Gesundheit und Wohlergehen der Jugendlichen in Europa: Ein neuer Weg nach vorn?

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Gesundheit und Wohlergehen der Jugendlichen in Europa:
Ein neuer Weg nach vorn?

         Yann Dyèvre,
         Leiter der Abteilung Jugend, Volksbildung und Vereinsleben
         Hoher Kommissar für Jugend
         Paris, Frankreich

Eine der Prioritäten der französischen Präsidentschaft des Rates der
Europäischen Union im Jahre 2008 lag auf der Betonung des Verhältnisses von
„Gesundheit und Jugend“. Zahlreiche Staaten und Handlungsträger der
Europäischen Union untersuchen diese Problematik seit einigen Jahren, jedoch
hat diese bislang nicht zur Schaffung irgendeines Instruments der Gemeinschaft
geführt. Mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Resolution und der
Prämissen ihrer Umsetzung sollte die Frage der Gesundheit und des
Wohlergehens der europäischen Jugendlichen in den kommenden Jahren eine
neue Dimension annehmen.

Gesundheit und Wohlergehen der Jugendlichen: Die Kristallisation
einer europäischen Besorgnis

Dass das Thema Gesundheit und Wohlergehen der Jugendlichen auf die
Tagesordnung des Rates der Jugendminister der Europäischen Union gesetzt
wurde, ist das Ergebnis mehrjähriger Überlegungen.

Seit einiger Zeit haben sich zahlreiche Mitgliedsstaaten                                               spezifische
jugendpolitische Strategien in Sachen Gesundheit zugelegt.

Frankreich ist in dieser Hinsicht ein signifikanter Fall. Wenngleich dieses Land
(laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation) eine der höchsten
Lebenserwartungsraten über 60 Jahre aufweist, so sieht sie sich gleichermaßen
mit einer vermeidbaren erhöhten verfrühten Sterblichkeit konfrontiert. Nun
betrifft diese erhöhte Sterblichkeit aber vor allem Jugendliche, und der
diesbezügliche Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist für Frankreich
sehr unvorteilhaft, ob es um Unfälle, Suizide, aber auch um Gewalttaten oder
den Konsum legaler oder illegaler Substanzen geht. Dieser Belang der
öffentlichen Gesundheit führte 2004 zu einem Gesetz und danach, im Februar
2008, zu einem staatlichen Programm mit der Bezeichnung „Gesundheit der
Jugendlichen“, das im übrigen durch die Zusammenführung der Abteilungen
Jugend und Gesundheit in einem einzigen Ministerium gefördert wurde1 .

1
    Diese Zusammenführung erfolgte im Januar 2009 anlässlich der Schaffung eines Hohen Kommissars für Jugend mit
    interministerieller Dimension.

                                                                                                                   1/5
Dieses Programm unterscheidet sich von vorangehenden Experimenten insoweit,
dass es eine globale Politik mittels einer Koordination der Handlungsträger und
der Einbeziehung der einzelnen und vielfältigen Faktoren der Gesundheit
(Wohnung, Beschäftigung, Kultur, Sport, Bildung) anstrebt. Es verfolgt eine
doppelte Zielsetzung: Einerseits besserer Schutz der Jugendlichen, andererseits
deren verstärkte Heranziehung zur Verantwortung.

Im Übrigen sind die Gesundheit und das Wohlergehen der Jugendlichen in der
Europäischen Union seit langem als ständiger politischer Aufgabenbereich
erkannt worden. Die Jugendlichen sind eine der vornehmlichen Zielgruppen der
Gesundheits- und Präventionspolitik der Europäischen Union, insbesondere in
den Bereichen Alkohol, Drogen, Tabak, Verbraucherschutz, Ernährung,
HIV/AIDS und zunehmend in dem Bereich geistige Gesundheit. Angesichts
zunehmender Fettleibigkeit ist die Förderung einer besseren Ernährung und
sportlicher Aktivitäten Jugendlicher aktueller denn je. 2

Die Jugendlichen in der Gesundheitspolitik

Im Jahr 2007 hat die Europäische Kommission das Weißbuch „Gemeinsam für
die Gesundheit – ein strategischer Ansatz der EU für 2008-2013“ veröffentlicht,
das den Aktivitäten der Gemeinschaft einen kohärenten Rahmen im Bereich
Gesundheit und Wohlergehen geben soll. Im Zusammenhang eines alternden
Europas werden Maßnahmen geplant, um die Gesundheit der Kinder und
Jugendlichen zu fördern. Es geht darum, Maßnahmen in Bereichen wie Tabak,
Ernährung, Alkohol, geistige Gesundheit sowie, weiter gefasst, in den
sozioökonomischen und den Umweltschutz betreffenden Faktoren umzusetzen,
die sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Das Weißbuch besteht auf der
Notwendigkeit eines übergreifenden Ansatzes unter verstärkte Berücksichtigung
der Gesundheit in politischen Strategien wie der Lissabon-Strategie für
Wachstum und Beschäftigung und unter Hervorhebung des Zusammenhangs
zwischen Gesundheit und wirtschaftlichem Reichtum.

