LEITFADEN ZUM LÜCKENSCHLUSS - Strategien und Maßnahmen für den Biotopverbund - Bund für Umwelt und ...

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LEITFADEN ZUM LÜCKENSCHLUSS - Strategien und Maßnahmen für den Biotopverbund - Bund für Umwelt und ...
LEITFADEN ZUM LÜCKENSCHLUSS
 Strategien und Maßnahmen für den Biotopverbund
LEITFADEN ZUM LÜCKENSCHLUSS - Strategien und Maßnahmen für den Biotopverbund - Bund für Umwelt und ...
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
BUND Fachbereich Grünes Band
Regionalkoordination Grünes Band Zentraleuropa
Hessestraße 4
90443 Nürnberg
Tel.: 0911-575294-0
Fax: 0911-575294-20
gruenesband@bund-naturschutz.de
www.gruenesband.info, www.europeangreenbelt.org

Text: Uwe Friedel, Dr. Liana Geidezis, Karin Kowol, Dieter Leupold,
Ine Pentz, Ute Borchers, Ingrid Werres, Emanuel Wiesner
Konzept und Redaktion: Dr. Liana Geidezis, Uwe Friedel, Angelika Beck, Emanuel Wiesner
Gestaltung: hgs5 GmbH, Fürth, www.hgs5.de
Bilder Titelseite: Das Grüne Band bei Salzwedel © Otmar Fugmann,
Breitblättriges Knabenkraut © Melanie Kreutz, Braunkehlchen © Ute Machel, Bläuling © Karin Kowol
Bilder Rückseite: Eselwanderung am Grünen Band in Thüringen © Melanie Kreutz,
Kraniche bei Hoyersburg © Dieter Damschen

Im Leitfaden werden sowohl die neutrale Schreibweise, als auch der Gender-Doppelpunkt (:) verwendet um
alle Geschlechter anzusprechen.

Diese Broschüre ist im Rahmen des Projektes „Lückenschluss Grünes Band“ entstanden, das im
Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert wird.

Gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mi eln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.

Diese Broschüre gibt die Auffassung und Meinung des Zuwendungsempfängers des Bundesprogramms
Biologische Vielfalt wieder und muss nicht mit der Auffassung des Zuwendungsgebers übereinstimmen.

1. Auflage, Auflage 3.000 Stück, August 2021
Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier

© BUND Fachbereich Grünes Band
Die Wort-/Bildmarken Grünes Band® und Das Grüne Band® sind markenrechtlich geschützt durch den BUND.
Die Weiterverarbeitung – auch auszugsweise – bedarf der schriftlichen Genehmigung durch den Herausgeber.
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Auftaktveranstaltung zum Projekt Lückenschluss Grünes Band 2013, Arendsee (Altmark) © BUND

                                   Inhaltsverzeichnis

                                   Vorwort                                                    4

                                   Einleitung                                                 6

                                   Auswahl der Lückenschluss-Modellgebiete                    8

                                   Flächenerwerb im Modellgebiet Arendsee-Salzwedel          11

                                   Gemeinsam für das Braunkehlchen                           14

                                   Lebensraumverbund für Libellen durch Grabenunterhaltung   17

                                   Vernetzung von Kleingewässern                             20

                                   Weideeinrichtung in der Salzflora Hoyersburg              23

                                   Freistellung des Grünen Bandes im Kiefernforst            26

                                   Erste Schritte zum Lückenschluss in der Allerniederung    30

                                   Offenlandbiotope im Tettautal verbinden                   33

                                   Lückenschluss in der Aue                                  36

                                   Erfolg durch Kommunikation                                38

                                   Kurzvorstellung der Projektakteur:innen                   44
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nen, ist eine wichtige Grundlage für Natur-     Das Grüne Band liefert eine Fülle an Er-

          Vorwort
                                                           schutzmaßnahmen. Die konsequente Um-          fahrungen und Erkenntnissen, welche poli-
                                                           setzung von Maßnahmen zur Verbesserung        tischen, naturschutzfachlichen und gesell-
                                                           des Biotopverbunds hängt allerdings nicht     schaftlichen Instrumente zusammenwirken
                                                           nur von diesem Wissen ab, sondern wesent-     müssen, damit ein Biotopverbund real wer-
            Laut Duden wird der Begriff „Lücke“ defi-      lich auch von der Fähigkeit und dem Enga-     den kann. Ein wichtiges Erfolgsrezept ist
          niert als eine „Stelle, an der etwas fehlt (in   gement von Menschen und Organisationen,       die dauerhafte und fachübergreifende Ko-
          einem zusammenhängenden Ganzen) und              die vorgeschlagenen Maßnahmen durchzu-        operation verschiedener Akteur:innen. Es
          durch die etwas unvollständig erscheint“.        führen. Mit anderen Worten: Die besten na-    ist damit ein Verbundsystem nicht nur für
          Die Benutzung des Begriffs „Lücke“ wird in       turschutzfachlichen Planungen, um einen       Fauna und Flora, sondern auch für Behör-
          diesem „Leitfaden zum Lückenschluss“ in          durchgängigen Lebensraumverbund zu er-        den, Verbände, Länder, Regionen, Landwirt-
          diesem Sinne verwendet. Eine vorhandene          halten und zu entwickeln, sind nur im so-     schaft, Tourismus, Einzelpersonen u. v. a. m.
  4
          Lücke (im Biotopverbund) stellt einen Be-        zioökonomischen Kontext erfolgreich.          – regional verankert, national vernetzt.
Vorwort

          reich dar, in dem etwas fehlt, was eigentlich      Durch das über drei Jahrzehnte andauern-      Die im September 2020 erfolgte Absichts-
          da sein sollte (ein Lebensraum), oder bildet     de Engagement des BUND mit haupt- und         erklärung der Anrainerländer am Grünen
          eine Barriere, die geschlossen oder über-        ehrenamtlich Aktiven insbesondere auch        Band und des Bundesumweltministeriums,
          wunden werden muss.                              direkt vor Ort am Grünen Band ist es ge-      in der die vollständige hoheitliche Siche-
            Eine der Bedrohungen für das Überleben         lungen, eine breite Vertrauensbasis und       rung als Ziel formuliert wurde, ebenso wie
          vieler Tier- und Pflanzenarten ist die Zer-      Akzeptanz mit den beteiligten Akteur:in-      „den Biotopverbund am innerdeutschen
          störung oder Fragmentierung ihrer natür-         nen wie Landnutzer:innen, Unterhaltungs-      Grünen Band sowie in seiner Fortsetzung
          lichen Lebensräume. Die Erhaltung von            verbänden, Landgesellschaften, Land-          entlang der bayerisch-tschechischen Grenze
          Landschaftsverbindungen, in denen sich           schaftspflegeverbänden, Länderstiftungen      zu stärken und über das Gebiet der (künf-
          Tiere und Pflanzen frei von einem Lebens-        des Naturschutzes, Naturschutzbehörden        tigen) Nationalen Naturmonumente hinaus
          raum zum anderen ausbreiten können, ist          und Kommunen aufzubauen. Dies ist eine        zu ergänzen. Dabei werden die Entwicklung
          daher ein wesentlicher Bestandteil von Na-       Grundvoraussetzung für die Erhaltung und      innerhalb des Biotopverbundes als auch die
          turschutzstrategien in Deutschland. In der       Entwicklung des Grünen Bandes als Be-         Stärkung der bestehenden und die Herstel-
          Praxis ist die Erhaltung, Schaffung und der      standteil des länderübergreifenden Biotop-    lung neuer Querverbindungen zu anderen
          Schutz von natürlichen Verbindungen in           verbundes in dem es zudem eine wichtige       Teilen des überregionalen Biotopverbundes
          unserem zunehmend durch fortschreitende          Funktion als Verbundachse innerhalb ver-      angestrebt…,“ lässt uns optimistisch in die
          Infrastrukturentwicklung und Intensivie-         schiedener Lebensraumnetzwerke über-          Zukunft des Grünen Bandes blicken.
          rung der Landnutzung zerschnittenen Land         nimmt.                                          Im vorliegenden Leitfaden zum Lücken-
          jedoch eine gewaltige Herausforderung. Das         Das Grüne Band muss allerdings immer        schluss präsentieren insbesondere die re-
          „Grüne Band“ ist derzeit das einzige län-        im Dreiklang Naturschutz, nachhaltiger        gionalen Akteur:innen am Grünen Band
          derübergreifende Biotopverbundsystem in          Regionalentwicklung und historischer Er-      anschaulich die komplexen Anforderungen
          Deutschland – und damit auch ein Modell-         innerungslandschaft verstanden werden.        sowie die praxisnahen Maßnahmen und
          gebiet für die Erprobung von Lückenschlüs-       Diese umfassende Betrachtung war eine         Lösungen zur Umsetzung des Biotopver-
          sen.                                             Basis für die Ausweisung als Nationa-         bundes und zum Erhalt bedrohter Arten.
            Ein fundiertes wissenschaftliches Ver-         les Naturmonument und erklärt die Be-         Wir hoffen, dies gibt Ihnen Inspiration und
          ständnis über Konnektivität, einschließlich      deutung des Grünen Bandes, seine hohe         unterstützt die Motivation und Aktion zum
          der potenziellen Vorteile auch für unsere        Wertschätzung in der Öffentlichkeit und       Schließen weiterer Lücken und zum Aufbau
          eigenen Lebensgrundlagen und der Frage,          seine auch nach 30 Jahren ungebrochene        einer dauerhaften „Grünen Infrastruktur“ in
          wie diese am besten erreicht werden kön-         mediale Aufmerksamkeit.                       Deutschland und Europa.

