LEITFADEN ZUM LÜCKENSCHLUSS - Strategien und Maßnahmen für den Biotopverbund - Bund für Umwelt und ...
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Herausgeber: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) BUND Fachbereich Grünes Band Regionalkoordination Grünes Band Zentraleuropa Hessestraße 4 90443 Nürnberg Tel.: 0911-575294-0 Fax: 0911-575294-20 gruenesband@bund-naturschutz.de www.gruenesband.info, www.europeangreenbelt.org Text: Uwe Friedel, Dr. Liana Geidezis, Karin Kowol, Dieter Leupold, Ine Pentz, Ute Borchers, Ingrid Werres, Emanuel Wiesner Konzept und Redaktion: Dr. Liana Geidezis, Uwe Friedel, Angelika Beck, Emanuel Wiesner Gestaltung: hgs5 GmbH, Fürth, www.hgs5.de Bilder Titelseite: Das Grüne Band bei Salzwedel © Otmar Fugmann, Breitblättriges Knabenkraut © Melanie Kreutz, Braunkehlchen © Ute Machel, Bläuling © Karin Kowol Bilder Rückseite: Eselwanderung am Grünen Band in Thüringen © Melanie Kreutz, Kraniche bei Hoyersburg © Dieter Damschen Im Leitfaden werden sowohl die neutrale Schreibweise, als auch der Gender-Doppelpunkt (:) verwendet um alle Geschlechter anzusprechen. Diese Broschüre ist im Rahmen des Projektes „Lückenschluss Grünes Band“ entstanden, das im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert wird. Gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mi eln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Diese Broschüre gibt die Auffassung und Meinung des Zuwendungsempfängers des Bundesprogramms Biologische Vielfalt wieder und muss nicht mit der Auffassung des Zuwendungsgebers übereinstimmen. 1. Auflage, Auflage 3.000 Stück, August 2021 Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier © BUND Fachbereich Grünes Band Die Wort-/Bildmarken Grünes Band® und Das Grüne Band® sind markenrechtlich geschützt durch den BUND. Die Weiterverarbeitung – auch auszugsweise – bedarf der schriftlichen Genehmigung durch den Herausgeber.
Auftaktveranstaltung zum Projekt Lückenschluss Grünes Band 2013, Arendsee (Altmark) © BUND Inhaltsverzeichnis Vorwort 4 Einleitung 6 Auswahl der Lückenschluss-Modellgebiete 8 Flächenerwerb im Modellgebiet Arendsee-Salzwedel 11 Gemeinsam für das Braunkehlchen 14 Lebensraumverbund für Libellen durch Grabenunterhaltung 17 Vernetzung von Kleingewässern 20 Weideeinrichtung in der Salzflora Hoyersburg 23 Freistellung des Grünen Bandes im Kiefernforst 26 Erste Schritte zum Lückenschluss in der Allerniederung 30 Offenlandbiotope im Tettautal verbinden 33 Lückenschluss in der Aue 36 Erfolg durch Kommunikation 38 Kurzvorstellung der Projektakteur:innen 44
nen, ist eine wichtige Grundlage für Natur- Das Grüne Band liefert eine Fülle an Er- Vorwort schutzmaßnahmen. Die konsequente Um- fahrungen und Erkenntnissen, welche poli- setzung von Maßnahmen zur Verbesserung tischen, naturschutzfachlichen und gesell- des Biotopverbunds hängt allerdings nicht schaftlichen Instrumente zusammenwirken nur von diesem Wissen ab, sondern wesent- müssen, damit ein Biotopverbund real wer- Laut Duden wird der Begriff „Lücke“ defi- lich auch von der Fähigkeit und dem Enga- den kann. Ein wichtiges Erfolgsrezept ist niert als eine „Stelle, an der etwas fehlt (in gement von Menschen und Organisationen, die dauerhafte und fachübergreifende Ko- einem zusammenhängenden Ganzen) und die vorgeschlagenen Maßnahmen durchzu- operation verschiedener Akteur:innen. Es durch die etwas unvollständig erscheint“. führen. Mit anderen Worten: Die besten na- ist damit ein Verbundsystem nicht nur für Die Benutzung des Begriffs „Lücke“ wird in turschutzfachlichen Planungen, um einen Fauna und Flora, sondern auch für Behör- diesem „Leitfaden zum Lückenschluss“ in durchgängigen Lebensraumverbund zu er- den, Verbände, Länder, Regionen, Landwirt- diesem Sinne verwendet. Eine vorhandene halten und zu entwickeln, sind nur im so- schaft, Tourismus, Einzelpersonen u. v. a. m. 4 Lücke (im Biotopverbund) stellt einen Be- zioökonomischen Kontext erfolgreich. – regional verankert, national vernetzt. Vorwort reich dar, in dem etwas fehlt, was eigentlich Durch das über drei Jahrzehnte andauern- Die im September 2020 erfolgte Absichts- da sein sollte (ein Lebensraum), oder bildet de Engagement des BUND mit haupt- und erklärung der Anrainerländer am Grünen eine Barriere, die geschlossen oder über- ehrenamtlich Aktiven insbesondere auch Band und des Bundesumweltministeriums, wunden werden muss. direkt vor Ort am Grünen Band ist es ge- in der die vollständige hoheitliche Siche- Eine der Bedrohungen für das Überleben lungen, eine breite Vertrauensbasis und rung als Ziel formuliert wurde, ebenso wie vieler Tier- und Pflanzenarten ist die Zer- Akzeptanz mit den beteiligten Akteur:in- „den Biotopverbund am innerdeutschen störung oder Fragmentierung ihrer natür- nen wie Landnutzer:innen, Unterhaltungs- Grünen Band sowie in seiner Fortsetzung lichen Lebensräume. Die Erhaltung von verbänden, Landgesellschaften, Land- entlang der bayerisch-tschechischen Grenze Landschaftsverbindungen, in denen sich schaftspflegeverbänden, Länderstiftungen zu stärken und über das Gebiet der (künf- Tiere und Pflanzen frei von einem Lebens- des Naturschutzes, Naturschutzbehörden tigen) Nationalen Naturmonumente hinaus raum zum anderen ausbreiten können, ist und Kommunen aufzubauen. Dies ist eine zu ergänzen. Dabei werden die Entwicklung daher ein wesentlicher Bestandteil von Na- Grundvoraussetzung für die Erhaltung und innerhalb des Biotopverbundes als auch die turschutzstrategien in Deutschland. In der Entwicklung des Grünen Bandes als Be- Stärkung der bestehenden und die Herstel- Praxis ist die Erhaltung, Schaffung und der standteil des länderübergreifenden Biotop- lung neuer Querverbindungen zu anderen Schutz von natürlichen Verbindungen in verbundes in dem es zudem eine wichtige Teilen des überregionalen Biotopverbundes unserem zunehmend durch fortschreitende Funktion als Verbundachse innerhalb ver- angestrebt…,“ lässt uns optimistisch in die Infrastrukturentwicklung und Intensivie- schiedener Lebensraumnetzwerke über- Zukunft des Grünen Bandes blicken. rung der Landnutzung zerschnittenen Land nimmt. Im vorliegenden Leitfaden zum Lücken- jedoch eine gewaltige Herausforderung. Das Das Grüne Band muss allerdings immer schluss präsentieren insbesondere die re- „Grüne Band“ ist derzeit das einzige län- im Dreiklang Naturschutz, nachhaltiger gionalen Akteur:innen am Grünen Band derübergreifende Biotopverbundsystem in Regionalentwicklung und historischer Er- anschaulich die komplexen Anforderungen Deutschland – und damit auch ein Modell- innerungslandschaft verstanden werden. sowie die praxisnahen Maßnahmen und gebiet für die Erprobung von Lückenschlüs- Diese umfassende Betrachtung war eine Lösungen zur Umsetzung des Biotopver- sen. Basis für die Ausweisung als Nationa- bundes und zum Erhalt bedrohter Arten. Ein fundiertes wissenschaftliches Ver- les Naturmonument und erklärt die Be- Wir hoffen, dies gibt Ihnen Inspiration und ständnis über Konnektivität, einschließlich deutung des Grünen Bandes, seine hohe unterstützt die Motivation und Aktion zum der potenziellen Vorteile auch für unsere Wertschätzung in der Öffentlichkeit und Schließen weiterer Lücken und zum Aufbau eigenen Lebensgrundlagen und der Frage, seine auch nach 30 Jahren ungebrochene einer dauerhaften „Grünen Infrastruktur“ in wie diese am besten erreicht werden kön- mediale Aufmerksamkeit. Deutschland und Europa. Olaf Bandt Prof. Dr. Kai Frobel Prof. Dr. Hubert Weiger BUND Vorsitzender Sprecher BUND BUND Ehrenvorsitzender Arbeitskreis Naturschutz
