FUNDStücke 4-2019 - Der menschliche Faktor - Deutscher Fundraising Verband
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DAS MITGLIEDERMAGAZIN DES DEUTSCHEN FUNDRAISING VERBANDES FUNDStücke Der menschliche Faktor … VERANSTALTUNGEN IM FUNDRAISING 4-2019 I S S N 2 1 9 0 -1 7 8 3 GEFÖRDERT DURCH:
EDITORIAL Liebe Mitglieder, liebe Leserinnen und Leser, Veranstaltung ist nicht gleich nur Spaß, sondern ist auch unabdingbares Werkzeug Veranstaltung, das zeigt schon unserer Branche: Nur gemeinsam kann es uns gelingen, ein Blick auf den Verbandskalen- eine unabhängige und solidarische Zivilgesellschaft der: Regionalgruppentreffen, die zu bewahren. Einige Vertreter*innen der Allianz „Rechts nach Feierabend in ungezwunge- sicherheit für politische Willensbildung“ sprechen in dieser ner Atmosphäre stattfinden und Ausgabe über die Hürden, mit denen der gemeinnützige fast nebenbei interessanten In- Sektor derzeit konfrontiert ist. halt vermitteln. Fachtage, die ein Dem deutschen Alltag entfliehen können Sie in unserer Thema in verschiedene Formate Rubrik „Fundraising International“, in der wir den Blick dies- verpacken und aus unterschiedli- mal auf das sonnige Spanien richten. Wir nehmen Sie au- chen Blickwinkeln intensiv beleuchten. Und schließlich der ßerdem mit in die Niederlande und berichten vom dies- Deutsche Fundraising-Kongress, das größte Branchen- jährigen International Fundraising Congress. Denn was event des Landes, auf dem die besten Fundraising-Aktio- noch besser ist als Networking, ist grenzüberschreitendes nen mit dem Deutschen Fundraising Preis geehrt werden. Networking. Wie ein Event auch gestaltet ist, beim Lesen dieser Aus- Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihr und Euer gabe werden Sie lernen, dass das Wichtigste die Passung zwischen Ziel, Adressat und Format ist! Eines ist allen Veranstaltungen gemein: Sie sind eine goldene Gelegenheit zum Netzwerken. Das macht nicht Martin Georgi In jeder FUNDStücke-Ausgabe kommt ein berichten, sondern diese konkret ändern kann. Verbandsmitglied zu Wort, das die Redaktion Sie lebte es mir einfach vor. Ruth war eine Über- ausgelost hat. Dieses Mal: Harald Meyer-Porzky, zeugungstäterin, gab immer 120 Prozent und stellvertretender Geschäftsführer DAHW erwartete Gleiches von jedem, der ihr folgte. Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe, Vor- Wir wurden zu Freunden, engen Vertrauten. sitzender Ruth-Pfau-Stiftung, Vorstandsmit- Vor 23 Jahren gehörte ich zu den Gründungs- glied Bündnis Entwicklung Hilft. Nächstes mitgliedern der Ruth-Pfau-Stiftung, um „ihr“ Werk Mal: Vielleicht Sie? über ihren Tod hinaus zu sichern. Was wir, ihre Am 9. September 2019 wäre die 2017 verstorbene Freunde, Wegbegleiter und die DAHW, kaum Dr. Ruth Pfau 90 Jahre alt geworden. Dass ich der deut- zu träumen wagten: Heute verfügt die Stiftung schen Lepraärztin und Ordensfrau begegnen durfte, ist über ein Grundstockvermögen von 7,5 Millionen Euro. eines der größten Geschenke in meinem Leben. Seit Akquiriert wurde es mit einem sehr bescheidenen Marke- den 1960er-Jahren widmete sich Dr. Ruth Pfau in Pakistan tingetat, dafür mit umso größerer persönlicher Begeisterung. dem Kampf gegen Lepra und Tuberkulose sowie der Ar- Sollte ich als Summe meiner Erfahrungen das Geheim- beit mit Menschen mit Behinderungen, wurde dafür in nis erfolgreichen Fundraisings verraten, so ist es genau dem muslimisch geprägten Pakistan zur Ehrenbürgerin er- dies: Wer zutiefst von etwas überzeugt ist, wer glaub- nannt und mit einem Staatsbegräbnis geehrt. Sie ist der würdig ist, kann andere Menschen gewinnen. Mehr Grund, warum ich Fundraiser wurde und fast 30 Jahre braucht es nicht – jedoch auch nicht weniger. lang bei der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehil- fe arbeite, der Organisation, die die Arbeit von Dr. Ruth Ihr Pfau und ihrem Team bis heute maßgeblich fördert. Ruth Pfau zeigte dem jungen kritischen Journalisten, der ich damals war, dass man nicht „nur“ über Missstände Harald Meyer-Porzky FUNDStücke 4·2019 3
I N H A LT Inhalt Editorial Editorial Martin Georgi 3 5 Editorial Harald Meyer-Porzky 3 Aufmacher Der menschliche Faktor … 5 Interview Selmin Çalışkan: „Wir brauchen viel mehr Menschen, 10 die sich trauen anzuecken ...“ 10 Fundraising International Fundraising in Spanien – Aktiv, innovativ, vielfältig 14 Aus der Praxis Kaviar, Currywurst oder Tapas? – Das perfekte Fundraising-Event 17 Gemeinnützigkeit und politisches Engagement – eine Grat- 17 wanderung für Organisationen 20 Aus dem Verband Sneak Preview: Deutscher Fundraising-Kongress 2020 24 Motiviert, informiert und erweitert den Horizont: IFC 2019 25 Wie organisiert sich zukünftig die (junge) Zivilgesellschaft? 26 Wachrüttelnd: faith+funds 2019 28 20 Service 25 Jahre Spendenmonitor – Rückblick, Augenblick, Ausblick 29 Rechtsberatung bei Testamentszuwendungen 32 Medientipp: SOFII – Das Onlinearchiv für Fundraiser*innen 34 Kessel Buntes Kolumne: Die Freuden und Qualen von Events 35 Beziehungsalltag – Wenn nicht mehr viel fehlt … 36 28 Der FUNDStücke-Twitter-Fragebogen 37 Fundraising-Impuls 38 4 FUNDStücke 4·2019
AUFMACHER Der menschliche Faktor … Veranstaltungen im Fundraising: Zu teuer, zu aufwendig, zu wenig Response? Es gibt viele Argumente, die gegen die Durchführ ung sprechen. Was macht sie aus? Was rechtfer tigt sie? Ob Silent Discos, Dunkelrestaurants oder jekt“ der Stiftung der Freien Evangelischen 20er-Jahre-Dinner: Veranstaltungsangebote Kirche Gottesdienste in Räumlichkeiten di- entwickeln sich ständig weiter. Nahezu täg- rekt an der Alster und an der Schanze, teil- lich sprießen neue Formate und Trends aus weise mit anschließenden Gesprächsrun- dem Boden, die möglichst originell sind den. In Berlin-Kreuzberg findet jährlich der und sich von anderen Events abheben. Weihnachtsgottesdienst in der Markthalle 9 Essen gehen, tanzen oder ein gemütliches statt, und das Bistum Aachen feierte im Jahr Bier trinken allein reichen nicht aus. Auch 2019 den zweiten Kneipengottesdienst in Kirchen kann man diesen Trend beob- unter dem Motto „Heute beim Bier“. Alles mit achten. So veranstaltet das „Hamburgpro- dem Ziel, die Menschen dort abzuholen, FUNDStücke 4·2019 5