                       Olaf Bandt                                  Prof. Dr. Kai Frobel                        Prof. Dr. Hubert Weiger
                    BUND Vorsitzender                                Sprecher BUND                             BUND Ehrenvorsitzender
                                                                 Arbeitskreis Naturschutz
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Die intensive Nutzung der Landschaft durch      schen Vielfalt (NBS) wurde es 2007 als eines       dies in vorbildlicher Weise. Dieses Projekt hat
uns Menschen führt seit Jahrzehnten zu einem      von zehn Leuchtturmprojekten hervorgeho-           damit nicht zuletzt zur Vorbereitung der Aus-
Schwund für den Naturschutz wertvoller Bio-       ben, welches der Erhaltung der biologischen        weisung des Grünen Bandes zum Nationalen
tope, einer Fragmentierung und Verinselung        Vielfalt dient und in vorbildlicher Weise öko-     Naturmonument 2018 in Thüringen und 2019
verbleibender Lebensräume und in der Folge        logische, ökonomische und soziale Aspekte          in Sachsen-Anhalt beigetragen.
zu einem Verlust der biologischen Vielfalt, von   verbindet.
Lebensräumen und auch von Arten. Um dieser                                                             Die Bundesländer spielen bei der Sicherung
                                                    Das Bundesprogramm Biologische Viel-
Entwicklung entgegenzuwirken, kommt Bio-                                                             des Grünen Bandes als Biotopverbund eine
                                                  falt dient der Umsetzung der NBS. Das Pro-
topverbundsystemen eine große Bedeutung zu.                                                          zentrale Rolle: Sie setzen sich nicht nur für die
                                                  jekt „Lückenschluss Grünes Band“ wurde von
Diese sollen dazu beitragen, heimische Arten,                                                        Ausweisung ihrer Abschnitte im Grünen Band
                                                  2012 bis 2020 vom Bundesamt für Natur-
Artengemeinschaften und ihre Lebensräume                                                             als Nationales Naturmonument ein, sondern
                                                  schutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministe-
auch außerhalb von Schutzgebieten nachhal-                                                           haben Flächen des Nationalen Naturerbes im
                                                  riums für Umwelt, Naturschutz und nukleare                                                               5
tig zu sichern sowie ökologische Wechsel-                                                            Grünen Band aus dem Bundeseigentum samt
                                                  Sicherheit aus diesem Programm gefördert.
beziehungen in der Landschaft zu bewahren,

                                                                                                                                                         Vorwort
                                                  Das BfN unterstützt schon seit 1991 Projek-        der Verpflichtung zu deren Erhaltung und
wiederherzustellen und weiterzuentwickeln. In
                                                  te und Entwicklungen im Grünen Band und            Entwicklung zu Naturschutzzwecken über-
diesem Sinne ist 2002 die Entwicklung eines
                                                  seinem Umfeld sowohl finanziell als auch           nommen. Darüber hinaus haben die Länder
länderübergreifenden Biotopverbunds auf
                                                  fachlich. Während sich bisherige Projekte vor      den BUND im Projekt „Lückenschluss Grünes
mindestens zehn Prozent der Fläche eines je-
                                                  allem auf die Erhaltung von Bereichen kon-         Band“ unterstützt und bemühen sich ihrerseits
den Bundeslandes als Vorgabe in das Bundes-
                                                  zentrierten, die aus Sicht des Naturschutzes       um die Schließung von Lücken.
naturschutzgesetz (BNatSchG) aufgenommen
                                                  wertvoll sind, standen im Projekt „Lücken-
worden (§§ 20 und 21, BNatSchG 2009).                                                                  Für Biotopverbundsysteme gibt es bereits
                                                  schluss Grünes Band“ erstmals Defiziträume
  Der ehemalige deutsch-deutsche Grenz-                                                              viele Planungen, die dringend umgesetzt wer-
                                                  wie intensiv genutztes Acker- und Grünland
streifen, das heutige Grüne Band, stellt das                                                         den müssen. Mit dem ebenfalls vom BfN ge-
                                                  aber auch Offenland mit Gehölzaufwuchs im
Rückgrat eines länderübergreifenden Biotop-                                                          förderten „Handbuch Biotopverbund Deutsch-
                                                  Mittelpunkt. Um aus Lücken Verbindungsflä-
verbunds dar. Das Grüne Band ist fast 1.400                                                          land – vom Konzept bis zur Umsetzung einer
                                                  chen zu entwickeln, konnte der Bund für Um-
Kilometer lang, grenzt an neun Bundeslän-                                                            Grünen Infrastruktur“, das 2018 erschienen ist,
                                                  welt und Naturschutz in Deutschland (BUND)
der, beherbergt auf fast der Hälfte seiner Flä-                                                      legte der BUND eine praktische Hilfestellung
                                                  auf Basis einer langjährigen vertrauensvollen
che gefährdete Biotoptypen und ist somit ein
                                                  Zusammenarbeit mit den Akteurinnen und             für die Entwicklung von Biotopverbundsyste-
Naturschutzprojekt nationaler Bedeutung. Es
                                                  Akteuren vor Ort einschließlich der Landwirt-      men vor.
ist zudem Teil eines sehr viel größeren kon-
                                                  schaft in einem sehr viel größeren Umfang            Dies wird durch den nun vorliegenden „Leit-
tinentalen Biotopverbunds, des Europäischen
                                                  als erwartet Flächen ankaufen. Das Projekt
Grünen Bandes, das sich mit einer Länge von                                                          faden zum Lückenschluss“ ergänzt. In das
                                                  war hierbei so erfolgreich, dass die zunächst
über 12.500 Kilometern von der Barentssee                                                            Projekt involvierte Akteurinnen und Akteure
                                                  geplante Projektförderung von 1,6 Millionen
im Norden entlang des ehemaligen Eiser-                                                              berichten persönlich über erfolgreiche Strate-
                                                  Euro zu einer Förderung von 4 Millionen Euro
nen Vorhangs bis zur Adria im Süden und                                                              gien und weniger aussichtsreiche Wege und
                                                  aufwuchs.
dem Schwarzen Meer im Südosten zieht. In                                                             teilen ihren reichhaltigen Erfahrungsschatz
Deutschland wurde das Grüne Band daher              Im Bundesprogramm Biologische Vielfalt
                                                                                                     mit Ihnen: Die Berichte und Beispiele dienen
im November 2005 als Nationales Naturerbe         wird auf eine intensive und effektive Kom-
                                                                                                     als Hilfestellung und ermutigen zur Nachah-
eingestuft und 2009 im Bundesnaturschutzge-       munikations- und Öffentlichkeitsarbeit großer
                                                                                                     mung – beim Lückenschluss im Grünen Band
setz als Bestandteil des länderübergreifenden     Wert gelegt, um das gesellschaftliche Bewusst-
                                                  sein für biologische Vielfalt zu fördern. Im       und in anderen Biotopverbundsystemen.
Biotopverbunds aufgeführt. In der Nationalen
Strategie der Bundesregierung zur biologi-        Projekt „Lückenschluss Grünes Band“ geschah         Dafür wünsche ich allen ein gutes Gelingen!

