal die Geschäftsführer gemäß § 20 GmbHG trag die zwischen den Gesellschafterinnen bestehenden an die Weisungen der Gesellschafter gebunden sind. Treuepflichten, da damit das Verständnis der Zusammen- Daher spiele es in der Praxis keine wesentliche Rolle, ob nun arbeit zwischen den Gesellschafterinnen umgesetzt wird. die Gesellschafter der Komplementär-GmbH den verbliebe- Die Nebenintervenientin habe mit ihrer Stimmabgabe ge- nen Geschäftsführern die Weisung erteilen, das Dienstver- gen den Syndikatsvertrag verstoßen und damit auch ge- hältnis zu beenden, oder ob sie den Kündigungsentschluss gen ihre Treuepflicht. Dies führe zur Berechtigung der An- dem zu kündigenden Geschäftsführer selbst mitteilen. fechtung eines Wahlbeschlusses und in weiterer Folge zur Nichtigkeit beider angefochtenen Wahlbeschlüsse. Aufgrund der Annexkompetenz war der Gesellschafteraus- schuss als Vertreter der Komplementär-GmbH auch zur (Linda Černá) Vertretung der beklagten GmbH & Co KG – als nunmehr ehemalige Dienstgeberin des Klägers – berechtigt. 1.3 Kündigungskompetenz der Geschäftsführer in der GmbH & Co KG (OGH 18.12.2020, 8 ObA 80/19a) (Markus Fasching) Die gegenständliche Entscheidung des OGH betrifft die 1.4 Haftung Abschlussprüfer, Einlagenrückgewähr in Frage, ob ein Dienstverhältnis zu einer GmbH & Co KG al- GmbH & Co KG (OGH 18.02.2021, 6 Ob 207/20i) lein durch den Gesellschafterausschuss der Komplemen- tär-GmbH aufgelöst werden kann oder ob die Auflösung Der sechste Senat des OGH befasste sich in der gegen- des Dienstverhältnisses durch einen weiteren Geschäfts- ständlichen Entscheidung mit der Redepflicht des Ab- führer der Komplementär-GmbH, als organschaftliche schlussprüfers gemäß § 273 UGB. Die Konzernmutter (eine Vertretung der GmbH & Co KG, erfolgen muss. Wie in AG) trat als einzige Kommanditistin einer Kommanditge- der Praxis häufig verwendet, wurde der Kläger aufgrund sellschaft auf. Diese Kommanditgesellschaft war Alleinge- einer Drittanstellung zum Geschäftsführer der Komple- sellschafterin einer GmbH, in der mehrere Beteiligungen mentär-GmbH berufen. Dabei schloss die GmbH & Co KG ausländischer Gesellschaften gebündelt waren. Als einzige einen Geschäftsführer-Dienstvertrag mit dem Kläger ab, Komplementärin der Kommanditgesellschaft trat eine wei- wodurch dieser zum Geschäftsführer der GmbH ernannt tere 100%-ige Tochtergesellschaft der Konzernmutter auf. wurde. Ende 2008 übertrug die Kommanditgesellschaft ihren ge- samten Geschäftsanteil an der GmbH ohne Gegenleistung Der klagende, gekündigte Geschäftsführer war der An- an die Konzernmutter (ihre einzige Kommanditistin). Die sicht, dass die GmbH als geschäftsführende Gesellschaf- Abschlussprüferin der Kommanditgesellschaft erteilte für terin der KG nur durch ihre Geschäftsführer wirksam han- den Jahresabschluss 2008 einen uneingeschränkten Bestä- deln könne und eine Übertragung ihrer Befugnisse an den tigungsvermerk und hielt fest, dass die Prüfung zu keinen Gesellschafterausschuss nicht wirksam sei. Die beklagte Einwendungen geführt habe. Ende 2010 wurde die Kom- GmbH & Co KG wandte ein, dass die Gesellschafter der manditgesellschaft insolvent. Die Kommanditgesellschaft, Komplementär-GmbH im Annex ihrer Bestellungs- und Ab- vertreten durch den Masseverwalter, begehrt nun von der berufungskompetenz auch für die KG als organschaftliche beklagten Abschlussprüferin EUR 12 Mio (Haftungsober- Untervertreter der Komplementär-GmbH zuständig wären. grenze), da diese ihre Redepflicht gemäß § 273 UGB ver- letzt habe. Die Abschlussprüferin hätte darauf hinweisen Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, da die Ge- müssen, dass die Sachentnahme einen Verstoß gegen das schäftsführung der Beklagten der GmbH-Komplementärin Verbot der Einlagenrückgewähr verwirklicht. Durch die Ein- unterliege. Aufgrund des Gesellschaftsvertrags verfügen bringung sei der Klägerin Vermögen im Wert von EUR 325 5