AUFMACHER Ob Ausstellungen, Diskussionen, Auktionen oder Abendessen: Gemeinsame Aktionen und Erlebnisse stärken die Bindung. wo sie sind, neue Zielgruppen zu erschlie- mit ihrer Agentur auf Fundraising- und Cha- ßen oder die Bindung und das Interesse rity-Events spezialisiert: „Sie sind ein uner- durch ein besonderes Erlebnis zu stärken. lässlicher Teil der Fundraising-Strategie und Gerade Fundraiser*innen setzen auf die spielen insbesondere in der Großspender- persönliche Begegnung und ihre Vorteile. Bindung und -Neuakquise eine wichtige Rolle. Es gibt keinen effektiveren Weg, in Stellenwert für Unternehmen und einen ungezwungenen Dialog mit seinen Organisationen Spendern und Interessenten zu kommen.“ Auch für Almuth Wenta und den BUND ge- Kathrin Dost organisiert und betreut mit hören sie zum festen Fundraising-Reper- der Agentur Kaiserwetter sowohl reine toire: „Veranstaltungen, Zusammenkünfte, Wirtschaftskunden als auch Pro-bono-Spen- gemeinsame Aktivitäten spielen in der Bin- denveranstaltungen, darunter primär Kunst- dungsarbeit eine zentrale Rolle. Die Orga- auktionen oder Charity-Dinner, und weiß: nisation kann sich ganz konkret mit dem „Wir haben pro Monat etwa drei bis vier zeigen, was sie ausmacht: mit den Haupt- Veranstaltungen und im Frühjahr haben wir und Ehrenamtlichen in ihren Projekten. Im Hochsaison: Mit der Berliner Stiftungswo- Sinne einer gelebten Wirkungstransparenz che, dem Charité Summit, ist das Zusammenführen von Unterstützer- „Veranstaltungen, Zusammen- der Paper Positions und *innen mit Akteur*innen und Inhalten der natürlich dem Deutschen Organisation fundamental wichtig und soll- künfte, gemeinsame Aktivitäten Fundraising Kongress sind te unbedingt im Rahmen der eigenen Mög- spielen in der Bindungsarbeit die Monate April und lichkeiten umgesetzt werden.“ Und Sandra Mai meistens sehr arbeits- Heller von der Stiftung help and hope be- eine zentrale Rolle.“ intensiv. Im Juni und Juli stätigt: „Für uns ist eine große Veranstaltung kommen dann die Som- wichtig, um viele Leute gleichzeitig zu in- merfeste. Der Herbst ist geprägt von der formieren und über unsere Arbeit zu be- Kunstmesse Positions, den Benefizveranstal- richten. Wenn es uns gelingt, auch ein ge- tungen und Auktionen, bis dann der Winter wisses öffentliches Interesse an der Veran- mit seinen Weihnachtsfeiern und Neujahrs- staltung zu erzeugen, steigern wir zeitgleich empfängen kommt.“ Sabrina Behm hat sich die Reichweite und die Aufmerksamkeit für 6 FUNDStücke 4·2019
AUFMACHER unsere Arbeit. Grundsätzlich gilt für uns: den Kunden erst einmal „In unserer digitalen Welt Events und Veranstaltungen sind Beiwerk sein Ziel formulieren. unserer Kernaufgabe und dienen als Mittel Möchte er 1.000 Euro, müssen wir analoge Räume des zum Zweck.“ Der erste Eindruck: Veranstal- 50.000 Euro oder die Austauschs kreieren, und genau tungen haben im Fundraising einen beson- Schaffung eines Freun- deren Stellenwert. Insgesamt jedoch, findet deskreises erreichen? das passiert bei Veranstaltungen.“ Andreas Schiemenz von SCHOMERUS, Beim ersten Ziel würde Real life statt virtual reality. legen viele Organisationen zu wenig Wert ich eher zu einem Ku- auf diese Art persönlicher Begegnung: „Si- chenbasar oder einem cherlich gibt es viele Organisationen, die Flohmarkt raten. Bei größeren Summen regelmäßige Veranstaltungen anbieten. oder einem Social Event kann sich eine pro- Die meisten jedoch, so nehme ich das zu- fessionellere Veranstaltung lohnen. Aber: mindest wahr, führen keine durch und sind Der Aufwand muss realistisch und bezahl- auch auf externen Veranstaltungen zu bar bleiben.“ wenig bzw. gar nicht präsent.“ Für Andreas Schiemenz ist das Netz- werken, das „Vor-Ort-Dabeisein“, ein wich- Unterschiedliche Ziele tiger Aspekt im Kontakt zwischen den Spender*innen und der Organisation: „Wir Bei Events wie einer Spendengala oder wissen aus Befragungen von Vermögen- einem Charity-Dinner zielen Veranstalter den, dass diese Gruppe sich mehr Kon- auf Spenden ab. Kaminabende, Reisen takte zu den Fundraiser*innen wünscht. oder Vorträge stärken eher die Bindung Dazu gehört es auch, dass diese auf den oder dienen dem Netzwerken. Da liegt es Veranstaltungen angetroffen werden, auf an der Organisation, vorab festzulegen, denen die Spender*innen auch unterwegs was und wen sie mit dem eigenen Event sind.“ Dabei sollte man berücksichtigen: oder einem Präsenzstand erreichen möchte. Hinter den Spenden steht, vor allem bei Kathrin Dost berichtet aus ihrer Erfahrung Personen der Öffentlichkeit, nicht immer ein als Dienstleisterin: „Wenn Kunden mit dem philanthropisches Grundverständnis. „Ge- Wunsch einer Benefizgala zu mir kommen, rade auf den prominenten Charity-Veran- reagiere ich in der Regel reserviert. Ich lasse staltungen zeigen die Gebenden, dass sie FUNDStücke 4·2019 7
AUFMACHER Unsere Gesprächspartner*innen: Sabrina Behm, Inhaberin der Kathrin Dost, Geschäftsführerin Sandra Heller, Vorstandsvorsit- Andreas Schiemenz, Geschäfts- Almuth Wenta, Leiterin indivi- Agentur EventFundraising der Agentur Kaiserwetter zende der Stiftung help and führer bei SCHOMERUS – duelle Spender*innenbetreu- Behm hope Beratung für gesellschaftliches ung beim BUND e.V. Engagement GmbH dazugehören, ein Teil der exklusiven Ge- und Misserfolg in den einzelnen Persön- sellschaft sind. Dabei ist die Bindung zur lichkeiten und ihren Soft-Skills begründet. Organisation weniger stark als die Bin- „Gerade das Großspendenfundraising ist dung an die eigene gesellschaftliche Com- ,People-Business‘. Es lebt davon, dass sich munity.“ Natürlich bieten sich für den per- die Menschen begegnen und ein Gefühl, sönlichen Kontakt insbesondere zu Groß- ein Ohr, eine Ebene zueinander haben“, spender*innen die ohnehin vereinbarten erklärt er. Dabei entscheiden Auftreten und Gesprächstermine an. Für Sympathie über das nötige Vertrauen und „Regelmäßige persönliche Andreas Schiemenz ist das aber kein Grund, die Ver- eine gute Beziehung, wie Schiemenz weiter erläutert. „Spender*innen und Fundraiser- Begegnungen sind extrem anstaltungsangebote weg- *innen wollen normalerweise nicht beste wichtig, um zueinander Ver- zulassen: „Darüber hinaus Freund*innen sein. Aber man möchte in ist es wichtig, dass sich Kontakt bleiben und sich auch ganz unge- trauen aufbauen zu können, beide Seiten auch in der zwungen begegnen und sprechen. Regel- um sich gegenseitig ein- Öffentlichkeit begegnen, auf mäßige persönliche Begegnungen sind zwanglosem Parkett. Und extrem wichtig, um Vertrauen aufbauen zu schätzen zu können.“ Veranstaltungen, auf denen können, um sich gegenseitig einschätzen zu sich die Großspender*innen können.