       Prof. Dr. Beate Jessel,
    Präsidentin des Bundesamtes                    Das Grüne Band Europa bei Finsterau an der bayerisch-tschechischen Grenze
                                                   © Emanuel Wiesner
       für Naturschutz (BfN)
LEITFADEN ZUM LÜCKENSCHLUSS - Strategien und Maßnahmen für den Biotopverbund - Bund für Umwelt und ...
Einleitung
             Dr. Liana Geidezis, Leiterin des BUND Fachbereichs Grünes Band

               Das Grüne Band entlang der einstigen innerdeutschen Grenze ist                                                          Das Grüne Band ist aber nicht „nur“ ein nationaler Biotopver-
             mit seinen 1.393 Kilometern das größte und bisher einzige existie-                                                      bund, es ist ein lebendiges Denkmal für die jüngere deutsche und
             rende länderübergreifende Biotopverbundsystem in Deutschland.                                                           europäische Zeitgeschichte. Diese ökologische und kulturhistori-
             Es ist ein ökologischer Korridor von 50 bis 200 Metern Breite mit                                                       sche Dimension geben dem Grünen Band ein spezifisches „Allein-
             einer Gesamtfläche von über 177 Quadratkilometern.                                                                      stellungsmerkmal“. Deshalb ist das Grüne Band im Hinblick auf
  6
               Seit 2005 gilt das Grüne Band als Nationales Naturerbe (NNE)                                                          seine Funktion als Lebensraum für eine Vielzahl seltener und ge-
             und bis 2011 wurden insgesamt 6.339 Hektar Bundesflächen im                                                             fährdeter Arten und Biotoptypen, als Rückgrat eines länderüber-
Einleitung

             Grünen Band als NNE-Bestandteil zu Naturschutzzwecken an die                                                            greifenden Biotopverbunds, aber auch als erlebbare Erinnerungs-
             Länder bzw. deren Naturschutzstiftungen, Schutzgebietsverwal-                                                           landschaft zu erhalten und zu entwickeln. Diese Ziele erfordern
             tungen oder Landkreise übertragen. Als Leuchtturmprojekt in der                                                         einerseits die Umsetzung klassischer Naturschutzmaßnahmen,
             Nationalen Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt wurde                                                      aber können andererseits nur erreicht werden, wenn sie von politi-
             das Grüne Band 2007 ausgezeichnet und 2009 im Bundesnatur-                                                              scher Seite und von den Menschen vor Ort unterstützt und voran-
             schutzgesetz im § 21 als „Bestandteil des länderübergreifenden                                                          getrieben werden. Beim Grünen Band ist es gelungen, diese breite
             Biotopverbundes“ aufgenommen. Dies alles waren wegweisende                                                              Unterstützung zu erhalten.
             politische Schritte zur Sicherung des Grünen Bandes.                                                                      Das Grüne Band überwindet damit nicht nur geographische
              Eine 2012 durchgeführte vom Bundesamt für Naturschutz (BfN)                                                            Grenzen: Es durchläuft neun Bundesländer, 38 Landkreise und
             geförderte Bestandsaufnahme des Grünen Bandes zeigte, dass dort                                                         zwei kreisfreie Städte. Dahinter stehen viele Fachbehörden, de-
             146 Biotoptypen vorkommen und 87 Prozent der Flächen noch                                                               ren Arbeit untereinander, aber auch mit jener der vielen weiteren
             naturnah erhalten sind. Als halboffener Verbundkorridor kann                                                            am Grünen Band aktiven Organisationen wie Naturschutz- und
             das Grüne Band eine herausragende Funktion bei der Vernetzung                                                           Landschaftspflegeverbänden, Grenzmuseen und Landesstiftungen
             sowohl von Wald- als auch von Offenlandhabitaten übernehmen                                                             abzustimmen ist. Zum gegenseitigen Erfahrungs- und Wissens-
             und in Kulturlandschaften kleinräumig Hotspots der Artenvielfalt                                                        austausch sowie der regelmäßigen Vernetzung der Akteur:innen
             darstellen, wie eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg                                                           dienen seit 2011 die Fachtagungen zum Management des Grünen
             2016 belegte.                                                                                                           Bandes. In der ersten dieser Tagungen 2011 verständigten sich die
               Nach über drei Jahrzehnten Engagement des Naturschutzes für                                                           Teilnehmenden auf ein gemeinsames Leitbild für das Grüne Band,
             Erhalt und Sicherung dieses Lebensraumverbundes ist das Grüne                                                           d. h. auf die Erhaltung des mosaikartigen Wechsels an Lebens-
             Band letztlich eine Erfolgsgeschichte. Länderübergreifende Aktivi-                                                      raumtypen, der Biotopverbundstruktur und der Erkennbarkeit in
             täten für eine Schutzidee dieser Größenordnung konnten nur ge-                                                          der Landschaft über seinen gesamten Verlauf hinweg. Sie formu-
             lingen, weil das Grüne Band als faszinierende Herausforderung                                                           lierten konkrete Zielvorgaben und Handlungsanweisungen für die
             bei einer Vielzahl von Beteiligten verankert werden konnte. Das                                                         Pflege und Entwicklung des Grünen Bandes im landschaftlichen
             Grüne Band ist ein besonders positives Beispiel für die enge und                                                        Kontext als Biotopverbund aber auch als Erinnerungslandschaft.
             kontinuierliche Kooperation von staatlichem und verbandlichem                                                           Zudem werden seither neue Akteur:innen aus den Bereichen Tou-
             Naturschutz. Auf nationaler Ebene sind dafür der BUND und das                                                           rismus und Kulturhistorie eingebunden, um den Dreiklang Natur,
             BfN die federführenden Akteure.                                                                                         Kultur und Geschichte weiterzuentwickeln. Die Tagungen tragen
                                                                                                                                     als zentrale Austauschplattformen nachhaltig zur Festigung und
                                                                                                                                     zum Ausbau des Akteur:innen-Netzwerks bei.
                                                                                                                                       Der Biotopverbund Grünes Band wies 2012 jedoch auf knapp
                                           Lutra lutra) nutzt die natu
                             ho   tt e r (                             rna                                                           13 Prozent seiner Fläche noch naturferne Lücken wie intensi-
                  r   F is c                                                 hen
                                                                                   Ge
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                                                                                             ss e
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                                                                                                             G                       der BUND im Bundesprogramm Biologische Vielfalt das achtjäh-
                                                                                                             rü

                                                                                                                                     rige Projekt „Lückenschluss Grünes Band“. Hier erwiesen sich die
                                                                                                                 ne
                                                                                                                 n

                                                                                                                                     langjährigen vor-Ort-Aktivitäten des BUND als sehr vorteilhaft, um
                                                                                                                  Ba
                                                                                                                      nd

                                                                                                                                     den Biotopverbund modellhaft wiederherzustellen. Die dabei ge-
                                                                                                                      ©

                                                                                                                                     machten vielfältigen Erfahrungen und Herausforderungen werden
                                                                                                                       He
                                                                                                                           inz

                                                                                                                                     in dem vorliegenden „Leitfaden zum Lückenschluss“ von den Ak-
                                                                                                                            K lö s

                                                                                                                                     teur:innen anschaulich präsentiert und sollen Anhaltspunkte sowie
                                                                                                                             er

                                                                                                                                     Hilfestellung für andere Regionen und für die Entwicklung weiterer
                                                                                                                                     Bestandteile des länderübergreifenden Biotopverbundes geben.
                                                                                                                                       Als wichtige Verbindungsachse innerhalb verschiedener Lebens-
                                                                                                                                     raumnetzwerke ist es wichtig, Lücken im Grünen Band zu schlie-
                                                                                                                                     ßen, aber auch im Sinne von Querachsen Anschlüsse an andere
                                                                                                                                     Lebensraumverbünde zu entwickeln. Das seit Oktober 2019 laufen-
LEITFADEN ZUM LÜCKENSCHLUSS - Strategien und Maßnahmen für den Biotopverbund - Bund für Umwelt und ...
de BUND-Projekt „Quervernetzung Grünes Band“ im Bundespro-              chend wies der Freistaat Thüringen im November 2018 seinen 763
gramm Biologische Vielfalt strebt an, die Anbindung des Grünen          Kilometer langen und ca. 6.500 Hektar großen Anteil am Grünen
Bandes an weitere landes-, bundes- oder sogar europaweit bedeut-        Band beispielhaft als NNM aus. Im Oktober 2019 folgte das Land
same Biotopverbundachsen zu verbessern und so seine Funktion            Sachsen-Anhalt mit der Ausweisung seines 343 Kilometer langen
als Rückgrat des bundes- und europaweiten Biotopverbunds zu             und 4.754 Hektar großen Abschnitts des Grünen Bandes. Träger
stärken. Ein zentraler Projektansatz ist auch hier die Einbeziehung     dieser beiden NNM sind die jeweiligen Naturschutzstiftungen der
der Landwirtschaft in die naturschutzgerechte Entwicklung und           Länder. Diese werden durch die Bereitstellung finanzieller und per-
die Pflege von Flächen, die der Quervernetzung mit benachbarten         soneller Ressourcen sowie durch Pflege- und Entwicklungspläne
Gebieten mit hohem naturschutzfachlichem Wert oder mit gutem            die Erhaltung und Herstellung der Durchgängigkeit des Grünen
Entwicklungspotential dienen können.                                    Bandes weiter vorantreiben. Auch planen bereits weitere Anrai-
  Für den dauerhaften Schutz des Grünen Bandes ist insbesondere         nerländer am Grünen Band dessen Ausweisung als NNM.
                                                                                                                                                7
die rechtliche Sicherung eine wichtige Voraussetzung. Bereits die         Mit der bisherigen Sicherung von 1.106 Kilometer des innerdeut-
erste Erhebung zum Schutzstatus in 2002 zeigte, dass entlang des        schen Grünen Bandes als NNM entstand das längste durchgängige