Mio entzogen worden, wohingegen das Verrechnungskonto technischer Sicht strittig ist und der Abschlussprüfer eine der Konzernmutter lediglich einen Stand von EUR 25 Mio objektiv vernünftige Rechtsmeinung vertreten hat. Wenn der ausgewiesen habe. Abschlussprüfer einem Rechtsirrtum unterliegt, der durch Anwendung der erforderlichen Sorgfalt (fachgerechte Re- Die Beklagte wendete ein, man habe sich mit der Rechtsla- cherche) vermieden hätte werden können, greift die Haftung ge auseinandergesetzt und sei nach ausführlicher Diskussi- des § 275 UGB aber jedenfalls. Damit stelle sich im vorlie- on zum Ergebnis gekommen, dass die Entscheidung OGH genden Fall die Frage, ob die Rechtslage zur Einlagenrück- 2 Ob 225/07p (Analoge Anwendbarkeit der Kapitalerhaltungs- gewähr im März 2009 so eindeutig war, dass die Beklagte regeln auf die GmbH & Co KG) nicht anwendbar gewesen bei Verneinung einer solchen keinesfalls eine objektiv ver- sei. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die nünftige Rechtsmeinung vertreten hat. Zusätzlich stellte der Kommanditgesellschaft sei zwar den Kapitalerhaltungsvor- OGH klar, dass nicht alles schon deshalb vertretbar ist, weil schriften unterlegen, der durch die Anteilsübertragung (aus es einmal in der Literatur vertreten wurde. der Aufdeckung stiller Reserven) entstandene Aufwertungs- gewinn habe jedoch ausgeschüttet werden können. Damit In der Sache entschied der OGH nicht. Es bleibt vom Erst- wäre nach der Feststellung des Jahresabschlusses 2008 gericht zu erheben, welche Überlegungen die beklagte Ab- bei der Kommanditgesellschaft ein ausschüttungsfähiger schlussprüferin zum Zeitpunkt des Prüfungsvorgangs (somit Gewinn in Höhe des Verkehrswerts der übertragenen An- Anfang 2009) tatsächlich angestellt und sich mit dem Hin- teile zur Verfügung gestanden, den die Konzernmutter hätte weis zur Aufwertung gemäß Einbringungsvertrag begnügt entnehmen können. Die Zuwendung des Werts an die Kon- hat. zernmutter sei bloß als "verfrüht" anzusehen. Praxistipp: Der sechste Senat schloss sich dieser Rechtsmeinung nicht an und führte im Wesentlichen aus, dass Einbringungen, bei Problematisch an dieser Entscheidung ist, dass denen Vermögen einer Kapitalgesellschaft & Co KG im Rah- die Rechtslage heute sicher klarer ist als im men eines Sacheinlagevertrags ohne Gegenleistung auf den Jahr 2009. Es bleibt abzuwarten, ob diese Ent- Kommanditisten übertragen werden, offene Verstöße gegen scheidung ein Anstoß ist, mehrere solcher "Alt- das Kapitalerhaltungsgebot sind. Vor dem Hintergrund der Kapitalerhaltungsvorschriften wäre der Abtretungsvertrag last-Fälle" aufzurollen. zulässig gewesen, wenn eine Gewinnausschüttung des Teil- betriebs an die Gesellschafter im Wege einer Sachdividende (Stefan Holub) erfolgt, eine ordentliche Kapitalherabsetzung unter analoger Anwendung der §§ 54 ff GmbHG vorgenommen worden, 1.5 Verrechnungskonto bei der KG (OGH 