Gesund ins Leben begleiten - Handlungsempfehlung zum Thema Impfen für Hebammen

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Gesund ins Leben begleiten - Handlungsempfehlung zum Thema Impfen für Hebammen
Gesundheitsziel: Erreichen eines altersgerechten Impfstatus bei über 90 % der Bevölkerung

Gesund ins Leben begleiten
Handlungsempfehlung zum Thema Impfen für Hebammen

Mit der Schwangerschaft beginnt    des Neugeborenen konfrontiert
für die werdenden Eltern eine      und von den Eltern auf dem Weg
schöne und aufregende Zeit.        zur Entscheidungsfindung um
In dieser besonders sensiblen      Rat gebeten.
Phase setzen sie sich mit vielen
Fragen, die eigene und die Ge-
sundheit des Kindes betreffend,    Herausforderung Impfen
auseinander. Dabei stehen sie
häufig einer Flut an Informatio-   Impfungen gehören zu den
nen und Ratgebern gegenüber,       wirksamsten und wichtigsten
die sie verunsichern und gleich-   medizinischen     Maßnahmen.
zeitig überfordern können. Umso    Moderne Impfstoffe sind gut
wichtiger ist die professionelle   verträglich; bleibende gravie-   ist, dass sich Impfungen von
Begleitung und Unterstützung       rende unerwünschte Arznei-       anderen ärztlichen Eingriffen
durch die Hebamme. Sie steht       mittelwirkungen werden nur in    unterscheiden. Zum einen zie-
vor und nach der Geburt, zum       sehr seltenen Fällen beobach-    len sie nicht nur auf den Nutzen
Teil bis zum Ende des ersten       tet. Trotzdem wird die Notwen-   des Einzelnen, sondern auch
Lebensjahres des Kindes neben      digkeit von Schutzimpfungen      auf den Schutz der Bevölke-
Frauen-, Haus- und Kinderarzt      in unserer Gesellschaft immer    rung, zum anderen werden sie
als wichtige Ansprechpartnerin     wieder kontrovers diskutiert.    bei Gesunden durchgeführt. Es
zur Verfügung. Dabei wird sie      Nicht immer wird dem Thema       ist gerechtfertigt, beim Impfen
auch mit Fragen zum Impfschutz     dabei objektiv begegnet. Klar    besondere Sorgfalt zu fordern
                                                                    und strittige Punkte auch kri-
                                                                    tisch zu diskutieren. Doch un-
  Im Jahr 2015 kam es in Berlin zu einem der größten Masern-
  ausbrüche seit Einführung der Meldepflicht, in dessen Verlauf     bewiesene Behauptungen und
  ein ungeimpftes Kleinkind im Alter von 18 Monaten verstarb        Unterstellungen schaden mehr,
  und die höchste altersspezifische Inzidenz bei Säuglingen         als das sie Eltern helfen eine
  unter 1 Jahr zu verzeichnen war. Vor allem ungeimpfte Perso-      sachgerechte Entscheidung zu
  nen erkrankten. Der Krankheitserreger hatte seinen Ursprung       fällen.
  in Bosnien-Herzegowina, wo man bereits Anfang des Jahres
  2014 eine landesweite Infektion mit Masern beobachtete. An-       Damit die Menschen in Sach-
  gesichts des Ausbruchs in Deutschland wird die Gefahr des         sen-Anhalt vor Infektionskrank-
  Imports von Infektionskrankheiten im Kontext zunehmender
                                                                    heiten geschützt sind, hat sich
  Mobilität durch Migration und Reisen besonders deutlich. Un-
                                                                    das Land einen altersgerechten
  zureichende Impfquoten haben zu einer weiteren Ausbreitung
  der Masern beigetragen. Mit Einführung der Masern-Impf-           Impfstatus bei über 90% der
  pflicht am 01.03.2020 wird dieser Problematik nun begegnet.       Bevölkerung zum Gesundheits-
                                                                    ziel gesetzt. Insgesamt liegt die