Die intensive Nutzung der Landschaft durch schen Vielfalt (NBS) wurde es 2007 als eines dies in vorbildlicher Weise. Dieses Projekt hat uns Menschen führt seit Jahrzehnten zu einem von zehn Leuchtturmprojekten hervorgeho- damit nicht zuletzt zur Vorbereitung der Aus- Schwund für den Naturschutz wertvoller Bio- ben, welches der Erhaltung der biologischen weisung des Grünen Bandes zum Nationalen tope, einer Fragmentierung und Verinselung Vielfalt dient und in vorbildlicher Weise öko- Naturmonument 2018 in Thüringen und 2019 verbleibender Lebensräume und in der Folge logische, ökonomische und soziale Aspekte in Sachsen-Anhalt beigetragen. zu einem Verlust der biologischen Vielfalt, von verbindet. Lebensräumen und auch von Arten. Um dieser Die Bundesländer spielen bei der Sicherung Das Bundesprogramm Biologische Viel- Entwicklung entgegenzuwirken, kommt Bio- des Grünen Bandes als Biotopverbund eine falt dient der Umsetzung der NBS. Das Pro- topverbundsystemen eine große Bedeutung zu. zentrale Rolle: Sie setzen sich nicht nur für die jekt „Lückenschluss Grünes Band“ wurde von Diese sollen dazu beitragen, heimische Arten, Ausweisung ihrer Abschnitte im Grünen Band 2012 bis 2020 vom Bundesamt für Natur- Artengemeinschaften und ihre Lebensräume als Nationales Naturmonument ein, sondern schutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministe- auch außerhalb von Schutzgebieten nachhal- haben Flächen des Nationalen Naturerbes im riums für Umwelt, Naturschutz und nukleare 5 tig zu sichern sowie ökologische Wechsel- Grünen Band aus dem Bundeseigentum samt Sicherheit aus diesem Programm gefördert. beziehungen in der Landschaft zu bewahren, Vorwort Das BfN unterstützt schon seit 1991 Projek- der Verpflichtung zu deren Erhaltung und wiederherzustellen und weiterzuentwickeln. In te und Entwicklungen im Grünen Band und Entwicklung zu Naturschutzzwecken über- diesem Sinne ist 2002 die Entwicklung eines seinem Umfeld sowohl finanziell als auch nommen. Darüber hinaus haben die Länder länderübergreifenden Biotopverbunds auf fachlich. Während sich bisherige Projekte vor den BUND im Projekt „Lückenschluss Grünes mindestens zehn Prozent der Fläche eines je- allem auf die Erhaltung von Bereichen kon- Band“ unterstützt und bemühen sich ihrerseits den Bundeslandes als Vorgabe in das Bundes- zentrierten, die aus Sicht des Naturschutzes um die Schließung von Lücken. naturschutzgesetz (BNatSchG) aufgenommen wertvoll sind, standen im Projekt „Lücken- worden (§§ 20 und 21, BNatSchG 2009). Für Biotopverbundsysteme gibt es bereits schluss Grünes Band“ erstmals Defiziträume Der ehemalige deutsch-deutsche Grenz- viele Planungen, die dringend umgesetzt wer- wie intensiv genutztes Acker- und Grünland streifen, das heutige Grüne Band, stellt das den müssen. Mit dem ebenfalls vom BfN ge- aber auch Offenland mit Gehölzaufwuchs im Rückgrat eines länderübergreifenden Biotop- förderten „Handbuch Biotopverbund Deutsch- Mittelpunkt. Um aus Lücken Verbindungsflä- verbunds dar. Das Grüne Band ist fast 1.400 land – vom Konzept bis zur Umsetzung einer chen zu entwickeln, konnte der Bund für Um- Kilometer lang, grenzt an neun Bundeslän- Grünen Infrastruktur“, das 2018 erschienen ist, welt und Naturschutz in Deutschland (BUND) der, beherbergt auf fast der Hälfte seiner Flä- legte der BUND eine praktische Hilfestellung auf Basis einer langjährigen vertrauensvollen che gefährdete Biotoptypen und ist somit ein Zusammenarbeit mit den Akteurinnen und für die Entwicklung von Biotopverbundsyste- Naturschutzprojekt nationaler Bedeutung. Es Akteuren vor Ort einschließlich der Landwirt- men vor. ist zudem Teil eines sehr viel größeren kon- schaft in einem sehr viel größeren Umfang Dies wird durch den nun vorliegenden „Leit- tinentalen Biotopverbunds, des Europäischen als erwartet Flächen ankaufen. Das Projekt Grünen Bandes, das sich mit einer Länge von faden zum Lückenschluss“ ergänzt. In das war hierbei so erfolgreich, dass die zunächst über 12.500 Kilometern von der Barentssee Projekt involvierte Akteurinnen und Akteure geplante Projektförderung von 1,6 Millionen im Norden entlang des ehemaligen Eiser- berichten persönlich über erfolgreiche Strate- Euro zu einer Förderung von 4 Millionen Euro nen Vorhangs bis zur Adria im Süden und gien und weniger aussichtsreiche Wege und aufwuchs. dem Schwarzen Meer im Südosten zieht. In teilen ihren reichhaltigen Erfahrungsschatz Deutschland wurde das Grüne Band daher Im Bundesprogramm Biologische Vielfalt mit Ihnen: Die Berichte und Beispiele dienen im November 2005 als Nationales Naturerbe wird auf eine intensive und effektive Kom- als Hilfestellung und ermutigen zur Nachah- eingestuft und 2009 im Bundesnaturschutzge- munikations- und Öffentlichkeitsarbeit großer mung – beim Lückenschluss im Grünen Band setz als Bestandteil des länderübergreifenden Wert gelegt, um das gesellschaftliche Bewusst- sein für biologische Vielfalt zu fördern. Im und in anderen Biotopverbundsystemen. Biotopverbunds aufgeführt. In der Nationalen Strategie der Bundesregierung zur biologi- Projekt „Lückenschluss Grünes Band“ geschah Dafür wünsche ich allen ein gutes Gelingen! Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes Das Grüne Band Europa bei Finsterau an der bayerisch-tschechischen Grenze © Emanuel Wiesner für Naturschutz (BfN)