“ Generell bieten Veranstaltungen bewegen – seien es Empfänge, Kongresse, gegenüber Briefen, Broschüren oder News- Vernissagen oder Premieren – sind wunder- lettern den Vorteil des Dialogs, der Interak- bare Orte für solche Begegnungen. Dort tion zwischen Charakteren, die Möglich- trifft man ganz frei von den Spendenge- keit von Rückfragen und Antworten – und sprächen aufeinander, spricht miteinander damit von Faktoren, die sonst in der Art und tauscht sich aus.“ nicht beeinflussbar sind. Fundraiser*innen können einplanen oder sogar organisie- People Business ren, in welchem Umfeld sie ihre Zielgrup- pen antreffen und für entsprechendes Am- Analog übertragen in die freie Wirt- biente sorgen. An kalten Tagen unterstützt schaft, ist für Kathrin Dost als Dienstleisterin das Angebot einer heißen Tasse Kaffee an ein Kongress oder eine Messe das beste einem Straßenstand den Einstieg ins Ge- Akquise-Tool überhaupt. „Man lernt sich un- spräch, dezente Musik begleitet das Spen- verbindlich kennen, und Dienstleister und den-Dinner, und ein ansonsten für die Kunde können miteinander sprechen und Öffentlichkeit nicht zugänglicher Ort als sich austauschen. Auch wenn vor Ort viel- Eventlocation schafft das Gefühl der Exklu- leicht noch kein Geschäft entsteht – der per- sivität. sönliche Kontakt bleibt in Erinnerung.“ Das Kathrin Dost spricht einen weiteren lässt sich auf die Begegnung zwischen Aspekt der persönlichen Begegnung an: Organisation und Spender*in übertragen, „In unserer digitalen Welt müssen wir ana- und Andreas Schiemenz sieht dabei Erfolg loge Räume des Austauschs kreieren, und 8 FUNDStücke 4·2019
AUFMACHER genau das passiert bei Veranstaltungen.“ ein tolles Fundraising-In- „Das Spendernetzwerk lebt von Real life statt virtual reality: Die persönliche strument ist, ist aus mei- Begegnung gewinnt an Mehrwert, wäh- ner Sicht ein No-Go.“ persönlichen Beziehungen und rend viele Vorgänge wie Einkaufen, Behör- Im persönlichen Ge- der Überzeugung von einer dengänge oder Überweisungen mehr und spräch kommt es auf die mehr im digitalen Umfeld stattfinden. Es Reaktion und die Interak- Sache, für die man einsteht.“ geht nicht darum zu bewerten, ob das eine tion mit dem Gegenüber besser oder schlechter ist als das andere. an. Auch die Sympathie ist entscheidend, Vielmehr nehmen Menschen die persönli- und spontan können Fundraiser*innen in che Begegnung im Gegensatz zu den Kon- der Situation auch noch entscheiden, Kol- takten im digitalen Umfeld oder bei der leg*innen im Gespräch den Vortritt zu Massenansprache als anders oder sogar lassen, wenn der oder die Spender*in besonders wahr. Sie fällt auf, ähnlich wie auf diese zugewandter reagiert. Andreas Briefe und Postkarten aus Papier gegen- Schiemenz findet dabei einen zentralen über einer E-Mail oder WhatsApp-Nach- Punkt entscheidend: „Ob ich als Fundrai- richt. Sie bleibt oftmals tiefer in Erinnerung ser*in in der Lage bin, auf die Menschen und prägt die Beziehung. Allerdings ge- zuzugehen, mit ihnen ins Gespräch zu lingt das nur, wenn die Form stimmt. In Zei- kommen und mich für die Menschen auch ten zahlreicher Eindrücke muss sich das wirklich zu interessieren. Und ich erlebe Angebot aus der Masse abheben, müssen auch ganz oft: Je glamouröser die Einla- sich die Menschen an etwas Bestimmtes er- dung, desto mehr Geschäftsführer*innen innern können – sei es die Veranstaltungs- oder Vorstände sind dabei. Die Fundrai- form, der Ort, das Programm oder aber ser*innen müssen dann oft zu Hause blei- die Beteiligten, die im direkten Kontakt ben. Und das ist schade: Denn meist sind unmittelbar auf Gesprächsinhalte, Gesten es doch die Fundraiser*innen, die auf und Mimik individuell reagieren können. Menschen zugehen können, und nicht Sabrina Behm organisiert seit fast zehn immer sind es die Chefs.“ Jahren Fundraising-Events und kennt ein Melanie Koch Zauberwort: „Wissen Sie, was, egal wo auf dieser Welt, das Wichtigste ist? Drei Buchstaben: FUN. Die Gäste müssen Spaß haben an der Veranstaltung.“ Den Spaß, den sie bei einer Massenansprache per Brief oder E-Mail nicht haben, selbst wenn diese interaktive Elemente enthält. Die eigene Haltung und der passende Rahmen Mehr als andere Fundraising-Instrumen- te offenbaren Veranstaltungen den wahren Charakter einer Organisation – in Form ihrer Mitarbeiter*innen. Grundsätzlich müs- sen die Organisatoren hinter dem stehen, was sie tun, denn alles andere fällt auf, bei- spielsweise wenn die Mitarbeiter*innen vor Ort nicht motiviert sind oder sich nicht auf ihre Gesprächspartner*innen einlassen. „Dabei ist es wichtig, authentisch zu blei- ben und Spaß an der Sache zu haben“, empfiehlt Sandra Heller. „Das Spender- netzwerk lebt von persönlichen Beziehun- gen und der Überzeugung von einer Sache, für die man einsteht. Wenn ich selbst nicht dafür brenne, wie sollen es dann andere tun? Dinge oder Formate auf Biegen und Brechen durchzuführen, weil es vielleicht FUNDStücke 4·2019 9
INTERVIEW „Wir brauchen viel mehr Menschen, die sich trauen anzuecken ...“ Selmin Çalı şkan (52) ist seit dem 21. Januar 2019 Direktorin für Institutionelle Beziehungen im Berliner Büro der Open Society Foundations. In der neu geschaf fenen Position wird sie die Stiftungen mit Akteuren der Berliner Community ver netzen. Die Open Society Foundations, die zu den größten Stiftungen weltweit zählen, wollen sich künftig verstärkt auch in Deutschland in die Debatten über Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte und Medienfreiheit einbringen. Davor war sie Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty Inter national. Sie kennt entsprechend die Perspektive einer fundraisenden Organisation und die Perspektive einer Förderstiftung. Selmin Çalışkan hat außerdem für die Frauenrechtsorganisationen European Women’s Lobby und für Medica Mondiale sowie in der Entwicklungsarbeit für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gearbeitet. Du warst zuletzt Generalsekretärin der pen, Initiativen oder Vereine, die sich deutschen Sektion von Amnesty Inter- für eine offene Gesellschaft einsetzen. national und hast davor u.a. für Frauen- Welche Kriterien gelten, wenn es rechtsorganisationen wie European darum geht, wer förderwürdig ist? Women’s Lobby und Medica Mondiale Wichtig ist, dass die Werte, die Vision gearbeitet. Seit Anfang des Jahres bist und die Mission der antragstellenden Or- du nun Direktorin für institutionelle ganisationen zu unserem Profil und der Beziehungen im Berliner Büro der Strategie der OSF passen. Dazu gibt es ein Open Society