Was leistet Mobile Jugendarbeit?

 
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Was leistet Mobile Jugendarbeit?
Broschüre Mobile A4 neu   04.08.2005   14:51 Uhr     Seite 1

                             Was leistet Mobile Jugendarbeit?
                                       Ein Portrait Mobiler Jugendarbeit in Baden-Württemberg

                                                „… die sind halt wirklich für mich da!“
                               (Ein Jugendlicher über die Mitarbeiter/innen der Mobilen Jugendarbeit)

                                                            gefördert von
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              Impressum
              Was leistet Mobile Jugendarbeit?
              Ein Portrait Mobiler Jugendarbeit in Baden-Württemberg

              herausgegeben von:

              Landesarbeitsgemeinschaft
              Mobile Jugendarbeit/Streetwork
              Baden-Württemberg e.V.
              Matthias Reuting
              Auf der Steig 72
              70376 Stuttgart
              Tel. 07 11 / 54 73 52
              vorstand@lag-mobil.de
              www.lag-mobil.de

              Landesarbeitskreis Mobile Jugendarbeit in der
              Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit
              Baden-Württemberg
              Siegfried Keppeler
              Heilbronner Straße 180
              70191Stuttgart
              Tel. 07 11 / 16 56-317
              keppeler.s@diakonie-wuerttemberg.de

              Kommunalverband für Jugend und Soziales
              Baden-Württemberg, Landesjugendamt
              Lindenspürstraße 39
              70176 Stuttgart
              Tel. 07 11 / 63 75-0
              www.kvjs.de

              gefördert von:

              Ministerium für Arbeit und Soziales
              Baden-Württemberg
              Schellingstraße 15
              70174 Stuttgart
              Tel. 07 11 / 1 23-0
              www.sozialministerium-bw.de

              Gestaltung:
              Genter & Partner
              Werbeagentur GmbH
              Neckarstraße 240
              70190 Stuttgart

              Stuttgart, Mai 2005

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                              Inhalt

                              1 Einleitung                                                                5

                              2 Zur methodischen Vorgehensweise des Berichts                              6

                              3 Walther Specht: Zur Entstehung Mobiler Jugendarbeit in den 60er Jahren    8

                              4 Auftrag und Ziele der Mobilen Jugendarbeit                               11

                                 4.1   Gesetzliche Vorgaben / Rahmenbedingungen                          11
                                 4.2   Ziele                                                             12

                              5 Wer finanziert Mobile Jugendarbeit?                                      12

                              6 Wen erreicht Mobile Jugendarbeit?                                        15

                                 6.1   Altersgruppen                                                     15
                                 6.2   Zentrale Themen der Zielgruppen                                   15

                              7 Arbeitsformen der Mobilen Jugendarbeit                                   20

                                 7.1   Streetwork                                                        20
                                 7.2   Individuelle Beratung und Unterstützung                           21
                                 7.3   Angebote für Cliquen und Gruppen                                  23
                                 7.4   Gemeinwesenorientierte Arbeit                                     24

                              8 Handlungsmaximen der Mobilen Jugendarbeit                                27

                              9 Was leistet Mobile Jugendarbeit?                                         31

                              10 Was braucht Mobile Jugendarbeit?                                        35

                                 10.1 Verlässliche Finanzierung durch das Land, Landkreise,
                                      Städte und Gemeinden                                               35
                                 10.2 Fachliche Offenheit zur Weiterentwicklung des Arbeitsansatzes      36
                                 10.3 Qualitätsentwicklung und Wirkungsorientierung                      37
                                 10.4 Gremienstrukturen – politische Vertretung                          37

                              11 Ausgewählte Literatur zur Mobilen Jugendarbeit                          39

                              12 Standorte der Mobilen Jugendarbeit in Baden-Württemberg                 42

                                 Autor/innen                                                             44

                                                                                                          3
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              1. Einleitung

              Auch in Baden-Württemberg, einem relativ reichen Bundesland, leben viele Kinder und Jugendliche unter
              schwierigen Lebensbedingungen. Diese haben verschärfte Auswirkungen, weil sich Jugendliche zunehmend ver-
              schulden, einige sind von Obdachlosigkeit betroffen oder leiden unter steigender Armut und Arbeitslosigkeit.
              Ein großer Teil der von Mobiler Jugendarbeit begleiteten jungen Menschen ist auf eine individuelle Unterstüt-
              zung und Hilfe angewiesen, da sie weder auf ein stützendes Elternhaus zurückgreifen können, noch das Vertrau-
              en in traditionelle Institutionen der Jugendhilfe besteht. Cliquen und Szenen stellen für Jugendliche wesentliche
              Orte des sozialen Lernens und gegenseitiger Stabilisierung bei der Bewerkstelligung ihres Alltags dar. Zur Bewäl-
              tigung der Risiken der Jugendphase benötigen zunehmend auch jüngere Jugendliche und junge Erwachsene die
              Unterstützung durch verlässliche erwachsene Vertrauenspersonen.

              Mitarbeiter/innen aus dem Arbeitsfeld der Mobilen Jugendarbeit verfügen über örtliche Kenntnisse und Erfah-
              rungen bezüglich der Lebenslagen junger Menschen. Die Arbeitsformen (Streetwork/aufsuchende Arbeit; indivi-
              duelle Unterstützung und Beratung, Angebote für Cliquen und Gruppen; gemeinwesenorientierte Arbeit) sowie
              die akzeptierende Haltung der Mitarbeiter/innen der Mobilen Jugendarbeit bieten Möglichkeiten, einen tragfähi-
              gen Kontakt zu Jugendlichen, die von Ausgrenzung betroffen sind, herzustellen.

              Die Mobile Jugendarbeit begleitet Jugendliche im Lebensalltag und bewahrt sie durch die unterstützende Tätig-
              keit vor einem tieferen Abrutschen. Wenn Jugendliche in ihren Biographien Brüche, Verletzungen und Ablehnung
              erfahren haben und diese negativen Prägungen gegenüber einer Anerkennung und einem positiven Selbstwertge-
              fühl dominieren, brauchen sie Zeit, um ihre eigenen Werte und Wege zu finden. Mobile Jugendarbeit gibt dieser
              Zielgruppe die Chance, die in ihnen steckenden Fähigkeiten und Möglichkeiten wieder zu entdecken und sich mit
              den bisherigen Erfahrungen und neu dazu Gelerntem zurecht zu finden.

              Diese Reintegration kann allerdings nicht alleine Aufgabe der örtlichen Jugendhilfe sein. Die Zielgruppen halten
              sich einerseits nicht nur in ihren örtlichen Bezügen auf, sondern wandern häufig auch in Ballungszentren ab.
              Auch liegt die Entstehung von Brennpunkten nicht alleine in kommunaler Hand. Daher ist Mobile Jugendarbeit
              nach wie vor eine Unterstützungsaufgabe des Landes, das gemäß § 82, 2 SGB VIII/KJHG i.V.m. §§ 14, 15
              LKJHG Baden-Württemberg auf den gleichmäßigen Ausbau der Einrichtungen und Angebote hinzuwirken hat.
              Die Jugendämter benötigen eine wichtige Ausgleichsfunktion durch das Land bei der Unterstützung dieser
              Jugendlichen und jungen Erwachsenen, um ihre Lebenssituationen positiv zu beeinflussen.