                                         Handlungsempfehlung
Gesund ins Leben begleiten - Handlungsempfehlung zum Thema Impfen für Hebammen
Durchimpfungsrate bei Kindern         als medizinischer Standard.           che des Immunsystems von ei-
und Jugendlichen in unserem           Der jährlich erscheinende Impf-       nem schwerwiegenderen Krank-
Bundesland auf einem hohen            kalender veröffentlicht, in wel-      heitsverlauf auszugehen ist.
Niveau. Dies zeigen Daten der         chem Alter welche Impfung ver-        Außerdem ist zu bedenken, dass
Schuleingangs- und Schul-             abreicht werden sollte und wie oft    ein vollständiger Impfschutz erst
reihenuntersuchungen in den           bzw. in welchem Abstand geimpft       nach abgeschlossener Grund-
Klassenstufen 3 und 6. Der            wird, bis die Grundimmunisierung      immunisierung abhängig vom
Nachholbedarf ist regional sehr       abgeschlossen ist. Doch nicht al-     Alter des Kindes aufgebaut ist.
unterschiedlich und betrifft insbe-   le Kinder können gleichermaßen        Daher sollten insbesondere Ge-
sondere den Impfschutz gegen          von den Empfehlungen der STI-         schwister, Eltern sowie Personen
Pneumokokken, Rotaviren und           KO profitieren. Kinder mit Allergi-   mit engem Kontakt zum Säugling
Varizellen sowie die Inanspruch-      en oder Immundefekten können          geimpft sein. Eine Übertragung
nahme von Auffrischungsimpfun-        mitunter erst zu einem späteren       von Krankheitserregern kann auf
gen gegen Tetanus, Diphtherie         Zeitpunkt oder gar nicht geimpft      diese Weise reduziert werden.
und Pertussis. Wichtig ist die        werden. Deswegen sind sie ei-         Die Kosten für die von der STIKO
zeitgerechte Durchführung von         nem höheren Risiko gegenüber          empfohlenen Impfungen werden
Impfungen bzw. Auffrischungs-         Infektionskrankheiten ausgesetzt.     von der Gesetzlichen Kranken-
impfungen. Dies trifft im Be-         Hinzu kommt, dass im Falle einer      versicherung getragen.
sonderen auf die Mumps-Ma-            Erkrankung in Folge der Schwä-
sern-Röteln-Impfung zu. Ein
vollständiger Impfschutz sollte         Empfohlene Impfungen für alle Gesundheitsfachberufe
hier bis zum 24. Lebensmonat            Hepatitis A und B, Influenza, Masern, Mumps, Tetanus, Diphtherie,
aufgebaut sein. Abrechnungsda-          Pertussis (Keuchhusten), Poliomyelitis (Kinderlähmung), Röteln
ten der Kassenärztlichen Verei-         und Varizellen (Windpocken)
nigung zufolge verfügen in Sach-
sen-Anhalt in diesem Alter 74,4%        Die Kosten für beruflich indizierte Impfungen trägt der Arbeitge-
des 2014er Jahrgangs über die           ber. Eine selbstständige oder freiberufliche Hebamme ist damit für
erforderlichen zwei Impfungen.          Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes allein verant-
                                        wortlich. Sie trägt die dafür anfallenden Kosten selbst. In Deutsch-
                                        land besteht keine Impfpflicht. Eine individuelle Gefährdungsbe-
Die Bedeutung von                       urteilung des Arbeitsplatzes beziehungsweise der ausgeübten
Schutzimpfungen                         Tätigkeit bildet die Grundlage für berufsbedingte Impfempfehlun-
                                        gen. Besondere Regelungen gibt es seit dem 01.03.2020 für den
Die von der Ständigen Impfkom-          Masernschutz (Masernschutzgesetz). Demnach sind Personen in
mission (STIKO) empfohlenen             humanmedizinischen Heilberufen, dazu zählen Hebammen und
Schutzimpfungen gehören zu              Entbindungspfleger, verpflichtet, den Masernimpfschutz nachzu-
den effektivsten Maßnahmen              weisen. Eine Hebamme sollte bei ihrer Impfentscheidung stets be-
der modernen Präventivmedi-             denken, dass es hier nicht nur um den eigenen Schutz geht, son-
zin. Sie gelten in Deutschland          dern insbesondere auch um den des ihr anvertrauten Säuglings.