Foundations. Wie erlebst internes Assessment. Zur Wahrung der Un- du den Perspektivwechsel von fundrai- abhängigkeit übersteigen unsere Förder- senden Organisationen zu einer der aktivitäten nicht 33 Prozent des Gesamt- größten fördernden Stiftungen weltweit? budgets der Organisationen. SC: Oft denkt man ja, dass die Arbeit Zurzeit erreichen uns viele Hilferufe von einfacher wird, wenn nur genügend Bud- Initiativen, die keine Projektgelder mehr aus get zur Verfügung steht. Aber ich erlebe es dem Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ so, dass es aus beiden Blickwinkeln große erhalten, da dieses Programm deutlich ge- Herausforderungen gibt. Es ist schwierig, kürzt wurde. Es handelt sich dabei auch gut und professionell zu fundraisen und um Projekte aus den neuen Bundesländern, auch sehr schwierig, professionell „Nein“ die extrem relevant sind. Gerade nach den zu sagen. Denn mich erreichen so viele her- tödlichen Angriffen in Halle ist es nicht ver- vorragende Projektanträge, die wir für unter- ständlich, warum gute Arbeit nicht mehr stützungswürdig halten. förderungswürdig sein soll. Dieser Topf braucht in seiner ganzen Konzipierung ein Die Open Society Foundations unter- Update! Und er sollte durch ein Demokra- stützen jedes Jahr mehr als 2.500 Grup- tiefördergesetz institutionalisiert werden. FUNDStücke 4·2019 11
INTERVIEW von „politisch unliebsamen Themen/Ziel- gruppen“ fördern, beispielsweise strukturell die Rechtsberatung von Geflüchteten, die auf allen Seiten der Grenzen in Kroatien, Griechenland, Tschechien und Italien ein- geschlossen sind. Und wie schaut es mit der Gemein- nützigkeit aus? Der Status der Gemeinnützigkeit spielt nicht immer eine Rolle. Aber es ist wichtig, dass das Projekt und die Organisation nicht gewinnorientiert arbeiten. In vielen Ländern werden zivilgesell- schaftliche Handlungsspielräume durch Vorgaben und Gesetze der Politik immer weiter eingeschränkt – Stichwort „shrinking spaces“: Wie ver- suchen die Open Society Foundations, dieser unguten Entwicklung entgegen- zuwirken? Wir sind insbesondere in Ungarn als Or- ganisation und teilweise als Personen von Selmin Çalışkan und Larissa M. Probst auf dem Fachtag Stiftungen des DFRV. diesen sehr gefährlichen Entwicklungen be- troffen. Wir haben unser Büro aus Ungarn nach Berlin verlegt und arbeiten ganz eng Ist es dann möglich, so schnell zu in internationalen Netzwerken, um antide- reagieren? mokratischen Entwicklungen etwas entge- Ja, teilweise. Wir versuchen einerseits genzusetzen. Wir unterstützen Organisa- Projektgelder kurzfristig zur Verfügung zu tionen, Bündnisse und Veranstaltungen, die stellen. Andererseits machen wir gemeinsam sich sehr zielgerichtet für den legitimen Druck auf die politischen Akteur*innen, so- Handlungsspielraum der freiheitlich-demo- dass die Förderungen weiterlaufen und kratisch orientierten Zivilgesellschaft einset- eher erhöht als gekürzt werden. Der Staat zen. Der DFRV gehört natürlich auch dazu. ist der wichtigste Akteur und muss seine Diese Unterstützung erfolgt unterschiedlich, Verantwortung zur De- und zwar durch Projektförderung, Inhalte Der Staat ist der wichtigste mokratieförderung erfül- len – zukünftig noch viel und relevante Kontakte. Akteur und muss seine mehr – angesichts der Beschreibe dein Aufgabenspektrum bei Verantwortung zur Demokratie- Angriffe von außen und den Open Society Foundations. von innen auf unser de- Wir sind neu in Berlin. Ich bin dafür zu- förderung wahrnehmen. mokratisches System. ständig, die Stiftung mit Politik, Stiftungen und Zivilgesellschaft in Deutschland in den Welche Rolle spielen bei der Förderung Dialog zu bringen. Besondere Priorität ha- z.B. die Verwaltungskosten der Organi- ben die Themen Repressionen gegen Zivil- sationen? gesellschaft, Normalisierung des rechts- Es ist den OSF klar, dass Strukturen und extremen Gedankenguts in Politik, Medien Personal finanziert werden müssen. Das und Gesellschaft, Förderung einer prodemo- berücksichtigen wir in unserer Förderung. kratischen Gesellschaft, Menschenrechte. Auf internationaler Ebene haben wir uns Anlässe wie den 9. November, den inter- sehr intensiv mit Investitionen in Strukturen nationalen Tag der Menschenrechte und beschäftigt, gemeinsam mit weiteren sehr die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen großen Förderstiftungen. In die nächsten wir für unsere politische Anwaltschaftsarbeit Förderzyklen werden die Erkenntnisse dazu mit Regierung und Bundestag. Ich vertrete immer stärker mit einfließen. Teilweise sind unsere Stiftung in diesem Bereich nach wir die einzigen, die Projekte zur Stärkung außen, entwickle Projektschwerpunkte und 12 FUNDStücke 4·2019
INTERVIEW Ziele für unsere politische Arbeit und posi- nistin und Menschenrechtsaktivistin mit tür- tioniere uns in Kooperationen mit anderen kischen Wurzeln. Und auch weil so viel im Akteur*innen. Natürlich knüpfe ich an alte, Argen liegt und es viel Unrecht gibt, will ich bewährte Partnerschaften an und schaffe meistens mehr für die betroffenen Men- neue Netzwerke, um globale, europäische schen erreichen, als vielleicht gerade mög- und deutsche Herausforderungen zu ana- lich ist. Wir brauchen viel mehr Menschen, lysieren und gemeinsam mit anderen an die sich trauen anzuecken und die nichts, Lösungen zu arbeiten. Wir führen viele in- was menschenfeindlich ist, einfach so stehen- ternational besetzte Veranstaltungen durch, lassen, sondern handeln! Hier in Deutsch- die dazu dienen, eine Sensibilisierung für land und überall auf der Welt. gesellschaftliche Schieflagen anzustoßen. Herzlichen Dank für das Gespräch! In einem Interview mit „perspectives“ hast du dich mal als „Aneckerin“ be- Das Interview führte zeichnet. Zitat: „Nur wenn ich anecke, Larissa M. Probst fühle ich mich wohl.“ Fühlst du dich in deinem neuen Job wohl? Inhaltlich und auch als Person anzuecken, Wir brauchen viel mehr Menschen, spiegelt mein Verantwortungsgefühl für ge- sellschaftliche Entwicklungen und Zielgrup- die sich trauen anzuecken und pen wider. Anecken ist also kein Selbst- die nichts, was menschenfeindlich zweck. Durch die intensive Beschäftigung mit politischen Themen eckt man früher ist, einfach so stehenlassen, oder später an – zumal als Frau, als Femi- sondern handeln! ANZEIGE +49 (0) 221 6699520 20 | WWW.IFUNDS-GERMANY.DE die Microsoft Dynamics 365 basierte Komplettlösung für nachhaltiges Kontaktmanagement und erfolgreiches Fundraising gestern Kunde – heute Fan! CRM- & FUNDRAISING- SOFTWARE | REPORTING & ANALYSEN | PROJEKT- & DATENMANAGEMENT | SERVICE & BERATUNG