                                                                                                                              5
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              2. Zur methodischen Vorgehensweise
                 des Berichts
              Aus einem gemeinsamen Gespräch mit dem Sozial-            Den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wurde die
              ministerium zum Thema Mobile Jugendarbeit ent-            Anonymisierung ihrer Daten zugesichert. 16 ausführ-
              stand die Idee, einen Bericht zu den Wirkungen Mobi-      liche Berichte – teilweise mit Konzeptionen –standen
              ler Jugendarbeit zu entwickeln. An diesem Gespräch        uns als Basis für die nachfolgende Dokumentenanalyse
              haben teilgenommen: Vertreter/innen des Landes-           zur Verfügung. An dieser Stelle bedanken wir uns bei
              arbeitskreises (LAK) Mobile Jugendarbeit in der           allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie Trägern
              Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit              für ihre Unterstützung.
              (LAG JAW), der Landesarbeitsgemeinschaft Mobile
              Jugendarbeit / Streetwork Baden-Württemberg e.V.          Mobile Jugendarbeit setzt sich überwiegend mit jun-
              (LAG Mobil) und der Landesjugendämter Baden und           gen Menschen auseinander, die von Ausgrenzung be-
              Württemberg-Hohenzollern*. Innerhalb von sechs            droht oder betroffen sind. Der nachfolgende Bericht
              Wochen sollte der Bericht fertig gestellt sein. Das So-   beschreibt die Lebenslagen dieser Zielgruppe. Aus
              zialministerium sowie die Landeswohlfahrtsverbände        dieser Bestandsaufnahme wird dann abgeleitet, welche
              Baden und Württemberg-Hohenzollern erklärten sich         Formen sinnvoller Unterstützung für diese Zielgrup-
              dankenswerter Weise bereit, die Herausgabe des Be-        pen zu empfehlen sind. Anhand von Beispielen wird
              richts finanziell zu fördern.                             die Wirkung der Arbeit beschrieben, danach aufge-
                                                                        zeigt, was Mobile Jugendarbeit zur gesamtgesellschaft-
              Alle den oben genannten Vertreter/innen bekannten         lichen Aufgabe der Integration dieser Zielgruppen
              Einrichtungen wurden per E-Mail angefragt, ihre           leisten kann beziehungsweise leistet. Der Erfolg der
              Jahresberichte zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren     Arbeit liegt allerdings nicht allein in der Hand der
              wurden die Einrichtungen gebeten, konkrete „Schlüs-       Mobilen Jugendarbeit, sondern hängt davon ab, dass
              selprozesse“ aus verschiedenen Arbeitsbereichen der       eine gute Kooperation der verschiedenen Träger
              Mobilen Jugendarbeit zu beschreiben, genauer:             gelingt.

              ■ Verläufe und Wirkungen in der Beratung, Be-             *Seit 01. Januar 2005 gibt es in Baden-Württemberg ein einheitliches
                gleitung und Unterstützung von Einzelnen („Fall-        Landesjugendamt, das beim Kommunalverband für Jugend und
                darstellungen“)                                         Soziales angesiedelt ist.

              ■ Verläufe und Wirkungen von Projekten/Angeboten
                mit Cliquen oder Gruppen

              ■ Verläufe und Wirkungen von gemeinwesenbezoge-
                ner oder sozialraumorientierter Arbeit

              ■ Typische Problemsituationen der Jugendlichen, mit
                denen die Mitarbeiter/innen in ihrem Arbeitsalltag
                konfrontiert werden.

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              3. Walther Specht: Zur Entstehung
                 Mobiler Jugendarbeit in den 60er Jahren
              Im Herbst 1967 erhielt ich als noch relativ frisch gra-   an durch ideelle und finanzielle Hilfen entscheidend
              duierter Sozialarbeiter von meinem Arbeitgeber, der       unterstützt hat, suchte ich auf den Straßen und Bau-
              Evangelischen Gesellschaft Stuttgart, Abteilung           stellen in Freiberg nach Jugendlichen. Es ging dabei
              Jugendhilfe, die Anfrage, ob ich bereit wäre, in dem      besonders um Jugendliche, die in der Öffentlichkeit
              gerade neu entstehenden Stuttgarter Stadtteil Freiberg    als „auffällig“, „gefährlich“ oder „gefährdet“ bezeich-
              eine offene Form evangelischer Jugendhilfe im Stadtteil   net wurden. Rasch wurde mir dabei klar, dass ich an
              zu beginnen. Im Rahmen meines Studiums an der             solchermaßen etikettierte Jugendliche nur herankam,
              Evangelischen Fachhochschule für Sozialwesen Han-         wenn ich mich auf ihre Lebenswelt, ihren Alltag
              nover, das ich ein Jahr zuvor abgeschlossen hatte und     einließ. Dies bedeutete, ihre Aufenthalts- und Trefforte
              während meines anschließenden sechsmonatigen Stu-         herauszufinden und sie dort aufzusuchen. Straßen,
              dienaufenthaltes in den USA (School of Social Work,       Plätze, Kneipen und Baustellen waren meine ersten
              University of Minnesota St. Paul), hatte ich erstmals     Kontaktorte – und dies zu Zeiten, die von den Jugend-
              von dem professionellen Konzept des Streetwork in         lichen bestimmt wurden: nach Schulschluss und Feier-
              den USA erfahren. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in       abend, spätabends und an den Wochenenden.
              der Bundesrepublik Deutschland keine professionell
              ausgewiesene Streetwork-Praxis. In der damaligen          Als Alternative zu selbst- und fremdzerstörerischem
              deutschen Jugendhilfepraxis war auch der Begriff          Verhalten entwickelte ich zusammen mit den Jugend-
              Streetwork weitestgehend unbekannt. Die Sozialarbeit      lichen ein attraktives Freizeitprogramm mit erlebnis-
              mit „gefährdeten“ oder „verwahrlosten“ Jugendlichen       pädagogischen Inhalten im Rahmen einer entstehen-
              konzentrierte sich auf die Heimerziehung. Eine offene,    den Clubarbeit, bot aber auch individuelle Einzelbera-
              ambulante oder stadtteilbezogene Sozial- oder             tung bei alltagsbezogenen Problemen an. Auseinander-
              Jugendarbeit mit Cliquen oder Jugendbanden – und          setzungen im Stadtteil, Gesetzesbrüche und Konflikte
              nur in diesem Zusammenhang ist Streetwork in seinem       mit der Polizei reduzierten sich dabei in dem Maße,
              Ursprungsland USA entwickelt worden – fand in             wie es gelang, den Jugendlichen gegenüber Interesse,
              Westdeutschland nicht statt. Formen der Jugendsozial-     Wertschätzung und damit das Gefühl von Beheima-
              arbeit waren damals primär auf Jugendwohnen und           tung zu vermitteln. Sie bestimmten dabei im Wesent-
              Jugendberufshilfen gerichtet.                             lichen, was unter ihnen oder durch sie im Stadtteil sich
                                                                        immer mehr positiv veränderte (Gemeinwesenarbeit).
              Als nun im Herbst 1967 der Stuttgarter Stadtteil          Ich verstand mich dabei lediglich als ihr anwaltlicher
              Freiberg mit öffentlichen Schlagzeilen wie „wachsende     Berater.
              Jugendkriminalität“, „Gewalt und Zerstörung durch
              Jugendliche“, Alkoholprobleme und anderes auf sich        Die sich langsam sehr positiv entwickelnde Mobile
              aufmerksam machte und die dortige Evangelische Kir-       Jugendarbeit im Stadtteil Freiberg – damals noch eher
              chengemeinde sich an die Evangelische Gesellschaft        unter der Begrifflichkeit der „sozialen Gruppenarbeit“
              gewandt hatte, kam die erwähnte Anfrage an mich. Ich      oder der „sozialen Jugendarbeit“ bekannt – führte da-
              zögerte nicht lange und sagte ziemlich rasch zu. Hier     zu, dass die Lebenslage von Kindern und Jugendlichen
              bot sich für mich ein offenes, wenngleich unstruktu-      auch in den beiden Nachbarstadtteilen Rot und Mönch-
              riertes, aber besonders spannendes Arbeitsfeld an. Mit    feld immer mehr in den Blickpunkt geriet. In Stutt-
              dem Rückenwind der Evangelischen Kirchengemeinde          gart-Rot hatte es sich insbesondere unter dort ausge-
              Freiberg, die einen starken Problemdruck verspürte,       grenzten Jugendlichen rasch herumgesprochen, dass es
              der Evangelischen Gesellschaft, meinem Arbeitgeber,       in Freiberg im Evangelischen Gemeindehaus, also im
              und dem Jugendamt der Stadt Stuttgart, das die damals     Club 67, relativ attraktive Freizeitangebote gab, so
              für Stuttgart entstehende Mobile Jugendarbeit – wenn      dass immer mehr Jugendliche aus Rot nach Freiberg
              auch noch unter anderer Begrifflichkeit – von Anfang      kamen und damit auch die dort entstehende Mobile