15.03.2021, die Vorschriften über die Liquidation (mit Sachauskehr) ein- 6 Ob 254/20a) gehalten worden oder ein den Wertabgang ausgleichender Gesellschaftereinschuss an die sacheinlegende KG geleis- Der OGH befasste sich in dieser Entscheidung mit der tet worden wären. All dies war im vorliegenden Sachverhalt Qualifikation des Verrechnungskontos einer Kommanditis- aber nicht gegeben. Ungebundenes Vermögen darf nicht tin. Die Klägerin war einzige Kommanditistin der beklagten jederzeit und regellos, sondern nur auf Grundlage eines gül- KG mit einer Haftsumme von ATS 1.000. Einziger Komple- tigen Jahresabschlusses nach Fassung eines Gewinnvertei- mentär war der spätere Ehemann der Klägerin. Bereits mit lungsbeschlusses ausgeschüttet werden. Vorauszahlungen Errichtung des Gesellschaftsvertrags stellte die Klägerin ein auf künftige Gewinnansprüche sind unzulässig und versto- zeitlich unbefristetes Anbot zur Abtretung ihres Geschäfts- ßen gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr. anteils "unter Verzicht auf alle weiteren Ansprüche gegen die Beklagte" zugunsten der beiden gemeinsamen Kinder. Ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr ge- Beide Gesellschafter führten gemäß Gesellschaftsvertrag je- mäß § 82 GmbHG zieht absolute Nichtigkeit des Rechts- weils ein Kapitalkonto und ein Verrechnungskonto. Auf das geschäfts nach sich. Absolute Nichtigkeit wirkt ex tunc und jeweilige Verrechnungskonto waren laut Gesellschaftsver- lässt damit den Vertrag jedenfalls von Anfang an unwirksam trag Gewinne, Verluste der Gesellschaft und sonstige Be- sein. Eine Heilung durch Aufrechnung sei grundsätzlich träge zugunsten oder zulasten der Gesellschaft im Rahmen möglich, gilt aufgrund der absoluten Nichtigkeit aber im vor- des Gesellschaftsverhältnisses zu buchen. Zudem durfte liegenden Fall nicht. die Klägerin Behebungen vom Verrechnungskonto nur ein- verständlich vornehmen. Ab dem Wirtschaftsjahr 2008/09 Die beklagte Abschlussprüferin hätte schließlich bei Er- wurde ein allfälliges Guthaben der Klägerin verzinst. Ende kennbarkeit, dass es sich im vorliegenden Fall um einen 2012 nahm der Komplementär das von der Klägerin bei Ge- Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr handelt, sellschaftsvertragserrichtung gestellte Anbot zugunsten der ihre Redepflicht ausüben müssen. Die Redepflicht ist eine gemeinsamen Kinder an. Warnpflicht, die nur bei "schwerwiegenden Bedenken" aus- zuüben ist. Keine Rechtswidrigkeit besteht, wenn eine Frage Die Klägerin sah in der Gesamtkonstruktion, dass sie un- in bilanzrechtlicher, betriebswirtschaftlicher oder prüfungs- befristet und unter Anspruchsverzicht an ihr Abtretungs- 6
anbot gebunden war und Entnahmen aus ihrem Verrech- Das Rekursgericht hatte in weiterer Folge ua die Frage der nungskonto nur einverständlich vornehmen konnte, eine rechtlichen Qualifikation von Zuwendungen einer Privatstif- Sittenwidrigkeit zu ihren Lasten und begehrte einen Betrag tung zu klären. Da der OGH zur Rechtsnatur von Zuwen- entsprechend dem Stand ihres Verrechnungskontos zum dungen nach dem Privatstiftungsgesetz noch nicht explizit Zeitpunkt der Abtretung. Stellung genommen hat, hat das Rekursgericht unter Ver- weis auf die Rechtsansicht des deutschen BGH und die Der OGH teilte diese Auffassung nicht und sprach aus, dass herrschende Lehre in Österreich zur Beurteilung festgehal- zum einen die Klägerin selbst kein Kapital