F U N D R A I S I N G I N T E R N AT I O N A L Fundraising in Spanien: Aktiv, innovativ, vielfältig Fundraising Inter national schaut diesmal in den Süden Europas: nach Spanien. Ein Drittel der Neuspender in Spanien wird über Face-toFace-Aktionen gewonnen. „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten gen fürs Fundraising und für Spenden blühen“: Die Feststellung aus dem Musical sammelnde Organisationen ebenfalls im „My Fair Lady“ über die iberische Flora ist grünen Bereich? bei uns bildungsbürgerliches Allgemein- gut – auch wenn sie in botanischer Hinsicht Lange Tradition, kräftiges Wachstum sicherlich etwas fragwürdig ist. Doch wie schaut es mit dem Fundraising-Markt in Tatsächlich scheint genau dies der Fall Spanien aus, das mit rund 47 Millionen zu sein: „Der spanische Fundraising-Markt Einwohnern zu den großen Ländern in ist sehr aktiv, innovativ und, was die Me- Europa gehört, in den letzten Jahren aber thoden anbelangt, sehr vielfältig“, sagt immer wieder mit wirtschaftlichen Proble- Emily Bracken, stellvertretende Geschäfts- men zu kämpfen hatte? Sind die Bedingun- führerin (CEO) bei Daryl Upsall & Associates 14 FUNDStücke 4·2019
F U N D R A I S I N G I N T E R N AT I O N A L in Madrid. Ihr Unternehmen ist spezialisiert gutgetan und tatsächlich zu Wachstum ge- auf internationale Fundraising-Beratung führt“, erläutert Emily Bracken. Zum Thema und unterstützt Organisationen dabei, ihr Potenzial im Bereich Fundraising zu evalu- Face to Face, Telefon, New Media ieren; vor diesem Hintergrund hat die Ex- pertin den spanischen Fundraising-Markt Um an neue Spenderinnen und Spender gründlich untersucht. zu gelangen, setzen spanische Organisa- Obwohl die Kultur des Gebens in Spa- tionen neben Telefon-Fundraising vor allem nien eine lange Tradition hat, deren Ur- auf den persönlichen Kontakt: 36 Prozent sprung in Spenden an die katholische Kir- der Neuspender werden über Face-to-Face- che begründet liegt, gibt es ein professio- Aktionen gewonnen, weitere 35 Prozent nelles Fundraising erst seit etwa 20 Jahren. über Telemarketing. Die Intensität, mit der Emily Bracken, Deputy CEO/ „In diesen 20 Jahren ist der Fundraising- dies betrieben wurde und wird, hat aller- Director Strategy & Analysis bei Markt unglaublich gewachsen. In den ver- dings auch ihre Nachteile: „Es gibt mittler- Daryl Upsall & Associates, Madrid gangenen Jahren ist es aufgrund des star- weile gewisse Ermüdungserscheinungen, ken Wettbewerbs für die Organisationen einige Menschen sind es leid, auf der Stra- zwar deutlich schwieriger geworden, neue ße angesprochen oder zu Hause angeru- Spender zu akquirieren, der Markt ver- fen zu werden“, weiß Emily Bracken. Viel- zeichnet aber immer noch eine positive Ent- leicht ist dies mit ein Grund dafür, dass wicklung“, so Emily Bracken. auch die neuen Medien beim Fundraising Im Vordergrund der Bemühungen spani- zunehmend zum Einsatz kommen – z.B. in scher Fundraising-Organisationen stehen Form von Facebook- und Suchmaschinen- vor allem private Spenderinnen und Spen- Anzeigen. Aber auch Außenwerbung wird der – bei den 30 größten spanischen eingesetzt, etwa in der Metro oder an Bus- NGOs trugen sie 2017 immerhin 56 Pro- haltestellen – als Response-Mechanismus zent zum Gesamtspendenergebnis von solcher Anzeigen dient dann eine SMS. rund zwei Milliarden Euro bei. Weitere wichtige Einnahmequellen sind wie in an- Kaltmailing unbekannt deren Ländern auch öffentliche Mittel des Staates und der Europäischen Union. Ganz anders als in Deutschland und für uns vielleicht ein bisschen überraschend Die Krise als Motor spielen Kaltmailings in Spanien so gut wie keine Rolle – wenn Organisationen Mai- „Die meisten Spanierinnen und Spanier lings verschicken, dann fast nur an ihre können es sich leisten zu spenden, und Hauslisten, wie Emily Bracken bestätigt: viele tun dies monatlich als ,socios‘ (wört- „In den 13 Jahren, die ich in Spanien le- lich: Partner), also regelmäßige Unterstüt- be, habe ich kein einziges Mal ein kaltes zer“, weiß Emily Bracken. Tatsächlich kön- Direktmailing bekommen, ob- nen sich allein die 16 größten spanischen wohl ich an mehrere Organi- Um an neue Spenderinnen NGOs laut einer Untersuchung des spani- sationen spende und von die- schen Fundraising-Verbands AEFR (Asocia- sen auch Warmmailings erhal- und Spender zu gelangen, ción Española de Fundraising) auf 4,4 Mil- te. Online werde ich dagegen setzen spanische Organisa- lionen Spenderinnen und Spender verlas- ständig angesprochen, und sen, die sie monatlich unterstützen. Interes- auf der Straße natürlich auch.“ tionen (…) auf den persön- santerweise hat die langjährige Wirt- Und für welche Zwecke spen- lichen Kontakt: 36 Prozent schaftskrise im Land den Fundraising-Markt den die Spanier*innen bevor- sogar noch beflügelt. „Die öffentlichen Mit- zugt? „Bislang standen vor al- der Neuspender werden tel wurden damals stark reduziert, sodass lem internationale Hilfs- und über Face-to-Face-Aktionen die spanischen NGOs kräftig investieren Entwicklungsprojekte in Afrika, mussten (und dies auch taten), um die Asien und Lateinamerika im gewonnen … Spendeneinkünfte aus dem privaten Sektor Fokus des Fundraisings – viele zu erhöhen. Sie waren und sind sehr pro- der größten NGOs wie UNICEF, UNHCR aktiv, wenn es darum geht, Spender*innen oder Oxfam hatten und haben diesen zu akquirieren – und zwar nicht nur in den Schwerpunkt. In den vergangenen Jahren größeren Städten, sondern im ganzen hat das Interesse der Spender*innen an Land. Diese Investitionen und der damit ein- diesen Themen aber etwas nachgelassen. hergehende Wettbewerb haben dem Markt Projekte vor Ort werden wichtiger und von FUNDStücke 4·2019 15