Einleitung Dr. Liana Geidezis, Leiterin des BUND Fachbereichs Grünes Band Das Grüne Band entlang der einstigen innerdeutschen Grenze ist Das Grüne Band ist aber nicht „nur“ ein nationaler Biotopver- mit seinen 1.393 Kilometern das größte und bisher einzige existie- bund, es ist ein lebendiges Denkmal für die jüngere deutsche und rende länderübergreifende Biotopverbundsystem in Deutschland. europäische Zeitgeschichte. Diese ökologische und kulturhistori- Es ist ein ökologischer Korridor von 50 bis 200 Metern Breite mit sche Dimension geben dem Grünen Band ein spezifisches „Allein- einer Gesamtfläche von über 177 Quadratkilometern. stellungsmerkmal“. Deshalb ist das Grüne Band im Hinblick auf 6 Seit 2005 gilt das Grüne Band als Nationales Naturerbe (NNE) seine Funktion als Lebensraum für eine Vielzahl seltener und ge- und bis 2011 wurden insgesamt 6.339 Hektar Bundesflächen im fährdeter Arten und Biotoptypen, als Rückgrat eines länderüber- Einleitung Grünen Band als NNE-Bestandteil zu Naturschutzzwecken an die greifenden Biotopverbunds, aber auch als erlebbare Erinnerungs- Länder bzw. deren Naturschutzstiftungen, Schutzgebietsverwal- landschaft zu erhalten und zu entwickeln. Diese Ziele erfordern tungen oder Landkreise übertragen. Als Leuchtturmprojekt in der einerseits die Umsetzung klassischer Naturschutzmaßnahmen, Nationalen Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt wurde aber können andererseits nur erreicht werden, wenn sie von politi- das Grüne Band 2007 ausgezeichnet und 2009 im Bundesnatur- scher Seite und von den Menschen vor Ort unterstützt und voran- schutzgesetz im § 21 als „Bestandteil des länderübergreifenden getrieben werden. Beim Grünen Band ist es gelungen, diese breite Biotopverbundes“ aufgenommen. Dies alles waren wegweisende Unterstützung zu erhalten. politische Schritte zur Sicherung des Grünen Bandes. Das Grüne Band überwindet damit nicht nur geographische Eine 2012 durchgeführte vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) Grenzen: Es durchläuft neun Bundesländer, 38 Landkreise und geförderte Bestandsaufnahme des Grünen Bandes zeigte, dass dort zwei kreisfreie Städte. Dahinter stehen viele Fachbehörden, de- 146 Biotoptypen vorkommen und 87 Prozent der Flächen noch ren Arbeit untereinander, aber auch mit jener der vielen weiteren naturnah erhalten sind. Als halboffener Verbundkorridor kann am Grünen Band aktiven Organisationen wie Naturschutz- und das Grüne Band eine herausragende Funktion bei der Vernetzung Landschaftspflegeverbänden, Grenzmuseen und Landesstiftungen sowohl von Wald- als auch von Offenlandhabitaten übernehmen abzustimmen ist. Zum gegenseitigen Erfahrungs- und Wissens- und in Kulturlandschaften kleinräumig Hotspots der Artenvielfalt austausch sowie der regelmäßigen Vernetzung der Akteur:innen darstellen, wie eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg dienen seit 2011 die Fachtagungen zum Management des Grünen 2016 belegte. Bandes. In der ersten dieser Tagungen 2011 verständigten sich die Nach über drei Jahrzehnten Engagement des Naturschutzes für Teilnehmenden auf ein gemeinsames Leitbild für das Grüne Band, Erhalt und Sicherung dieses Lebensraumverbundes ist das Grüne d. h. auf die Erhaltung des mosaikartigen Wechsels an Lebens- Band letztlich eine Erfolgsgeschichte. Länderübergreifende Aktivi- raumtypen, der Biotopverbundstruktur und der Erkennbarkeit in täten für eine Schutzidee dieser Größenordnung konnten nur ge- der Landschaft über seinen gesamten Verlauf hinweg. Sie formu- lingen, weil das Grüne Band als faszinierende Herausforderung lierten konkrete Zielvorgaben und Handlungsanweisungen für die bei einer Vielzahl von Beteiligten verankert werden konnte. Das Pflege und Entwicklung des Grünen Bandes im landschaftlichen Grüne Band ist ein besonders positives Beispiel für die enge und Kontext als Biotopverbund aber auch als Erinnerungslandschaft. kontinuierliche Kooperation von staatlichem und verbandlichem Zudem werden seither neue Akteur:innen aus den Bereichen Tou- Naturschutz. Auf nationaler Ebene sind dafür der BUND und das rismus und Kulturhistorie eingebunden, um den Dreiklang Natur, BfN die federführenden Akteure. Kultur und Geschichte weiterzuentwickeln. Die Tagungen tragen als zentrale Austauschplattformen nachhaltig zur Festigung und zum Ausbau des Akteur:innen-Netzwerks bei. Der Biotopverbund Grünes Band wies 2012 jedoch auf knapp Lutra lutra) nutzt die natu ho tt e r ( rna 13 Prozent seiner Fläche noch naturferne Lücken wie intensi- r F is c hen Ge De wä ve Acker- und Grünlandflächen auf. Um dem ambitionierten Ziel ss e ri m eines durchgängigen Biotopverbundes näher zu kommen, startete G der BUND im Bundesprogramm Biologische Vielfalt das achtjäh- rü rige Projekt „Lückenschluss Grünes Band“. Hier erwiesen sich die ne n langjährigen vor-Ort-Aktivitäten des BUND als sehr vorteilhaft, um Ba nd den Biotopverbund modellhaft wiederherzustellen. Die dabei ge- © machten vielfältigen Erfahrungen und Herausforderungen werden He inz in dem vorliegenden „Leitfaden zum Lückenschluss“ von den Ak- K lö s teur:innen anschaulich präsentiert und sollen Anhaltspunkte sowie er Hilfestellung für andere Regionen und für die Entwicklung weiterer Bestandteile des länderübergreifenden Biotopverbundes geben. Als wichtige Verbindungsachse innerhalb verschiedener Lebens- raumnetzwerke ist es wichtig, Lücken im Grünen Band zu schlie- ßen, aber auch im Sinne von Querachsen Anschlüsse an andere Lebensraumverbünde zu entwickeln. Das seit Oktober 2019 laufen-
de BUND-Projekt „Quervernetzung Grünes Band“ im Bundespro- chend wies der Freistaat Thüringen im November 2018 seinen 763 gramm Biologische Vielfalt strebt an, die Anbindung des Grünen Kilometer langen und ca. 6.500 Hektar großen Anteil am Grünen Bandes an weitere landes-, bundes- oder sogar europaweit bedeut- Band beispielhaft als NNM aus. Im Oktober 2019 folgte das Land same Biotopverbundachsen zu verbessern und so seine Funktion Sachsen-Anhalt mit der Ausweisung seines 343 Kilometer langen als Rückgrat des bundes- und europaweiten Biotopverbunds zu und 4.754 Hektar großen Abschnitts des Grünen Bandes. Träger stärken. Ein zentraler Projektansatz ist auch hier die Einbeziehung dieser beiden NNM sind die jeweiligen Naturschutzstiftungen der der Landwirtschaft in die naturschutzgerechte Entwicklung und Länder. Diese werden durch die Bereitstellung finanzieller und per- die Pflege von Flächen, die der Quervernetzung mit benachbarten soneller Ressourcen sowie durch Pflege- und Entwicklungspläne Gebieten mit hohem naturschutzfachlichem Wert oder mit gutem die Erhaltung und Herstellung der Durchgängigkeit des Grünen Entwicklungspotential dienen können. Bandes weiter vorantreiben. Auch planen bereits weitere Anrai- Für den dauerhaften Schutz des Grünen Bandes ist insbesondere nerländer am Grünen Band dessen Ausweisung als NNM. 7 die rechtliche Sicherung eine wichtige Voraussetzung. Bereits die Mit der bisherigen Sicherung von 