in die Gesellschaft ten, dass unentgeltliche Zuwendungen an einen Begünstig- eingebracht hatte, sondern lediglich Arbeitsleistungen erbrachte, ten zur Verwirklichung des Stiftungszwecks nicht als (nota- wofür sie fremdübliche Gegenleistungen bekam. Zum an- riell zu beurkundende) Schenkungen zu qualifizieren sind. deren erfolgte die Regelung im Gesellschaftsvertrag hin- Rechtsgrund der Zuwendung sei der Stiftungszweck selbst. sichtlich Entnahmen erkennbar vor dem Hintergrund, dass das Gesellschaftsvermögen im Wesentlichen aus dem vom Da im vorliegenden Fall nicht feststellbar war, ob die zu be- Komplementär eingebrachten Betrieb bestand. Die Entnah- urteilende Eigentumsübertragung dem Stiftungszweck ent- mebeschränkung war somit nicht willkürlich. spricht oder ob der Empfänger tatsächlich Begünstigter ist, gab das Rekursgericht dem Rekurs nicht Folge. Der OGH Weiter führte der erkennende Senat aus, dass sich der wies den ordentlichen Revisionsrekurs schließlich aufgrund Rechtscharakter des Verrechnungskontos (Kapitalkonto II) fehlender Zulässigkeitsvoraussetzungen zurück. Somit nach dem Gesellschaftsvertrag, nach Gesellschafterbe- bleibt eine nationale höchstgerichtliche Entscheidung hin- schlüssen und nach der Art der ihrer Bildung zugrundelie- sichtlich der rechtlichen Qualifikation von Zuwendungen von genden Geschäftsvorgänge richtet. Die Buchung von Ver- Privatstiftungen an Begünstigte abzuwarten. lusten auf dem Verrechnungskonto spricht dabei dafür, dass diesem die Funktion eines echten Einlagenkontos zukommt. (Benedikt Gröhs) In einem solchen Fall führt die Verbuchung von Verlusten auf einem Konto zusammen mit der Verbuchung von entnah- Organe in Stiftungen nach Stiftungs- und Fonds-Landesge- mefähigen und nicht entnahmefähigen Gewinnen zu einer setz (OGH 18.02.2021, 6 Ob 21/21p) eigenkapitalbezogenen "Infizierung" des gesamten Kontos. Daraus folgt, dass dem Kommanditisten auch bei einem po- Gegenständlich war eine Klage auf Feststellung der Haftung sitiven Saldo kein unmittelbares Forderungsrecht zukommt. eines Stiftungsadministrators im Zusammenhang mit der Vielmehr unterliegt ein solches Konto den Entnahmebe- Veräußerung von zwei Gemälden zu entscheiden. Die Klage schränkungen des § 122 UGB und ist zur Entnahme ein wurde von dem "Kurator" der Stiftung eingebracht. Dieser Gesellschafterbeschluss erforderlich. hat aber laut den Vorinstanzen kein rechtliches Interesse an einer solchen Feststellung. Das auf dem Verrechnungskonto der Klägerin verbuchte Guthaben war somit als Eigenkapital der Gesellschaft zu Der OGH wies die außerordentliche Revision ab und sprach qualifizieren und stellt keine selbständige Forderung der Klä- aus, dass Fragen der Auslegung einer Stiftungsurkunde im gerin gegen die Gesellschaft dar. Vielmehr stellt das Gutha- Einzelfall keine erhebliche Bedeutung zukommt, sofern dem ben einen Teil des Geschäftsanteils dar, der mit Abtretung Berufungsgericht keine auffallende Fehlbeurteilung unterlau- auf die Kinder übergegangen ist. fen ist und dies auch für Stiftungen nach einem Stiftungs- und Fonds-Landesgesetz gilt. (Stefan Holub) Das Höchstgericht führte weiters aus, dass das anzuwen- 1.6 Stiftungsrecht dende burgenländische Stiftungs- und Fondsgesetz nicht vorschreibt, welche konkreten Stiftungsorgane in der Sat- Zur rechtlichen Qualifikation von Zuwendungen einer Pri- zung einer Stiftung vorgesehen werden müssen. Vielmehr