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              Jugendarbeit konfrontierten. Da zwischenzeitlich das       Jugendarbeit. Die durch die Universität Tübingen
              Interesse an der Arbeit der Mobilen Jugendarbeit auch      schon 1982 begonnene Serie von internationalen Sym-
              in der katholischen Kirchengemeinde in Freiberg            posien zur weltweiten Entwicklung Mobiler Jugendar-
              gewachsen war, führte dies dazu, dass die beiden           beit wurde 1992 von der Internationalen Gesellschaft
              Freiberger Pfarrer (evangelisch und katholisch) 1969       für Mobile Jugendarbeit (ISMO) aufgenommen und in
              ihre Kollegen in Stuttgart-Rot mit der Überlegung          Kooperation mit dem Institut für Erziehungswissen-
              ansprachen (ein Jahr später auch die Kirchengemeinde       schaft weitergeführt, so dass 2003 das 8. Symposium
              in Mönchfeld), sich zur Gründung eines gemeinsamen,        zur Mobilen Jugendarbeit in Kenia durchgeführt wer-
              ökumenischen Trägers zusammen zu tun. Dies klappte         den konnte. Kenianische und Vertreter anderer afrika-
              und führte unter Einbeziehung und fachlicher Anlei-        nischer Länder zeigten ebenfalls sehr großes Interesse
              tung der Caritas Stuttgart und der Evangelischen           an dem europäischen Produkt „Mobile Jugendarbeit“.
              Gesellschaft Stuttgart 1970 zur Gründung der „Gesell-      Gegenwärtig ist ISMO – insbesondere angesichts des
              schaft für soziale Jugendarbeit Stuttgart“. Das neu ent-   im Mai 2004 erfolgten Beitritts von 10 osteuropäischen
              standene Trägergebilde hatte nun eine wesentlich brei-     Ländern zur Europäischen Union – sowohl in der
              tere und vor allem eine ökumenische Basis gewonnen:        Russischen Föderation als auch in mehreren anderen
              In einem gemeinsamen christlichen Auftrag entwickel-       zentral- und südosteuropäischen Ländern dabei, Qua-
              ten sechs Kirchengemeinden und die beiden lokalen          lifizierungsmaßnahmen im Bereich Mobile Jugend-
              kirchlichen Wohlfahrtsverbände nicht nur eine starke       arbeit anzubieten und Netzwerke aufzubauen. Diese
              Trägergemeinschaft, sondern auch ein neues, moder-         sehr positive nationale und internationale Entwicklung
              nes und bis heute hochaktuelles Jugendhilfekonzept.        in der Mobilen Jugendarbeit ist letztlich Ausdruck
                                                                         dafür, dass es nach wie vor entsprechende Bedürfnis-
              Der Erfolg der „Gesellschaft für soziale Jugendarbeit      lagen unter Kindern und Jugendlichen gibt, aber auch
              Stuttgart“ führte in den folgenden Jahren dazu, dass       adäquate und effektive Antworten der europäischen
              bis heute in zahlreichen Stadtregionen Stuttgarts (16)     Jugendhilfe und Jugendsozialarbeit.
              Ansätze Mobiler Jugendarbeit praktiziert werden.
              Auch über Stuttgart hinaus, in Baden-Württemberg,
              in anderen Bundesländern und seit der politischen
              Ost-West-Wende auch in den neuen Bundesländern,
              entstanden und entstehen neue Projekte Mobiler
              Jugendarbeit. Diese haben längst nicht mehr nur kirch-
              liche, sondern auch andere freie und kommunale
              Träger gefunden. Dies alles war allerdings nur möglich,
              weil parallel zur relativ positiven Praxisentwicklung
              und zur politisch wahrgenommenen hohen gesell-
              schaftlichen Produktivität dieses Konzeptes von Be-
              ginn an eine theoretische Auseinandersetzung geführt
              beziehungsweise gesucht wurde. Dieser Zuwachs von
              vielen Hundert innovativen Ansätzen in der deutschen
              Jugendhilfelandschaft führte noch vor dem Ende des
              20. Jahrhunderts zu Gründungen von zwölf Landes-
              arbeitsgemeinschaften Mobiler Jugendarbeit in fast
              allen Regionen Deutschlands, zum Beispiel auch in
              Baden-Württemberg, und 1997 konsequenterweise zu
              einer Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobile

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              4. Auftrag und Ziele der Mobilen Jugendarbeit
              4.1 Gesetzliche Vorgaben /                                  ständigen jungen Menschen, für die Angebote der
                  Rahmenbedingungen                                       Jugendsozialarbeit bedarfsgerecht zu entwickeln sind.
                                                                          Die Zielgruppen nach § 13 SGB VIII/KJHG werden
              Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Förde-           von Struck (in Wiesner u.a., SGB VIII/KJHG, 2. Aufl.
              rung der individuellen Entwicklung der Persönlichkeit.      München 2000, § 13 RdNr. 4) beschrieben als:
              Die Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe sollen
              dazu beitragen, positive Lebensbedingungen zu schaf-        ■ junge Menschen, die auch bei günstiger Lage auf
              fen (s. § 1 Abs. 3, Nr. 4 SGB VIII/KJHG). Mobile              dem Ausbildungsstellen- und Arbeitsmarkt wegen
              Jugendarbeit in Baden-Württemberg findet ihre ge-             individueller und/oder sozialer Schwierigkeiten,
              setzliche Grundlage überwiegend in § 11 und § 13              häufig einhergehend mit unzureichender schulischer
              SGB VIII/KJHG. Während sich die Aufgabe gemäß                 Ausbildung, nach wie vor keine Ausbildungs- und
              § 11 SGB VIII/KJHG (Jugendarbeit) an alle Jugend-             Arbeitsstellen finden
              lichen richtet, soll Jugendsozialarbeit (§ 13 SGB           ■ junge Menschen aus Familien ausländischer
              VIII/KJHG) zum Ausgleich sozialer Benachteili-                Arbeitnehmer sowie junge Aus- und Übersiedler
              gungen oder zur Überwindung individueller Beein-              aus Osteuropa und Asylbewerber
              trächtigungen von jungen Menschen beitragen, die in         ■ junge Menschen, deren Familien in sozialen
              erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind.              Brennpunkten räumlich konzentriert leben und
                                                                            deren Sozialisationschancen reduziert sind
              Die Arbeit mit sozial benachteiligten und individuell       ■ junge Menschen, die in finanziellen, persönlichen
              beeinträchtigten Jugendlichen bedeutet einen erhöhten         und sozialen Schwierigkeiten leben und Probleme
              Aufwand an Unterstützung, den die Zielgruppen in              bei der Wohnraumbeschaffung und -erhaltung ha-
              der Regel wegen ihrer Biographien und erschwerten             ben und
              Lebenslagen in ihrer Entwicklung benötigen. Die in          ■ Mädchen und junge Frauen, die erheblich stärker
              § 11 SGB VIII/KJHG beschriebene Jugendarbeit                  von Arbeitslosigkeit betroffen sind und spezieller
              umfasst auch Jugendberatung und soll sich einzel-             Förderung bedürfen.
              fallorientiert engagieren, sie richtet sich grundsätzlich
              jedoch an alle Kinder und Jugendlichen.                     Hilfen nach § 11 und § 13 SGB VIII/KJHG richten
                                                                          sich unmittelbar an junge Menschen, während Adres-
              Die Mobile Jugendarbeit ist ein Angebot, bei dem            saten der Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff SGB
              mehr Zeit und Ressourcen in die Unterstützung ein-          VIII/KJHG die Personensorgeberechtigen sind. Hilfen
              zelner Jugendlicher mit sozialer Benachteiligung und        nach § 13 SGB VIII/KJGH haben kein Erziehungs-
              individueller Beeinträchtigung gelegt werden können.        defizit zum Gegenstand, sondern die gesellschaftliche
              Das Nebeneinander und im Idealfall sich ergänzende          Integration junger Menschen, die in erhöhtem Maße
              Miteinander von Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit         auf Unterstützung angewiesen sind. Solange ein erzie-
              findet sich eher im städtischen Raum. Im ländlichen         herischer Bedarf im Sinne des § 27 SGB VIII/KJHG
              Raum lassen sich – aus Kapazitätsgründen bezogen auf        vorliegt, hat diese Hilfe Vorrang, der junge Mensch
              die Anzahl der Jugendlichen und aus ökonomischen            muss jedoch den Willen für diese Unterstützungsform
              Gründen hinsichtlich kommunaler Finanzierungen –            aufbringen.
              oft nur integrierte Konzepte realisieren, die eine klare
              Trennung zwischen Mobiler Jugendarbeit einerseits           Die Aufgaben Integration und Ausgleich sozialer
              und offener Jugendarbeit andererseits kaum zulassen.        Benachteiligung reichen bei weitem über die Zustän-
              Zuweilen nutzen die Adressat/innen auch beide Ange-         digkeit der Jugendhilfe hinaus. Auch andere Ressorts
              bote abwechselnd oder bewegen sich in beiden Feldern        wie insbesondere Arbeitsverwaltung, Sozialämter,
              gleichzeitig. Trotzdem liegt das Zielgruppenprofil          Polizei und Wirtschaft stehen für diese Entwicklungen
              Mobiler Jugendarbeit im Schwerpunkt bei sozial rand-        in der Verantwortung.