                                                                                                                                              Einleitung
Grünen Bandes eine Vielzahl von meist kleineren Naturschutzge-          Schutzgebiet am Grünen Band Europa. Dies ist ein wichtiges Signal
bieten ausgewiesen wurde. Zudem existieren hier heute vier Bio-         für die Erhaltung des paneuropäischen Biotopverbundes entlang
sphärenreservate (Schaalsee, Elbtal, Drömling und Rhön) und der         des einstigen Eisernen Vorhangs, der sich über 12.500 Kilometer
länderübergreifende Nationalpark Harz. Diese Situation ist jedoch       vom Eismeer bis an die Adria und das Schwarze Meer erstreckt. Ein
noch entfernt von einem vollständigen und einheitlichen Schutz.         weitreichender Schutzstatus ist auch die Voraussetzung dafür, das
Mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes 2010 wurde eine           Grüne Band Europa als einzigartiges lebendiges Symbol der euro-
neue Schutzgebietskategorie eingeführt, die dieses Defizit beheben      päischen Zeitgeschichte in den Stand eines UNESCO-Welterbes in
kann, das Nationale Naturmonument (NNM, § 24). Dementspre-              den Kategorien Natur und Kultur zu heben.

  Das Grüne Band zwischen Niedersachsen und Thüringen © Klaus Leidorf

                                                     Liana Geidezis
                                                     über das Lückenschlussprojekt des BUND
                                                     im Grünen Band Deutschland

                                                 https://youtu.be/-EEDnw_tM0w
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Auswahl der
                                          Lückenschluss-Modellgebiete
                                          Uwe Friedel, BUND Fachbereich Grünes Band

                                          Was ist überhaupt eine „Lücke im Biotopverbund“?                       Wie haben Sie die zu
           8                                                                                                     bearbeitenden Bereiche festgelegt?
                                            Uwe Friedel: Die Funktion des Grünen Bandes als Biotopverbund
                                          ist überall dort eingeschränkt, wo die Flächen intensiv genutzt          Uwe Friedel: Wir haben in einer Bewertungsmatrix für alle Be-
Auswahl der Lückenschluss-Modellgebiete

                                          werden. Flächenmäßig spielen dabei Ackerflächen oder Intensiv-         reiche die vier Kriterien „Flächenverfügbarkeit“, „Bearbeitungsbe-
                                          grünland die wesentliche Rolle. Das Grüne Band ist ein Biotop-         darf“, „ökologischer Bedarf“ und „Erfolgsaussichten“ eingeschätzt
                                          verbund im Offenland. Dadurch kann auch das Zuwachsen durch            und eine Priorisierung vorgenommen. Dabei hat uns die projektbe-
                                          Gebüsche und Bäume, z. B. wie in einem der Projektgebiete mit          gleitende Arbeitsgruppe mit Vertreter:innen des Bundesamtes für
                                          Kiefern-Monokulturen, den Biotopverbund unterbrechen.                  Naturschutz, des DLR Projektträgers, der Stiftung Umwelt, Natur-
                                                                                                                 und Klimaschutz Sachsen-Anhalt (SUNK) und der Stiftung Natur-
                                          Wo fängt man an, wenn man in einem                                     schutz Thüringen (SNT) unterstützt. In die erste Auswahl kamen
                                          1.393 Kilometer langen Biotopverbund die                               dann zwei Modellgebiete in Thüringen (Gerthausen und Guders-
                                          noch vorhandenen Lücken schließen will?                                leben) und drei in Sachsen-Anhalt (Kaulitz, Gollensdorf und Geh-
                                                                                                                 rendorf-Oebisfelde). Das war keine ausschließliche Auswahl. Wir
                                           Uwe Friedel: Dafür muss man zunächst mal wissen, wo diese
                                                                                                                 haben im Laufe des Projekts die Chance bekommen, andere kleine-
                                          Lücken liegen. Im ersten Schritt haben wir alle Biotoptypen, die
                                                                                                                 re Lücken zu schließen und haben da natürlich auch zugeschlagen.
                                          den Verlust der Biotopverbundfunktion bewirken, in der Kategorie
                                          „Lücke“ zusammengefasst. Das sind Intensivgrünland und Äcker,
                                                                                                                 Wie haben Sie den ökologischen Bedarf ermittelt?
                                          aber auch Siedlungs- und Verkehrsflächen, Abgrabungen und
                                          Aufschüttungen sowie Pionierwälder.                                      Uwe Friedel: Es gab mehrere Kriterien dafür. Das wichtigste für
                                            Für unsere Analyse nutzten wir die aktualisierte Biotoptypen-        uns war die Anbindung an andere landes- oder bundesweit be-
                                          kartierung des Grünen Bandes aus dem Jahr 2012 (BfN-Skripten           deutende Biotopverbundachsen, da wir im Projekt das Grüne Band
                                          392). Das beauftragte Büro hat die kartierten Flächen digital in ein   als zentrale Achse des bundesweiten Biotopverbundsystems stär-
                                          Geoinformationssystem (GIS) aufgenommen, analysiert und dabei          ken wollten. Dort, wo Maßnahmen im Projekt diese Anbindung
                                          eine Gesamtfläche von 13 Prozent des 17.712 Hektar umfassenden         ermöglichen würden, haben wir den ökologischen Bedarf höher
                                          Grünen Bandes als Lückenflächen identifiziert. Wir wollten uns         eingeschätzt.
                                          beim Lückenschluss auf die Bereiche mit relativ großer Lücken-           Datengrundlage dafür waren die Ergebnisse der Studie „Länder-
                                          wirkung konzentrieren und haben als einfaches Kriterium dafür          übergreifender Biotopverbund in Deutschland“ des Bundesamtes
                                          eine Mindestlänge von 1.000 Metern definiert. 26 Bereiche haben        für Naturschutz aus dem Jahr 2010 (Fuchs et al. 2010) und die dar-
                                          dieses Kriterium erfüllt.                                              in erstellten Shape-Dateien der Verbundachsen der Trockenlebens-

                                                                                                                         26 Bereiche mit Lücken länger als 1.000 Meter von Süd nach Nord.
                                                                                                                       Die Lücken im 115,7 Kilometer langen Abschnitt des Grünen Bandes im
                                                                                                                          Naturschutzgroßprojekt Eichsfeld-Werratal sind nicht mit dargestellt.
                                          Länge der Lücke in km                                                                                           © BUND Fachbereich Grünes Band

                                          30

                                          25

                                          20

                                          15

                                          10

                                            5

                                            0
                                                              n

                                                                                                                                                                                   ze

                                                                                                                                                                                          en
                                                                                                            ch

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                                                                                                            ck

                                                                                                              n

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                                                                                                              e

                                                                                                           de

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                                                                                                              f

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                                                                                                           or

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                                                                                                         ge

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                                                                                                    un

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                                                                                                    G
                                                                                                    ns
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                                                                                                   r
                                                                                                 th

                                                                                                                                                                                     Pa
                                                                                                 n-
                                                                                                ei
                                                                                                hr

                                                                                                le
                                                                                               eb
                                                                                              ste
                                                                                               ed

                                                                                                O
                                                     ht

                                                                                               Lo
                                                                                               re
                                            öd

                                                                                              ttg

                                                                                               m

                                                                                             Se
                                                                                              ke

                                                                                              ist
                                                                     H

                                                                                             be
                                                                                             er

                                                                                             br

                                                                                             ol
                                                                                            Be
                                                   Lic

                                                                                            m
                                                                            B

                                                                                            St

                                                                                         iO

                                                                                           Le
                                                                                          ac
                                          M

                                                                                          Lü
                                                                                           G

                                                                                          G
                                                                                          er
                                                                         a-

                                                                                          le

                                                                                        So
                                                                                      W
                                                                                       rs
                                                                       ch

                                                                                       nt

                                                                                      or
                                                                                     be
                                                                                    de
                                                                                     U

                                                                                   nd
                                                                       Ei

                                                                                  en
                                                                                 un

                                                                                re
                                                                               od
                                                                               G

                                                                              eh
                                                                            Rh