vatstiftung (OGH 07.01.2021, 5 Ob 150/20z) gewährt das Gesetz in diesem Bereich einen weiten Ermes- sensspielraum, von dem in den verfahrensgegenständli- Die Erstantragstellerin, eine Privatstiftung, wandte durch chen Satzungen ua durch die Schaffung eines "Kurators" Beschluss des Stiftungsvorstands einem Begünstigten drei Gebrauch gemacht wurde. Die Befugnisse eines gesetzlich Eigentumswohnungen einer Liegenschaft zu. Unter Vorlage nicht vorgesehenen satzungsautonom geschaffenen Stif- dieses Beschlusses, der Aufsandungsurkunde und weiterer tungsorgans richten sich ausschließlich nach der Satzung. Urkunden wurde die Eintragung des Eigentumsrechts zu- In der gegenständlichen Satzung der beiden Stiftungen kam gunsten des Begünstigten in das Grundbuch begehrt. dem Kurator lediglich eine relativ "schwache" Stellung zu. Er kann Vorschläge und Anregungen erstatten sowie sich an Das Erstgericht (Grundbuchsgericht) wies den Antrag mit die Stiftungsaufsichtsbehörde wenden. Ein Vertretungsrecht der Begründung ab, es handle sich um eine Schenkung, die kommt dem Kurator – abgesehen vom Fall der Verhinderung zur Wirksamkeit mangels tatsächlicher Übergabe vor Ver- des Stiftungsadministrators – hingegen nicht zu. tragsunterfertigung eines Notariatsakts bedürfe. (Stefan Holub) 7
Begünstigtenstellung nach dem PSG (OGH 18.02.2021, Die Revisionswerber haben weder einen Jahresabschluss 6 Ob 24/21d) noch einen vorläufigen Jahresabschluss rechtzeitig einge- reicht. Sie berufen sich auf den Umstand, dass die Erstellung Im gegenständlichen Fall klagten die Enkelkinder eines be- auch nur eines vorläufigen Jahresabschlusses nicht möglich reits verstorbenen Stifters auf Feststellung ihrer Begünstig- war. Der außerordentliche Revisionsrekurs verweist (neben tenstellung in der von ihrem Großvater errichteten Stiftung. weiteren Gründen) darauf, dass die Gesellschaft vom Aus- Zweck der Stiftung war ua "die Erhaltung und Verwaltung bruch der COVID-19-Pandemie getroffen wurde, die die Er- des der Stiftung gewidmeten Liegenschaftsvermögens und stellung eines (auch nur) vorläufigen Jahresabschlusses er- dadurch die Unterstützung von Begünstigten namentlich schwert habe, weshalb "die Erstreckung der Anwendbarkeit durch Gewährung von Geldleistungen aus den Erträgen des des § 3a Abs 2 COVID-19-GesG auf den hier gegenständ- Stiftungsvermögens durch Nutzungsüberlassung von Stif- lichen Jahresabschluss erwägenswert" erscheine. Diesem tungsvermögen als Sachzuwendungen." Argument entgegnet der OGH dahingehend, als zum Zeit- punkt des ersten Lockdowns am 16.03.2020 der Jahresab- Daneben enthielt die Stiftungsurkunde samt Stiftungszu- schluss gem § 222 UGB bereits aufgestellt hätte sein müs- satzurkunde detaillierte Regelungen zur Festlegung der Be- sen. Weiters habe der Gesetzgeber diesen Gegebenheiten günstigtenstellung im Falle des Todes des Stifters (der auf mit sehr detaillierten Fristenregelungen zur Aufstellung des Lebenszeit einziger Begünstigter der Privatstiftung war). Jahresabschlusses und der Offenlegung ohnehin Rechnung Demnach sollten nach ihm seine Ehefrau und die drei ge- getragen, sodass diese Regelungen nicht auch auf Fälle meinsamen Kinder jeweils zu einem Viertel begünstigt sein. anzuwenden wären, für die sie nicht vorgesehen sind. Der Im Falle des Todes eines Begünstigten sollten an dessen außerordentliche Revisionsrekurs wurde zurückgewiesen. Stelle alle aufgrund