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              4.2 Ziele                                                    5 . Wer finanziert
              Mobile Jugendarbeit verfolgt das Ziel, die Lebenssituation
              dieser jungen Menschen nachhaltig zu verbessern und sie          Mobile Jugendarbeit?
              in ihrer Entwicklung zu fördern. Sie setzt dabei
              ■ an der Lebenssituation jeder/jedes Einzelnen an mit
                                                                           Die 94 Einrichtungen im Arbeitsfeld Mobile
                dem Ziel, individuelle Ressourcen zu erschließen,
                                                                           Jugendarbeit – mit 204 Mitarbeiter/innen auf
                Handlungsspielräume zu erweitern, die Persönlichkeits-
                                                                           164 Personalstellen – werden von 70 verschie-
                entwicklung zu fördern und bei der Alltagsbewältigung
                                                                           denen Trägern geführt, davon 31 öffentliche
                zu unterstützen
                                                                           und 39 freie Träger. Die Finanzierung setzt sich
              ■ an der spezifischen Situation von Cliquen und Gleich-
                                                                           bei nahezu allen Trägern aus verschiedenen
                altrigengruppen an mit dem Ziel, gruppenbezogene
                                                                           Mitteln zusammen: Landesförderung durch das
                Lernprozesse solidarischen Handelns und gegenseitiger
                                                                           Sozialministerium (das Land Baden-Württemberg
                Unterstützung auszulösen und zu begleiten
                                                                           fördert derzeit jährlich etwa 130 Stellen in etwa
              ■ an den strukturellen Lebensbedingungen an mit dem
                                                                           70 Projekten mit einer Gesamtfördersumme von
                Ziel, die Rahmenbedingungen, die die jungen Men-
                                                                           etwa 1 Million Euro pro Jahr), Mittel der Land-
                schen vorfinden, zu verbessern.
                                                                           kreise und Kommunen, Eigenanteile der freien
              Dabei geht es u.a. darum,                                    Träger, kirchliche Zuwendungen, Spenden,
              ■ ihr Selbstbewusstsein zu stärken,                          Sponsoring, Bußgelder, Projektmittel sowie
              ■ mit ihnen neue Ideen zu entwickeln, wie ihr Leben          Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds.
                „besser“ gelingend verlaufen könnte
              ■ ihnen neue Erfahrungen zu ermöglichen, aus denen
                heraus sie neue Verhaltensweisen lernen und entwickeln
                können
              ■ ihnen Möglichkeiten für Treffen und Freizeitaktivitäten
                zu schaffen
              ■ mit ihnen Wege aus riskantem oder verfestigtem
                Konsum von Drogen zu entwickeln,
              ■ ihnen bei der Bewältigung von Konflikten in ihrer
                Familie oder Beziehung zu helfen
              ■ mit ihnen Wege aus dem Erleiden oder Ausüben von
                Gewalt zu finden
              ■ Wohnraum zu finden oder ihre Wohnsituation zu
                verbessern
              ■ sie (in Kooperation mit der Jugendhilfe im Strafver-
                fahren und der Bewährungshilfe) bei der Bewältigung
                von Strafverfahren zu unterstützen
              ■ ihnen bei der Bewältigung von schulischen Problemen
                oder des Ausschlusses aus der Schule zu helfen
              ■ sie bei der Berufsorientierung und der Suche von
                Arbeits- und Ausbildungsplätzen zu unterstützen
              ■ sie bei der Regulierung von Schulden zu begleiten
              ■ ihnen Zugang zu bestehenden Angeboten der Jugend-
                hilfe zu vermitteln und ihre sozialen Netzwerke auszu-
                bauen
              ■ sie bei der Bewältigung verschiedenster Anforderungen
                des Alltags (etwa Behördenkorrespondenz,
                Bewerbungen) zu unterstützen.

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              6. Wen erreicht Mobile Jugendarbeit?
              Die Mobile Jugendarbeit richtet sich an gesellschaft-      ■ Sexueller Missbrauch, Vergewaltigung
              lich, sozial und familiär benachteiligte Jugendliche und   ■ Gewalterfahrungen (als Täter und Opfer)
              junge Erwachsene beiderlei Geschlechts. Häufig haben       ■ Probleme bei der Verselbstständigung
              junge Menschen, deren subjektive und objektive
              Lebensperspektiven verstellt und oft aussichtslos sind,    6.1 Altersgruppen
              der Arbeitswelt, der Schule und teils auch ihren
              Familien den Rücken gekehrt. Konventionelle Ange-          Vermehrt sind auch junge Menschen unter 14 Jahren
              bote vor Ort erreichen diese Jugendlichen nicht oder       auf der Straße anzutreffen. Außerdem nehmen junge
              nur unzulänglich. Die Verlagerung des Lebensmittel-        Menschen zwischen 21 und 26 Jahren die Unterstüt-
              punktes auf die Straße ist verbunden mit dem Risiko        zung durch Mobile Jugendarbeit zunehmend in
              einer biografischen Weichenstellung in Richtung eines      Anspruch. Hierbei stoßen die Mitarbeiter/innen
              gesellschaftlichen und sozialen Abstiegs. Streetwork       bezüglich der Hilfeleistungen an besondere Grenzen.
              ermöglicht den Zugang zu diesen Jugendlichen und           Die jungen Menschen befinden sich häufig in einem
              jungen Erwachsenen und bildet den Ausgangspunkt            Hilfevakuum. Hilfen zur Erziehung sollen nur in Aus-
              für vielfältige Unterstützungsleistungen für Einzelne      nahmefällen gemäß § 41 SGB VIII/KJHG erfolgen.
              und Gruppen. Gleichzeitig richtet Mobile Jugend-           Es muss hier nachgewiesen werden, dass der junge
              arbeit den Blick immer auch auf das Gemeinwesen, um        Volljährige aufgrund der individuellen Situation
              die Lebensbedingungen für junge Menschen in ihrem          Unterstützung benötigt, die in der Regel bis zur
              Lebensumfeld zu verbessern.                                Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt wird. In den
                                                                         Übergangsphasen der Vollendung des 18. Lebensjahres
              Der Alltag vieler Adressatinnen und Adressaten der         sowie der Vollendung des 21. Lebensjahres kommt es
              Mobilen Jugendarbeit ist durch verschiedene belasten-      häufig zu langen Bearbeitungsphasen der Einzelfälle
              de oder ausgrenzende Faktoren gekennzeichnet:              in den Jugendämtern und eine Anschlussfinanzierung
                                                                         kann zunächst oft nicht sichergestellt bzw. gewähr-
              ■ Migrationserfahrung/Migrationshintergrund                leistet werden, obwohl die Jugendhilfe bezüglich der
              ■ Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen oder kulturellen     §§ 67ff SGB XII bei Konkurrenz der Leistungstat-
                Gruppen oder Szenen, die als Randgruppen                 bestände vorrangig zu bewerten ist. Hier müsste wei-
                ausgegrenzt werden                                       terhin an fließenden Übergängen gearbeitet werden,
              ■ Unregelmäßiger (oder gar kein) Schulbesuch               damit Engpässe vermieden werden können.
              ■ Schulverweise, auch zum wiederholtem Male
                                                                         Des Weiteren ist festzustellen, dass die Angebote der
              ■ Keine Ausbildungsangebote, Arbeitslosigkeit
                                                                         Jugendhilfe und des SGB XII nicht sonderlich passend
              ■ Armut
                                                                         für diese Zielgruppe erscheinen. Hier ist es dringend
              ■ Geringe Unterstützung durch das Elternhaus
                                                                         erforderlich, dass neue, niedrigschwellige Hilfeange-
              ■ Keine verlässlichen zwischenmenschlichen
                                                                         bote gefunden werden, die auch durch die Jugendhilfe
                Beziehungen
                                                                         beziehungsweise als Leistung nach dem SGB XII
              ■ Hausverbote im Jugendhaus und in anderen
                                                                         finanziert werden können.
                Freizeiteinrichtungen
              ■ Arrest- und Hafterfahrung                                6.2 Zentrale Themen der
              ■ Konflikte mit Autoritätsträgern und in der
                                                                             Zielgruppen
                Öffentlichkeit
              ■ Wohnungslosigkeit                                        Im Folgenden werden zentrale Themen der jungen
              ■ Drogenkonsumerfahrung                                    Menschen näher beschrieben, mit denen die Mitarbei-
              ■ Medikamentenmissbrauch                                   ter/innen der Mobilen Jugendarbeit landesweit kon-
              ■ Alkoholmissbrauch                                        frontiert sind. Dabei sind die Jugendlichen nicht
              ■ Verschuldung                                             gleichzeitig von allen Faktoren betroffen.

