FUNDStücke 4-2019 - Der menschliche Faktor - Deutscher Fundraising Verband

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FUNDStücke 4-2019 - Der menschliche Faktor - Deutscher Fundraising Verband
DAS MITGLIEDERMAGAZIN DES DEUTSCHEN FUNDRAISING VERBANDES

FUNDStücke
Der menschliche Faktor …
VERANSTALTUNGEN IM FUNDRAISING

                                             4-2019
                                             I S S N 2 1 9 0 -1 7 8 3

                                             GEFÖRDERT DURCH:
FUNDStücke 4-2019 - Der menschliche Faktor - Deutscher Fundraising Verband
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FUNDStücke 4-2019 - Der menschliche Faktor - Deutscher Fundraising Verband
EDITORIAL

Liebe Mitglieder,
liebe Leserinnen
und Leser,
                            Veranstaltung ist nicht gleich    nur Spaß, sondern ist auch unabdingbares Werkzeug
                        Veranstaltung, das zeigt schon        unserer Branche: Nur gemeinsam kann es uns gelingen,
                        ein Blick auf den Verbandskalen-      eine unabhängige und solidarische Zivilgesellschaft
                        der: Regionalgruppentreffen, die      zu bewahren. Einige Vertreter*innen der Allianz „Rechts
                        nach Feierabend in ungezwunge-        sicherheit für politische Willensbildung“ sprechen in dieser
                        ner Atmosphäre stattfinden und        Ausgabe über die Hürden, mit denen der gemeinnützige
                        fast nebenbei interessanten In-       Sektor derzeit konfrontiert ist.
                        halt vermitteln. Fachtage, die ein        Dem deutschen Alltag entfliehen können Sie in unserer
                        Thema in verschiedene Formate         Rubrik „Fundraising International“, in der wir den Blick dies-
                        verpacken und aus unterschiedli-      mal auf das sonnige Spanien richten. Wir nehmen Sie au-
chen Blickwinkeln intensiv beleuchten. Und schließlich der    ßerdem mit in die Niederlande und berichten vom dies-
Deutsche Fundraising-Kongress, das größte Branchen-           jährigen International Fundraising Congress. Denn was
event des Landes, auf dem die besten Fundraising-Aktio-       noch besser ist als Networking, ist grenzüberschreitendes
nen mit dem Deutschen Fundraising Preis geehrt werden.        Networking.
Wie ein Event auch gestaltet ist, beim Lesen dieser Aus-      Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihr und Euer
gabe werden Sie lernen, dass das Wichtigste die Passung
zwischen Ziel, Adressat und Format ist!
   Eines ist allen Veranstaltungen gemein: Sie sind eine
goldene Gelegenheit zum Netzwerken. Das macht nicht           Martin Georgi

In jeder FUNDStücke-Ausgabe kommt ein                         berichten, sondern diese konkret ändern kann.
Verbandsmitglied zu Wort, das die Redaktion                   Sie lebte es mir einfach vor. Ruth war eine Über-
ausgelost hat. Dieses Mal: Harald Meyer-Porzky,               zeugungstäterin, gab immer 120 Prozent und
stellvertretender Geschäftsführer DAHW                        erwartete Gleiches von jedem, der ihr folgte.
Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe, Vor-                    Wir wurden zu Freunden, engen Vertrauten.
sitzender Ruth-Pfau-Stiftung, Vorstandsmit-                      Vor 23 Jahren gehörte ich zu den Gründungs-
glied Bündnis Entwicklung Hilft. Nächstes                     mitgliedern der Ruth-Pfau-Stiftung, um „ihr“ Werk
Mal: Vielleicht Sie?                                          über ihren Tod hinaus zu sichern. Was wir, ihre
   Am 9. September 2019 wäre die 2017 verstorbene             Freunde, Wegbegleiter und die DAHW, kaum
Dr. Ruth Pfau 90 Jahre alt geworden. Dass ich der deut-       zu träumen wagten: Heute verfügt die Stiftung
schen Lepraärztin und Ordensfrau begegnen durfte, ist         über ein Grundstockvermögen von 7,5 Millionen Euro.
eines der größten Geschenke in meinem Leben. Seit             Akquiriert wurde es mit einem sehr bescheidenen Marke-
den 1960er-Jahren widmete sich Dr. Ruth Pfau in Pakistan      tingetat, dafür mit umso größerer persönlicher Begeisterung.
dem Kampf gegen Lepra und Tuberkulose sowie der Ar-              Sollte ich als Summe meiner Erfahrungen das Geheim-
beit mit Menschen mit Behinderungen, wurde dafür in           nis erfolgreichen Fundraisings verraten, so ist es genau
dem muslimisch geprägten Pakistan zur Ehrenbürgerin er-       dies: Wer zutiefst von etwas überzeugt ist, wer glaub-
nannt und mit einem Staatsbegräbnis geehrt. Sie ist der       würdig ist, kann andere Menschen gewinnen. Mehr
Grund, warum ich Fundraiser wurde und fast 30 Jahre           braucht es nicht – jedoch auch nicht weniger.
lang bei der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehil-
fe arbeite, der Organisation, die die Arbeit von Dr. Ruth     Ihr
Pfau und ihrem Team bis heute maßgeblich fördert.
   Ruth Pfau zeigte dem jungen kritischen Journalisten, der
ich damals war, dass man nicht „nur“ über Missstände          Harald Meyer-Porzky

                                                                                                        FUNDStücke 4·2019      3
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I N H A LT

    Inhalt
    Editorial
    Editorial Martin Georgi                                          3   5
    Editorial Harald Meyer-Porzky                                    3

    Aufmacher
    Der menschliche Faktor …                                         5

    Interview
    Selmin Çalışkan: „Wir brauchen viel mehr Menschen,
                                                                         10
    die sich trauen anzuecken ...“                                  10

    Fundraising International
    Fundraising in Spanien – Aktiv, innovativ, vielfältig           14

    Aus der Praxis
    Kaviar, Currywurst oder Tapas? – Das perfekte Fundraising-Event 17
    Gemeinnützigkeit und politisches Engagement – eine Grat-             17
    wanderung für Organisationen                                    20

    Aus dem Verband
    Sneak Preview: Deutscher Fundraising-Kongress 2020              24
    Motiviert, informiert und erweitert den Horizont: IFC 2019      25
    Wie organisiert sich zukünftig die (junge) Zivilgesellschaft?   26
    Wachrüttelnd: faith+funds 2019                                  28
                                                                         20
    Service
    25 Jahre Spendenmonitor – Rückblick, Augenblick, Ausblick       29
    Rechtsberatung bei Testamentszuwendungen                        32
    Medientipp: SOFII – Das Onlinearchiv für Fundraiser*innen       34

    Kessel Buntes
    Kolumne: Die Freuden und Qualen von Events                      35
    Beziehungsalltag – Wenn nicht mehr viel fehlt …                 36   28
    Der FUNDStücke-Twitter-Fragebogen                               37
    Fundraising-Impuls                                              38

4   FUNDStücke 4·2019
FUNDStücke 4-2019 - Der menschliche Faktor - Deutscher Fundraising Verband
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Der menschliche
Faktor …
Veranstaltungen im Fundraising: Zu teuer, zu aufwendig, zu wenig Response? Es gibt viele
Argumente, die gegen die Durchführ ung sprechen. Was macht sie aus? Was rechtfer tigt sie?

    Ob Silent Discos, Dunkelrestaurants oder   jekt“ der Stiftung der Freien Evangelischen
20er-Jahre-Dinner: Veranstaltungsangebote      Kirche Gottesdienste in Räumlichkeiten di-
entwickeln sich ständig weiter. Nahezu täg-    rekt an der Alster und an der Schanze, teil-
lich sprießen neue Formate und Trends aus      weise mit anschließenden Gesprächsrun-
dem Boden, die möglichst originell sind        den. In Berlin-Kreuzberg findet jährlich der
und sich von anderen Events abheben.           Weihnachtsgottesdienst in der Markthalle 9
Essen gehen, tanzen oder ein gemütliches       statt, und das Bistum Aachen feierte im Jahr
Bier trinken allein reichen nicht aus. Auch    2019 den zweiten Kneipengottesdienst
in Kirchen kann man diesen Trend beob-         unter dem Motto „Heute beim Bier“. Alles mit
achten. So veranstaltet das „Hamburgpro-       dem Ziel, die Menschen dort abzuholen,

                                                                                              FUNDStücke 4·2019   5
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Ob Ausstellungen, Diskussionen, Auktionen oder Abendessen:
  Gemeinsame Aktionen und Erlebnisse stärken die Bindung.