                                             Handlungsempfehlung
Gesund ins Leben begleiten - Handlungsempfehlung zum Thema Impfen für Hebammen
Der Impfschutz                      eine Hebamme den eigenen              y das Verhalten nach der
der Hebamme                         Impfschutz bei ihrer Arbeit be-         Impfung
                                    rücksichtigt.                         y die Notwendigkeit sowie
Auch Hebammen kommen                                                        Termine von Folge- und Auf-
während ihrer Arbeit in Berüh-                                              frischimpfungen.
rung mit Krankheitserregern.        Die Impfaufklärung
Im Erwachsenenalter können          des Arztes                            Zusätzlich haben sie die Pflicht,
Infektionen mit sogenannten                                               Patientinnen und Patienten bzw.
„Kinderkrankheiten“ lebensbe-       Die Impfaufklärung obliegt dem        Sorgeberechtigte über die Fol-
drohliche Ausmaße annehmen.         Arzt. Sie ist ein wichtiger Teil      gen einer unterlassenen Impfung
Auch wenn Bakterien und Vi-         der ärztlichen Impfleistung.          zu informieren. Diese Pflicht be-
ren nicht bei jedem Symptome        Aufklärungspflichten       gegen-     steht unabhängig von der per-
auslösen, aufgrund des engen        über zu impfenden Personen            sönlichen ärztlichen Auffassung
                                    beziehungsweise deren Sorge-          und möglichen subjektiven Be-
                                    berechtigten sind im Patienten-       denken oder Vorbehalten.
 Den beruflichen Infektions-        rechtegesetz geregelt. Damit
 schutz regeln:                     eine wirksame Einwilligungs-
 y Arbeitssicherheitsgesetz         erklärung abgegeben werden            Der Beitrag
 y Arbeitsschutzgesetz              kann, ist es ärztliche Pflicht, die   der Hebamme
 y Infektionsschutzgesetz           zu impfende Person oder den
 y Biostoffverordnung               anwesenden Elternteil bzw.            Die Hebamme sollte den Sor-
 y Verordnung zur arbeits-          Sorgeberechtigten über die zu         gen und Ängsten der Eltern im
    medizinischen Vorsorge          verhütende Krankheit und die          Kontext von Infektionskrankhei-
                                    Imfung aufzuklären. Dabei soll-       ten und Schutzimpfungen Ge-
                                    te der Arzt die Eltern über fol-      hör schenken und diese ermu-
Kontaktes mit Säuglingen, El-       gende Aspekte informieren:            tigen, ihre Fragen zu sammeln
tern und Schwangeren besteht        y die zu verhütende Krankheit         und beim nächsten Kinderarzt-
die Gefahr, dass gerade latent         und deren Behandlungs-             besuch vorzutragen. Sie sollte
vorhandene Bakterien und Viren         möglichkeiten                      dem Thema unabhängig von der
ungewollt übertragen werden.        y den Nutzen der Impfung              persönlichen Auffassung und
Eine Infektion mit z.B. Masern,     y die Kontraindikationen              möglichen subjektiven Beden-
Mumps oder Röteln kann der          y die Durchführung der Impfung        ken oder Vorbehalten begeg-
werdenden Mutter und/oder           y den Beginn und die Dauer            nen. Weiterhin kann sie auf die
dem ungeborenen bzw. neuge-            des Impfschutzes                   Empfehlungen der STIKO und
borenen Kind ernsthaft scha-        y mögliche unerwünschte               auf verschiedene Informations-
den. Um sich selbst und andere         Arzneimittelwirkungen und          materialien und Plattformen hin-
zu schützen, ist es wichtig, dass      Impfkomplikationen                 weisen. Da Eltern meist medizi-