                                                                                                                           15
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                   Nationalität der Zielgruppen der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart
                                             im Jahr 2003

                                                                       2,25% Albanien
                          16,11% Andere
                                                                                                37,33% Deutschland

       23,67% Türkei

                    2,52% Kroatien                                                           3,49% Griechenland

                                                                        9,50% Italien
                                      5,13% Jugoslawien

                                                                                             n = 2479 Jugendliche

              Migrationshintergrund
                                                                      wachsen/junge Menschen verschiedener ethnischer
              Es gibt keine einheitliche Gruppe von Jugendlichen      Zugehörigkeiten,
              mit Migrationshintergrund. Es lassen sich vielmehr    ■ Jugendliche mit Migrationshintergrund, aber
              verschiedene Gruppen von Migrantinnen und               deutscher Staatsbürgerschaft,
              Migranten unterscheiden:                              ■ Flüchtlinge/Asylbeantragende/Menschen mit
                                                                      ungeklärtem Aufenthaltsstatus, Duldungsstatus
              ■ Kinder zugewanderter Arbeitnehmer/Jugendliche,        oder gewährtem Asylstatus,
                die mit Migrationshintergrund in Deutschland auf-   ■ Spätaussiedler/innen.

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              Für die verschiedenen Gruppen gelten unterschiedliche       satzleistungen sind in der Regel sehr niedrig und es
              gesetzliche Bestimmungen für Einreise, Aufenthalt,          muss zusätzlich Sozialhilfe in Anspruch genommen
              Beendigung des Aufenthalts und Partizipationsmög-           werden.
              lichkeiten an sozialen Leistungen der Bundesrepublik
              Deutschland. Um Jugendliche gezielt unterstützen zu         Wohnungslosigkeit
              können, sind umfassende Kenntnisse über die rechtli-
              chen Grundlagen und kulturellen Hintergründe erfor-         Viele Jugendliche, die sich vom Elternhaus bereits
              derlich. Manche Jugendliche sind direkt von Abschie-        entfernt haben oder aus Jugendhilfeeinrichtungen
              bung bedroht und befinden sich somit in besonders           geflüchtet sind, haben keinen stabilen Wohnsitz. Ihre
              unsicheren Lebenssituationen. Viele Jugendliche mit         materielle Existenzsicherung ist nicht gewährleistet.
              Migrationshintergrund erleben Spannungen zwischen           Niedrigschwellige Notschlafstellen für junge Menschen
              dem kulturellen Hintergrund ihrer Herkunftsfamilie          existieren selten. Die Mobile Jugendarbeit wird hier
              und den in Deutschland geltenden Normen.                    häufig um Hilfe angefragt, um einerseits kurzfristig
                                                                          Übernachtungsmöglichkeiten zu schaffen und
              Häufig benötigen junge Menschen aufgrund sprach-            andererseits langfristig gemeinsam mit dem Jugendamt
              licher Defizite Unterstützung in der Schule, Begleitung     beziehungsweise dem Sozialamt für eine Unterkunft
              bei Besuchen in Ämtern oder bei der Suche nach Aus-         zu sorgen.
              bildungsplätzen. Mädchen brauchen dabei andere Un-
              terstützung als Jungen. Streetworker/innen bemühen          Soziale Integration und Delinquenz
              sich auf Wunsch von Mädchen auch um den Kontakt
              zur Herkunftsfamilie, um sie in ihrer eigenen Berufs-       Viele Jugendliche, die als Zielgruppe der Mobilen
              findung zu unterstützen. Jugendliche, deren Familie         Jugendarbeit beschrieben werden, sind nur unzurei-
              über keine Arbeitserlaubnis verfügt, sind besonders         chend in Schule, Berufsleben, Vereine und Freizeit-
              von Armut und Ausgrenzung betroffen. Ist der Auf-           gestaltung in ihrem Gemeinwesen integriert. Sie stehen
              enthaltsstatus zudem noch ungeklärt und unterliegen         aufgrund ihrer schlechten Schulleistungen, persönlicher
              sie einer Duldung, so besteht keine Schulpflicht.           Überschuldung, Kriminalität oder Konsum von Be-
                                                                          täubungsmitteln bereits am Rande der Gesellschaft.
              Belastungen der Herkunftsfamilien                           Die Jugendlichen und ihre Familien erfahren durch die
                                                                          Mehrheitsbevölkerung häufig Ausgrenzungen (auch
              Häufig sind beide Eltern berufstätig oder ein Elternteil    und insbesondere Spätaussiedler). Sie wohnen in
              ist allein erziehend und mit vielfältigen eigenen Proble-   Problemvierteln und beengten Wohnverhältnissen.
              men konfrontiert, etwa mit Suchtproblematiken oder
              Arbeitslosigkeit. Sie haben weniger Zeit, sich ihren        Mobile Jugendarbeit erreicht männliche Jugendliche,
              Erziehungsaufgaben zu widmen. Viele junge Menschen          die durch Schwierigkeiten mit Polizei und Justiz
              unter 16 Jahren verbringen einen Großteil ihrer Zeit        auffallen, bereits strafrechtlich verurteilt sind, unter
              auf der Straße. Die Familiensituation lässt wenig           gerichtlichen Weisungen oder Bewährungsauflagen
              Raum, um die Jugendlichen bei der Bewältigung ihres         stehen oder bereits Haftstrafen verbüßt haben. Manche
              Alltags zu unterstützen. Die konstruktive Konflikt-         zählen zu den so genannten jugendlichen Intensiv-
              bewältigung in diesen Familien ist oft schwach ausge-       tätern. Andere Jugendliche fallen durch aggressives
              prägt. Konflikte zwischen den Personensorgeberech-          Auftreten, Ausgrenzung aus bestehenden Einrich-
              tigten und den Jugendlichen eskalieren schneller,           tungen und Angeboten sowie Gewaltbereitschaft auf,
              so dass die Jugendlichen in akuten Krisensituationen        erfahren häufig auch selbst Gewalt in ihren eigenen
              häufig von zu Hause fliehen und sich weigern,               Familien oder in ihrer Peergroup. Manche Jugendliche
              dorthin zurückzugehen.                                      wenden auch Gewalt gegen sich selbst, zu nennen sind
                                                                          hier autoaggressive Verhaltensweisen oder Essstörungen.
              Der Lebensstandard der Familien liegt im Allgemeinen
              deutlich unter dem Durchschnitt der Bevölkerung.            Konsum legaler und illegaler Drogen
              Fehlende Schul- und Berufsqualifikationen ermög-
              lichen nur ein sehr geringes Einkommen. Die Gefahr,         Die meisten Jugendlichen, die durch Mobile Jugend-
              in die Arbeitslosigkeit abzugleiten, ist hoch. Lohner-      arbeit unterstützt und begleitet werden, sind mit einer
                                                                                                                                 17
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              Vielzahl von Drogen mit unterschiedlichen Wirkungen      beratungsstellen haben aber häufig wenig Erfahrung in
              und Gefahren konfrontiert, verbunden mit verschie-       der Beratung von Jugendlichen. Die Wartezeiten sind
              densten Risiken von gesundheitlicher Beeinträchtigung    für Jugendliche extrem lang (vier bis sechs Monate).
              oder Abhängigkeit. Zum Teil hat sich eine Abhängig-      Aufgrund der relativ geringen Verschuldungssumme
              keit von Alkohol oder anderen Drogen bereits verfes-     der Jugendlichen besteht im Vergleich zu den sonstigen
              tigt und zieht vielfältige Probleme in ihren sozialen    erwachsenen hoch verschuldeten Klienten zunächst
              Beziehungen und bei der Integration in die Arbeits-      auch weniger Handlungsbedarf. Mobile Jugendarbeit
              welt nach sich.                                          leistet deshalb Beratung und individuelle Unterstüt-
                                                                       zung, um die angefallenen Schulden mit den Jugend-
              Bildungsbenachteiligung                                  lichen zu regulieren.