                                                                            G
LEITFADEN ZUM LÜCKENSCHLUSS - Strategien und Maßnahmen für den Biotopverbund - Bund für Umwelt und ...
räume, Feuchtlebensräume, Waldlebensräume und Fließgewässer.           Trotz dieser Unsicherheit ist es dennoch wichtig, dieses Kriterium
Die dort ermittelten Achsen haben wir im GIS mit dem Grünen           mit einfließen zu lassen, um nicht Zeit und Energie in einer Re-
Band verschnitten.                                                    gion in den Lückenschluss zu investieren, wo man letztlich kaum
                                                                      an Flächen herankommt. Wir haben dann im Laufe des Projektes
Wie wurden die Erfolgsaussichten bewertet?                            sowohl positive als auch negative Überraschungen erlebt.
  Uwe Friedel: Hier ist eingeflossen, ob wir oder unsere BUND
Kreisgruppen vor Ort schon bestehende Kontakte oder gar Koope-        Und diese waren?
rationen mit Landnutzenden hatten, deren Unterstützung sowohl           Uwe Friedel: Im Modellgebiet Gudersleben hatten wir gute Aus-
für den Flächenerwerb als auch für das naturschutzgerechte Ma-        sichten, dass eine größere private Stiftung, die dort sehr viele Flä-
nagement des Offenland-Biotopverbundes zentral ist. Außerdem          chen im Grünen Band hat, zu Flächenverkäufen oder -täuschen
haben wir berücksichtigt, ob Reste von naturnahen oder extensiv       und ggf. auch Kooperation bei der Einrichtung eines „Bypasses“
genutzten Biotoptypen in der Lücke oder benachbart vorhanden                                                                                             9
                                                                      bereit wäre. Trotz zahlreicher Gespräche konnten wir aber letzt-
sind, die für manche Pflanzen- oder Tierarten als Besiedlungsquel-
                                                                      lich dort nicht tätig werden. Andererseits haben wir den beein-

                                                                                                                                              Auswahl der Lückenschluss-Modellgebiete
len dienen können oder deren Trittsteinfunktion sich schnell wirk-
                                                                      druckenden Erfolg, den wir bei Flächenkäufen im Modellgebiet
sam optimieren und ausbauen lässt.
                                                                      Arendsee-Salzwedel hatten, trotz unserer langjährigen Präsenz in
                                                                      der Region und schon bestehenden guten Zusammenarbeit mit den
Was ist mit Bearbeitungsbedarf gemeint?
                                                                      landwirtschaftlichen Betrieben dort so nicht erwartet.
  Uwe Friedel: Anhand dieses Kriteriums haben wir letztlich all die
Lücken von der Bearbeitung im Lückenschlussprojekt zurückge-          Welche Schwierigkeiten
stellt, in denen durch andere Aktuer:innen ein Lückenschluss mög-     gab es im Laufe des Projekts?
lich oder in Bearbeitung war: Lücken, die in einem geplanten oder
laufenden Naturschutzgroßprojekt des Bundes liegen, in denen die        Uwe Friedel: Im Laufe des Projekts ist in einem Projektgebiet
SNT oder die SUNK sehr viele Flächen haben, oder in denen diese       ein Problem aufgetreten, das wir schon überwunden geglaubt hat-
Stiftungen durch ein laufendes oder geplantes Flurneuordnungsver-     ten: Die drohende Veräußerung von Flächen des Grünen Bandes in
fahren diese Flächen noch zugesprochen bekommen sollten.              öffentlichem Eigentum auf dem freien Grundstücksmarkt. Damit
                                                                      verbunden ist immer die Gefahr, dass die Fläche von privaten Käu-
Welche Rolle spielt die Flächenverfügbarkeit?                         fer:innen intensiver genutzt wird und so wiederum neue Lücken
                                                                      entstehen. Eine Kommune mit sehr viel Eigentumsflächen direkt
  Uwe Friedel: Eine ganz entscheidende. Darum haben wir im Pro-
                                                                      im und angrenzend an das Grüne Band musste ihre Flächen aus
jekt auch mit viel Aufwand eine Datenbank über die Eigentums-
                                                                      finanziellen Gründen verkaufen.
verhältnisse im Grünen Band erstellt. Jede Fläche konnten wir so
einer bestimmten Eigentumskategorie zuordnen: Naturschutzver-
                                                                      Und damit drohte das
bände, Landesnaturschutzstiftungen, Landesforste, Privatperso-
                                                                      Entstehen neuer Lücken.
nen, Länderministerien (Umwelt, Verkehr etc.), Kommunen oder
Landkreise, Kirchen usw. Mit der Datenbank hatten wir in jedem          Uwe Friedel: Ja genau. Das „Verhindern neuer Lücken“ hatten
Lückengebiet einen Überblick über die Eigentumsverteilung. Doch       wir bei Start des Projektes eigentlich nicht im Sinn, aber es war
auch mit solch genauen Daten ist eine Vorabbewertung der Flä-         wirklich Glück im Unglück, dass just als die Flächen durch die
chenverfügbarkeit im Gegensatz zu den anderen Kriterien deutlich      Kommune verkauft wurden, unser Lückenschlussprojekt lief. So
unsicherer und konnte nur geschätzt werden.                           konnten wir mit den Fördergeldern und den BUND-Spendenmit-
                                                                      teln zumindest alle Flächen direkt im Grünen Band erwerben, was
   Uwe Friedel                                                        sonst finanziell kaum möglich gewesen wäre.
   Mehr zu Lücken im
   Grünen Band                                                        Wie beurteilen Sie den
                                                                      Erfolg des Projektes?
https://youtu.be/Lr1xd86i_PM
                                                                        Uwe Friedel: Ich bin sehr zufrieden, weil das Projekt ständig an
                                                                      Dynamik gewonnen hat. Wir haben letzten Endes mehr als dreimal
                                                                      so viele Gelder für Flächenerwerb und Naturschutzmaßnahmen
                                                                      einsetzen können als wir zu Projektbeginn eingeplant hatten. Die
                                                                      Fehlbedarfsfinanzierung des Fördermittelgebers hat uns ermög-
                                                                      licht, im Lauf des Projektes weitere Fördermittelgeber:innen zu ge-
                                                                      winnen, um den hohen finanziellen Mehrbedarf dafür zu stemmen.
                                                                       Durch die positiven Entwicklungen der Maßnahmenflächen und
                                                                          Zielarten hatten wir fortwährende Erfolgserlebnisse. Ganz
                                                                           genau werden wir den naturschutzfachlichen Erfolg erst be-
                                                                            werten können, wenn die Evaluierung der Projektmaßnah-
                                                                             men durch ein ökologisches Büro in Form eines Vorher-
                                                                              Nachher-Vergleichs erfolgt ist. Der ist aktuell noch nicht
                                                                              ganz abgeschlossen.
LEITFADEN ZUM LÜCKENSCHLUSS - Strategien und Maßnahmen für den Biotopverbund - Bund für Umwelt und ...
Wichtige Aspekte zur Umsetzung des Biotopverbunds
                                          Wie müssen sich die Rahmenbedingungen ändern,                          Flexibilität und pragmatisches Handeln seitens der Fördermittelge-
                                          damit mehr Landwirt:innen Flächen naturschutz­                         ber:innen ist es möglich, auch langwierige Genehmigungsverfahren
                                          gerecht bewirtschaften können?                                         oder Verhandlungsgespräche erfolgreich ins Projekt zu integrieren.
                                                                                                                 Eine flexible Laufzeit hat sich damit als einer der wichtigsten Punkte
                                            Uwe Friedel: Das Grundproblem, das überwunden werden muss,           herauskristallisiert.
                                          ist die Ausrichtung der EU-Agrarpolitik, die seit Jahrzehnten im
                                          Wesentlichen eine nicht nachhaltige Bewirtschaftung subventio-         Wie werden Ausgleichszahlungen
                                          niert. Diese verantwortet die negativen Folgen einer intensiven        an Landwirt:innen finanziert?
                                          Landwirtschaft direkt mit, wie z.B. Verlust der Biodiversität, Be-
                                          lastung des Grundwassers mit Nitrat und erhöhte Freisetzung von          Uwe Friedel: Im Bundesprogramm Biologische Vielfalt ist es
     10
                                          Kohlenstoffdioxid aus intensiv genutzten und entwässerten Moor-        möglich, Ausgleichszahlungen an Landwirt:innen für Nutzungs-
                                          böden.                                                                 einschränkungen zu zahlen, sofern die betreffende Bewirtschaf-
Auswahl der Lückenschluss-Modellgebiete