                                           Handlungsempfehlung
Gesund ins Leben begleiten - Handlungsempfehlung zum Thema Impfen für Hebammen
nische Laien sind, sollten diese        ist. Daher sollten unverständ- y Eltern können zu einer
Materialien dem aktuellen Stand         liche Informationen immer                     Impfaufklärung einen Dol-
der Wissenschaft entsprechen            direkt hinterfragt werden.                    metscher heranziehen. Die
und dabei verständlich formu- y Die Impfaufklärung muss                               Kosten dafür müssen sie
liert sein. Die Bundeszentrale          immer mündlich erfolgen,                      ggf. selbst tragen.
für gesundheitliche Aufklärung          damit Eltern Raum für
(BZgA) stellt als unabhängi-            Rückfragen haben. Sie kann Eltern brauchen eine ideologie-
ge Institution Informationen in         durch ein Merkblatt ergänzt               befreite Impfberatung! Wenn-
leicht verständlicher Form sowie        werden. Eine Aufklärung                   gleich die Impfberatung allein
in Gebärdensprache zur Verfü-           durch ein Merkblatt allein ist im Kompetenzbereich des Imp-
gung (www.impfen-info.de).              unzulässig.                               fenden, also dem (Kinder-) Arzt,
Das Robert-Koch-Institut veröf- y Eltern können eine wertneu- liegt, tragen Ärzte und Hebam-
fentlicht den aktuellen Impfplan        trale Aufklärung von ihrem                men als Multiplikatoren im Ge-
in 20 Sprachen und ermöglicht           Kinderarzt erwarten, die                  sundheitswesen gleichermaßen
somit auch Familien mit Migrati-        umfassend über alle Vor-                  zu einem „Mehr“ an Gesundheit
onshintergrund einen Überblick.         und Nachteile der Impfung                 in Familien bei. Deshalb sieht
                                        informiert. Sie ist bei der               auch der professionelle Umgang
                                        Erstaufnahme des Kindes in mit Impffragen beiderseits davon
Das können Hebammen                     eine Kindertageseinrichtung ab, den eigenen Überzeugungen
Eltern unbedenklich                     nachzuweisen.                             im Rahmen von Patientenkon-
weitergeben                        y Im Gespräch mit dem                          takten Ausdruck zu verleihen.
                                        Kinderarzt sollten Eltern
y Eltern haben ein Recht auf            familiäre Hintergründe offen Die Neutralität der Aufklärung
    ärztliche Aufklärung, bevor         kommunizieren (z. B. ob                   ist die Basis einer individuellen
    sie in die Impfung ihres            Kontakt zu Menschen mit                   Impfentscheidung von Eltern
    Kindes einwilligen.                 Infektionsrisiko besteht).                zum Wohle ihres Kindes.
y Die Aufklärung muss „recht-
    zeitig“ vor der Impfung
    erfolgen, damit Eltern eine
    wohlüberlegte Entscheidung
                                    Weiterführende Informationen
    treffen können.
y Der Kinderarzt darf eine         Paul-Ehrlich-Institut - http://www.pei.de
    Impfaufklärung unmittelbar     Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte - http://www.bfarm.de
    vor der Impfung durchfüh-      Bundesinstitut für Risikobewertung - http://www.Bfr.Bund.de
    ren. Eltern dürfen dadurch
    jedoch nicht unter Druck       Herausgeber:
                                                           Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt e.V.
                                                           Druckerei Mahnert GmbH
    geraten, eine schnelle Ent-    Druck:
                                                           Seite 1 / 2- baby-17369 / small-children-3045208 - pixabay.com,
                                   Fotos:
    scheidung zu treffen.                                  Seite 3 LVG / 421948 RB by Andreas Morlok - Pixelio
                                   Erschienen:             2020
y Der Kinderarzt hat dafür Sor- Quelle:                    bei Herausgeber
    ge zu tragen, dass die Aufklä- Die Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt e.V. wird durch das Ministerium
    rung für Eltern verständlich   für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt gefördert.

                                                 Handlungsempfehlung
Gesund ins Leben begleiten - Handlungsempfehlung zum Thema Impfen für Hebammen
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