              Die PISA–Studie belegt, dass Kinder und Jugendliche      Negatives Selbstbild
              aus sozial benachteiligten Familien über schlechtere
              Bildungschancen verfügen und keine Chancengleich-        Mädchen und Jungen sehen sich mit hohen gesell-
              heit für eine Teilhabe an der Gesellschaft für diese     schaftlichen Anforderungen konfrontiert. Mitarbei-
              Jugendlichen besteht. Schüler/innen und Auszubilden-     ter/innen der Mobilen Jugendarbeit berichten, dass die
              de mit mittleren bis schlechten Schulleistungen bitten   Jugendlichen und jungen Erwachsenen, mit denen sie
              Mitarbeiter/innen der Mobilen Jugendarbeit um Un-        arbeiten, es zumeist als persönliches Versagen erleben,
              terstützung bei den Hausaufgaben, beim Lernen für        wenn sie diesen Anforderungen aus ihrer Sicht nicht
              Klassenarbeiten und auch um Hilfen bei der Erstellung    gerecht werden können. Ihr Selbstwertgefühl ist häufig
              von Bewerbungsunterlagen. Sie erfahren bei Schwie-       gering, auch bezogen auf die Geschlechterrollenerwar-
              rigkeiten in der Schule kaum Unterstützung durch das     tungen. Mit geschlechterdifferenzierenden Ansätzen
              Elternhaus. Die Abschlusszeugnisse sind oft entspre-     kann das Selbstwertgefühl gesteigert und ein positives
              chend schlecht und bieten nur geringe Chancen auf        Selbstbild gefördert werden.
              dem Arbeitsmarkt. Die Agentur für Arbeit bietet
              bislang wenige Möglichkeiten, diese Jugendlichen bei     Besondere Ausgrenzungen
              der Arbeitssuche zu unterstützen.
                                                                       Die Mobile Jugendarbeit hat in den verschiedenen
              Mobile Jugendarbeit begleitet auch Jugendliche, die      Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg
              die Haupt- oder Förderschule ohne Abschluss ver-         Kontakt zu Cliquen und Szenen, die in ihrem Umfeld
              lassen, auch nach dem Absolvieren eines berufsvor-       als extrem „auffällig“, „schwierig“ und „unerreichbar“
              bereitenden Jahres (BVJ). Diese Gruppe bedarf einer      stigmatisiert werden und isoliert sind, beispielsweise
              besonderen Unterstützung. Für Jugendliche ohne           ■ Jugendliche und junge Erwachsene mit „Straßen-
              Schulabschluss gibt es nahezu keine Ausbildungsmög-         karrieren“, die bereits im Alter zwischen 14 und 16
              lichkeiten und sie haben sehr geringe Chancen am            Jahren ihre Familien oder Jugendhilfeeinrichtungen
              Arbeitsmarkt. Manche Jugendliche können in Fern-            sowie Schulen verlassen haben und ohne festen
              schulprojekten den Schulabschluss nachholen. Die            Wohnsitz auf der Straße leben
              Plätze hierfür sind aber rar und die Kosten werden       ■ Cliquen und Szenen von jungen Spätaussiedlern
              nicht immer von der Jugendhilfe übernommen. Für          ■ rechtsextrem orientierte Jugendliche.
              die Zielgruppen der Mobilen Jugendarbeit fehlt es
              insgesamt an alltagsorientierten Arbeitsmöglichkeiten.   Mit dem Arbeitsansatz der Mobilen Jugendarbeit ist
                                                                       es möglich, zu diesen besonders ausgegrenzten jungen
              Überschuldung                                            Menschen einen tragfähigen Kontakt aufzubauen und
                                                                       umfangreiche Unterstützung durch Angebote für Ein-
              Die Mitarbeiter/innen der Mobilen Jugendarbeit           zelne sowie Cliquen und Gruppen anzubieten, um die
              berichten, dass auch Jugendliche ihrer Zielgruppen von   Chancen für eine Integration zu verbessern.
              Überschuldung betroffen sind. Ein früher Eingriff in
              Schuldenkreisläufe ist notwendig, um einer Multi-
              plizierung der Problematik vorzubeugen. Schuldner-

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              7. Arbeitsformen der Mobilen Jugendarbeit
              Um ihre Ziele zu erreichen, spielen für alle Einrich-
              tungen der Mobilen Jugendarbeit diese vier Arbeits-          Arbeitsformen der Mobilen Jugendarbeit –
              formen eine zentrale Rolle. In welchem Umfang die            im Überblick:
              verschiedenen Arbeitsformen von den Mitarbeiter/
                                                                           • Streetwork
              innen eingesetzt werden, wird jeweils nach den
                                                                           • Individuelle Beratung und Unterstützung
              aktuellen Bedarfen der jungen Menschen entschieden.
                                                                           • Angebote für Cliquen und Gruppen
              Einige typische Inhalte und Effekte werden im
                                                                           • Gemeinwesenorientierte Arbeit
              Folgenden beschrieben.

              7.1 Streetwork                                             arbeiter/innen die für ihre Arbeit notwendige Nähe zu
                                                                         den Jugendlichen, die sonst zumeist nur als störend,
              Inhalte                                                    auffällig oder gefährlich wahrgenommen werden. Die
                                                                         Jugendlichen können schrittweise eine vertrauensvolle
              Kontaktaufbau und -pflege sowie das ständige Vertie-       und tragfähige Beziehung zu ihnen aufbauen, können
              fen und Aktualisieren der Kenntnisse über die Lebens-      sie für Fragen und zur Unterstützung in Anspruch
              welt der Zielgruppen steht im Mittelpunkt von Street-      nehmen. Sie können erkennen: Da ist ein erwachsener
              work, bei der die Mitarbeiter/innen die jungen Men-        Mensch, der sie nicht verjagen will, weil sie Schmutz
              schen regelmäßig an ihren Orten und zu ihren Zeiten        machen oder laut sind, sondern einer, der sich dafür
              aufsuchen. Sie verhalten sich als Gäste und bieten bei     interessiert, wie es ihnen geht; einer, der nicht kommt,
              Bedarf dort direkt Beratung und Information an.            um ihnen zu sagen, was sie nicht dürfen, sondern mit
                                                                         ihnen neue Möglichkeiten erschließt; einer, der fest
              Über regelmäßiges Streetwork entwickeln die Mit-           Zeit für sie eingeplant hat, um ihnen zuzuhören und

                Selbstredend …
                Junge Erwachsene aus einer Punk-Szene über die Mobile Jugendarbeit