1.106 Kilometer des innerdeut- erste Erhebung zum Schutzstatus in 2002 zeigte, dass entlang des schen Grünen Bandes als NNM entstand das längste durchgängige Einleitung Grünen Bandes eine Vielzahl von meist kleineren Naturschutzge- Schutzgebiet am Grünen Band Europa. Dies ist ein wichtiges Signal bieten ausgewiesen wurde. Zudem existieren hier heute vier Bio- für die Erhaltung des paneuropäischen Biotopverbundes entlang sphärenreservate (Schaalsee, Elbtal, Drömling und Rhön) und der des einstigen Eisernen Vorhangs, der sich über 12.500 Kilometer länderübergreifende Nationalpark Harz. Diese Situation ist jedoch vom Eismeer bis an die Adria und das Schwarze Meer erstreckt. Ein noch entfernt von einem vollständigen und einheitlichen Schutz. weitreichender Schutzstatus ist auch die Voraussetzung dafür, das Mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes 2010 wurde eine Grüne Band Europa als einzigartiges lebendiges Symbol der euro- neue Schutzgebietskategorie eingeführt, die dieses Defizit beheben päischen Zeitgeschichte in den Stand eines UNESCO-Welterbes in kann, das Nationale Naturmonument (NNM, § 24). Dementspre- den Kategorien Natur und Kultur zu heben. Das Grüne Band zwischen Niedersachsen und Thüringen © Klaus Leidorf Liana Geidezis über das Lückenschlussprojekt des BUND im Grünen Band Deutschland https://youtu.be/-EEDnw_tM0w
Auswahl der Lückenschluss-Modellgebiete Uwe Friedel, BUND Fachbereich Grünes Band Was ist überhaupt eine „Lücke im Biotopverbund“? Wie haben Sie die zu 8 bearbeitenden Bereiche festgelegt? Uwe Friedel: Die Funktion des Grünen Bandes als Biotopverbund ist überall dort eingeschränkt, wo die Flächen intensiv genutzt Uwe Friedel: Wir haben in einer Bewertungsmatrix für alle Be- Auswahl der Lückenschluss-Modellgebiete werden. Flächenmäßig spielen dabei Ackerflächen oder Intensiv- reiche die vier Kriterien „Flächenverfügbarkeit“, „Bearbeitungsbe- grünland die wesentliche Rolle. Das Grüne Band ist ein Biotop- darf“, „ökologischer Bedarf“ und „Erfolgsaussichten“ eingeschätzt verbund im Offenland. Dadurch kann auch das Zuwachsen durch und eine Priorisierung vorgenommen. Dabei hat uns die projektbe- Gebüsche und Bäume, z. B. wie in einem der Projektgebiete mit gleitende Arbeitsgruppe mit Vertreter:innen des Bundesamtes für Kiefern-Monokulturen, den Biotopverbund unterbrechen. Naturschutz, des DLR Projektträgers, der Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz Sachsen-Anhalt (SUNK) und der Stiftung Natur- Wo fängt man an, wenn man in einem schutz Thüringen (SNT) unterstützt. In die erste Auswahl kamen 1.393 Kilometer langen Biotopverbund die dann zwei Modellgebiete in Thüringen (Gerthausen und Guders- noch vorhandenen Lücken schließen will? leben) und drei in Sachsen-Anhalt (Kaulitz, Gollensdorf und Geh- rendorf-Oebisfelde). Das war keine ausschließliche Auswahl. Wir Uwe Friedel: Dafür muss man zunächst mal wissen, wo diese haben im Laufe des Projekts die Chance bekommen, andere kleine- Lücken liegen. Im ersten Schritt haben wir alle Biotoptypen, die re Lücken zu schließen und haben da natürlich auch zugeschlagen. den Verlust der Biotopverbundfunktion bewirken, in der Kategorie „Lücke“ zusammengefasst. Das sind Intensivgrünland und Äcker, Wie haben Sie den ökologischen Bedarf ermittelt? aber auch Siedlungs- und Verkehrsflächen, Abgrabungen und Aufschüttungen sowie Pionierwälder. Uwe Friedel: Es gab mehrere Kriterien dafür. Das wichtigste für Für unsere Analyse nutzten wir die aktualisierte Biotoptypen- uns war die Anbindung an andere landes- oder bundesweit be- kartierung des Grünen Bandes aus dem Jahr 2012 (BfN-Skripten deutende Biotopverbundachsen, da wir im Projekt das Grüne Band 392). Das beauftragte Büro hat die kartierten Flächen digital in ein als zentrale Achse des bundesweiten Biotopverbundsystems stär- Geoinformationssystem (GIS) aufgenommen, analysiert und dabei ken wollten. Dort, wo Maßnahmen im Projekt diese Anbindung eine Gesamtfläche von 13 Prozent des 17.712 Hektar umfassenden ermöglichen würden, haben wir den ökologischen Bedarf höher Grünen Bandes als Lückenflächen identifiziert. Wir wollten uns eingeschätzt. beim Lückenschluss auf die Bereiche mit relativ großer Lücken- Datengrundlage dafür waren die Ergebnisse der Studie „Länder- wirkung konzentrieren und haben als einfaches Kriterium dafür übergreifender Biotopverbund in Deutschland“ des Bundesamtes eine Mindestlänge von 1.000 Metern definiert. 26 Bereiche haben für Naturschutz aus dem Jahr 2010 (Fuchs et al. 2010) und die dar- dieses Kriterium erfüllt. in erstellten Shape-Dateien der Verbundachsen der Trockenlebens- 26 Bereiche mit Lücken länger als 1.000 Meter von Süd nach Nord. Die Lücken im 115,7 Kilometer langen Abschnitt des Grünen Bandes im Naturschutzgroßprojekt Eichsfeld-Werratal sind nicht mit dargestellt. Länge der Lücke in km © BUND Fachbereich Grünes Band 30 25 20 15 10 5 0 n ze en ch e ck n en f e de t de itz f e lin th ul h ee n en n h f-O sted or or bk i be ge se rd od ac sc ha he u ie al lri ul i g ng eb ns er el sd d Bo re bi au fö ar zb in un le r w Ka G ns t El en isf ite gg ck en Ro tli ttl la eu er er l rs H r th Pa n- ei hr le eb ste ed O ht Lo re öd ttg m Se ke ist H be er br ol Be Lic m B St iO Le ac M Lü G G er a- le So W rs ch nt or be de U nd Ei en un re od G eh Rh G
räume, Feuchtlebensräume, Waldlebensräume und Fließgewässer. Trotz dieser Unsicherheit ist es dennoch wichtig, dieses Kriterium Die dort ermittelten Achsen haben wir im GIS mit dem Grünen mit einfließen zu lassen, um nicht Zeit und Energie in einer Re- Band verschnitten. gion in den Lückenschluss zu investieren, wo man letztlich kaum an Flächen herankommt. Wir haben dann im Laufe des Projektes Wie wurden die Erfolgsaussichten bewertet? sowohl positive als auch negative Überraschungen erlebt. Uwe Friedel: Hier ist eingeflossen, ob wir oder unsere BUND Kreisgruppen vor Ort schon bestehende Kontakte oder gar Koope- Und diese waren? rationen mit Landnutzenden hatten, deren Unterstützung sowohl Uwe Friedel: Im Modellgebiet Gudersleben hatten wir gute Aus- für den Flächenerwerb als auch für das naturschutzgerechte Ma- sichten, dass eine größere private Stiftung, die dort sehr viele Flä- nagement des Offenland-Biotopverbundes zentral ist. Außerdem chen im Grünen Band hat, zu Flächenverkäufen oder -täuschen haben wir berücksichtigt, ob Reste von naturnahen oder extensiv und ggf. auch Kooperation bei der Einrichtung eines „Bypasses“ genutzten Biotoptypen in der Lücke oder benachbart vorhanden 9 bereit wäre. Trotz zahlreicher Gespräche konnten wir aber letzt- sind, die für manche Pflanzen- oder