                                              wo sie sind, neue Zielgruppen zu erschlie-   mit ihrer Agentur auf Fundraising- und Cha-
                                              ßen oder die Bindung und das Interesse       rity-Events spezialisiert: „Sie sind ein uner-
                                              durch ein besonderes Erlebnis zu stärken.    lässlicher Teil der Fundraising-Strategie und
                                              Gerade Fundraiser*innen setzen auf die       spielen insbesondere in der Großspender-
                                              persönliche Begegnung und ihre Vorteile.     Bindung und -Neuakquise eine wichtige
                                                                                           Rolle. Es gibt keinen effektiveren Weg, in
                                              Stellenwert für Unternehmen und              einen ungezwungenen Dialog mit seinen
                                              Organisationen                               Spendern und Interessenten zu kommen.“
                                                                                           Auch für Almuth Wenta und den BUND ge-
                            Kathrin Dost organisiert und betreut mit                       hören sie zum festen Fundraising-Reper-
                        der Agentur Kaiserwetter sowohl reine                              toire: „Veranstaltungen, Zusammenkünfte,
                        Wirtschaftskunden als auch Pro-bono-Spen-                          gemeinsame Aktivitäten spielen in der Bin-
                        denveranstaltungen, darunter primär Kunst-                         dungsarbeit eine zentrale Rolle. Die Orga-
                        auktionen oder Charity-Dinner, und weiß:                           nisation kann sich ganz konkret mit dem
                        „Wir haben pro Monat etwa drei bis vier                            zeigen, was sie ausmacht: mit den Haupt-
                        Veranstaltungen und im Frühjahr haben wir                          und Ehrenamtlichen in ihren Projekten. Im
                        Hochsaison: Mit der Berliner Stiftungswo-                          Sinne einer gelebten Wirkungstransparenz
                                          che, dem Charité Summit,                         ist das Zusammenführen von Unterstützer-
 „Veranstaltungen, Zusammen- der Paper Positions und                                       *innen mit Akteur*innen und Inhalten der
                                          natürlich dem Deutschen                          Organisation fundamental wichtig und soll-
künfte, gemeinsame Aktivitäten Fundraising Kongress sind                                   te unbedingt im Rahmen der eigenen Mög-
  spielen in der Bindungsarbeit die Monate April und                                       lichkeiten umgesetzt werden.“ Und Sandra
                                          Mai meistens sehr arbeits-                       Heller von der Stiftung help and hope be-
            eine zentrale Rolle.“ intensiv. Im Juni und Juli                               stätigt: „Für uns ist eine große Veranstaltung
                                          kommen dann die Som-                             wichtig, um viele Leute gleichzeitig zu in-
                        merfeste. Der Herbst ist geprägt von der                           formieren und über unsere Arbeit zu be-
                        Kunstmesse Positions, den Benefizveranstal-                        richten. Wenn es uns gelingt, auch ein ge-
                        tungen und Auktionen, bis dann der Winter                          wisses öffentliches Interesse an der Veran-
                        mit seinen Weihnachtsfeiern und Neujahrs-                          staltung zu erzeugen, steigern wir zeitgleich
                        empfängen kommt.“ Sabrina Behm hat sich                            die Reichweite und die Aufmerksamkeit für

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unsere Arbeit. Grundsätzlich gilt für uns:        den Kunden erst einmal       „In unserer digitalen Welt
Events und Veranstaltungen sind Beiwerk           sein Ziel formulieren.
unserer Kernaufgabe und dienen als Mittel         Möchte er 1.000 Euro,        müssen wir analoge Räume des
zum Zweck.“ Der erste Eindruck: Veranstal-        50.000 Euro oder die         Austauschs kreieren, und genau
tungen haben im Fundraising einen beson-          Schaffung eines Freun-
deren Stellenwert. Insgesamt jedoch, findet       deskreises erreichen?        das passiert bei Veranstaltungen.“
Andreas Schiemenz von SCHOMERUS,                  Beim ersten Ziel würde       Real life statt virtual reality.
legen viele Organisationen zu wenig Wert          ich eher zu einem Ku-
auf diese Art persönlicher Begegnung: „Si-        chenbasar oder einem
cherlich gibt es viele Organisationen, die        Flohmarkt raten. Bei größeren Summen
regelmäßige Veranstaltungen anbieten.             oder einem Social Event kann sich eine pro-
Die meisten jedoch, so nehme ich das zu-          fessionellere Veranstaltung lohnen. Aber:
mindest wahr, führen keine durch und sind         Der Aufwand muss realistisch und bezahl-
auch auf externen Veranstaltungen zu              bar bleiben.“
wenig bzw. gar nicht präsent.“                        Für Andreas Schiemenz ist das Netz-
                                                  werken, das „Vor-Ort-Dabeisein“, ein wich-
Unterschiedliche Ziele                            tiger Aspekt im Kontakt zwischen den
                                                  Spender*innen und der Organisation: „Wir
    Bei Events wie einer Spendengala oder         wissen aus Befragungen von Vermögen-
einem Charity-Dinner zielen Veranstalter          den, dass diese Gruppe sich mehr Kon-
auf Spenden ab. Kaminabende, Reisen               takte zu den Fundraiser*innen wünscht.
oder Vorträge stärken eher die Bindung            Dazu gehört es auch, dass diese auf den
oder dienen dem Netzwerken. Da liegt es           Veranstaltungen angetroffen werden, auf
an der Organisation, vorab festzulegen,           denen die Spender*innen auch unterwegs
was und wen sie mit dem eigenen Event             sind.“ Dabei sollte man berücksichtigen:
oder einem Präsenzstand erreichen möchte.         Hinter den Spenden steht, vor allem bei
Kathrin Dost berichtet aus ihrer Erfahrung        Personen der Öffentlichkeit, nicht immer ein
als Dienstleisterin: „Wenn Kunden mit dem         philanthropisches Grundverständnis. „Ge-
Wunsch einer Benefizgala zu mir kommen,           rade auf den prominenten Charity-Veran-
reagiere ich in der Regel reserviert. Ich lasse   staltungen zeigen die Gebenden, dass sie

                                                                                            FUNDStücke 4·2019   7
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Unsere Gesprächspartner*innen:

Sabrina Behm, Inhaberin der   Kathrin Dost, Geschäftsführerin   Sandra Heller, Vorstandsvorsit-   Andreas Schiemenz, Geschäfts-     Almuth Wenta, Leiterin indivi-
Agentur EventFundraising      der Agentur Kaiserwetter          zende der Stiftung help and       führer bei SCHOMERUS –            duelle Spender*innenbetreu-
Behm                                                            hope                              Beratung für gesellschaftliches   ung beim BUND e.V.
                                                                                                  Engagement GmbH