Gesetzes erbberechtigte Nachkommen dieses Begünstigten treten. Damit in Zusammenhang sind eine Mehrzahl weiterer Ent- scheidungen gegen Konzerngesellschaften der hier bestraf- Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kläger ab, ten Gesellschaft ergangen, bei denen noch weiter zurück- weil Fragen der Auslegung einer Stiftungsurkunde im Einzel- liegende Jahresabschlüsse nicht aufgestellt wurden und für fall keine erhebliche Bedeutung zukommt. Er hielt dazu aber die im Prinzip dieselben Regeln gelten. fest, dass eine Stiftungserklärung nach denselben Kriterien auszulegen ist, wie sie für die Satzung juristischer Personen (Benedikt Gröhs) entwickelt wurden. Korporative Regelungen, also solche, die nicht nur für derzeitige, sondern auch für künftige Ge- Auskunftsanspruch gegen den Geschäftsführer (OGH sellschafter und Dritte von Bedeutung sind, sind demnach 15.03.2021, 6 Ob 248/20v) nach deren Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv (normativ) auszulegen. Bei der (Er- Die gegenständliche Entscheidung des OGH betrifft den langung der) Begünstigtenstellung handelt es sich um eine Auskunftsanspruch gegen einen (ehemaligen) Geschäftsfüh- Rechtsfrage, die auf Basis der Auslegung der Stiftungsur- rer einer GmbH. Streitgegenständlich war das Vergütungs- kunde zu lösen ist. Der Stifterwille wird ausschließlich durch modell und das Beratungshonorar eines Mitgeschäftsfüh- Auslegung der Stiftungsurkunde nach objektiven Kriterien rers sowie die von der Gesellschaft auf diesen Grundlagen ermittelt. geleisteten Zahlungen. Der Kläger hat vorgebracht, dass der beklagte (ehemalige) Geschäftsführer bewusst die Aus- (Stefan Holub) kunftserteilung verzögert bzw unterlassen hatte. Zwischen- zeitlich wurde die Gesellschaft gelöscht. 1.7 Sonstige Rechtsprechung Der OGH hat zu der in der Revision aufgeworfenen (und äu- Rechtzeitige Einreichung des Jahresabschlusses trotz ßerst praxisrelevanten) Frage, ob durch das (angebliche) Tor- COVID-19-Pandemie verpflichtend (OGH 08.03.2021, 6 Ob pedieren der Auskunftserteilung bis zur Löschung der Gesell- 30/21m) schaft unmittelbar in das Vermögen des Klägers eingegriffen wurde, sodass sein Vermögensnachteil allenfalls über einen § 283 UGB sieht vor, dass bei nicht fristgerechter Einrei- bloßen Reflexschaden hinausgehe, bislang nicht Stellung chung des Jahresabschlusses (ua) einer GmbH Zwangs- genommen. Unter Bezugnahme auf die jüngere deutsche Li- strafen zu verhängen sind. Die Einreichung eines vorläufi- teratur kann die Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsrechts gen Jahresabschlusses reicht für die Wahrung der Frist aus. eines Verbandsmitglieds sowie der aus der Mitgliedschaft Neben allen Mitgliedern des entsprechenden kollegialen folgenden Herrschafts- und Teilhaberechte als ein Eingriff in Vertretungsorgans der Gesellschaft (in diesem Fall die Ge- ein absolut geschütztes Recht gesehen werden. Der OGH schäftsführer) kann gemäß § 283 Abs 1 iVm Abs 7 UGB spricht dazu obiter aus, dass sich der Anspruch nicht bloß auch die Gesellschaft zur Befolgung der Offenlegungsvor- gegen Dritte, sondern gerade auch gegen Organwalter (wie schriften durch Zwangsstrafen angehalten werden. Von der etwa Geschäftsführer) richten soll, die als der Gesellschaft Verhängung einer solchen Strafe kann abgesehen werden, besonders nahestehende Personen ohnedies mit der ver- wenn der zur Offenlegung Verpflichtete offenkundig durch bandsinternen Pflichten- und Rechtelage vertraut sind und ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an damit vom Zuweisungsgehalt der Mitgliedschaftsrechte der der fristgerechten Offenlegung gehindert war. Gesellschafter hinreichend Kenntnis haben müssen, sodass 8