Tierarten als Besiedlungsquel- lich dort nicht tätig werden. Andererseits haben wir den beein- Auswahl der Lückenschluss-Modellgebiete len dienen können oder deren Trittsteinfunktion sich schnell wirk- druckenden Erfolg, den wir bei Flächenkäufen im Modellgebiet sam optimieren und ausbauen lässt. Arendsee-Salzwedel hatten, trotz unserer langjährigen Präsenz in der Region und schon bestehenden guten Zusammenarbeit mit den Was ist mit Bearbeitungsbedarf gemeint? landwirtschaftlichen Betrieben dort so nicht erwartet. Uwe Friedel: Anhand dieses Kriteriums haben wir letztlich all die Lücken von der Bearbeitung im Lückenschlussprojekt zurückge- Welche Schwierigkeiten stellt, in denen durch andere Aktuer:innen ein Lückenschluss mög- gab es im Laufe des Projekts? lich oder in Bearbeitung war: Lücken, die in einem geplanten oder laufenden Naturschutzgroßprojekt des Bundes liegen, in denen die Uwe Friedel: Im Laufe des Projekts ist in einem Projektgebiet SNT oder die SUNK sehr viele Flächen haben, oder in denen diese ein Problem aufgetreten, das wir schon überwunden geglaubt hat- Stiftungen durch ein laufendes oder geplantes Flurneuordnungsver- ten: Die drohende Veräußerung von Flächen des Grünen Bandes in fahren diese Flächen noch zugesprochen bekommen sollten. öffentlichem Eigentum auf dem freien Grundstücksmarkt. Damit verbunden ist immer die Gefahr, dass die Fläche von privaten Käu- Welche Rolle spielt die Flächenverfügbarkeit? fer:innen intensiver genutzt wird und so wiederum neue Lücken entstehen. Eine Kommune mit sehr viel Eigentumsflächen direkt Uwe Friedel: Eine ganz entscheidende. Darum haben wir im Pro- im und angrenzend an das Grüne Band musste ihre Flächen aus jekt auch mit viel Aufwand eine Datenbank über die Eigentums- finanziellen Gründen verkaufen. verhältnisse im Grünen Band erstellt. Jede Fläche konnten wir so einer bestimmten Eigentumskategorie zuordnen: Naturschutzver- Und damit drohte das bände, Landesnaturschutzstiftungen, Landesforste, Privatperso- Entstehen neuer Lücken. nen, Länderministerien (Umwelt, Verkehr etc.), Kommunen oder Landkreise, Kirchen usw. Mit der Datenbank hatten wir in jedem Uwe Friedel: Ja genau. Das „Verhindern neuer Lücken“ hatten Lückengebiet einen Überblick über die Eigentumsverteilung. Doch wir bei Start des Projektes eigentlich nicht im Sinn, aber es war auch mit solch genauen Daten ist eine Vorabbewertung der Flä- wirklich Glück im Unglück, dass just als die Flächen durch die chenverfügbarkeit im Gegensatz zu den anderen Kriterien deutlich Kommune verkauft wurden, unser Lückenschlussprojekt lief. So unsicherer und konnte nur geschätzt werden. konnten wir mit den Fördergeldern und den BUND-Spendenmit- teln zumindest alle Flächen direkt im Grünen Band erwerben, was Uwe Friedel sonst finanziell kaum möglich gewesen wäre. Mehr zu Lücken im Grünen Band Wie beurteilen Sie den Erfolg des Projektes? https://youtu.be/Lr1xd86i_PM Uwe Friedel: Ich bin sehr zufrieden, weil das Projekt ständig an Dynamik gewonnen hat. Wir haben letzten Endes mehr als dreimal so viele Gelder für Flächenerwerb und Naturschutzmaßnahmen einsetzen können als wir zu Projektbeginn eingeplant hatten. Die Fehlbedarfsfinanzierung des Fördermittelgebers hat uns ermög- licht, im Lauf des Projektes weitere Fördermittelgeber:innen zu ge- winnen, um den hohen finanziellen Mehrbedarf dafür zu stemmen. Durch die positiven Entwicklungen der Maßnahmenflächen und Zielarten hatten wir fortwährende Erfolgserlebnisse. Ganz genau werden wir den naturschutzfachlichen Erfolg erst be- werten können, wenn die Evaluierung der Projektmaßnah- men durch ein ökologisches Büro in Form eines Vorher- Nachher-Vergleichs erfolgt ist. Der ist aktuell noch nicht ganz abgeschlossen.
Wichtige Aspekte zur Umsetzung des Biotopverbunds Wie müssen sich die Rahmenbedingungen ändern, Flexibilität und pragmatisches Handeln seitens der Fördermittelge- damit mehr Landwirt:innen Flächen naturschutz ber:innen ist es möglich, auch langwierige Genehmigungsverfahren gerecht bewirtschaften können? oder Verhandlungsgespräche erfolgreich ins Projekt zu integrieren. Eine flexible Laufzeit hat sich damit als einer der wichtigsten Punkte Uwe Friedel: Das Grundproblem, das überwunden werden muss, herauskristallisiert. ist die Ausrichtung der EU-Agrarpolitik, die seit Jahrzehnten im Wesentlichen eine nicht nachhaltige Bewirtschaftung subventio- Wie werden Ausgleichszahlungen niert. Diese verantwortet die negativen Folgen einer intensiven an Landwirt:innen finanziert? Landwirtschaft direkt mit, wie z.B. Verlust der Biodiversität, Be- lastung des Grundwassers mit Nitrat und erhöhte Freisetzung von Uwe Friedel: Im Bundesprogramm Biologische Vielfalt ist es 10 Kohlenstoffdioxid aus intensiv genutzten und entwässerten Moor- möglich, Ausgleichszahlungen an Landwirt:innen für Nutzungs- böden. einschränkungen zu zahlen, sofern die betreffende Bewirtschaf- Auswahl der Lückenschluss-Modellgebiete tungsweise, die zur Nutzungseinschränkung führt, nicht in einem Zudem gibt es in den Agrarumweltprogrammen der Länder keine Förderkatalog von Agrarumweltprogrammen des Landes enthalten finanzielle Anreizkomponente, welche Landwirt:innen zur Umstel- ist. Dies ist besonders wichtig und sollte in allen Förderprogrammen lung auf extensive Bewirtschaftung motivieren würde - dies sollte möglich sein, denn die länderspezifischen Vereinbarungen sind oft- sich unbedingt zeitnah ändern. Denn so lange die Leistungen der mals zu statisch gehalten. Im Rahmen von Projekten könnten dann Landwirtschaft für den Erhalt der Biodiversität, den Grundwasser- „best practice“-Beispiele entwickelt werden, die dann als Grundlage und Klimaschutz nicht deutlich stärker in die Höhe der Subventio- für neue Agrarumweltprogramme dienen können. nen der Betriebe einfließen, wird es vielerorts in Deutschland nur schwer möglich sein, die Beispiele, die wir in diesem Leitfaden dar- Welche flankierenden Maßnahmen stellen, in andere Regionen und andere Biotopverbundsysteme zu unterstützen den Erhalt und die Entwicklung übertragen. Und auch im Grünen Band bleiben dort Lücken beste- des Biotopverbundes? hen, wo die Landwirt:innen auf hohe Erträge aus intensiver Land- wirtschaft nicht verzichten wollen oder können. Uwe Friedel: Den Ansatz des Bundesprogramms Biologische Viel- falt, großen Wert auf die begleitende Öffentlichkeitsarbeit zu legen, Welche Rolle haben Flächen im Eigentum der halten wir für richtig und ausbaufähig. Bei der Umsetzung eines Pro- öffentlichen Hand für den Biotopverbund in Deutsch- jektes dieser Art muss Öffentlichkeit in die Breite geschaffen werden, land? aber