                                                                                                                 tungsweise, die zur Nutzungseinschränkung führt, nicht in einem
                                            Zudem gibt es in den Agrarumweltprogrammen der Länder keine
                                                                                                                 Förderkatalog von Agrarumweltprogrammen des Landes enthalten
                                          finanzielle Anreizkomponente, welche Landwirt:innen zur Umstel-
                                                                                                                 ist. Dies ist besonders wichtig und sollte in allen Förderprogrammen
                                          lung auf extensive Bewirtschaftung motivieren würde - dies sollte
                                                                                                                 möglich sein, denn die länderspezifischen Vereinbarungen sind oft-
                                          sich unbedingt zeitnah ändern. Denn so lange die Leistungen der
                                                                                                                 mals zu statisch gehalten. Im Rahmen von Projekten könnten dann
                                          Landwirtschaft für den Erhalt der Biodiversität, den Grundwasser-
                                                                                                                 „best practice“-Beispiele entwickelt werden, die dann als Grundlage
                                          und Klimaschutz nicht deutlich stärker in die Höhe der Subventio-
                                                                                                                 für neue Agrarumweltprogramme dienen können.
                                          nen der Betriebe einfließen, wird es vielerorts in Deutschland nur
                                          schwer möglich sein, die Beispiele, die wir in diesem Leitfaden dar-
                                                                                                                 Welche flankierenden Maßnahmen
                                          stellen, in andere Regionen und andere Biotopverbundsysteme zu
                                                                                                                 unterstützen den Erhalt und die Entwicklung
                                          übertragen. Und auch im Grünen Band bleiben dort Lücken beste-
                                                                                                                 des Biotopverbundes?
                                          hen, wo die Landwirt:innen auf hohe Erträge aus intensiver Land-
                                          wirtschaft nicht verzichten wollen oder können.                          Uwe Friedel: Den Ansatz des Bundesprogramms Biologische Viel-
                                                                                                                 falt, großen Wert auf die begleitende Öffentlichkeitsarbeit zu legen,
                                          Welche Rolle haben Flächen im Eigentum der                             halten wir für richtig und ausbaufähig. Bei der Umsetzung eines Pro-
                                          öffentlichen Hand für den Biotopverbund in Deutsch-                    jektes dieser Art muss Öffentlichkeit in die Breite geschaffen werden,
                                          land?                                                                  aber auch ein sehr starker Fokus auf regionale Unterstützung gelegt
                                                                                                                 werden. So fragen sich Landwirt:innen, Bürger:innen und Politi-
                                            Uwe Friedel: Diese Flächen müssen eine deutlich größere Rolle
                                                                                                                 ker:innen vor Ort, welchen Nutzen sie konkret von einem Natur-
                                          spielen, um die im Bundesnaturschutzgesetz verankerten zehn Pro-
                                                                                                                 schutzprojekt haben, da die Maßnahmen oftmals als wirtschaftliche
                                          zent der Landesfläche, die dem Biotopverbund dienen sollen, zu er-
                                                                                                                 Einschränkungen und Benachteiligungen wahrgenommen werden.
                                          reichen. Derartige für den Biotopverbund geeignete Flächen sollten
                                          grundsätzlich nicht verkauft werden dürfen, sondern mit Priorität        Denn die Vorteile wie Klimaschutz oder der Erhalt der Biodiversi-
                                          für den Naturschutz bereitstehen. Solche Verbundflächen müssen         tät liegen häufig außerhalb des persönlichen Wahrnehmungsfeldes
                                          verstärkt in die Raumplanung von der lokalen bis zur nationalen        der Landnutzer:innen und Entscheidungsträger:innen. Also sind
                                          Ebene aufgenommen werden.                                              Maßnahmen zur Steigerung der lokalen Akzeptanz für eine erfolg-
                                                                                                                 reiche Umsetzung des Biotopverbunds und anderer Naturschutzak-
                                            Zudem sollten auf öffentlichen Flächen wie von Kommunen und
                                                                                                                 tivitäten essenziell. Hier würde es sich auch anbieten, zusätzliche
                                          Landkreisen bei der Verpachtung die Landwirt:innen honoriert wer-
                                                                                                                 Fördermittel für die nachhaltige Regionalentwicklung im Rahmen
                                          den, die zur Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen im Grünen
                                                                                                                 der Naturschutzprojekte bereit zu stellen, um den gesellschaftlichen
                                          Band oder in anderen Biotopverbundsystemen bereit sind. So könn-
                                                                                                                 Mehrwert herauszustellen. Dafür sollten entsprechende Mittel aus
                                          te in den entsprechenden Richtlinien des öffentlichen Eigentums ein
                                                                                                                 Wirtschaftsförderprogrammen kommen und in die Förderprogram-
                                          Vorrang für Pächter:innen mit entsprechenden Bewirtschaftungs-
                                                                                                                 me des Naturschutzes integriert werden. So ließe sich eine positive
                                          konzepten festgeschrieben werden.
                                                                                                                 Haltung der lokalen Bevölkerung gegenüber den naturschutzfach-
                                                                                                                 lichen Maßnahmen nachhaltig stärken.
                                          Wie sollten die Projektlaufzeiten von
                                          Förderprogrammen gestaltet werden?

                                            Uwe Friedel: Im Lückenschlussprojekt gelangen in den ersten
                                                                                                                    Dieter Leupold
                                          eineinhalb Jahren nur wenige Flächenkäufe. Später hat sich eine           über die Vorrausetzungen für
                                          positive Dynamik entwickelt, die immer noch anhält und beispiels-         Naturschutzmaßnahmen
                                          weise im Projektgebiet in Sachsen-Anhalt – unter Einbeziehung des
                                          Amts für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALFF) – in        https://youtu.be/
                                          ein Bodenneuordnungsverfahren im fünften Projektjahr mündete.          wrB0SFSqxio
                                          Wenn eine Verlängerung des Lückenschluss-Projektes nicht mög-
                                          lich gewesen wäre, hätten wir, nach all der Arbeit mit Flächenvor-
                                          bereitung, Aussaat und Düngung – um ein Bild aus der Landwirt-
                                          schaft zu verwenden – „die Ernte auf dem Feld verkommen lassen
                                          müssen“. Die Einzelfallregelung sollte die Regel werden, denn durch
Flächenerwerb im Modellgebiet
Arendsee-Salzwedel
Dieter Leupold, BUND Sachsen-Anhalt & Enrico Pieper,
Landgesellschaft Sachsen-Anhalt GmbH

                                                                                                                                                      11
Was war das Ziel des Flächenerwerbs?                                   zu einer Einigung kam, haben wir auch auf konkrete Bewirtschaf-
                                                                       tungsauflagen in den Pachtverträgen verzichtet, denn diese können