sich die bei der Haftung außenstehender Dritter maßgebli- Liquidationseröffnungsbilanz (OGH 18.02.2021, 6 Ob che Frage der Offenkundigkeit der dem Verbandsmitglied 201/20g) zukommenden Rechtsposition in aller Regel nicht stellt. Im Sachverhalt dieser Entscheidung beantragte der Antrag- Da nach Ansicht des OGH die vom Kläger aufgeworfenen steller die Abberufung des Antragsgegners als Liquidator Fragen zum Vergütungsmodell und dem Beratungshonorar aus wichtigem Grund und die Bestellung eines anderen Li- eines Geschäftsführers allerdings bereits hinreichend be- quidators. Diesem Antrag gab das Erstgericht zwar statt, antwortet wurden, musste ein Anspruch auf Auskunft je- jedoch änderte das Rekursgericht die Entscheidung ab und denfalls scheitern. wies die Anträge ab. (Gabriel Ebner) Der OGH erwog dazu, dass es dem Rechtsmittelwerber nicht gelang, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen und Prüfung von Anteilsübertragungen durch das Firmenbuch- sprach aus, dass ein wichtiger Grund zur Abberufung des gericht (OGH 18.02.2021, 6 Ob 196/20x) Liquidators nur vorliegt, wenn eine ordnungsgemäße und ungestörte Liquidation ohne Nachteile für die Beteiligten In den gegenständlichen Entscheidungen beschäftigte sich nicht zu erwarten sei. Die Beurteilung eines solchen wichti- der OGH mit der eingeschränkten Prüfpflicht des Firmen- gen Grundes sei eine Ermessensentscheidung, welche von buchgerichts beim Übergang von Geschäftsanteilen an Umständen des Einzelfalls abhinge. einer GmbH aufgrund eines Abtretungsvertrags im Zuge der vereinfachten Anmeldung durch den Geschäftsfüh- Nach § 91 Abs 1 GmbHG bekräftigte der OGH, dass die rer gemäß § 11 FBG. Er bestätigte, dass der Notariatsakt Eröffnungsbilanz offenzulegen sei und zusätzlich dazu ein bei einer solchen Anmeldung grundsätzlich nicht vorgelegt Jahresabschluss für das Rumpfgeschäftsjahr der werben- werden muss. Eine Vorlage ist nur bei Bedenken gegen die den Gesellschaft zum Stichtag der Auflösung zu erstellen Richtigkeit der dem Gesuch zugrunde liegenden Tatsachen sei. Daher würden – wie im vorliegenden Fall – die man- notwendig. Ob Bedenken gegen die Richtigkeit der dem gelnde zeitgerechte Aufstellung und Zustellung der Bilanzen Eintragungsgesuch zugrunde liegenden Tatsachen beste- einen wichtigen Grund darstellen und die Abberufung des hen, ist eine Frage des Einzelfalls. Liquidators rechtfertigen. (Marija Blagojevic) (Marija Blagojevic) Formpflicht bei der Abtretung eines GmbH-Anteils (OGH 17.12.2020, 6 Ob 240/20t) Offenlegungspflicht und Zwangsstrafen während der Liqui- dation (OGH 17.12.2020, 6 Ob 230/20x) In der vorliegenden Entscheidung bekräftigte der OGH sei- ne Stellung (zuletzt 6 Ob 198/20s) zur Formpflicht des Der OGH musste in dieser Entscheidung klären, inwiefern § 76 Abs 2 GmbHG, wonach sowohl das Verpflichtungs- Zwangsstrafen während des Liquidationsverfahrens zuläs- als auch das Verfügungsgeschäft der Notariatsaktform sig sind. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde 2016 bedürfen und ein ipso iure-Übergang des Geschäftsanteils das Konkursverfahren eröffnet, 2019 das Insolvenzverfah- unzulässig ist. Der OGH erwog des Weiteren, dass eine ren mangels kostendeckenden Vermögens aufgehoben zunächst nicht in Notariatsaktform geschlossene Vereinba- und der Liquidationszusatz eingetragen. rung zwar mit nachträglichem Abschluss des Notariatsakts saniert würde, der Heilung jedoch keine "rückwirkende" Das Erstgericht verhängte über die Gesellschaft und den Wirkung zukommt. Liquidator Zwangsstrafen wegen unterlassener Einreichung der Jahresabschlüsse. Das Rekursgericht gab den dage- gen erhobenen Rekursen nicht Folge und sprach aus, dass Praxistipp: die Verhängung von Zwangsstrafen zwar während eines Dass eine rückwirkende Heilung eines Form- Insolvenzverfahrens verboten, jedoch nach Aufhebung des pflichtmangels (§ 76 Abs 2 GmbHG) nicht mög- Insolvenzverfahrens möglich wäre. lich ist, ist wohl herrschend und für die Praxis Der OGH erwog dazu, dass der bloße Zusatz "in Liquida- ein nicht zu unterschätzendes Problem. Die tion" zum Firmenwortlaut keinen Entfall des Informations- genaue Einhaltung der Formvorschrift bei bedürfnisses (nach einem Jahresabschluss) begründet; der GmbH-Anteilsübertragungen ist daher stets si- Zusatz schließt für sich genommen eine (vorübergehende) Fortführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit cherzustellen. keineswegs aus. Auch wenn kein Anlage- oder Umlaufver- mögen vorhanden ist, stellt dies keine Ausnahme von der (Marija Blagojevic) Offenlegungspflicht dar. (Marija Blagojevic) 9
Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers (OGH 24.02.2021, 9 ObA 32/20a) In der vorliegenden Entscheidung geht es um die Wirk- samkeit einer Vertretungshandlung in Ermangelung einer internen Genehmigung. Der OGH hielt fest, dass Beschrän- kungen des Innenverhältnisses grundsätzlich nicht auf das Außenverhältnis durchschlagen. Sie entfalten gegenüber Dritten keine rechtliche Wirkung. Missbraucht der Ge- schäftsführer jedoch seine Vertretungsmacht, so ist das mit einem Dritten abgeschlossene Geschäft aufgrund des Verkehrsschutzes dennoch gültig. Nach herrschender An- sicht gilt dies nicht für Geschäfte, bei denen dem Dritten der Vollmachtmissbrauch bekannt war und dieser wusste, dass der Geschäftsführer durch Abschluss des Geschäfts eine interne Pflicht verletzt (wie bereits in 6 Ob 35/19v festgehal- ten). In einem solchen Fall ist der abgeschlossene Vertrag schwebend unwirksam, sofern er nicht nachträglich vom Geschäftsherrn genehmigt wird. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen offenbar zu Recht angenommen, dass der Kläger, der sich auf die Gültigkeit einer Vereinbarung berief, die mangelnde interne Genehmigung kennen musste. Da- her war er nicht schutzwürdig und wurde die Wirksamkeit der Vereinbarung letztlich verneint. (Irina Hanin) 10
2. Autoren Autoren: Marija Blagojevic, Linda Černá, Gabriel Ebner, Markus Fasching, Benedikt Gröhs, Irina Hanin, Stefan Holub. Hier für zukünftige Updates registrieren: Link > Medieninhaber/Herausgeber: Schönherr Rechtsanwälte GmbH Schottenring 19 A-1010 Wien, Österreich Tel: (+43 1) 534 37 - 0 Email: office.austria@schoenherr.eu Web: www.schoenherr.eu © 2021. Imprint: https://www.schoenherr.eu/imprint/ Dieser Newsletter enthält allgemeine Informationen, die eine individuelle Beratung nicht ersetzen können. Eine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität des Inhalts wird nicht übernommen. 11
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