F U N D R A I S I N G I N T E R N AT I O N A L den Organisationen auch häufiger in den mailing – ein Fundraising-Instrument, das Fokus gerückt. Themen wie beispielsweise gemeinnützige Organisationen in Spanien, Umwelt, Tierwohl oder Men- wie schon gesagt, kaum verwenden. Projekte vor Ort werden schenrechte machen bislang nur einen kleinen Teil der Spen- Insgesamt bescheinigt Emily Bracken dem spanischen Fundraising-Markt trotz wichtiger und von den deneinnahmen aus, haben aber der sehr guten Entwicklung in den letzten Organisationen auch häufi- Potenzial, da sie viele Men- 20 Jahren weiteres Potenzial. So geben schen interessieren“, so Emily momentan etwa 35 Prozent der Spanier an, ger in den Fokus gerückt. Bracken. für einen guten Zweck zu spenden. Zum Vergleich: In Deutschland liegt diese Quote Spezialisierte Agenturen bei über 50 Prozent. „Diese Werte zeigen meines Erachtens nicht, dass die Spanier Ähnlich wie der Fundraising-Markt selbst weniger bereit zum Spenden sind, sondern ist auch die Agenturszene in Spanien gut dass hier ein noch immer junger Markt be- entwickelt, wobei sich viele Agenturen auf steht, dass viele Spanierinnen und Spanier ein bestimmtes Feld spezialisieren. „Es gibt noch nicht so intensiv wie etwa die Deut- über zehn Agenturen, die sich auf Face- schen auf das Thema Spenden angespro- to-Face-Fundraising spezialisiert haben, und chen worden sind“, meint Emily Bracken. einige weitere, die sich mit Telefon-Fund- Gute Aussichten also für eine weiterhin blü- raising beschäftigen. Andere Fundraising- hende Fundraising-Landschaft in Spanien. Agenturen konzentrieren sich auf den Digi- talbereich“, weiß die Expertin. Anders als Frank Geuenich in Deutschland fehlen allerdings Agenturen mit Erfahrung im Bereich Direkt- bzw. Kalt- ANZEIGE Dankes- und Begrüßungsanrufe z Lead-Telefonie wir sprechen z Dauerspendergewinnung z Upgrading z Reaktivierung z Nachlass-Telefonie z Fundraising Chat (Service und Spenden- z generierung) Info- und Servicehotline z Sprechen Sie uns an. Wir sind für Sie da. Telefon-Fundraising FRC Spenden Manufaktur GmbH Alt-Moabit 89 10559 Berlin +49 30 2700083 00 info@spenden-manufaktur.de www.spenden-manufaktur.de
AUS DER PRAXIS Kaviar, Currywurst oder Tapas? Das perfekte Fundraising-Event Im Aufmacher haben Exper t*innen berichtet, dass Veranstaltungen im Bereich Fundraising sowohl er folgreich Spenden einwerben als auch die Bindung insbesondere zu Großspender*innen stärken können. Damit das gelingt, muss die Veranstaltung gut durchdacht sein und reibungslos ablaufen. Insgesamt fällt die Antwort auf die Frage nach der Pla- stände großartig. Auch Messen sind prima, wenn dort nung fast langweilig aus. Für Sabrina Behm steht zu Be- meine Zielgruppen sind. Wenn mich meine Spender*innen ginn die Strategie. Welche Fehler es ihrer Ansicht nach aber eher im kleinen Kreis sprechen möchten, dann muss zu vermeiden gibt? „Keine Strategie zu haben“, ist die ich auch kleinere Formate wählen. Dabei ist es oft egal, klare Antwort. „Welche Veranstaltung zu welcher Orga- ob es eine Gala ist oder eine spannende Gesprächsrun- nisation passt, darf zunächst nicht die Frage sein, son- de mit Currywurst oder Salatbuffet.“ Kathrin Dost von der dern vielmehr: Was sind die konkreten Ziele der Veran- Agentur Kaiserwetter ergänzt zur Durchführung: „Grund- staltung. Was will die Organisation damit erreichen?“ voraussetzung für das Gelingen ist ein fehlerfreier Ablauf Davon ausgehend, sollte jede Organisation das Format des Events: Catering, Technik, Ausstattung und das finden, das ihre Zielgruppen erwarten, konkretisiert An- Rahmenprogramm müssen stimmen. Es gilt aber auch auf dreas Schiemenz: „Möchte ich die breite Öffentlichkeit Details zu achten: Schlangen vor den Toiletten, warmer ansprechen und in Kontakt bleiben, dann sind Straßen- Wein oder nicht abgeräumte Tische gehen gar nicht.“ FUNDStücke 4·2019 17
AUS DER PRAXIS Wo Fundraising draufsteht, muss Fundraising auf einem Event eine Stille Auktion an.“ Und sie probieren drin sein. weitere Formate für andere Zielgruppen aus: „In diesem Jahr haben wir erstmals eine Charity-Party mit Mickie Sabrina Behm rät dazu, die Interessenten mitmachen Krause veranstaltet, die wiederum neue Spender ange- statt zuschauen zu lassen, „beispielsweise durch entspre- sprochen hat, im Vergleich zu einem Dinner oder einer chende Fundraising-Tools, die so eingebaut werden, dass Gala. Die Nachfrage war so groß, dass sie bei Weitem sie nachhaltig zur Spendergewinnung und -bindung ge- unsere Erwartungen und Kalkulationen übertroffen hat.“ nutzt werden können.“ Auch Kathrin Dost empfiehlt inter- Almuth Wenta und der BUND legen besonderen Wert aktive Auftritte und Aktionen: „An einem Stand stehen auf die Integration der Spender*innen in die Projekte und warten, dass jemand ein Produkt oder eine Dienst- durch Veranstaltung von Exkursionen: „Der BUND bietet leistung kaufen möchte, reicht nicht aus. Spiele oder Ver- Exkursionen an, bei denen die wertvollsten Unterstüt- losungen machen eine Kontaktaufnahme einfacher.“ Oft zer*innen ein Wochenende lang durch Vorträge, aber stellt sich die Frage, ob man mit einer kostenlosen Teil- vor allem Natur-Exkursionen in BUND-Projekten mit dem nahme plant oder eine Art Eintrittskarte verkauft, die die BUND vertraut gemacht werden. Vor Ort werden durch- erwartete Spendenhöhe suggeriert. Letzteres wirft gleich- geführte Maßnahmen wie der Flächenkauf oder die Be- zeitig rechtliche Fragen auf, die man vorab klären sollte. pflanzung einer Fläche gezeigt und die konkret vor Ort Für Sandra Heller sollte es immer das Ziel sein, die an- handelnden Personen vorgestellt. Die Unterstützer*innen fallenden Kosten zu decken. „Unsere Erfahrung zeigt aber erfahren ganz konkret, wie ihr Geld wirkt. Das ist im Bin- auch, dass Gäste, egal ob Eintritt oder nicht, spendabel dungsbereich das Premiumprodukt.“ sind.“ Und wie immer gilt: Wer nicht fragt, bekommt nichts. Ist das Ziel der Veranstaltung, Spenden zu gene- Bleibt die Frage, wer sich um alles kümmert … rieren, müssen die Gäste konkret eingeladen werden, sich finanziell zu engagieren, setzt Andreas Schiemenz Kathrin Dost spricht aus Erfahrung: „Viele Kunden un- voraus. „Immer wieder erlebe ich, dass an einem Fund- terschätzen den Einsatz von Ressourcen. Je nach Veran- raising-Abend ein tolles Programm angeboten wird, die staltung können das 100 bis 150 Gewerke sein, die es Organisation sich als aufmerksamer, perfekter Gastgeber zu koordinieren gilt. Man benötigt einen Raum, Catering, zeigt – aber nicht eine einzige klare Spendeneinladung ein gutes Programm, Sponsoren, muss sich um das Einla- ausspricht. Das ist enttäuschend für viele Spender*innen.“ dungsmanagement und die Ausstattung und später die Spendenquittungen kümmern. Und vor allem benötigt man einen potenten Verteiler. Egal, ob man eine Agentur „Die Unterstützer*innen erfahren ganz beauftragt oder viel in Eigenleistung erledigt, die Kosten konkret, wie ihr Geld wirkt. Das ist im sind hoch und müssen in Relation zum erwarteten Ge- winn stehen.“ Vor allem bei größeren Events und wenn Bindungsbereich das Premiumprodukt.