                     dazugehören, ein Teil der exklusiven Ge-                                     und Misserfolg in den einzelnen Persön-
                     sellschaft sind. Dabei ist die Bindung zur                                   lichkeiten und ihren Soft-Skills begründet.
                     Organisation weniger stark als die Bin-                                      „Gerade das Großspendenfundraising ist
                     dung an die eigene gesellschaftliche Com-                                    ,People-Business‘. Es lebt davon, dass sich
                     munity.“ Natürlich bieten sich für den per-                                  die Menschen begegnen und ein Gefühl,
                     sönlichen Kontakt insbesondere zu Groß-                                      ein Ohr, eine Ebene zueinander haben“,
                     spender*innen die ohnehin vereinbarten                                       erklärt er. Dabei entscheiden Auftreten und
                                      Gesprächstermine an. Für                                    Sympathie über das nötige Vertrauen und
  „Regelmäßige persönliche Andreas              Schiemenz ist das
                                      aber kein Grund, die Ver-
                                                                                                  eine gute Beziehung, wie Schiemenz weiter
                                                                                                  erläutert. „Spender*innen und Fundraiser-
  Begegnungen sind extrem anstaltungsangebote weg-                                                *innen wollen normalerweise nicht beste
wichtig, um zueinander Ver- zulassen: „Darüber hinaus                                             Freund*innen sein. Aber man möchte in
                                      ist es wichtig, dass sich                                   Kontakt bleiben und sich auch ganz unge-
trauen aufbauen zu können, beide Seiten auch in der                                               zwungen begegnen und sprechen. Regel-
    um sich gegenseitig ein- Öffentlichkeit begegnen, auf                                         mäßige persönliche Begegnungen sind
                                      zwanglosem Parkett. Und                                     extrem wichtig, um Vertrauen aufbauen zu
       schätzen zu können.“ Veranstaltungen, auf denen                                            können, um sich gegenseitig einschätzen zu
                                      sich die Großspender*innen                                  können.“ Generell bieten Veranstaltungen
                     bewegen – seien es Empfänge, Kongresse,                                      gegenüber Briefen, Broschüren oder News-
                     Vernissagen oder Premieren – sind wunder-                                    lettern den Vorteil des Dialogs, der Interak-
                     bare Orte für solche Begegnungen. Dort                                       tion zwischen Charakteren, die Möglich-
                     trifft man ganz frei von den Spendenge-                                      keit von Rückfragen und Antworten – und
                     sprächen aufeinander, spricht miteinander                                    damit von Faktoren, die sonst in der Art
                     und tauscht sich aus.“                                                       nicht beeinflussbar sind. Fundraiser*innen
                                                                                                  können einplanen oder sogar organisie-
                                      People Business                                             ren, in welchem Umfeld sie ihre Zielgrup-
                                                                                                  pen antreffen und für entsprechendes Am-
                                          Analog übertragen in die freie Wirt-                    biente sorgen. An kalten Tagen unterstützt
                                      schaft, ist für Kathrin Dost als Dienstleisterin            das Angebot einer heißen Tasse Kaffee an
                                      ein Kongress oder eine Messe das beste                      einem Straßenstand den Einstieg ins Ge-
                                      Akquise-Tool überhaupt. „Man lernt sich un-                 spräch, dezente Musik begleitet das Spen-
                                      verbindlich kennen, und Dienstleister und                   den-Dinner, und ein ansonsten für die
                                      Kunde können miteinander sprechen und                       Öffentlichkeit nicht zugänglicher Ort als
                                      sich austauschen. Auch wenn vor Ort viel-                   Eventlocation schafft das Gefühl der Exklu-
                                      leicht noch kein Geschäft entsteht – der per-               sivität.
                                      sönliche Kontakt bleibt in Erinnerung.“ Das                      Kathrin Dost spricht einen weiteren
                                      lässt sich auf die Begegnung zwischen                       Aspekt der persönlichen Begegnung an:
                                      Organisation und Spender*in übertragen,                     „In unserer digitalen Welt müssen wir ana-
                                      und Andreas Schiemenz sieht dabei Erfolg                    loge Räume des Austauschs kreieren, und

8     FUNDStücke 4·2019
FUNDStücke 4-2019 - Der menschliche Faktor - Deutscher Fundraising Verband
AUFMACHER

genau das passiert bei Veranstaltungen.“           ein tolles Fundraising-In-   „Das Spendernetzwerk lebt von
Real life statt virtual reality: Die persönliche   strument ist, ist aus mei-
Begegnung gewinnt an Mehrwert, wäh-                ner Sicht ein No-Go.“        persönlichen Beziehungen und
rend viele Vorgänge wie Einkaufen, Behör-              Im persönlichen Ge-      der Überzeugung von einer
dengänge oder Überweisungen mehr und               spräch kommt es auf die
mehr im digitalen Umfeld stattfinden. Es           Reaktion und die Interak-
                                                                                Sache, für die man einsteht.“
geht nicht darum zu bewerten, ob das eine          tion mit dem Gegenüber
besser oder schlechter ist als das andere.         an. Auch die Sympathie ist entscheidend,
Vielmehr nehmen Menschen die persönli-             und spontan können Fundraiser*innen in
che Begegnung im Gegensatz zu den Kon-             der Situation auch noch entscheiden, Kol-
takten im digitalen Umfeld oder bei der            leg*innen im Gespräch den Vortritt zu
Massenansprache als anders oder sogar              lassen, wenn der oder die Spender*in
besonders wahr. Sie fällt auf, ähnlich wie         auf diese zugewandter reagiert. Andreas
Briefe und Postkarten aus Papier gegen-            Schiemenz findet dabei einen zentralen
über einer E-Mail oder WhatsApp-Nach-              Punkt entscheidend: „Ob ich als Fundrai-
richt. Sie bleibt oftmals tiefer in Erinnerung     ser*in in der Lage bin, auf die Menschen
und prägt die Beziehung. Allerdings ge-            zuzugehen, mit ihnen ins Gespräch zu
lingt das nur, wenn die Form stimmt. In Zei-       kommen und mich für die Menschen auch
ten zahlreicher Eindrücke muss sich das            wirklich zu interessieren. Und ich erlebe
Angebot aus der Masse abheben, müssen              auch ganz oft: Je glamouröser die Einla-
sich die Menschen an etwas Bestimmtes er-          dung, desto mehr Geschäftsführer*innen
innern können – sei es die Veranstaltungs-         oder Vorstände sind dabei. Die Fundrai-
form, der Ort, das Programm oder aber              ser*innen müssen dann oft zu Hause blei-
die Beteiligten, die im direkten Kontakt           ben. Und das ist schade: Denn meist sind
unmittelbar auf Gesprächsinhalte, Gesten           es doch die Fundraiser*innen, die auf
und Mimik individuell reagieren können.            Menschen zugehen können, und nicht
Sabrina Behm organisiert seit fast zehn            immer sind es die Chefs.“
Jahren Fundraising-Events und kennt ein                                        Melanie Koch
Zauberwort: „Wissen Sie, was, egal wo
auf dieser Welt, das Wichtigste ist? Drei
Buchstaben: FUN. Die Gäste müssen Spaß
haben an der Veranstaltung.“ Den Spaß,
den sie bei einer Massenansprache per
Brief oder E-Mail nicht haben, selbst wenn
diese interaktive Elemente enthält.

Die eigene Haltung und der
passende Rahmen

    Mehr als andere Fundraising-Instrumen-
te offenbaren Veranstaltungen den wahren
Charakter einer Organisation – in Form
ihrer Mitarbeiter*innen. Grundsätzlich müs-
sen die Organisatoren hinter dem stehen,
was sie tun, denn alles andere fällt auf, bei-
spielsweise wenn die Mitarbeiter*innen
vor Ort nicht motiviert sind oder sich nicht
auf ihre Gesprächspartner*innen einlassen.
„Dabei ist es wichtig, authentisch zu blei-
ben und Spaß an der Sache zu haben“,
empfiehlt Sandra Heller. „Das Spender-
netzwerk lebt von persönlichen Beziehun-
gen und der Überzeugung von einer Sache,
für die man einsteht. Wenn ich selbst nicht
dafür brenne, wie sollen es dann andere
tun? Dinge oder Formate auf Biegen und
Brechen durchzuführen, weil es vielleicht

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FUNDStücke 4-2019 - Der menschliche Faktor - Deutscher Fundraising Verband
INTERVIEW

10   FUNDStücke 4·2019
INTERVIEW

„Wir brauchen viel mehr
Menschen, die sich
trauen anzuecken ...“
Selmin Çalı şkan (52) ist seit dem 21. Januar 2019 Direktorin für Institutionelle Beziehungen
im Berliner Büro der Open Society Foundations. In der neu geschaf fenen Position wird sie
die Stiftungen mit Akteuren der Berliner Community ver netzen. Die Open Society Foundations,
die zu den größten Stiftungen weltweit zählen, wollen sich künftig verstärkt auch in Deutschland
in die Debatten über Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte und Medienfreiheit
einbringen. Davor war sie Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty Inter national.
Sie kennt entsprechend die Perspektive einer fundraisenden Organisation und die Perspektive
einer Förderstiftung. Selmin Çalışkan hat außerdem für die Frauenrechtsorganisationen European
Women’s Lobby und für Medica Mondiale sowie in der Entwicklungsarbeit für die Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gearbeitet.