                                                                                                                                                 Flächenerwerb Arendsee-Salzwedel
  Dieter Leupold: Unser Ziel war es, die Flächen im Lückenschluss-
                                                                       bedeuten, dass die Landwirtschaftsbetriebe nicht mehr freiwillig an
Modellgebiet Arendsee-Salzwedel lückenlos in Naturschutzeigen-
                                                                       Agrarumweltmaßnahmen teilnehmen können, mit denen ihnen die
tum zu überführen. Das ist der beste Weg, die langfristige Nutzung
                                                                       Ertragseinbußen durch die naturschutzgerechte Nutzung finanziell
der Flächen im Sinne der seltenen und zu schützenden Arten sicher-
                                                                       ausgeglichen werden. Wir wollen, dass die Landwirtschaftsbetriebe
zustellen und die Lücken im Biotopverbund zu schließen. Auf den
                                                                       den Sinn der Nutzungsänderungen verstehen und auch weitgehend
erworbenen Flächen wollten wir die Flächenbewirtschaftung durch
                                                                       dahinter stehen, im Idealfall auch stolz auf die erzielten Erfolge sind
die Pächter:innen so gestalten, dass die besondere Bedeutung des
                                                                       und sich darüber freuen. Der weitgehende Verzicht auf Auflagen
Grünen Bandes als Offenland-Biotopverbund und Schatzkammer
                                                                       trägt jedenfalls enorm zum Aufbau gegenseitigen Vertrauens bei.
der Artenvielfalt erhalten und verbessert wird. Außerdem wollten
wir im Projekt auch naturschutzfachliche Flächen, die ans Grüne
                                                                       Aber der Landwirtschaftsbetrieb verliert doch da-
Band angrenzen, sichern und mit den Landwirt:innen zusammen
                                                                       bei, weil er weniger intensiv nutzen kann, oder?
betriebswirtschaftlich sinnvolle Nutzungskonzepte bei der Pflege
der Flächen im und am Grünen Band entwickeln. Um das zu er-              Enrico Pieper: Klar gibt es Ertragseinbußen, wenn der Betrieb die
möglichen, haben wir den Erwerb zusammenhängender Flächen-             intensive Nutzung einstellt, also zum Beispiel die Schnittrate redu-
komplexe angestrebt.                                                   ziert oder auf Düngung verzichtet. Darum wurden die Pachtpreise
                                                                       vom BUND auch niedriger angesetzt, wenn die Flächen weniger in-
Wie sind Sie herangegangen?                                            tensiv bewirtschaftet werden sollen.
  Dieter Leupold: Ich muss hier gleich den wesentlichen Erfolgsfak-      Dieter Leupold: Und wir beraten die Landwirt:innen bezüglich
tor des Projekts vorausschicken. Wir haben in der Region auf unsere    Förderungen für die Flächen, z.B. bei der Teilnahme an freiwilligen
Präsenz vor Ort mit unserem Büro in Salzwedel und langjährige Ak-      Agrarumweltmaßnahmen die einen gewissen Ausgleich für diese
tivitäten aufbauen können. Die Landwirtschaftsbetriebe hier kennen     Einbußen ermöglichen. Außerdem schließen wir mit den Bewirt-
uns als verlässliche und faire Partner sowohl was den Flächener-       schaftenden sehr langfristige Pachtverträge (bis zu 25 Jahren) ab.
werb als auch die Pachtverträge und -preise angeht. Der Kontakt mit    Dies gibt den Betrieben Planungssicherheit.
Flächeneigentümer:innen mit Verkaufs- oder Tauschinteresse kam
daher oft über die Pächter:innen unserer in den Vorjahren schon        Was haben Sie gemacht, wenn der/die Landwirt:in
erworbenen Flächen zustande.                                           nicht dazu bereit war, die Flächennutzung in Ihrem
                                                                       Sinne zu ändern?
  Enrico Pieper: Zudem wurden wir, die Landgesellschaft Sachsen-
Anhalt (LGSA), bereits sehr zeitig im Projektverlauf damit beauf-        Dieter Leupold: Das war hier in der Altmark noch nie der Fall.
tragt, das Projekt zu unterstützen, das heißt konkret, die Verkaufs-   In unseren Pachtverträgen behalten wir uns immer vor, dass wir
oder Tauschbereitschaft von Flächeneigentümer:innen abzufragen         Vorgaben zur Nutzungsintensität und -art machen. Wenn es mit
und die Verhandlungen für den BUND zu führen.                          einem/r bisherigen Pächter:in nicht zu einer Einigung kommt, geben
  Dieter Leupold: Die LGSA ist als Akteurin in der Region bekannt,     wir klare vertragliche Auflagen.
das Abwickeln von Flächenkäufen ist ihr tägliches Brot und sie ver-
fügt selbst auch über Tauschflächen. Die Flächeneigentümer:innen       Welche Schwierigkeiten gab es?
kennen die LGSA als Verhandlungspartnerin.                               Enrico Pieper: Da die Eigentumsverhältnisse in der nördlichen Alt-
                                                                       mark sehr kleinteilig sind, handelt es sich um einen langwierigen
Wie sieht die „verlässliche Partnerschaft“
                                                                       und aufwendigen Abstimmungs- und Tauschprozess, um aus einem
mit den Pächter:innen aus?
                                                                       Eigentumsmosaik einen zusammenhängenden Flächenkomplex zu
  Enrico Pieper: Bei Flächenkauf oder -tausch wurden die bestehen-     formen. Das nimmt Jahre in Anspruch. Und viele Flächeneigen-
den Pachtverträge mit übernommen, um nicht zu viel Unruhe in die       tümer:innen sind zwar bereit, ihre naturschutzrelevanten Flächen
Bewirtschaftungsverhältnisse zu bringen. Schließlich sind die Be-      abzugeben, wenn sie dafür Tauschflächen erhalten, aber auch nur
triebe ja von ihren Flächen abhängig.                                  dann.
 Dieter Leupold: Mit den Flächenbewirtschafter:innen wurde dann          Dieter Leupold: Wir hatten leider nicht genug Tauschflächen, um
das Gespräch gesucht, um die Nutzung so anzupassen, dass die wert-     alle Flächen im Grünen Band, die uns von Flächeneigentümer:innen
vollen Arten und Biotope erhalten und verbessert werden. Wenn es       zum Tausch angeboten wurden, einzutauschen.
Wie sind Sie damit umgegangen?

                                                                                Enrico Pieper: Der BUND ist aufs Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und
                                                                              Forsten (ALFF) zugegangen und hat ein Bodenordnungsverfahren in Form eines
                                                                              Beschleunigten Zusammenlegungsverfahrens (BzV) beantragt. Das ALFF war dazu
                                                                              bereit und hat das Verfahren im Laufe des Jahres 2017 auf einer Fläche von circa
                                                                              450 Hektar im Bereich der Salzflora Hoyersburg eingeleitet, mit dem Zweck wei-
                                                                              tere Flächen für den Naturschutz zu erwerben und diese Flächen zu arrondieren.
                                                                                Dieter Leupold: Das Verfahrensgebiet umfasst exakt die Gebietskulisse des Pro-
                                                                              jektes Lückenschluss im Bereich der Salzflora Hoyersburg.

                                                                              Wer hat Ihnen geholfen?
     12
                                                                               Enrico Pieper: In erster Linie sind hier die aktiven Landwirt:innen selbst zu nen-
Flächenerwerb Arendsee-Salzwedel

                                                                              nen, die zum Beispiel oft den Kontakt von weiteren Verkaufsinteressent:innen an
                                                                              den BUND vermittelt haben.
                                                                                Dieter Leupold: Nicht selten wurde der Kontakt zu Verkaufsinteressent:innen an
                                                                              den BUND von diesen angestoßen. Die LGSA einzubeziehen war ebenfalls sehr
                                                                              hilfreich, da sie von allen Seiten als kompetente Partnerin wahrgenommen wird
                                                                              und auch eine Art Mittlerrolle zwischen Flächeneigentümer:innen und Natur-
                                                                              schutz einnehmen kann. Auch dem ALFF sind wir sehr dankbar, dass es mit dem
                                                                              Zusammenlegungsverfahren dafür sorgt, dass weitere Flächen erworben und die
                                     Enrico Pieper                            Naturschutzflächen arrondiert werden können.
                                     und Dieter Leupold
                                                                              Haben Sie Ihr Ziel erreicht?
                                     über die Zusammenarbeit von Landge-
                                     sellschaft und BUND beim Flächenerwerb     Dieter Leupold: In den ersten zwei Projektjahren lief der Flächenerwerb ziemlich
                                                                              schleppend an. Aber dann hat sich eine tolle Dynamik entwickelt, sodass über die
                                   https://youtu.be/e2Z9B9yxevM               Jahre unsere Erwartungen deutlich übertroffen wurden. Zu Projektbeginn hatten

                        Salzflora Hoyersburg © Ine Pentz
wir mit ca. 40 Hektar Flächenerwerb in den fünf Projektjahren          die landwirtschaftlich genutzt wurden, auch im Naturschutzeigen-
gerechnet. Letztlich haben wir fast 200 Flurstücke mit insgesamt       tum landwirtschaftliche Nutzflächen bleiben, nur eben naturnäher.
über 300 Hektar erworben. Im zweiten Projektjahr bei den ers-
ten Flächenkäufen hatten wir das langfristige Ziel definiert, in der      160 angekaufte BUND Flurstücke in der Salzflora Hoyersburg © Ine Pentz

Salzflora Hoyersburg einen großen zusammenhängenden Flächen-
komplex für eine extensive Beweidung zu schaffen. Dass wir dies
noch innerhalb der Projektlaufzeit so weit voranbringen würden,
hätten wir damals nie gedacht.

Welche Tipps haben Sie für Nachahmende?
Was gilt es zu vermeiden?

 Dieter Leupold: Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den                                                                                         13
Akteur:innen aus der Landwirtschaft ist, wie in den vorherigen

                                                                                                                                                   Flächenerwerb Arendsee-Salzwedel
Antworten dargestellt, entscheidend. Außerdem muss man ausrei-
chend Zeit einplanen und zum Teil viel, viel Geduld haben.
  Enrico Pieper: Auf keinen Fall sollte man den potenziell Verkau-
fenden in Flächenkaufverhandlungen drängen. Das führt nur zu
Widerstand und kann auch andere Flächeneigentümer:innen von
ihrem bekundeten Interesse Abstand nehmen lassen. Auch sollte
man sich mit den Geboten an den Bodenrichtwerten und den aktu-
ell im Durchschnitt bezahlten Preisen orientieren und sich – selbst
wenn die Mittel dafür vorhanden wären – nicht verleiten lassen,
überteuerte Preise zu zahlen. Das lässt die Preise zu sehr steigen
und ist langfristig für alle Akteur:innen von Nachteil.
 Dieter Leupold: Akzeptanzarbeit vor Ort ist extrem wichtig. Es
gilt, die eigenen Ziele zu erklären und Bedenkentragenden genau
zuzuhören. Man sollte frühzeitig klar machen, dass die Flächen,
14
Gemeinsam für das Braunkehlchen

                                                                                                 Braunkehlchen (Saxicola rubetra) © Olaf Olejnik

                                  Gemeinsam für das Braunkehlchen
                                                                              Olaf Olejnik, BUND Sachsen-Anhalt