auch ein sehr starker Fokus auf regionale Unterstützung gelegt werden. So fragen sich Landwirt:innen, Bürger:innen und Politi- Uwe Friedel: Diese Flächen müssen eine deutlich größere Rolle ker:innen vor Ort, welchen Nutzen sie konkret von einem Natur- spielen, um die im Bundesnaturschutzgesetz verankerten zehn Pro- schutzprojekt haben, da die Maßnahmen oftmals als wirtschaftliche zent der Landesfläche, die dem Biotopverbund dienen sollen, zu er- Einschränkungen und Benachteiligungen wahrgenommen werden. reichen. Derartige für den Biotopverbund geeignete Flächen sollten grundsätzlich nicht verkauft werden dürfen, sondern mit Priorität Denn die Vorteile wie Klimaschutz oder der Erhalt der Biodiversi- für den Naturschutz bereitstehen. Solche Verbundflächen müssen tät liegen häufig außerhalb des persönlichen Wahrnehmungsfeldes verstärkt in die Raumplanung von der lokalen bis zur nationalen der Landnutzer:innen und Entscheidungsträger:innen. Also sind Ebene aufgenommen werden. Maßnahmen zur Steigerung der lokalen Akzeptanz für eine erfolg- reiche Umsetzung des Biotopverbunds und anderer Naturschutzak- Zudem sollten auf öffentlichen Flächen wie von Kommunen und tivitäten essenziell. Hier würde es sich auch anbieten, zusätzliche Landkreisen bei der Verpachtung die Landwirt:innen honoriert wer- Fördermittel für die nachhaltige Regionalentwicklung im Rahmen den, die zur Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen im Grünen der Naturschutzprojekte bereit zu stellen, um den gesellschaftlichen Band oder in anderen Biotopverbundsystemen bereit sind. So könn- Mehrwert herauszustellen. Dafür sollten entsprechende Mittel aus te in den entsprechenden Richtlinien des öffentlichen Eigentums ein Wirtschaftsförderprogrammen kommen und in die Förderprogram- Vorrang für Pächter:innen mit entsprechenden Bewirtschaftungs- me des Naturschutzes integriert werden. So ließe sich eine positive konzepten festgeschrieben werden. Haltung der lokalen Bevölkerung gegenüber den naturschutzfach- lichen Maßnahmen nachhaltig stärken. Wie sollten die Projektlaufzeiten von Förderprogrammen gestaltet werden? Uwe Friedel: Im Lückenschlussprojekt gelangen in den ersten Dieter Leupold eineinhalb Jahren nur wenige Flächenkäufe. Später hat sich eine über die Vorrausetzungen für positive Dynamik entwickelt, die immer noch anhält und beispiels- Naturschutzmaßnahmen weise im Projektgebiet in Sachsen-Anhalt – unter Einbeziehung des Amts für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALFF) – in https://youtu.be/ ein Bodenneuordnungsverfahren im fünften Projektjahr mündete. wrB0SFSqxio Wenn eine Verlängerung des Lückenschluss-Projektes nicht mög- lich gewesen wäre, hätten wir, nach all der Arbeit mit Flächenvor- bereitung, Aussaat und Düngung – um ein Bild aus der Landwirt- schaft zu verwenden – „die Ernte auf dem Feld verkommen lassen müssen“. Die Einzelfallregelung sollte die Regel werden, denn durch
Flächenerwerb im Modellgebiet Arendsee-Salzwedel Dieter Leupold, BUND Sachsen-Anhalt & Enrico Pieper, Landgesellschaft Sachsen-Anhalt GmbH 11 Was war das Ziel des Flächenerwerbs? zu einer Einigung kam, haben wir auch auf konkrete Bewirtschaf- tungsauflagen in den Pachtverträgen verzichtet, denn diese können Flächenerwerb Arendsee-Salzwedel Dieter Leupold: Unser Ziel war es, die Flächen im Lückenschluss- bedeuten, dass die Landwirtschaftsbetriebe nicht mehr freiwillig an Modellgebiet Arendsee-Salzwedel lückenlos in Naturschutzeigen- Agrarumweltmaßnahmen teilnehmen können, mit denen ihnen die tum zu überführen. Das ist der beste Weg, die langfristige Nutzung Ertragseinbußen durch die naturschutzgerechte Nutzung finanziell der Flächen im Sinne der seltenen und zu schützenden Arten sicher- ausgeglichen werden. Wir wollen, dass die Landwirtschaftsbetriebe zustellen und die Lücken im Biotopverbund zu schließen. Auf den den Sinn der Nutzungsänderungen verstehen und auch weitgehend erworbenen Flächen wollten wir die Flächenbewirtschaftung durch dahinter stehen, im Idealfall auch stolz auf die erzielten Erfolge sind die Pächter:innen so gestalten, dass die besondere Bedeutung des und sich darüber freuen. Der weitgehende Verzicht auf Auflagen Grünen Bandes als Offenland-Biotopverbund und Schatzkammer trägt jedenfalls enorm zum Aufbau gegenseitigen Vertrauens bei. der Artenvielfalt erhalten und verbessert wird. Außerdem wollten wir im Projekt auch naturschutzfachliche Flächen, die ans Grüne Aber der Landwirtschaftsbetrieb verliert doch da- Band angrenzen, sichern und mit den Landwirt:innen zusammen bei, weil er weniger intensiv nutzen kann, oder? betriebswirtschaftlich sinnvolle Nutzungskonzepte bei der Pflege der Flächen im und am Grünen Band entwickeln. Um das zu er- Enrico Pieper: Klar gibt es Ertragseinbußen, wenn der Betrieb die möglichen, haben wir den Erwerb zusammenhängender Flächen- intensive Nutzung einstellt, also zum Beispiel die Schnittrate redu- komplexe angestrebt. ziert oder auf Düngung verzichtet. Darum wurden die Pachtpreise vom BUND auch niedriger angesetzt, wenn die Flächen weniger in- Wie sind Sie herangegangen? tensiv bewirtschaftet werden sollen. Dieter Leupold: Ich muss hier gleich den wesentlichen Erfolgsfak- Dieter Leupold: Und wir beraten die Landwirt:innen bezüglich tor des Projekts vorausschicken. Wir haben in der Region auf unsere Förderungen für die Flächen, z.B. bei der Teilnahme an freiwilligen Präsenz vor Ort mit unserem Büro in Salzwedel und langjährige Ak- Agrarumweltmaßnahmen die einen gewissen Ausgleich für diese tivitäten aufbauen können. Die Landwirtschaftsbetriebe hier kennen Einbußen ermöglichen. Außerdem schließen wir mit den Bewirt- uns als verlässliche und faire Partner sowohl was den Flächener- schaftenden sehr langfristige Pachtverträge (bis zu 25 Jahren) ab. werb als auch die Pachtverträge und -preise angeht. Der Kontakt mit Dies gibt den Betrieben Planungssicherheit. Flächeneigentümer:innen mit Verkaufs- oder Tauschinteresse kam daher oft über die Pächter:innen unserer in den Vorjahren schon Was haben Sie gemacht, wenn der/die Landwirt:in erworbenen Flächen zustande. nicht dazu bereit war, die Flächennutzung in Ihrem Sinne zu ändern? Enrico Pieper: Zudem wurden wir, die Landgesellschaft Sachsen- Anhalt (LGSA), bereits sehr zeitig im Projektverlauf damit beauf- Dieter Leupold: Das war hier in der Altmark noch nie der Fall. tragt, das Projekt zu unterstützen, das heißt konkret, die Verkaufs- In unseren Pachtverträgen behalten wir uns immer vor, dass wir oder Tauschbereitschaft von Flächeneigentümer:innen abzufragen Vorgaben zur Nutzungsintensität und -art machen. Wenn