Du warst zuletzt Generalsekretärin der          pen, Initiativen oder Vereine, die sich
deutschen Sektion von Amnesty Inter-            für eine offene Gesellschaft einsetzen.
national und hast davor u.a. für Frauen-        Welche Kriterien gelten, wenn es
rechtsorganisationen wie European               darum geht, wer förderwürdig ist?
Women’s Lobby und Medica Mondiale                    Wichtig ist, dass die Werte, die Vision
gearbeitet. Seit Anfang des Jahres bist         und die Mission der antragstellenden Or-
du nun Direktorin für institutionelle           ganisationen zu unserem Profil und der
Beziehungen im Berliner Büro der                Strategie der OSF passen. Dazu gibt es ein
Open Society Foundations. Wie erlebst           internes Assessment. Zur Wahrung der Un-
du den Perspektivwechsel von fundrai-           abhängigkeit übersteigen unsere Förder-
senden Organisationen zu einer der              aktivitäten nicht 33 Prozent des Gesamt-
größten fördernden Stiftungen weltweit?         budgets der Organisationen.
    SC: Oft denkt man ja, dass die Arbeit            Zurzeit erreichen uns viele Hilferufe von
einfacher wird, wenn nur genügend Bud-          Initiativen, die keine Projektgelder mehr aus
get zur Verfügung steht. Aber ich erlebe es     dem Bundesprogramm „Demokratie Leben!“
so, dass es aus beiden Blickwinkeln große       erhalten, da dieses Programm deutlich ge-
Herausforderungen gibt. Es ist schwierig,       kürzt wurde. Es handelt sich dabei auch
gut und professionell zu fundraisen und         um Projekte aus den neuen Bundesländern,
auch sehr schwierig, professionell „Nein“       die extrem relevant sind. Gerade nach den
zu sagen. Denn mich erreichen so viele her-     tödlichen Angriffen in Halle ist es nicht ver-
vorragende Projektanträge, die wir für unter-   ständlich, warum gute Arbeit nicht mehr
stützungswürdig halten.                         förderungswürdig sein soll. Dieser Topf
                                                braucht in seiner ganzen Konzipierung ein
Die Open Society Foundations unter-             Update! Und er sollte durch ein Demokra-
stützen jedes Jahr mehr als 2.500 Grup-         tiefördergesetz institutionalisiert werden.

                                                                                                 FUNDStücke 4·2019   11
INTERVIEW

                                                                                               von „politisch unliebsamen Themen/Ziel-
                                                                                               gruppen“ fördern, beispielsweise strukturell
                                                                                               die Rechtsberatung von Geflüchteten, die
                                                                                               auf allen Seiten der Grenzen in Kroatien,
                                                                                               Griechenland, Tschechien und Italien ein-
                                                                                               geschlossen sind.

                                                                                               Und wie schaut es mit der Gemein-
                                                                                               nützigkeit aus?
                                                                                                  Der Status der Gemeinnützigkeit spielt
                                                                                               nicht immer eine Rolle. Aber es ist wichtig,
                                                                                               dass das Projekt und die Organisation
                                                                                               nicht gewinnorientiert arbeiten.

                                                                                               In vielen Ländern werden zivilgesell-
                                                                                               schaftliche Handlungsspielräume
                                                                                               durch Vorgaben und Gesetze der
                                                                                               Politik immer weiter eingeschränkt –
                                                                                               Stichwort „shrinking spaces“: Wie ver-
                                                                                               suchen die Open Society Foundations,
                                                                                               dieser unguten Entwicklung entgegen-
                                                                                               zuwirken?
                                                                                                   Wir sind insbesondere in Ungarn als Or-
                                                                                               ganisation und teilweise als Personen von
       Selmin Çalışkan und Larissa M. Probst auf dem Fachtag Stiftungen des DFRV.              diesen sehr gefährlichen Entwicklungen be-
                                                                                               troffen. Wir haben unser Büro aus Ungarn
                                                                                               nach Berlin verlegt und arbeiten ganz eng
                       Ist es dann möglich, so schnell zu                                      in internationalen Netzwerken, um antide-
                       reagieren?                                                              mokratischen Entwicklungen etwas entge-
                            Ja, teilweise. Wir versuchen einerseits                            genzusetzen. Wir unterstützen Organisa-
                       Projektgelder kurzfristig zur Verfügung zu                              tionen, Bündnisse und Veranstaltungen, die
                       stellen. Andererseits machen wir gemeinsam                              sich sehr zielgerichtet für den legitimen
                       Druck auf die politischen Akteur*innen, so-                             Handlungsspielraum der freiheitlich-demo-
                       dass die Förderungen weiterlaufen und                                   kratisch orientierten Zivilgesellschaft einset-
                       eher erhöht als gekürzt werden. Der Staat                               zen. Der DFRV gehört natürlich auch dazu.
                       ist der wichtigste Akteur und muss seine                                Diese Unterstützung erfolgt unterschiedlich,
                                            Verantwortung zur De-                              und zwar durch Projektförderung, Inhalte
    Der Staat ist der wichtigste mokratieförderung             erfül-
                                            len – zukünftig noch viel
                                                                                               und relevante Kontakte.

        Akteur und muss seine mehr – angesichts der                                            Beschreibe dein Aufgabenspektrum bei
Verantwortung zur Demokratie- Angriffe von außen und                                           den Open Society Foundations.
                                            von innen auf unser de-                                Wir sind neu in Berlin. Ich bin dafür zu-
       förderung wahrnehmen. mokratisches System.                                              ständig, die Stiftung mit Politik, Stiftungen
                                                                                               und Zivilgesellschaft in Deutschland in den
                                               Welche Rolle spielen bei der Förderung          Dialog zu bringen. Besondere Priorität ha-
                                               z.B. die Verwaltungskosten der Organi-          ben die Themen Repressionen gegen Zivil-
                                               sationen?                                       gesellschaft, Normalisierung des rechts-
                                                   Es ist den OSF klar, dass Strukturen und    extremen Gedankenguts in Politik, Medien
                                               Personal finanziert werden müssen. Das          und Gesellschaft, Förderung einer prodemo-
                                               berücksichtigen wir in unserer Förderung.       kratischen Gesellschaft, Menschenrechte.
                                               Auf internationaler Ebene haben wir uns         Anlässe wie den 9. November, den inter-
                                               sehr intensiv mit Investitionen in Strukturen   nationalen Tag der Menschenrechte und
                                               beschäftigt, gemeinsam mit weiteren sehr        die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen
                                               großen Förderstiftungen. In die nächsten        wir für unsere politische Anwaltschaftsarbeit
                                               Förderzyklen werden die Erkenntnisse dazu       mit Regierung und Bundestag. Ich vertrete
                                               immer stärker mit einfließen. Teilweise sind    unsere Stiftung in diesem Bereich nach
                                               wir die einzigen, die Projekte zur Stärkung     außen, entwickle Projektschwerpunkte und

  12       FUNDStücke 4·2019
INTERVIEW

        Ziele für unsere politische Arbeit und posi-    nistin und Menschenrechtsaktivistin mit tür-
        tioniere uns in Kooperationen mit anderen       kischen Wurzeln. Und auch weil so viel im
        Akteur*innen. Natürlich knüpfe ich an alte,     Argen liegt und es viel Unrecht gibt, will ich
        bewährte Partnerschaften an und schaffe         meistens mehr für die betroffenen Men-
        neue Netzwerke, um globale, europäische         schen erreichen, als vielleicht gerade mög-
        und deutsche Herausforderungen zu ana-          lich ist. Wir brauchen viel mehr Menschen,
        lysieren und gemeinsam mit anderen an           die sich trauen anzuecken und die nichts,
        Lösungen zu arbeiten. Wir führen viele in-      was menschenfeindlich ist, einfach so stehen-
        ternational besetzte Veranstaltungen durch,     lassen, sondern handeln! Hier in Deutsch-
        die dazu dienen, eine Sensibilisierung für      land und überall auf der Welt.
        gesellschaftliche Schieflagen anzustoßen.
                                                        Herzlichen Dank für das Gespräch!
        In einem Interview mit „perspectives“
        hast du dich mal als „Aneckerin“ be-                                    Das Interview führte
        zeichnet. Zitat: „Nur wenn ich anecke,                                    Larissa M. Probst
        fühle ich mich wohl.“ Fühlst du dich in
        deinem neuen Job wohl?
            Inhaltlich und auch als Person anzuecken,       Wir brauchen viel mehr Menschen,
        spiegelt mein Verantwortungsgefühl für ge-
        sellschaftliche Entwicklungen und Zielgrup-         die sich trauen anzuecken und
        pen wider. Anecken ist also kein Selbst-            die nichts, was menschenfeindlich
        zweck. Durch die intensive Beschäftigung
        mit politischen Themen eckt man früher              ist, einfach so stehenlassen,
        oder später an – zumal als Frau, als Femi-          sondern handeln!