Die Gesundheit in der Jugendpolitik

Sämtliche Dokumente zum europäischen Kooperationsrahmen in Jugendfragen
haben die Gesundheit als einen wichtigen Faktor erkannt, der sich unmittelbar
auf die Fähigkeiten der Jugendlichen zur umfassenden Beteiligung an der
Gesellschaft auswirkt. In Ihrem Weißbuch für die Jugend vom 21. November
2001, dem Fundament der europäischen Politik im Jugendbereich, bezieht sich
die Kommission auf das Wohlergehen der Jugendlichen als eine wichtige
Bedingung     ihrer   sozialen   Integration   und      aktiven     Beteiligung.
Gesundheitsprobleme sind wie andere Probleme häufig komplex, sie behindern
das Wohlergehen und die Autonomie der Jugendlichen. So hat die Gesundheit
der Jugendlichen oder die damit zusammenhängenden Fragen wie Drogen,
Sexualität, Ernährung… Einfluss auf ihre Fähigkeit, sich in die Gesellschaft, die

2
    Weißbuch „Ernährung, Übergewicht, Adipositas: eine Strategie für Europa“, COM(2007) 279, und Weißbuch Sport,
    COM(2007) 391.

                                                                                                                   2/5
Bildung, die Beschäftigung etc. einzubringen. Während der der Veröffentlichung
des Weißbuchs vorausgehenden Konsultationen tauchte die klare Forderung
nach Aufklärung über Gesundheit und Verhütung auf. Man hob hervor, dass die
Gesundheitspolitik sich spezifischen Gesundheitsproblemen der Jugendlichen
zuwenden müsse, und dass mehr wissenschaftliche Untersuchungen, Statistiken
und Berichte über die Gesundheit der Jugendlichen verfasst werden sollten.

Die Mitteilung der Kommission vom 05. September 2007 mit dem Titel
"Förderung der umfassenden Beteiligung junger Menschen an Bildung,
Beschäftigung und Gesellschaft" stellt eine globale und sektorübergreifende
Analyse der Herausforderungen dar, denen die Jugendlichen in Europa
gegenüberstehen. Nach Aussage der Kommission wird die Beteiligung der
Jugendlichen an der Bildung, Beschäftigung und Gesellschaft durch die Armut,
die soziale Marginalisierung, die Diskriminierung und Gesundheitsprobleme
beeinträchtigt. Die Kommission unterstreicht, dass die Gesundheit ein
unverzichtbares Element für die umfassende Beteiligung bildet. Zahlreiche
Gesundheitsprobleme im Leben lassen sich bereits im jüngsten Alter vorbeugen.

Unglücklicherweise leidet eine verhältnismäßig hohe und wachsende Zahl
Jugendlicher an Gesundheitsproblemen: So ist eins von fünf Kindern
übergewichtig oder fettleibig, rund 10% der Todesfälle bei jungen Mädchen und
25% bei jungen Männern stehen in Zusammenhang mit Alkohol. Die Gesundheit
der Jugendlichen hängt stark mit der Familie, der Schule und den sozialen
Bedingungen zusammen. Ein niedriges sozioökonomisches und schulisches
Niveau führt zu verstärktem Auftreten von geistigen und körperlichen
Gesundheitsproblemen,        zu     Drogenabhängigkeit       und    vorzeitigen
Schwangerschaften. Um die soziale Dimension der Gesundheit zu erfassen,
empfiehlt es sich, Kooperationen zwischen den Sektoren zu entwickeln und
geeignete Maßnahmen durchzuführen, um die Gesundheit und das Wohlergehen
der Jugendlichen zu fördern.

Für eine neue Strategie            „Jugend     und    Gesundheit“     in   den
europäischen Politiken

Eine mit sämtlichen Handlungsträgern der Sektoren „Jugend“ und „Gesundheit“
gemeinsam erarbeitete Resolution, die zu einem sektorübergreifenden Ansatz
auffordert

Angesichts der Sorgen der verschiedenen europäischen Handlungsträger hat die
französische Präsidentschaft beschlossen, den Akzent auf diese spezifische Frage
zu setzen. Sie hat die Gesundheit und das Wohlergehen der Jugendlichen zu
einer ihrer Prioritäten im Jugendbereich gemacht, um für die den Jugendlichen
eigenen Gesundheitsbelange zu sensibilisieren und der Dimension „Jugend“ eine
größere Bedeutung im Bereich der Gesundheitspolitik zukommen zu lassen.

Die Präsidentschaft wünschte die Stärkung eines sektorübergreifenden Ansatzes
in Jugendbelangen, insbesondere durch die Herstellung einer engeren

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Verbindung zwischen den Sektoren Jugend und Gesundheit. Die
Handlungsträger des Gesundheits- und des Jugendsektors wurden gemeinsam
mit der Verfassung einer Resolution beauftragt. Die Generaldirektionen
„Gesundheit und Verbraucherschutz“ und „Bildung und Kultur“ der
Europäischen Kommission und der für das Gesundheitswesen zuständige
französische Minister waren die Empfänger. Die Berücksichtigung der Sorgen
und Erwartungen der Jugendlichen war ebenfalls essentiell, und aus diesem
Grund haben das Europäische Jugendforum und die französischen Nationalräte
für Jugend ebenfalls an der Verfassung dieser Resolution mitgewirkt.