                                                                        Steckbrief     Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) bevorzugt als
                                                                                     Lebensraum offenes, artenreiches Grünland und brü-
                                                                    Braunkehlchen    tet auf dem Boden. Zum Brutbiotop gehört außerdem
                                                                                     eine vielfältige Krautschicht zur Nahrungssuche, vor
                                                                                     allem aber müssen höhere Einzelstrukturen (z.B. ein-
                                                                                     zelne Gehölze) als Sitzwarten vorhanden sein.
                                                                                       Bundesweit ist der Bestand zwischen den Zeiträu-
                                                                                     men 2005-2009 und 2011-2016 um etwa 35 Prozent
                                                                                     eingebrochen, im Vergleich zu den 1990er Jahren
                                                                                     sogar um mehr als 50 Prozent. Etwa 14 Prozent der
                                                                                     bundesweit 29.000 bis 52.000 Brutpaare (Stand 2009)
                                    Olaf Olejnik                                     kommen in Sachsen-Anhalt vor und aktuell fünf Pro-
                                                                                     zent der bundesweiten Population in der westlichen
                                    über die Kooperation zwischen
                                                                                     Altmark. Doch auch hier ist ein Rückgang in den letz-
                                    Landwirt:innen und BUND zum
                                    Schutz der Braunkehlchen                         ten Jahren zu beobachten. Denn die Fortpflanzungs-
                                                                                     periode des Braunkehlchens fällt in einen Zeitraum
                                  https://youtu.be/MF67J56q8PQ                       konzentrierter Grünlandnutzung: Mitte Mai bis Mitte
                                                                                     Juli. Selbst bei extensiver Nutzung können Bruten
                                                                                     verloren gehen, wenn der Start der Beweidung oder
                                                                                     die erste Mahd vor Mitte Juli stattfindet. Die Braun-
                                                                                     kehlchen brauchen nur vier Wochen vom Legen der
                                                                                     Eier bis zum Ausfliegen der Jungvögel: Rekordzeit!
Was war Ihr Ziel?                                                     Dabei habe ich mit einigen Nutzer:innen besprochen, welche Flä-
                                                                      chen sie bei der ersten Mahd auslassen, um die darauf liegenden
  Olaf Olejnik: Seit vielen Jahren erfasse ich hier am Grünen Band
                                                                      Nester zu schützen. Die Flächengröße der ausgesparten Bereiche
nordöstlich von Salzwedel die Brutvogelbestände. Das Gebiet bie-
                                                                      lag zwischen 200 Quadratmetern und 2 Hektar. Da waren nicht
tet hervorragende Brutreviere für eine Vielzahl von Vogelarten des
                                                                      nur die von uns oder der SUNK gepachteten Flächen, sondern zum
Offen- bzw. Halboffenlandes. Allerdings waren auch hier die In-
                                                                      Teil auch ihre eigenen Flächen dabei. 2018 zum Beispiel betraf die
dividuenzahlen der verschiedenen Vogelarten rückläufig. Auf die
                                                                      Verschiebung der Mahd insgesamt 60 Hektar von fünf Bewirt-
Nahrungs- und Brutplätze hat sich der Nutzungsdruck vor allem
                                                                      schafter:innen. Auch der Unterhaltungsverband verschob die Gra-
durch die Zunahme der Maisanbauflächen nach und nach deutlich
                                                                      benpflege auf 2.000 Meter Länge auf den spätmöglichsten Termin
erhöht und die Arten werden zunehmend auf die Naturschutz-
                                                                      im Sommer.
flächen im und am Grünen Band zurückgedrängt. Doch auch hier
wurden die Rand- und Saumstrukturen entlang des Kolonnenwe-            Zentraler Erfolgsfaktor war, dass ich dafür gesorgt habe, dass die
ges und des KFZ-Sperrgrabens, die bis vor wenigen Jahren spät         Flächen nach dem Ausfliegen der Jungvögel so rasch als möglich                                               15

oder in manchen Jahren auch gar nicht genutzt wurden, immer           gemäht werden konnten. Manche Flächen habe ich dafür über 20

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mehr in eine frühe Nutzung mit einbezogen. Ziel war es, den aktu-     Mal begangen und sehr viele Ortstermine mit den Nutzer:innen
ellen Bestand von Offenlandvogelarten, vor allem des Braunkehl-       gehabt. Oftmals waren die Bewirtschafter:innen direkt vor Ort an-
chens zu ermitteln und in Abstimmung mit den Landwirtschafts-         zutreffen und die Schutzmaßnahmen konnten dort direkt bespro-
betrieben Maßnahmen zum Schutz ihrer Nester und der Jungvögel         chen werden. Ansonsten wurden Ortstermine vereinbart oder auch
zu erarbeiten und umzusetzen, um die Bestände zu stabilisieren.       mal übers Telefon etwas geklärt.

Wie sind Sie herangegangen?                                           Welche Herausforderungen gab es?

  Olaf Olejnik: Zunächst einmal haben wir flächenscharf ermittelt,      Olaf Olejnik: Der genaue Standort der Nester lässt sich bei den
wo die Brutvögel vorkommen und wo es sinnvoll und möglich             Bodenbrütern mit vertretbarem Zeitaufwand nur ungefähr er-
ist, strukturverbessernde Maßnahmen für Vogelarten des Offen-         mitteln, sodass relativ große Bereiche bei der Bewirtschaftung
und Halboffenlandes umzusetzen. Bodenbrütende Arten wie das           ausgespart werden müssen. Dafür gab es aber erfreulicherweise
Braunkehlchen benötigen eine Vielfalt an Landschaftsstrukturen        Verständnis unter den Landwirt:innen. Die größte Herausforde-
als Lebensraum: einen gut geschützten Grasbereich mit Sitzwarten      rung bei so einem Vorgehen ist allgemein der große Zeitaufwand,
aus vorjährigen Blütenständen oder Koppelpfählen und angren-          der für die individuelle Betreuung der Flächen und der landwirt-
zendes offenes Grünland für die Insektenjagd.                         schaftlichen Betriebe anfällt, insbesondere bei den kleinteiligen
                                                                      Nutzungsstrukturen und einer linearen Struktur wie dem Grünen
  Der erste Schritt war also eine detaillierte Kartierung der Brut-
                                                                      Band. Vieles lässt sich nur im direkten Kontakt und direkt an der
vögel. Bei den Braunkehlchen wurde zudem der Bruterfolg erfasst
und die Anzahl der flüggen Jungen dokumentiert. Wir haben erst-       betroffenen Fläche lösen, der Griff zum Telefon ist oftmals nicht
mals 2015 und dann bis 2018 jährlich die Bestände auf 2.200 Hek-      ausreichend. Wegen des hohen Arbeitsaufwands wird solch eine
tar erfasst. Ab dem ersten Erfassungsjahr wurden konkrete Flächen     Vorgehensweise zwar kritisiert, ist aber ohne wirkliche Alterna-
für den Gelegeschutz vorgeschlagen und der Schutz mit landwirt-       tive, solange die Braunkehlchen in einem Gebiet vor allem auf
schaftlichen Betrieben und dem für die Gewässer- und Graben-          landwirtschaftlich genutzten Flächen brüten.
pflege zuständigen Unterhaltungsverband umgesetzt. Außerdem
                                                                                                                    kehlc hen ©
                                                                                                         B ra u n               Ol a
wurden Bereiche für das Aufstellen von Sitzwarten festgelegt und                              n   fü r                               fO
Bereiche, die entbuscht werden sollten.                                              a   r te                                             le
                                                                                                                                               jn
                                                                                   zw
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                                                                              t
                                                                              Si
                                                                          re

Wie haben Sie die Landwirt:innen
                                                                        orä

zum Mitmachen bewegt?
                                                                          p
                                                                      Tem

  Olaf Olejnik: Wir haben darauf gesetzt, dass einige landwirt-
schaftliche Betriebe freiwillig zu gewissen Nutzungseinschrän-
kungen bereit sind, wenn sie dadurch das seltene Braunkehlchen
schützen können. Allerdings brütet das Braunkehlchen relativ
spät, bis in die zweite Julihälfte hinein. Hätten wir davon aus-
gehend großflächig einen pauschalen Termin festgelegt, bevor die
Erstmahd beziehungsweise der Beweidungsbeginn möglich ist,
hätte niemand mitgemacht. Die daraus resultierenden Ertrags-
ausfälle wären zu groß gewesen. Mit einer flexiblen Handhabung
der Bewirtschaftungszeitpunkte in Abhängigkeit von der tatsäch-
lichen Brutzeit und Standorten der Nester dagegen konnten wir
viele Landwirtschaftsbetriebe ins Boot holen.

Wie lief das konkret ab?

  Olaf Olejnik: Es folgten zeitnah Gespräche mit den 16 Bewirt-
schafter:innen der betroffenen Flächen, um das Schutzanliegen
zu erklären und Sympathie für das Braunkehlchen zu erzeugen.
                                                                                                                                         Olaf Olejnik und Ine Pentz mit Landwirt
                                                                                                                                    Marko Gabriel im Gespräch © Uwe Heinecke
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