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F U N D R A I S I N G I N T E R N AT I O N A L

            Fundraising in
            Spanien: Aktiv,
            innovativ, vielfältig
            Fundraising Inter national schaut diesmal in den Süden Europas: nach Spanien.

Ein Drittel der Neuspender in Spanien wird über Face-toFace-Aktionen gewonnen.

                                                   „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten    gen fürs Fundraising und für Spenden
                                                blühen“: Die Feststellung aus dem Musical     sammelnde Organisationen ebenfalls im
                                                „My Fair Lady“ über die iberische Flora ist   grünen Bereich?
                                                bei uns bildungsbürgerliches Allgemein-
                                                gut – auch wenn sie in botanischer Hinsicht   Lange Tradition, kräftiges Wachstum
                                                sicherlich etwas fragwürdig ist. Doch wie
                                                schaut es mit dem Fundraising-Markt in            Tatsächlich scheint genau dies der Fall
                                                Spanien aus, das mit rund 47 Millionen        zu sein: „Der spanische Fundraising-Markt
                                                Einwohnern zu den großen Ländern in           ist sehr aktiv, innovativ und, was die Me-
                                                Europa gehört, in den letzten Jahren aber     thoden anbelangt, sehr vielfältig“, sagt
                                                immer wieder mit wirtschaftlichen Proble-     Emily Bracken, stellvertretende Geschäfts-
                                                men zu kämpfen hatte? Sind die Bedingun-      führerin (CEO) bei Daryl Upsall & Associates

   14       FUNDStücke 4·2019
F U N D R A I S I N G I N T E R N AT I O N A L

in Madrid. Ihr Unternehmen ist spezialisiert    gutgetan und tatsächlich zu Wachstum ge-
auf internationale Fundraising-Beratung         führt“, erläutert Emily Bracken.                  Zum Thema
und unterstützt Organisationen dabei, ihr
Potenzial im Bereich Fundraising zu evalu-      Face to Face, Telefon, New Media
ieren; vor diesem Hintergrund hat die Ex-
pertin den spanischen Fundraising-Markt            Um an neue Spenderinnen und Spender
gründlich untersucht.                           zu gelangen, setzen spanische Organisa-
   Obwohl die Kultur des Gebens in Spa-         tionen neben Telefon-Fundraising vor allem
nien eine lange Tradition hat, deren Ur-        auf den persönlichen Kontakt: 36 Prozent
sprung in Spenden an die katholische Kir-       der Neuspender werden über Face-to-Face-
che begründet liegt, gibt es ein professio-     Aktionen gewonnen, weitere 35 Prozent
nelles Fundraising erst seit etwa 20 Jahren.    über Telemarketing. Die Intensität, mit der
                                                                                                  Emily Bracken, Deputy CEO/
„In diesen 20 Jahren ist der Fundraising-       dies betrieben wurde und wird, hat aller-         Director Strategy & Analysis bei
Markt unglaublich gewachsen. In den ver-        dings auch ihre Nachteile: „Es gibt mittler-      Daryl Upsall & Associates, Madrid
gangenen Jahren ist es aufgrund des star-       weile gewisse Ermüdungserscheinungen,
ken Wettbewerbs für die Organisationen          einige Menschen sind es leid, auf der Stra-
zwar deutlich schwieriger geworden, neue        ße angesprochen oder zu Hause angeru-
Spender zu akquirieren, der Markt ver-          fen zu werden“, weiß Emily Bracken. Viel-
zeichnet aber immer noch eine positive Ent-     leicht ist dies mit ein Grund dafür, dass
wicklung“, so Emily Bracken.                    auch die neuen Medien beim Fundraising
   Im Vordergrund der Bemühungen spani-         zunehmend zum Einsatz kommen – z.B. in
scher Fundraising-Organisationen stehen         Form von Facebook- und Suchmaschinen-
vor allem private Spenderinnen und Spen-        Anzeigen. Aber auch Außenwerbung wird
der – bei den 30 größten spanischen             eingesetzt, etwa in der Metro oder an Bus-
NGOs trugen sie 2017 immerhin 56 Pro-           haltestellen – als Response-Mechanismus
zent zum Gesamtspendenergebnis von              solcher Anzeigen dient dann eine SMS.
rund zwei Milliarden Euro bei. Weitere
wichtige Einnahmequellen sind wie in an-        Kaltmailing unbekannt
deren Ländern auch öffentliche Mittel des
Staates und der Europäischen Union.                Ganz anders als in Deutschland und für
                                                uns vielleicht ein bisschen überraschend
Die Krise als Motor                             spielen Kaltmailings in Spanien so gut wie
                                                keine Rolle – wenn Organisationen Mai-
   „Die meisten Spanierinnen und Spanier        lings verschicken, dann fast nur an ihre
können es sich leisten zu spenden, und          Hauslisten, wie Emily Bracken bestätigt:
viele tun dies monatlich als ,socios‘ (wört-    „In den 13 Jahren, die ich in Spanien le-
lich: Partner), also regelmäßige Unterstüt-     be, habe ich kein einziges Mal ein kaltes
zer“, weiß Emily Bracken. Tatsächlich kön-      Direktmailing bekommen, ob-
nen sich allein die 16 größten spanischen       wohl ich an mehrere Organi-        Um an neue Spenderinnen
NGOs laut einer Untersuchung des spani-         sationen spende und von die-
schen Fundraising-Verbands AEFR (Asocia-        sen auch Warmmailings erhal-       und Spender zu gelangen,
ción Española de Fundraising) auf 4,4 Mil-      te. Online werde ich dagegen       setzen spanische Organisa-
lionen Spenderinnen und Spender verlas-         ständig angesprochen, und
sen, die sie monatlich unterstützen. Interes-   auf der Straße natürlich auch.“    tionen (…) auf den persön-
santerweise hat die langjährige Wirt-              Und für welche Zwecke spen-     lichen Kontakt: 36 Prozent
schaftskrise im Land den Fundraising-Markt      den die Spanier*innen bevor-
sogar noch beflügelt. „Die öffentlichen Mit-    zugt? „Bislang standen vor al-
                                                                                   der Neuspender werden
tel wurden damals stark reduziert, sodass       lem internationale Hilfs- und      über Face-to-Face-Aktionen
die spanischen NGOs kräftig investieren         Entwicklungsprojekte in Afrika,
mussten (und dies auch taten), um die           Asien und Lateinamerika im
                                                                                   gewonnen …
Spendeneinkünfte aus dem privaten Sektor        Fokus des Fundraisings – viele
zu erhöhen. Sie waren und sind sehr pro-        der größten NGOs wie UNICEF, UNHCR
aktiv, wenn es darum geht, Spender*innen        oder Oxfam hatten und haben diesen
zu akquirieren – und zwar nicht nur in den      Schwerpunkt. In den vergangenen Jahren
größeren Städten, sondern im ganzen             hat das Interesse der Spender*innen an
Land. Diese Investitionen und der damit ein-    diesen Themen aber etwas nachgelassen.
hergehende Wettbewerb haben dem Markt           Projekte vor Ort werden wichtiger und von