es mit und die Verhandlungen für den BUND zu führen. einem/r bisherigen Pächter:in nicht zu einer Einigung kommt, geben Dieter Leupold: Die LGSA ist als Akteurin in der Region bekannt, wir klare vertragliche Auflagen. das Abwickeln von Flächenkäufen ist ihr tägliches Brot und sie ver- fügt selbst auch über Tauschflächen. Die Flächeneigentümer:innen Welche Schwierigkeiten gab es? kennen die LGSA als Verhandlungspartnerin. Enrico Pieper: Da die Eigentumsverhältnisse in der nördlichen Alt- mark sehr kleinteilig sind, handelt es sich um einen langwierigen Wie sieht die „verlässliche Partnerschaft“ und aufwendigen Abstimmungs- und Tauschprozess, um aus einem mit den Pächter:innen aus? Eigentumsmosaik einen zusammenhängenden Flächenkomplex zu Enrico Pieper: Bei Flächenkauf oder -tausch wurden die bestehen- formen. Das nimmt Jahre in Anspruch. Und viele Flächeneigen- den Pachtverträge mit übernommen, um nicht zu viel Unruhe in die tümer:innen sind zwar bereit, ihre naturschutzrelevanten Flächen Bewirtschaftungsverhältnisse zu bringen. Schließlich sind die Be- abzugeben, wenn sie dafür Tauschflächen erhalten, aber auch nur triebe ja von ihren Flächen abhängig. dann. Dieter Leupold: Mit den Flächenbewirtschafter:innen wurde dann Dieter Leupold: Wir hatten leider nicht genug Tauschflächen, um das Gespräch gesucht, um die Nutzung so anzupassen, dass die wert- alle Flächen im Grünen Band, die uns von Flächeneigentümer:innen vollen Arten und Biotope erhalten und verbessert werden. Wenn es zum Tausch angeboten wurden, einzutauschen.
Wie sind Sie damit umgegangen? Enrico Pieper: Der BUND ist aufs Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALFF) zugegangen und hat ein Bodenordnungsverfahren in Form eines Beschleunigten Zusammenlegungsverfahrens (BzV) beantragt. Das ALFF war dazu bereit und hat das Verfahren im Laufe des Jahres 2017 auf einer Fläche von circa 450 Hektar im Bereich der Salzflora Hoyersburg eingeleitet, mit dem Zweck wei- tere Flächen für den Naturschutz zu erwerben und diese Flächen zu arrondieren. Dieter Leupold: Das Verfahrensgebiet umfasst exakt die Gebietskulisse des Pro- jektes Lückenschluss im Bereich der Salzflora Hoyersburg. Wer hat Ihnen geholfen? 12 Enrico Pieper: In erster Linie sind hier die aktiven Landwirt:innen selbst zu nen- Flächenerwerb Arendsee-Salzwedel nen, die zum Beispiel oft den Kontakt von weiteren Verkaufsinteressent:innen an den BUND vermittelt haben. Dieter Leupold: Nicht selten wurde der Kontakt zu Verkaufsinteressent:innen an den BUND von diesen angestoßen. Die LGSA einzubeziehen war ebenfalls sehr hilfreich, da sie von allen Seiten als kompetente Partnerin wahrgenommen wird und auch eine Art Mittlerrolle zwischen Flächeneigentümer:innen und Natur- schutz einnehmen kann. Auch dem ALFF sind wir sehr dankbar, dass es mit dem Zusammenlegungsverfahren dafür sorgt, dass weitere Flächen erworben und die Enrico Pieper Naturschutzflächen arrondiert werden können. und Dieter Leupold Haben Sie Ihr Ziel erreicht? über die Zusammenarbeit von Landge- sellschaft und BUND beim Flächenerwerb Dieter Leupold: In den ersten zwei Projektjahren lief der Flächenerwerb ziemlich schleppend an. Aber dann hat sich eine tolle Dynamik entwickelt, sodass über die https://youtu.be/e2Z9B9yxevM Jahre unsere Erwartungen deutlich übertroffen wurden. Zu Projektbeginn hatten Salzflora Hoyersburg © Ine Pentz
wir mit ca. 40 Hektar Flächenerwerb in den fünf Projektjahren die landwirtschaftlich genutzt wurden, auch im Naturschutzeigen- gerechnet. Letztlich haben wir fast 200 Flurstücke mit insgesamt tum landwirtschaftliche Nutzflächen bleiben, nur eben naturnäher. über 300 Hektar erworben. Im zweiten Projektjahr bei den ers- ten Flächenkäufen hatten wir das langfristige Ziel definiert, in der 160 angekaufte BUND Flurstücke in der Salzflora Hoyersburg © Ine Pentz Salzflora Hoyersburg einen großen zusammenhängenden Flächen- komplex für eine extensive Beweidung zu schaffen. Dass wir dies noch innerhalb der Projektlaufzeit so weit voranbringen würden, hätten wir damals nie gedacht. Welche Tipps haben Sie für Nachahmende? Was gilt es zu vermeiden? Dieter Leupold: Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den 13 Akteur:innen aus der Landwirtschaft ist, wie in den vorherigen Flächenerwerb Arendsee-Salzwedel Antworten dargestellt, entscheidend. Außerdem muss man ausrei- chend Zeit einplanen und zum Teil viel, viel Geduld haben. Enrico Pieper: Auf keinen Fall sollte man den potenziell Verkau- fenden in Flächenkaufverhandlungen drängen. Das führt nur zu Widerstand und kann auch andere Flächeneigentümer:innen von ihrem bekundeten Interesse Abstand nehmen lassen. Auch sollte man sich mit den Geboten an den Bodenrichtwerten und den aktu- ell im Durchschnitt bezahlten Preisen orientieren und sich – selbst wenn die Mittel dafür vorhanden wären – nicht verleiten lassen, überteuerte Preise zu zahlen. Das lässt die Preise zu sehr steigen und ist langfristig für alle Akteur:innen von Nachteil. Dieter Leupold: Akzeptanzarbeit vor Ort ist extrem wichtig. Es gilt, die eigenen Ziele zu erklären und Bedenkentragenden genau zuzuhören. Man sollte frühzeitig klar machen, dass die Flächen,
14 Gemeinsam für das Braunkehlchen Braunkehlchen (Saxicola rubetra) © Olaf Olejnik Gemeinsam für das Braunkehlchen Olaf Olejnik, BUND Sachsen-Anhalt Steckbrief Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) bevorzugt als Lebensraum offenes, artenreiches Grünland und brü- Braunkehlchen tet auf dem Boden. Zum Brutbiotop gehört außerdem eine vielfältige Krautschicht zur Nahrungssuche, vor allem aber müssen höhere Einzelstrukturen (z.B. ein- zelne Gehölze) als Sitzwarten vorhanden sein. Bundesweit ist der Bestand zwischen den Zeiträu- men 2005-2009 und 2011-2016 um etwa 35 Prozent eingebrochen, im Vergleich zu den 1990er Jahren sogar um mehr als 50 Prozent. Etwa 14 Prozent der bundesweit 29.000 bis 52.000 Brutpaare (Stand 2009) Olaf Olejnik kommen in Sachsen-Anhalt vor und aktuell fünf Pro- zent der bundesweiten Population in der westlichen über die Kooperation zwischen Altmark. Doch auch hier ist ein Rückgang in den letz- Landwirt:innen und BUND zum Schutz der Braunkehlchen ten Jahren zu beobachten. Denn die Fortpflanzungs- periode des Braunkehlchens fällt in einen Zeitraum https://youtu.be/MF67J56q8PQ konzentrierter Grünlandnutzung: Mitte Mai bis Mitte Juli. Selbst bei extensiver Nutzung können Bruten verloren gehen, wenn der Start der Beweidung oder die erste Mahd vor Mitte Juli stattfindet. Die Braun- kehlchen brauchen nur vier Wochen vom Legen der Eier bis zum Ausfliegen der Jungvögel: Rekordzeit!