“ die Organisation unerfahren im Event-Bereich ist, emp- fiehlt Kathrin Dost die Buchung eines Dienstleisters, der Sandra Heller ist Vorstandsvorsitzende der Stiftung help dann auch die Verantwortung trägt: „Planung und Durch- and hope und berichtet: „Ganz besonders erfolgreich ist führung eines Kongresses oder eines Festes sind sehr zeit- unsere help-and-hope-Charity-Gala, zu der wir Partner, intensiv. Da kann viel schiefgehen.“ Andreas Schiemenz Spender und Unterstützer aus unserem Netzwerk persön- erinnert sich: „Ich war zum Beispiel einmal bei einem lich einladen. Dabei legen wir großen Wert darauf, dass Charity-Dinner in einem Aquarium eingeladen. Auf wun- die Einladung nicht übertragbar ist. An der Gala nehmen derbar hergerichteten gedeckten Tischen mit feiner Tisch- rund 350 Gäste teil, eine Zahl, die wir ganz bewusst wäsche, Kristallgläsern und schwerem Besteck gab es ein ,klein‘ halten.“ Vor einigen Jahren beschritt die Stiftung wunderbares, mehrgängiges Menü. Allerdings war auch neue Wege mit der Einführung der „Stillen Auktion“ von und ein Fischgericht dabei. Fisch im Aquarium zu essen ist mit Sabrina Behm. Dabei erhalten die Teilnehmer*innen nicht jedermanns Sache. Insofern war der Abend auch einen Katalog mit Ausstellungsstücken, auf die sie „ge- eher mittelmäßig.“ Almuth Wenta achtet bei der Auswahl heim“ bieten können; es gibt kein offenes Bieterverfahren, einer Agentur vor allem auf das Fachwissen: „Sind da erzählt Heller weiter: „Eine laute, gewöhnliche Auktion ehemalige Organisationsfundraiser*innen, Veranstal- haben wir immer schon bei unseren Veranstaltungen inte- tungsprofis, Praktiker*innen im Einsatz? Ist die Agentur griert und standen der Stillen Auktion zunächst skeptisch groß genug, dass Ausfälle seitens der Agentur abge- gegenüber. Aber: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. 2016 puffert werden können? Sind die Referenzen aussage- konnten wir mit rund 50 Gästen 20.000 Euro einneh- kräftig?“ men. Das war für uns Bestätigung genug. Was bei der Gala passierte, damit rechnete wirklich keiner, nicht mal Nach Veranstaltungsende geht es weiter. die Verantwortlichen von der Agentur: Wir konnten mit der Stillen Auktion über 100.000 Euro einnehmen. Seitdem bie- Andreas Schiemenz bemerkt: „Die wirkliche Bindung ten wir unseren Spendern und Förderern einmal im Jahr erfolgt aus meiner Erfahrung vor und nach den Veran- 18 FUNDStücke 4·2019
AUS DER PRAXIS staltungen. Die Veranstaltung ist ein wichtiger Punkt in „Wenn der Spender sich bei der Veran- der Beziehung. Aber eben nur ein Punkt. Es ist erstaun- lich, wie wenige Organisationen sich vor und nach einer staltung wohlgefühlt hat, Spaß hatte, Veranstaltung um die Gäste kümmern. Es gibt oft keine in- wir in Erinnerung bleiben und der dividuelle Vor- oder Nachbetreuung bei den Großspen- der*innen. Das Nachfassen der Einladungen, die telefo- besagte Euro dann bei uns landet, nische Bestätigung, das Nachfassen nach dem Event. haben wir alles richtig gemacht.“ Alles, was zur engeren Bindung beiträgt, vermisse ich häufig.“ Dazu gehört auch die Auswertung der Maßnah- men. Für die help and hope Stiftung eine interessante An- informieren. Wenn der Spender sich bei der Veranstal- gelegenheit, da sie anhand der Ergebnisse aus der Stillen tung wohlgefühlt hat, Spaß hatte, wir in Erinnerung blei- Auktion die Spendenbereitschaft ihrer Unterstützer*innen ben und der besagte Euro dann bei uns landet, haben erkennen und die folgenden Ansprachen individuell ge- wir alles richtig gemacht. Wenn der Spender dann auch stalten kann. Der BUND bekommt laut Almuth Wenta auf noch seinem Netzwerk von unserer Arbeit berichtet, ist die Exkursionen sehr positive Rückmeldungen, „aber auch das die Königsdisziplin.“ konkret auf diesen Anlass bezogene Spenden und eine Melanie Koch erkennbare Steigerung der Durchschnittsspende.“ Insgesamt bewertet Sandra Heller Events und Veran- staltungen als guten Weg, um Präsenz zu zeigen, und ver- Unsere Gesprächspartner*innen (siehe S. 8): setzt sich in die Spenderperspektive: „Jeder Spender kann • Sabrina Behm, Inhaberin der Agentur EventFundraising Behm den Euro nur einmal spenden, und da wollen wir fest im • Kathrin Dost, Geschäftsführerin der Agentur Kaiserwetter Kopf unserer Spender und Förderer verankert sein. Die • Sandra Heller, Vorstandsvorsitzende der Stiftung help and hope • Andreas Schiemenz, Geschäftsführer bei SCHOMERUS – regelmäßigen Events geben uns die Möglichkeit, mit un- Beratung für gesellschaftliches Engagement GmbH seren Spendern auf einer sehr persönlichen Ebene ins • Almuth Wenta, Leiterin individuelle Spender*innenbetreuung Gespräch zu kommen und sie über laufende Projekte zu beim BUND e.V. ANZEIGE Vereinbaren Sie Ihre unverbindliche Web-Session unter 0208 301930
AUS DER PRAXIS Gemeinnützigkeit und politisches Engagement – eine Gratwanderung für Organisationen Nach dem fast sechsjährigen Rechtsstreit um die Gemeinnützigkeit des Vereins Attac hat der Bundesfinanzhof (BFH) am 26. Febr uar 2019 das Ur teil des Hessischen Finanzgerichts aus 2016 zurückgewiesen, das die Gemeinnützigkeit des Vereins bestätigt hatte. Für einige gemeinnützige Organisationen ist damit die Debatte um die Vereinbarkeit ihrer politischen Aktivitäten mit ihrer Gemeinnützigkeit neu entfacht. Mit verschiedenen Kampagnen setzt sich Campact als Bürgerbewegung für sozialen, ökologischen und demokratischen Fortschritt ein – für das Wohl der Bevölkerung. Dient die politische Betätigung einer ge- gung Campact e.V., und ergänzt: „Das war meinnützigen Organisation der Erreichung bisher zu verschmerzen, weil sich gemein- ihrer Satzungszwecke, ist das meist kein Pro- nützige Organisationen, die zu anderen blem. Problematischer erscheint der Katalog Themen arbeiten, auf die Förderung der gemeinnütziger Zwecke in der Abgaben- politischen Bildung berufen konnten.“ Denn ordnung. „Viele wichtige Zwecke, wie zum „die Förderung der Erziehung, Volks- und Beispiel die Menschenrechte, Frieden oder Berufsbildung einschließlich der Studenten- soziale Gerechtigkeit fehlen in der Abga- hilfe“ ist in der Abgabenordnung als gemein- benordnung“, berichtet Felix Kolb, ge- nützig anerkannt, ebenso „die allgemeine schäftsführender Vorstand der Bürgerbewe- Förderung des demokratischen Staatswe- 20 FUNDStücke 4·2019