                                                                                                    FUNDStücke 4·2019            15
F U N D R A I S I N G I N T E R N AT I O N A L

                      den Organisationen auch häufiger in den                   mailing – ein Fundraising-Instrument, das
                      Fokus gerückt. Themen wie beispielsweise                  gemeinnützige Organisationen in Spanien,
                                Umwelt, Tierwohl oder Men-                      wie schon gesagt, kaum verwenden.
   Projekte vor Ort werden schenrechte        machen bislang
                                nur einen kleinen Teil der Spen-
                                                                                   Insgesamt bescheinigt Emily Bracken
                                                                                dem spanischen Fundraising-Markt trotz
    wichtiger und von den deneinnahmen aus, haben aber                          der sehr guten Entwicklung in den letzten
Organisationen auch häufi- Potenzial, da sie viele Men-                         20 Jahren weiteres Potenzial. So geben
                                schen interessieren“, so Emily                  momentan etwa 35 Prozent der Spanier an,
 ger in den Fokus gerückt. Bracken.                                             für einen guten Zweck zu spenden. Zum
                                                                                Vergleich: In Deutschland liegt diese Quote
                                 Spezialisierte Agenturen                       bei über 50 Prozent. „Diese Werte zeigen
                                                                                meines Erachtens nicht, dass die Spanier
                                     Ähnlich wie der Fundraising-Markt selbst   weniger bereit zum Spenden sind, sondern
                                 ist auch die Agenturszene in Spanien gut       dass hier ein noch immer junger Markt be-
                                 entwickelt, wobei sich viele Agenturen auf     steht, dass viele Spanierinnen und Spanier
                                 ein bestimmtes Feld spezialisieren. „Es gibt   noch nicht so intensiv wie etwa die Deut-
                                 über zehn Agenturen, die sich auf Face-        schen auf das Thema Spenden angespro-
                                 to-Face-Fundraising spezialisiert haben, und   chen worden sind“, meint Emily Bracken.
                                 einige weitere, die sich mit Telefon-Fund-     Gute Aussichten also für eine weiterhin blü-
                                 raising beschäftigen. Andere Fundraising-      hende Fundraising-Landschaft in Spanien.
                                 Agenturen konzentrieren sich auf den Digi-
                                 talbereich“, weiß die Expertin. Anders als                                Frank Geuenich
                                 in Deutschland fehlen allerdings Agenturen
                                 mit Erfahrung im Bereich Direkt- bzw. Kalt-

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  generierung)
  Info- und Servicehotline
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    Wir sind für Sie da.

                                                 Telefon-Fundraising
    FRC Spenden Manufaktur GmbH
    Alt-Moabit 89
    10559 Berlin
    +49 30 2700083 00
    info@spenden-manufaktur.de
    www.spenden-manufaktur.de
AUS DER PRAXIS

Kaviar, Currywurst
oder Tapas?
Das perfekte Fundraising-Event
Im Aufmacher haben Exper t*innen berichtet, dass Veranstaltungen im Bereich Fundraising sowohl
er folgreich Spenden einwerben als auch die Bindung insbesondere zu Großspender*innen stärken
können. Damit das gelingt, muss die Veranstaltung gut durchdacht sein und reibungslos ablaufen.

   Insgesamt fällt die Antwort auf die Frage nach der Pla-   stände großartig. Auch Messen sind prima, wenn dort
nung fast langweilig aus. Für Sabrina Behm steht zu Be-      meine Zielgruppen sind. Wenn mich meine Spender*innen
ginn die Strategie. Welche Fehler es ihrer Ansicht nach      aber eher im kleinen Kreis sprechen möchten, dann muss
zu vermeiden gibt? „Keine Strategie zu haben“, ist die       ich auch kleinere Formate wählen. Dabei ist es oft egal,
klare Antwort. „Welche Veranstaltung zu welcher Orga-        ob es eine Gala ist oder eine spannende Gesprächsrun-
nisation passt, darf zunächst nicht die Frage sein, son-     de mit Currywurst oder Salatbuffet.“ Kathrin Dost von der
dern vielmehr: Was sind die konkreten Ziele der Veran-       Agentur Kaiserwetter ergänzt zur Durchführung: „Grund-
staltung. Was will die Organisation damit erreichen?“        voraussetzung für das Gelingen ist ein fehlerfreier Ablauf
Davon ausgehend, sollte jede Organisation das Format         des Events: Catering, Technik, Ausstattung und das
finden, das ihre Zielgruppen erwarten, konkretisiert An-     Rahmenprogramm müssen stimmen. Es gilt aber auch auf
dreas Schiemenz: „Möchte ich die breite Öffentlichkeit       Details zu achten: Schlangen vor den Toiletten, warmer
ansprechen und in Kontakt bleiben, dann sind Straßen-        Wein oder nicht abgeräumte Tische gehen gar nicht.“

                                                                                                     FUNDStücke 4·2019    17
AUS DER PRAXIS

      Wo Fundraising draufsteht, muss Fundraising                    auf einem Event eine Stille Auktion an.“ Und sie probieren
      drin sein.                                                     weitere Formate für andere Zielgruppen aus: „In diesem
                                                                     Jahr haben wir erstmals eine Charity-Party mit Mickie
          Sabrina Behm rät dazu, die Interessenten mitmachen         Krause veranstaltet, die wiederum neue Spender ange-
      statt zuschauen zu lassen, „beispielsweise durch entspre-      sprochen hat, im Vergleich zu einem Dinner oder einer
      chende Fundraising-Tools, die so eingebaut werden, dass        Gala. Die Nachfrage war so groß, dass sie bei Weitem
      sie nachhaltig zur Spendergewinnung und -bindung ge-           unsere Erwartungen und Kalkulationen übertroffen hat.“
      nutzt werden können.“ Auch Kathrin Dost empfiehlt inter-          Almuth Wenta und der BUND legen besonderen Wert
      aktive Auftritte und Aktionen: „An einem Stand stehen          auf die Integration der Spender*innen in die Projekte
      und warten, dass jemand ein Produkt oder eine Dienst-          durch Veranstaltung von Exkursionen: „Der BUND bietet
      leistung kaufen möchte, reicht nicht aus. Spiele oder Ver-     Exkursionen an, bei denen die wertvollsten Unterstüt-
      losungen machen eine Kontaktaufnahme einfacher.“ Oft           zer*innen ein Wochenende lang durch Vorträge, aber
      stellt sich die Frage, ob man mit einer kostenlosen Teil-      vor allem Natur-Exkursionen in BUND-Projekten mit dem
      nahme plant oder eine Art Eintrittskarte verkauft, die die     BUND vertraut gemacht werden. Vor Ort werden durch-
      erwartete Spendenhöhe suggeriert. Letzteres wirft gleich-      geführte Maßnahmen wie der Flächenkauf oder die Be-
      zeitig rechtliche Fragen auf, die man vorab klären sollte.     pflanzung einer Fläche gezeigt und die konkret vor Ort
      Für Sandra Heller sollte es immer das Ziel sein, die an-       handelnden Personen vorgestellt. Die Unterstützer*innen
      fallenden Kosten zu decken. „Unsere Erfahrung zeigt aber       erfahren ganz konkret, wie ihr Geld wirkt. Das ist im Bin-
      auch, dass Gäste, egal ob Eintritt oder nicht, spendabel       dungsbereich das Premiumprodukt.“
      sind.“ Und wie immer gilt: Wer nicht fragt, bekommt
      nichts. Ist das Ziel der Veranstaltung, Spenden zu gene-       Bleibt die Frage, wer sich um alles kümmert …
      rieren, müssen die Gäste konkret eingeladen werden,
      sich finanziell zu engagieren, setzt Andreas Schiemenz            Kathrin Dost spricht aus Erfahrung: „Viele Kunden un-
      voraus. „Immer wieder erlebe ich, dass an einem Fund-          terschätzen den Einsatz von Ressourcen. Je nach Veran-
      raising-Abend ein tolles Programm angeboten wird, die          staltung können das 100 bis 150 Gewerke sein, die es
      Organisation sich als aufmerksamer, perfekter Gastgeber        zu koordinieren gilt. Man benötigt einen Raum, Catering,
      zeigt – aber nicht eine einzige klare Spendeneinladung         ein gutes Programm, Sponsoren, muss sich um das Einla-
      ausspricht. Das ist enttäuschend für viele Spender*innen.“     dungsmanagement und die Ausstattung und später die
                                                                     Spendenquittungen kümmern. Und vor allem benötigt
                                                                     man einen potenten Verteiler. Egal, ob man eine Agentur
 „Die Unterstützer*innen erfahren ganz                               beauftragt oder viel in Eigenleistung erledigt, die Kosten
  konkret, wie ihr Geld wirkt. Das ist im                            sind hoch und müssen in Relation zum erwarteten Ge-
                                                                     winn stehen.“ Vor allem bei größeren Events und wenn
Bindungsbereich das Premiumprodukt.“                                 die Organisation unerfahren im Event-Bereich ist, emp-
                                                                     fiehlt Kathrin Dost die Buchung eines Dienstleisters, der
          Sandra Heller ist Vorstandsvorsitzende der Stiftung help   dann auch die Verantwortung trägt: „Planung und Durch-
      and hope und berichtet: „Ganz besonders erfolgreich ist        führung eines Kongresses oder eines Festes sind sehr zeit-
      unsere help-and-hope-Charity-Gala, zu der wir Partner,         intensiv. Da kann viel schiefgehen.“ Andreas Schiemenz
      Spender und Unterstützer aus unserem Netzwerk persön-          erinnert sich: „Ich war zum Beispiel einmal bei einem
      lich einladen. Dabei legen wir großen Wert darauf, dass        Charity-Dinner in einem Aquarium eingeladen. Auf wun-
      die Einladung nicht übertragbar ist. An der Gala nehmen        derbar hergerichteten gedeckten Tischen mit feiner Tisch-
      rund 350 Gäste teil, eine Zahl, die wir ganz bewusst           wäsche, Kristallgläsern und schwerem Besteck gab es ein
      ,klein‘ halten.“ Vor einigen Jahren beschritt die Stiftung     wunderbares, mehrgängiges Menü. Allerdings war auch
      neue Wege mit der Einführung der „Stillen Auktion“ von und     ein Fischgericht dabei. Fisch im Aquarium zu essen ist
      mit Sabrina Behm. Dabei erhalten die Teilnehmer*innen          nicht jedermanns Sache. Insofern war der Abend auch
      einen Katalog mit Ausstellungsstücken, auf die sie „ge-        eher mittelmäßig.“ Almuth Wenta achtet bei der Auswahl
      heim“ bieten können; es gibt kein offenes Bieterverfahren,     einer Agentur vor allem auf das Fachwissen: „Sind da
      erzählt Heller weiter: „Eine laute, gewöhnliche Auktion        ehemalige Organisationsfundraiser*innen, Veranstal-
      haben wir immer schon bei unseren Veranstaltungen inte-        tungsprofis, Praktiker*innen im Einsatz? Ist die Agentur
      griert und standen der Stillen Auktion zunächst skeptisch      groß genug, dass Ausfälle seitens der Agentur abge-
      gegenüber. Aber: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. 2016       puffert werden können? Sind die Referenzen aussage-
      konnten wir mit rund 50 Gästen 20.000 Euro einneh-             kräftig?“
      men. Das war für uns Bestätigung genug. Was bei der
      Gala passierte, damit rechnete wirklich keiner, nicht mal      Nach Veranstaltungsende geht es weiter.
      die Verantwortlichen von der Agentur: Wir konnten mit der
      Stillen Auktion über 100.000 Euro einnehmen. Seitdem bie-         Andreas Schiemenz bemerkt: „Die wirkliche Bindung
      ten wir unseren Spendern und Förderern einmal im Jahr          erfolgt aus meiner Erfahrung vor und nach den Veran-