                „Also eigentlich greif` ich immer auf sie zurück, wenn   ja mal was anderes zu machen und halt auch mit den
                ich irgendwas brauche, wenn ich irgendwas nich´          Streetworkern also nicht nur irgendwie Probleme
                versteh oder irgendwie auf so `ner Basis.“               zu erzählen so – wie oft – und rumzudiskutieren,
                                                                         sondern mit denen mal einfach was zu machen,
                „Sie helfen mir halt bei Sachen, wo ich halt selber
                                                                         zu unternehmen so …“
                manchmal so nicht genau weiß, wie ich das erledigen
                soll, bei Ämtergängen (…)“                               „… , weil man kennt sich ja schon hier untereinander
                                                                         unter den Leuten, aber das ist halt so, dass man sich
                „weil ich halt auch irgendwie ja schon `n Haufen
                                                                         da in der Kneipe trifft […] und das läuft dann halt
                Schwachpunkte hab im Leben so und, ja, die Street-
                                                                         auch immer nur auf irgendwelches Partymäßige raus.
                worker erleichtern mir diese Schwachpunkte ein
                                                                         Bei den Aktionen der Mobilen Jugendarbeit, da lernt
                bisschen.“
                                                                         man manche Leute mal von ganz anderen Seiten
                „Das sind halt irgendwie so Aktionen, wo man halt        kennen, das ist echt krass! Eben, dass man sich mal so
                sonst einfach nicht so auf die Idee kommt, das mal zu    unterhält.“
                machen.“
                                                                         „Und es hat auch Spaß gemacht, irgendwie mit ein
                „Es hat mit Spaß gemacht mit den ganzen Leuten,          paar Leuten was zu machen und es hat einfach
                die man sonst einfach nur so sieht und meistens zum      irgendwie in der Gruppe die Zusammengehörigkeit
                Saufen geht, mal irgendwas richtiges zu machen,          gefördert, find ich.“

              20
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                Zum Beispiel …

                Es ist schon dunkel und bitterkalt, als wir zur Ein-    dringend einen Job. Wir verabreden einen Termin im
                kaufspassage kommen. Schon von weitem hören wir         Büro, um ihn zu beraten. Dann ist da noch Heinz,
                das Stimmengewirr mehrerer Jugendlicher. Groß ist       der seit einem halben Jahr im Betreuten Jugendwoh-
                das „Hallo“, als wir zu ihnen herantreten. Sie hatten   nen außerhalb des Stadtbezirks lebt. Wir freuen uns,
                uns schon erwartet. „Und? Wie geht’s? Alles klar?“      ihn einmal wieder zu sehen. Er erzählt, wie es ihm
                sind die Standardfloskeln, die uns begegnen. Schnell    geht und was er sich für die Zukunft vorgenommen
                wird deutlich, dass die Jugendlichen auch ernste        hat. Die Mädchen sprechen von den Neuigkeiten im
                Themen mit uns zu besprechen haben. Einige berich-      Stadtteil. Gerne würden sie mal wieder was unter-
                ten, dass sie von den Kollegen des Jugendhauses ein     nehmen mit uns. Nur sie, ohne die Jungs. Am näch-
                Hausverbot erhalten haben. Sie wollen, dass wir „ein    sten Tag können wir dies besprechen, teilen wir ihnen
                gutes Wort“ für sie einlegen, damit sie noch einmal     mit, bevor es allen zu kalt wird und sie in die
                eine Chance bekommen. Ein anderer erzählt, dass er      Straßenbahn einsteigen.
                ganz dringend Geld braucht und deswegen ebenso

              sich mit ihnen und ihrer Sicht der Dinge auseinander-     ■ Die Streetwork-Zeiten und Streetwork-Orte sind an
              zusetzen; einer, der sich mit ihnen um Antworten auf        das aktuelle Freizeitverhalten, die Treffpunkte und
              ihre Fragen bemüht, der Ideen hat.                          die Bedürfnisse der Jugendlichen angepasst
                                                                        ■ Die Mitarbeiter/innen machen ihre Funktion
              Effekte                                                     transparent
                                                                        ■ Die Mitarbeiter/innen verhalten sich als Gäste an
              Die Mitarbeiter/innen sind nicht selten die einzigen        den Trefforten der Jugendlichen
              Erwachsenen, mit denen die Jugendlichen einen trag-       ■ Begründete Interventionen behalten sie sich bei
              fähigen Kontakt haben. Sie sind für sie Zuhörer, Bera-      akuter Selbst- oder Fremdgefährdung vor
              ter, Übersetzer, Informationsgeber und Vermittler.        ■ Die Mitarbeiter/innen leisten niedrigschwellige
                                                                          Beratung sofort und an Ort und Stelle
              Die Jugendlichen erleben Wertschätzung und Interesse      ■ Die Mitarbeiter/innen werten die während der
              von einem Erwachsenen, können sich mit ihm ausein-          Streetworkzeiten gewonnenen Erkenntnisse über
              andersetzen in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit.        die Bedürfnisse der Jugendlichen regelmäßig und
              Die Mitarbeiter/innen übernehmen so oft die Funkti-         systematisch aus und planen auf dieser Grundlage
              on einer „Brücke“ zur Welt der Erwachsenen. Zugleich        die gemeinwesenorientierte Arbeit sowie Angebote
              gewinnen sie Erkenntnisse über die Lebenssituation          für Einzelne, Gruppen oder Cliquen.
              der Jugendlichen, ihre Ressourcen und Schwierigkei-
              ten, die ihnen helfen, die Jugendlichen angemessen        Strukturelle Standards
              unterstützen zu können, die sie aber auch in Prozesse
              der Planung oder Optimierung der sozialen Infra-          ■ Für Streetwork stehen finanzielle Mittel zur
              struktur einbringen können.                                 Verfügung.
                                                                        ■ Jede/r Mitarbeiter/in kann sich per Dienstausweis
              Fachliche Standards                                         ausweisen.

              ■ Die Mitarbeiter/innen kennen die Treffpunkte und        7.2 Individuelle Beratung
                Aufenthaltsorte von Jugendlichen (Plätze, Straßen-          und Unterstützung
                züge, Schulhöfe, Jugendhäuser, Kneipen...) und
                suchen sie regelmäßig dort auf                          Inhalte
              ■ Wenn die Jugendlichen es wollen, suchen die Mitar-
                beiter/innen sie auch zu Hause oder in anderen          Die Mitarbeiter/innen bieten Hilfen zur Lösung aller
                Stadtteilen auf                                         individuellen Probleme an, die die Jugendlichen mit