AUS DER PRAXIS sens im Geltungsbereich dieses Gesetzes“. Durch das Attac-Urteil schränkt der BFH Unsere Gesprächspartner diese Zwecke jedoch ein und „gefährdet tausende Vereine und Stiftungen, die aus einer Haltung heraus Bildungsarbeit machen oder mangels passender konkreter Zwecke in Bildung als gemeinnützigen Zweck ge- flüchtet sind“, beschreibt Stefan Diefenbach- Trommer das Ausmaß. Er setzt sich als Vor- stand der Allianz „Rechtssicherheit für poli- tische Willensbildung“ mit seinem Verein langfristig für die Etablierung eines moder- nen Gemeinnützigkeitsrechts ein und erläu- Stefan Diefenbach-Trommer, Felix Kolb, geschäftsführender tert: „Die politische Einflussnahme ist laut Journalist und Vorstand der Vorstand Campact Allianz „Rechtssicherheit für BFH nur für einen konkreten Zweck wie Um- politische Willensbildung“ weltschutz oder Gleichberechtigung von Mann und Frau erlaubt. Insofern spielt das Urteil den Ball in den Bundestag, der es in den vergangenen Jahren versäumt hat, der Gemeinnützigkeit treu bleiben und in neue Zwecke ins Gesetz zu schreiben.“ Kauf nehmen, dass sie keine Spendenquit- tung mehr erhalten, verlieren gemeinnützi- Handlung wird eingeschränkt ge Organisationen mit dem Verlust der Ge- meinnützigkeit den Zugang zu Stiftungen Auch Campact war wegen der Förde- oder öffentlichen Geldern. „In der Wirkung rung der staatsbürgerlichen Bildung als ge- kommt das für viele Vereine einem Betäti- gungsverbot gleich“, erklärt Kolb weiter. „… wenn die Satzung als gemeinnützig anerkannt ist und der Verein sich an die Satzung hält, ist er auf ziemlich sicherem Boden.“ Neben Unmut darüber macht sich bei vielen Organisationen Unsicherheit breit. Manche stellen vorsichtshalber keine Spen- denbescheinigungen mehr aus, andere schrauben ihre politischen Aktivitäten zu- rück, wieder andere stehen mutig zu ihrem politischen Handeln für die gute Sache. Grundsätzlich rät Diefenbach-Trommer, die Satzungszwecke klar zu formulieren und regelmäßig zu überprüfen. „Denn wenn die Satzung als gemeinnützig anerkannt ist und der Verein sich an die Satzung hält, ist meinnützig anerkannt. „Nach dem Urteil er auf ziemlich sicherem Boden.“ Steht der gingen wir davon aus, dass auch wir die Zweck nicht in der Abgabenordnung, sollte Gemeinnützigkeit verlieren werden. Wir der Verein besser mit dem Finanzamt haben die für die Prüfung nötigen Unterla- reden, „als bei Zwecken oder Tätigkeiten gen im Dezember 2018 eingereicht“, be- rumzudrucksen. Wenn sich das eigene An- richtet Felix Kolb. Er hat mit seiner Einschät- liegen dort nicht findet, können Vereine be- zung recht behalten. Im Oktober 2019 hat antragen, dass dieses Anliegen nach Ab- das Finanzamt dem Verein den Status der satz 2 des Paragrafen 52 der Abgaben- Gemeinnützigkeit aberkannt. Selbst wenn ordnung als neuer Zweck anerkannt wird.“ viele Spender*innen auch nach Verlust Die Aktivitäten einer Organisation müssen FUNDStücke 4·2019 21
AUS DER PRAXIS „Wenn aus Angst vor Sanktionen das Engage- veränderte Welt. Gemeinnützigen Organi- sationen und deren Dachverbänden legt er ment für die Gesellschaft, die Demokratie und ans Herz, eine Klarstellung im Gesetz zu die Menschenrechte leidet, dann ist der zivil- fordern, um den Konflikt sichtbar zu ma- chen und die Bundestagsmehrheit auf die gesellschaftliche Freiraum schon geschrumpft.“ Dringlichkeit einer Problemlösung hinzu- weisen. einem konkreten gemeinnützigen Satzungs- zweck zugeordnet werden können, denn Neutral einmischen, geht das? nach dem Prinzip der Ausschließbarkeit dürfen gemeinnützige Organisationen selbst Denn es muss sich etwas ändern, findet nur ihre konkreten gemeinnützigen Zwecke Diefenbach-Trommer: „Wenn einer gemein- verfolgen. nützigen Organisation passende Zwecke Diefenbach-Trommer wünscht Organi- fehlen, müssen die in die Abgabenordnung sationen Selbstsicherheit und Mut, notfalls geschrieben werden. Es braucht eine Er- auch vor Gericht für ihre Ziele einzuste- leichterung der Ausschließlichkeit, sodass hen: „Wenn aus Angst vor Sanktionen das gemeinnützige Organisationen in begrenz- Engagement für die Gesellschaft, die De- tem Umfang auch für andere gemeinnützi- mokratie und die Menschenrechte leidet, ge Zwecke tätig sein können.“ Er konkreti- dann ist der zivilgesellschaftliche Freiraum siert seine Haltung mit einem Beispiel: „Das schon geschrumpft.“ Ehrlichkeit, Offenheit Verbot einer überwiegend politischen Be- und Transparenz sind seiner Meinung schäftigung betrifft Organisationen, die ihre nach der beste Schutz, und dazu gehört für Ziele gar nicht selbst realisieren können. ihn auch die Forderung nach der Anpas- Wenn etwa ein Verein mehr Radwege for- sung des Gemeinnützigkeitsrechts an eine dert, kann er diese nicht selbst anlegen. Der Charta für Zivilgesellschaft und Demokratie Ein Bündnis von zwölf zivilgesellschaftlichen Dachverbänden und Netz- werken hat am 30. Oktober 2019 die Charta für Zivilgesellschaft und De- mokratie verabschiedet und weist darin auf die Bedeutung einer unab- hängigen Zivilgesellschaft für eine lebendige und starke Demokratie hin. Ihre zentrale Aussage: Zivilgesellschaft ist gemeinnützig! Mit der Charta erklären die Unterzeichner: Ihr bürgerschaftliches Enga- gement, sei es für Umwelt, Klima oder Bürgerrechte, ist selbstlos und dient dem Gemeinwohl und der Zukunft des Landes. Politisches Engagement und Gemeinnützigkeit dürfen sich nicht ausschließen, die Zivilgesellschaft darf in ihrem Handeln nicht eingeschränkt werden. Die Charta fordert daher die Reformierung der Abgabenordnung im deutschen Recht, um dem zivilgesellschaftlichen Engagement außerhalb von Parteien ange- messenen Handlungsspielraum zu geben. Die Unterzeichner: Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, Bundes- netzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE), Deutscher Bundesjugend- ring (DBJR), Deutscher Fundraising Verband, Deutscher Naturschutzring (DNR), Deutscher Spendenrat, Deutscher Kulturrat, Deutscher Olympischer Verein kann ausschließlich politische For- Sportbund (DOSB), Forum Umwelt und Entwicklung, Stifterverband für die derungen erheben. Wenn ein Verein also Deutsche Wissenschaft, Verband für Entwicklungspolitik und Humanitäre mehr Radwege fordert, darf er diese Ziele Hilfe (VENRO) nicht ausschließlich mit politischen Mitteln verfolgen, sondern er muss zusätzlich auch > Die Charta finden Sie unter: zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/charta Fahrradausflüge oder -kurse anbieten, um gemeinnützig sein zu können – obwohl dafür vielleicht gar kein Bedarf besteht.“ 22 FUNDStücke 4·2019
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