 18   FUNDStücke 4·2019
AUS DER PRAXIS

      staltungen. Die Veranstaltung ist ein wichtiger Punkt in              „Wenn der Spender sich bei der Veran-
      der Beziehung. Aber eben nur ein Punkt. Es ist erstaun-
      lich, wie wenige Organisationen sich vor und nach einer               staltung wohlgefühlt hat, Spaß hatte,
      Veranstaltung um die Gäste kümmern. Es gibt oft keine in-             wir in Erinnerung bleiben und der
      dividuelle Vor- oder Nachbetreuung bei den Großspen-
      der*innen. Das Nachfassen der Einladungen, die telefo-
                                                                            besagte Euro dann bei uns landet,
      nische Bestätigung, das Nachfassen nach dem Event.                    haben wir alles richtig gemacht.“
      Alles, was zur engeren Bindung beiträgt, vermisse ich
      häufig.“ Dazu gehört auch die Auswertung der Maßnah-
      men. Für die help and hope Stiftung eine interessante An-         informieren. Wenn der Spender sich bei der Veranstal-
      gelegenheit, da sie anhand der Ergebnisse aus der Stillen         tung wohlgefühlt hat, Spaß hatte, wir in Erinnerung blei-
      Auktion die Spendenbereitschaft ihrer Unterstützer*innen          ben und der besagte Euro dann bei uns landet, haben
      erkennen und die folgenden Ansprachen individuell ge-             wir alles richtig gemacht. Wenn der Spender dann auch
      stalten kann. Der BUND bekommt laut Almuth Wenta auf              noch seinem Netzwerk von unserer Arbeit berichtet, ist
      die Exkursionen sehr positive Rückmeldungen, „aber auch           das die Königsdisziplin.“
      konkret auf diesen Anlass bezogene Spenden und eine                                                          Melanie Koch
      erkennbare Steigerung der Durchschnittsspende.“
         Insgesamt bewertet Sandra Heller Events und Veran-
      staltungen als guten Weg, um Präsenz zu zeigen, und ver-                  Unsere Gesprächspartner*innen (siehe S. 8):
      setzt sich in die Spenderperspektive: „Jeder Spender kann                 • Sabrina Behm, Inhaberin der Agentur EventFundraising Behm
      den Euro nur einmal spenden, und da wollen wir fest im                    • Kathrin Dost, Geschäftsführerin der Agentur Kaiserwetter
      Kopf unserer Spender und Förderer verankert sein. Die                     • Sandra Heller, Vorstandsvorsitzende der Stiftung help and hope
                                                                                • Andreas Schiemenz, Geschäftsführer bei SCHOMERUS –
      regelmäßigen Events geben uns die Möglichkeit, mit un-
                                                                                  Beratung für gesellschaftliches Engagement GmbH
      seren Spendern auf einer sehr persönlichen Ebene ins                      • Almuth Wenta, Leiterin individuelle Spender*innenbetreuung
      Gespräch zu kommen und sie über laufende Projekte zu                        beim BUND e.V.

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AUS DER PRAXIS

            Gemeinnützigkeit
            und politisches
            Engagement –
            eine Gratwanderung für Organisationen
            Nach dem fast sechsjährigen Rechtsstreit um die Gemeinnützigkeit des Vereins Attac hat der
            Bundesfinanzhof (BFH) am 26. Febr uar 2019 das Ur teil des Hessischen Finanzgerichts aus 2016
            zurückgewiesen, das die Gemeinnützigkeit des Vereins bestätigt hatte. Für einige gemeinnützige
            Organisationen ist damit die Debatte um die Vereinbarkeit ihrer politischen Aktivitäten mit
            ihrer Gemeinnützigkeit neu entfacht.

Mit verschiedenen Kampagnen setzt sich Campact als Bürgerbewegung für sozialen, ökologischen und demokratischen Fortschritt ein – für das Wohl der Bevölkerung.

                                                    Dient die politische Betätigung einer ge-                gung Campact e.V., und ergänzt: „Das war
                                                meinnützigen Organisation der Erreichung                     bisher zu verschmerzen, weil sich gemein-
                                                ihrer Satzungszwecke, ist das meist kein Pro-                nützige Organisationen, die zu anderen
                                                blem. Problematischer erscheint der Katalog                  Themen arbeiten, auf die Förderung der
                                                gemeinnütziger Zwecke in der Abgaben-                        politischen Bildung berufen konnten.“ Denn
                                                ordnung. „Viele wichtige Zwecke, wie zum                     „die Förderung der Erziehung, Volks- und
                                                Beispiel die Menschenrechte, Frieden oder                    Berufsbildung einschließlich der Studenten-
                                                soziale Gerechtigkeit fehlen in der Abga-                    hilfe“ ist in der Abgabenordnung als gemein-
                                                benordnung“, berichtet Felix Kolb, ge-                       nützig anerkannt, ebenso „die allgemeine
                                                schäftsführender Vorstand der Bürgerbewe-                    Förderung des demokratischen Staatswe-