                                                                                                                            21
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              ihnen bearbeiten wollen. Dies beinhaltet insbesondere       Die Begleitung der Mitarbeiter/innen der Mobilen
                                                                          Jugendarbeit bei wichtigen Ämtergängen, das gemein-
              ■ Beratung, die niedrigschwellig auf der Straße oder        same Vorbereiten von entscheidenden Gesprächen
                bei gemeinsamen Aktionen beginnt, aber auch               oder Telefonaten und das Herstellen eines Kontakts zu
                längere Gespräche im Büro umfassen kann                   anderen Institutionen sind oft ein wesentlicher Beitrag
              ■ Unterstützung und Begleitung, zum Beispiel bei            für die weiteren Zukunftsperspektiven randständiger
                Fragen der Ausbildungs- oder Wohnungssuche oder           Jugendlicher. Die vielfältigen Formen der individuellen
                beim Zugang zu institutionellen Hilfeangeboten            Unterstützung durch Mobile Jugendarbeit tragen
              ■ Vermittlung und Herstellung von Kontakt zu                maßgeblich dazu bei, dass diese Ausbildungs- oder
                bestehenden Hilfeangeboten, die darauf abzielen,          Arbeitsstellen erhalten, Wohnungen finden, massive
                diese für die jungen Menschen (eventuell wieder)          Konflikte in der Familie bewältigen können, nicht von
                nutzbar und zugänglich zu machen.                         der Schule verwiesen werden, sich psychisch wieder
                                                                          stabilisieren, den Ausstieg aus einer kriminellen Kar-
              Form und Inhalt dieser Hilfen und Unterstützungs-           riere finden, ihr riskantes Alkohol- oder Drogenkon-
              leistungen für Einzelne sind vielfältig und folgen keiner   sumverhalten verändern oder den Zugang zu einer
              festen Ablaufstruktur. Der zeitliche Umfang kann je         Therapie oder anderen Hilfeangeboten finden. Nicht
              nach Bedarf zu bestimmten Zeiten wenige Minuten             selten gerät dadurch das gesamte Szene- und Familien-
              oder einige Stunden pro Woche umfassen. Zeitliche           umfeld – Freund/innen, Eltern, Geschwister – in
              Flexibilität, verlässliche Erreichbarkeit durch feste       Bewegung und beginnt ebenfalls, individuelle Beratung
              Bürozeiten, Anrufbeantworter und Mobiltelefon               und Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
              sowie die Vernetzung mit allen Institutionen, die für
              die Jugendlichen hilfreich sein können, sind wichtige       Fachliche Standards
              Anforderungen zur Realisierung dieser Hilfen.
                                                                          ■ Jede/r Jugendliche hat das Recht auf Beratung – und
              Effekte                                                       das Recht, Beratung abzulehnen
                                                                          ■ Das erste Beratungsgespräch erfolgt entweder sofort
              Oft gibt es einen fließenden Übergang von Gesprächen          oder wird verbindlich innerhalb von wenigen Tagen
              auf der Straße oder am Rande von Gruppenangeboten             vereinbart
              zu intensiven Beratungsgesprächen, an deren Ende            ■ Krisengespräche erfolgen sofort
              konkrete Veränderungspläne stehen können („Ich              ■ Die Mitarbeiter/innen sind zeitlich so flexibel, dass
              möchte an meinem Drogenkonsum etwas ändern.“;                 sie bei Bedarf kurzfristig mehrere Stunden am Stück
              „Ich möchte einen festen Wohnsitz haben.“; „Ich               für die Begleitung und Unterstützung Einzelner
              möchte mich gegen die Gewalt meines Freundes                  investieren können
              wehren können.“; „Ich möchte nicht aus der Schule           ■ Die Orte der Beratung werden gemeinsam festgelegt
              fliegen.“). Häufig bildet auch der Wunsch nach kon-         ■ Jede/r Jugendliche kann sich die/den Berater/in
              kreten Serviceleistungen („Kannst Du mir diesen Brief         aussuchen
              erklären?“; „Könnt Ihr mir helfen, eine Bewerbung zu        ■ Die Mitarbeiter/innen sind zunächst für alle
              schreiben?“) den Ausgangspunkt für eine umfassende            Themenbereiche der Jugendlichen zuständig
              Beratung, bei der die Jugendlichen die Sichtweise und       ■ Die Weitervermittlung an Fachdienste erfolgt bei
              Einschätzung einer neutralen Vertrauensperson suchen.         Notwendigkeit in Absprache mit der/dem Jugend-
              Auch junge Menschen, die Hinweise von Erwachsenen             lichen. Die Mitarbeiter/innen stehen weiterhin als
              sonst eher grundsätzlich ablehnen, begegnen hier              Ansprechpartner/innen zur Verfügung.
              kritischen Nachfragen der Mitarbeiter/ innen meist
              konstruktiv und können ermutigt werden, trotz auf-          Strukturelle Standards
              tretender Widerstände Ziele weiterhin zu verfolgen.
              Manchmal wenden sich Jugendliche in akuten Krisen-          ■ Für die Beratung steht ein störungsfreier und gut
              situationen aber auch plötzlich an die Mitarbeiter/           erreichbarer Raum zur Verfügung
              innen, die sie vorher nur „von weitem“ kannten.             ■ Für die individuelle Unterstützung und Beratung
                                                                            stehen finanzielle Mittel zur Verfügung

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                Zum Beispiel …
                Lydia ist 20 Jahre alt. Ein früher verabredetes            men. Ihre Probleme sind dicht ineinander verwoben.
                Gespräch mit mir ist nicht zustande gekommen. Jetzt        In der konkreten Situation des Kontaktes findet sie
                steht sie in sehr aufgelöstem Zustand vor mir. Sie         Entlastung, vielleicht nur kurzfristig, doch genug,
                entschuldigt sich und es ist ihr peinlich, dass sie beim   um sich mehrfach dafür zu bedanken. Sie hat zwar
                letzten Mal nicht kam. Sie fragt, ob sie rauchen dürfe.    einige Freunde und Freundinnen, doch sie möchte sie
                Dann erzählt sie. Sie wisse nicht, wo sie anfangen         nicht zu stark mit ihren Dingen belasten. Sie ist eine
                soll, es sei so viel passiert. Sie würde derzeit nichts    Einzelkämpferin und dafür wird es in ihrer Biografie
                mehr auf die Reihe kriegen. Dauernd kämen Rech-            viele Gründe geben. Lydia braucht praktische Hilfe-
                nungen und der alte Vermieter drohe massiv wegen           stellungen, um Briefe und Bewerbungen zu schreiben.
                noch ausstehender Mietzahlungen. Vor kurzem                Dies biete ich an und einen Brief fassen wir sofort ab.
                wurde ihr gekündigt. Zum Arbeitsamt wolle sie              Sie braucht vor allem ein intakteres Umfeld, vertrau-
                nicht, lieber selbst Arbeit suchen, erst mal als Bedie-    ensvolle Beziehungen, in denen sie sich angenommen
                nung arbeiten, da habe sie Erfahrung. Immer diese          fühlt und in denen sie ohne Angst und Scham erzählen
                Geldsorgen und außerdem nehme sie Drogen, auch             kann. Daher wird es in der zukünf-tigen Beratung
                harte, doch habe sie sich derzeit diesbezüglich unter      bei uns darum gehen, dieses Thema zu bearbeiten, sie
                Kontrolle. Dann plötzlich quellen ihr die Augen über       auch zu ermutigen, therapeutische Hilfen nicht aus-
                und sie schluchzt zusammenfallend in sich hinein.          zuschließen. Lydia kommt zweimal. Sie wohnt
                „Letzte Woche ist ein guter Freund von mir gestorben,      gerade bei einem Freund. Einen Job als Bedienung
                ganz plötzlich. Wir hatten nichts miteinander, doch        hat sie gefunden. Es gehe ihr jetzt „einigermaßen“,
                wir kennen uns schon seit Jahren. Ich kenne auch sei-      so nennt sie es. Sie lächelt, ihre Augen sind ange-
                ne Freundin und jetzt ist er tot! Er war krank und hat     schwollen und müde. Sie fragt, ob sie sich wieder
                es niemandem gesagt. Es ist so furchtbar“. Lydia           melden dürfe. Wir schauen uns an und ich sage:
                macht den Eindruck, als sei sie ganz unten angekom-        „Natürlich, das darfst du.“

              ■ Eine adäquate technische Ausstattung wie etwa              tretenden Schwierigkeiten beziehen. Gruppenangebote
                Anrufbeantworter, PC mit Internetzugang,                   und Cliquenberatungen können sowohl als langfristig
                Mobiltelefon und Faxgerät ist vorhanden.                   geplante und intendierte Bildungsprozesse als auch als
                                                                           kurzfristige, schnelle Kriseninterventionen erfolgen.
              7.3 Angebote für Cliquen
                  und Gruppen                                              Effekte

              Inhalte                                                      Angebote für Gruppen und Cliquen bieten Möglich-
                                                                           keiten für soziales Lernen und die Förderung jedes
              Ausgehend von der Annahme, dass Cliquen für                  Einzelnen. Konflikte konstruktiv auszutragen,
              Jugendliche Entwicklungschancen bieten, unterstützen         gemeinsam Probleme zu lösen, aufeinander Rücksicht
              die Mitarbeiter/innen Cliquen insbesondere bei der           zunehmen und sich gegenseitig zu unterstützen, sind
              Suche nach Treff- und Aktionsmöglichkeiten. Ange-            Schlüsselprozesse bei diesen Angeboten.
              bote für Cliquen und Gruppen sollen statt Belehrungen
              alternative Erfahrungen und das Entwickeln sozialer          Wenn Cliquen unterstützt werden, ihre Interessen zu
              Kompetenzen ermöglichen und den Jugendlichen so              verfolgen, erfahren Jugendliche, dass sie Teil einer
              neue Handlungsoptionen erschließen. Möglich ist dies         Gemeinschaft sind, auf die sie Einfluss nehmen kön-
              insbesondere durch erlebnispädagogische Tagesak-             nen. Sie fühlen sich von der Erwachsenenwelt ernst
              tionen und Kurzfreizeiten, in themenspezifischer             genommen und erleben Erwachsene dann als verläss-
              Gruppenarbeit oder Jugendkulturprojekten. Angebote           liche Partner, mit denen sie verbindliche Absprachen
              für Cliquen können sich aber auch auf deren Begleitung       treffen, die sowohl für sie als auch für die Partner ein
              im öffentlichen Raum und auf deren Beratung bei auf-         gehöriges Maß an Rechten und Pflichten bedeuten.

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