Was war Ihr Ziel? Dabei habe ich mit einigen Nutzer:innen besprochen, welche Flä- chen sie bei der ersten Mahd auslassen, um die darauf liegenden Olaf Olejnik: Seit vielen Jahren erfasse ich hier am Grünen Band Nester zu schützen. Die Flächengröße der ausgesparten Bereiche nordöstlich von Salzwedel die Brutvogelbestände. Das Gebiet bie- lag zwischen 200 Quadratmetern und 2 Hektar. Da waren nicht tet hervorragende Brutreviere für eine Vielzahl von Vogelarten des nur die von uns oder der SUNK gepachteten Flächen, sondern zum Offen- bzw. Halboffenlandes. Allerdings waren auch hier die In- Teil auch ihre eigenen Flächen dabei. 2018 zum Beispiel betraf die dividuenzahlen der verschiedenen Vogelarten rückläufig. Auf die Verschiebung der Mahd insgesamt 60 Hektar von fünf Bewirt- Nahrungs- und Brutplätze hat sich der Nutzungsdruck vor allem schafter:innen. Auch der Unterhaltungsverband verschob die Gra- durch die Zunahme der Maisanbauflächen nach und nach deutlich benpflege auf 2.000 Meter Länge auf den spätmöglichsten Termin erhöht und die Arten werden zunehmend auf die Naturschutz- im Sommer. flächen im und am Grünen Band zurückgedrängt. Doch auch hier wurden die Rand- und Saumstrukturen entlang des Kolonnenwe- Zentraler Erfolgsfaktor war, dass ich dafür gesorgt habe, dass die ges und des KFZ-Sperrgrabens, die bis vor wenigen Jahren spät Flächen nach dem Ausfliegen der Jungvögel so rasch als möglich 15 oder in manchen Jahren auch gar nicht genutzt wurden, immer gemäht werden konnten. Manche Flächen habe ich dafür über 20 Gemeinsam für das Braunkehlchen mehr in eine frühe Nutzung mit einbezogen. Ziel war es, den aktu- Mal begangen und sehr viele Ortstermine mit den Nutzer:innen ellen Bestand von Offenlandvogelarten, vor allem des Braunkehl- gehabt. Oftmals waren die Bewirtschafter:innen direkt vor Ort an- chens zu ermitteln und in Abstimmung mit den Landwirtschafts- zutreffen und die Schutzmaßnahmen konnten dort direkt bespro- betrieben Maßnahmen zum Schutz ihrer Nester und der Jungvögel chen werden. Ansonsten wurden Ortstermine vereinbart oder auch zu erarbeiten und umzusetzen, um die Bestände zu stabilisieren. mal übers Telefon etwas geklärt. Wie sind Sie herangegangen? Welche Herausforderungen gab es? Olaf Olejnik: Zunächst einmal haben wir flächenscharf ermittelt, Olaf Olejnik: Der genaue Standort der Nester lässt sich bei den wo die Brutvögel vorkommen und wo es sinnvoll und möglich Bodenbrütern mit vertretbarem Zeitaufwand nur ungefähr er- ist, strukturverbessernde Maßnahmen für Vogelarten des Offen- mitteln, sodass relativ große Bereiche bei der Bewirtschaftung und Halboffenlandes umzusetzen. Bodenbrütende Arten wie das ausgespart werden müssen. Dafür gab es aber erfreulicherweise Braunkehlchen benötigen eine Vielfalt an Landschaftsstrukturen Verständnis unter den Landwirt:innen. Die größte Herausforde- als Lebensraum: einen gut geschützten Grasbereich mit Sitzwarten rung bei so einem Vorgehen ist allgemein der große Zeitaufwand, aus vorjährigen Blütenständen oder Koppelpfählen und angren- der für die individuelle Betreuung der Flächen und der landwirt- zendes offenes Grünland für die Insektenjagd. schaftlichen Betriebe anfällt, insbesondere bei den kleinteiligen Nutzungsstrukturen und einer linearen Struktur wie dem Grünen Der erste Schritt war also eine detaillierte Kartierung der Brut- Band. Vieles lässt sich nur im direkten Kontakt und direkt an der vögel. Bei den Braunkehlchen wurde zudem der Bruterfolg erfasst und die Anzahl der flüggen Jungen dokumentiert. Wir haben erst- betroffenen Fläche lösen, der Griff zum Telefon ist oftmals nicht mals 2015 und dann bis 2018 jährlich die Bestände auf 2.200 Hek- ausreichend. Wegen des hohen Arbeitsaufwands wird solch eine tar erfasst. Ab dem ersten Erfassungsjahr wurden konkrete Flächen Vorgehensweise zwar kritisiert, ist aber ohne wirkliche Alterna- für den Gelegeschutz vorgeschlagen und der Schutz mit landwirt- tive, solange die Braunkehlchen in einem Gebiet vor allem auf schaftlichen Betrieben und dem für die Gewässer- und Graben- landwirtschaftlich genutzten Flächen brüten. pflege zuständigen Unterhaltungsverband umgesetzt. Außerdem kehlc hen © B ra u n Ol a wurden Bereiche für das Aufstellen von Sitzwarten festgelegt und n fü r fO Bereiche, die entbuscht werden sollten. a r te le jn zw ik t Si re Wie haben Sie die Landwirt:innen orä zum Mitmachen bewegt? p Tem Olaf Olejnik: Wir haben darauf gesetzt, dass einige landwirt- schaftliche Betriebe freiwillig zu gewissen Nutzungseinschrän- kungen bereit sind, wenn sie dadurch das seltene Braunkehlchen schützen können. Allerdings brütet das Braunkehlchen relativ spät, bis in die zweite Julihälfte hinein. Hätten wir davon aus- gehend großflächig einen pauschalen Termin festgelegt, bevor die Erstmahd beziehungsweise der Beweidungsbeginn möglich ist, hätte niemand mitgemacht. Die daraus resultierenden Ertrags- ausfälle wären zu groß gewesen. Mit einer flexiblen Handhabung der Bewirtschaftungszeitpunkte in Abhängigkeit von der tatsäch- lichen Brutzeit und Standorten der Nester dagegen konnten wir viele Landwirtschaftsbetriebe ins Boot holen. Wie lief das konkret ab? Olaf Olejnik: Es folgten zeitnah Gespräche mit den 16 Bewirt- schafter:innen der betroffenen Flächen, um das Schutzanliegen zu erklären und Sympathie für das Braunkehlchen zu erzeugen. Olaf Olejnik und Ine Pentz mit Landwirt Marko Gabriel im Gespräch © Uwe Heinecke
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