   20       FUNDStücke 4·2019
AUS DER PRAXIS

sens im Geltungsbereich dieses Gesetzes“.
Durch das Attac-Urteil schränkt der BFH                   Unsere Gesprächspartner
diese Zwecke jedoch ein und „gefährdet
tausende Vereine und Stiftungen, die aus
einer Haltung heraus Bildungsarbeit machen
oder mangels passender konkreter Zwecke
in Bildung als gemeinnützigen Zweck ge-
flüchtet sind“, beschreibt Stefan Diefenbach-
Trommer das Ausmaß. Er setzt sich als Vor-
stand der Allianz „Rechtssicherheit für poli-
tische Willensbildung“ mit seinem Verein
langfristig für die Etablierung eines moder-
nen Gemeinnützigkeitsrechts ein und erläu-                Stefan Diefenbach-Trommer,      Felix Kolb, geschäftsführender
tert: „Die politische Einflussnahme ist laut              Journalist und Vorstand der     Vorstand Campact
                                                          Allianz „Rechtssicherheit für
BFH nur für einen konkreten Zweck wie Um-                 politische Willensbildung“
weltschutz oder Gleichberechtigung von
Mann und Frau erlaubt. Insofern spielt das
Urteil den Ball in den Bundestag, der es in
den vergangenen Jahren versäumt hat,              der Gemeinnützigkeit treu bleiben und in
neue Zwecke ins Gesetz zu schreiben.“             Kauf nehmen, dass sie keine Spendenquit-
                                                  tung mehr erhalten, verlieren gemeinnützi-
Handlung wird eingeschränkt                       ge Organisationen mit dem Verlust der Ge-
                                                  meinnützigkeit den Zugang zu Stiftungen
   Auch Campact war wegen der Förde-              oder öffentlichen Geldern. „In der Wirkung
rung der staatsbürgerlichen Bildung als ge-       kommt das für viele Vereine einem Betäti-
                                                  gungsverbot gleich“, erklärt Kolb weiter.

                                                       „… wenn die Satzung als gemeinnützig
                                                       anerkannt ist und der Verein sich an
                                                       die Satzung hält, ist er auf ziemlich
                                                       sicherem Boden.“

                                                      Neben Unmut darüber macht sich bei
                                                  vielen Organisationen Unsicherheit breit.
                                                  Manche stellen vorsichtshalber keine Spen-
                                                  denbescheinigungen mehr aus, andere
                                                  schrauben ihre politischen Aktivitäten zu-
                                                  rück, wieder andere stehen mutig zu ihrem
                                                  politischen Handeln für die gute Sache.
                                                  Grundsätzlich rät Diefenbach-Trommer, die
                                                  Satzungszwecke klar zu formulieren und
                                                  regelmäßig zu überprüfen. „Denn wenn die
                                                  Satzung als gemeinnützig anerkannt ist
                                                  und der Verein sich an die Satzung hält, ist
meinnützig anerkannt. „Nach dem Urteil            er auf ziemlich sicherem Boden.“ Steht der
gingen wir davon aus, dass auch wir die           Zweck nicht in der Abgabenordnung, sollte
Gemeinnützigkeit verlieren werden. Wir            der Verein besser mit dem Finanzamt
haben die für die Prüfung nötigen Unterla-        reden, „als bei Zwecken oder Tätigkeiten
gen im Dezember 2018 eingereicht“, be-            rumzudrucksen. Wenn sich das eigene An-
richtet Felix Kolb. Er hat mit seiner Einschät-   liegen dort nicht findet, können Vereine be-
zung recht behalten. Im Oktober 2019 hat          antragen, dass dieses Anliegen nach Ab-
das Finanzamt dem Verein den Status der           satz 2 des Paragrafen 52 der Abgaben-
Gemeinnützigkeit aberkannt. Selbst wenn           ordnung als neuer Zweck anerkannt wird.“
viele Spender*innen auch nach Verlust             Die Aktivitäten einer Organisation müssen

                                                                                                                   FUNDStücke 4·2019   21
AUS DER PRAXIS

 „Wenn aus Angst vor Sanktionen das Engage-                                             veränderte Welt. Gemeinnützigen Organi-
                                                                                        sationen und deren Dachverbänden legt er
ment für die Gesellschaft, die Demokratie und                                           ans Herz, eine Klarstellung im Gesetz zu
 die Menschenrechte leidet, dann ist der zivil-                                         fordern, um den Konflikt sichtbar zu ma-
                                                                                        chen und die Bundestagsmehrheit auf die
gesellschaftliche Freiraum schon geschrumpft.“                                          Dringlichkeit einer Problemlösung hinzu-
                                                                                        weisen.
                                      einem konkreten gemeinnützigen Satzungs-
                                      zweck zugeordnet werden können, denn              Neutral einmischen, geht das?
                                      nach dem Prinzip der Ausschließbarkeit
                                      dürfen gemeinnützige Organisationen selbst            Denn es muss sich etwas ändern, findet
                                      nur ihre konkreten gemeinnützigen Zwecke          Diefenbach-Trommer: „Wenn einer gemein-
                                      verfolgen.                                        nützigen Organisation passende Zwecke
                                          Diefenbach-Trommer wünscht Organi-            fehlen, müssen die in die Abgabenordnung
                                      sationen Selbstsicherheit und Mut, notfalls       geschrieben werden. Es braucht eine Er-
                                      auch vor Gericht für ihre Ziele einzuste-         leichterung der Ausschließlichkeit, sodass
                                      hen: „Wenn aus Angst vor Sanktionen das           gemeinnützige Organisationen in begrenz-
                                      Engagement für die Gesellschaft, die De-          tem Umfang auch für andere gemeinnützi-
                                      mokratie und die Menschenrechte leidet,           ge Zwecke tätig sein können.“ Er konkreti-
                                      dann ist der zivilgesellschaftliche Freiraum      siert seine Haltung mit einem Beispiel: „Das
                                      schon geschrumpft.“ Ehrlichkeit, Offenheit        Verbot einer überwiegend politischen Be-
                                      und Transparenz sind seiner Meinung               schäftigung betrifft Organisationen, die ihre
                                      nach der beste Schutz, und dazu gehört für        Ziele gar nicht selbst realisieren können.
                                      ihn auch die Forderung nach der Anpas-            Wenn etwa ein Verein mehr Radwege for-
                                      sung des Gemeinnützigkeitsrechts an eine          dert, kann er diese nicht selbst anlegen. Der

         Charta für Zivilgesellschaft und Demokratie

         Ein Bündnis von zwölf zivilgesellschaftlichen Dachverbänden und Netz-
         werken hat am 30. Oktober 2019 die Charta für Zivilgesellschaft und De-
         mokratie verabschiedet und weist darin auf die Bedeutung einer unab-
         hängigen Zivilgesellschaft für eine lebendige und starke Demokratie hin.
         Ihre zentrale Aussage: Zivilgesellschaft ist gemeinnützig!
         Mit der Charta erklären die Unterzeichner: Ihr bürgerschaftliches Enga-
         gement, sei es für Umwelt, Klima oder Bürgerrechte, ist selbstlos und dient
         dem Gemeinwohl und der Zukunft des Landes. Politisches Engagement
         und Gemeinnützigkeit dürfen sich nicht ausschließen, die Zivilgesellschaft
         darf in ihrem Handeln nicht eingeschränkt werden. Die Charta fordert
         daher die Reformierung der Abgabenordnung im deutschen Recht, um
         dem zivilgesellschaftlichen Engagement außerhalb von Parteien ange-
         messenen Handlungsspielraum zu geben.

         Die Unterzeichner: Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“,
         BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, Bundes-
         netzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE), Deutscher Bundesjugend-
         ring (DBJR), Deutscher Fundraising Verband, Deutscher Naturschutzring
         (DNR), Deutscher Spendenrat, Deutscher Kulturrat, Deutscher Olympischer
                                                                                        Verein kann ausschließlich politische For-
         Sportbund (DOSB), Forum Umwelt und Entwicklung, Stifterverband für die
                                                                                        derungen erheben. Wenn ein Verein also
         Deutsche Wissenschaft, Verband für Entwicklungspolitik und Humanitäre
                                                                                        mehr Radwege fordert, darf er diese Ziele
         Hilfe (VENRO)
                                                                                        nicht ausschließlich mit politischen Mitteln
                                                                                        verfolgen, sondern er muss zusätzlich auch
         > Die Charta finden Sie unter: zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/charta
                                                                                        Fahrradausflüge oder -kurse anbieten, um
                                                                                        gemeinnützig sein zu können – obwohl
                                                                                        dafür vielleicht gar kein Bedarf besteht.“

22   FUNDStücke 4·2019
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