Unterm Strich zielt diese vom Rat der Jugendminister am 20. November 2008
verabschiedete Resolution darauf ab, die Jugendlichen selbst zu den
Handlungsträgern ihrer eigenen Gesundheit zu machen, und sie fordert die
Mitgliedsstaaten auf, es ihnen zu ermöglichen. Im Wesentlichen stellt sie
insbesondere dar, dass die Gesundheit der Jugendlichen in Europa insgesamt
zufriedenstellend ist, bestimmte Bereiche wie Ernährung, körperliche
Aktivitäten, Alkoholmissbrauch, sexuelle Hygiene und geistige Gesundheit
bleiben jedoch besorgniserregend. Somit empfiehlt es sich, sich um die Förderung
einer gesunden Lebensweise und Verhütungsmaßnahmen zu bemühen.

Die Mitgliedsstaaten sind gefordert, die Dimension „Jugend“ in den
gesundheitsbezogenen Initiativen zu fördern und die Jugendlichen bei der
Entwicklung solcher Initiativen, insbesondere mittels Ausbildungsaktionen
durch ihresgleichen, heranzuziehen. Die Mitgliedsstaaten sollten desgleichen die
Gesundheit und das Wohlergehen der Jugendlichen in den Programmen und
Maßnahmen bezüglich der Information und der Medien berücksichtigen. Sie
sollen dafür sorgen, dass die Jugendleiter und die NGO geschult werden,
Basisberatung zu leisten, rasch einzugreifen, die von den Jugendlichen
wahrgenommenen Probleme zu identifizieren und ihnen den Zugang zu anderen
Dienstleistungen aufzuzeigen.

Die Kommission und die Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, die Kenntnisse und
die Forschung zu diesem Gegenstand zu verbessern, Aktionen zur
Sensibilisierung für Faktoren zu entwickeln, die Bezug zur Gesundheit der
Jugendlichen haben, den Austausch guter Praktiken zu diesem Thema zu
fördern und aus den durch die Politiken, Programm und sonstigen bestehenden
Instrumente der Europäischen Union angebotenen Möglichkeiten das Beste
herauszuziehen.

Vervollständigt durch eine Arbeitsgruppe zur besseren Erfassung dieses neuen
Ansatzes

Nach Annahme der Resolution zur Gesundheit und zum Wohlergehen der
Jugendlichen hat eine Experten-Arbeitsgruppe die Möglichkeiten der Umsetzung
dieser Resolution durch einen Austausch guter Praktiken zwischen den
Handlungsträgers des Sektors erläutert.

                                                                              4/5
Gemeinsam organisiert von der französischen Präsidentschaft und der
Jugendpartnerschaft, die die Europäische Kommission und den Europarat
verbindet, hat dieses Kolloquium es zum ersten Mal ermöglicht, zu diesem
Thema drei Typen von Handlungsträgern zusammenzubringen: Forscher,
Jugendliche und Vertreter von Jugendorganisationen und Institutionen:
Repräsentanten der Administrationen der Mitgliedsstaaten, der Europäischen
Kommission und des Europarats.

Die Konferenz ermöglichte die Bestandsaufnahme der Gesundheit und des
Wohlergehens der Jugendlichen in Europa und die Vernetzung der Teilnehmer.
Gute regionale, nationale und europäische Praktiken wurden aufgewertet,
insbesondere im Bereich Information der Jugendlichen, ihre Betreuung und im
Bereich der Ausbildung von Fachleuten für Jugendgesundheit.

Die Teilnehmer verständigten sich über eine bestimmte Zahl von politischen und
praktischen Empfehlungen zur Verbesserung der Situation und zur
Heranziehung der Jugendlichen, insbesondere der schwächsten, zur
Eigenverantwortung für ihre Gesundheit. Insbesondere konstatierten sie die
Bedeutung der Verbesserung der qualitativen und quantitativen Forschung und
der Einbindung der Forscher in den Entwicklungsprozess von Strategien in dem
Bereich. Sie erkannten die Notwendigkeit an, die Bereiche Jugend und
Gesundheit klarer zu gliedern und zu einer Annäherung der Fachleute und der
Aktionen dieser beiden Sektoren beizutragen. Schließlich betonten sie den
Nutzen der Einbeziehung der Jugendlichen und der Jugendorganisationen in die
Definition und Erarbeitung von Strategien und den diesbezüglichen Werkzeugen.

Welche Perspektiven bieten sich nach dieser ersten Etappe?

Das Kolloquium hat neue Arbeitswege aufgezeigt, um die Gesundheit und das
Wohlergehen der europäischen Jugendlichen zu fördern. Jetzt gilt es, diese Ideen
zu entfalten, darauf zu drängen, dass die geknüpften Netze sich annähern,
einander konfrontieren, ohne die Einbindung der Jugendlichen in die Reflexion
zu vergessen, die Administrationen immer wieder fordern, damit sie sich diese
Ideen aneignen, und die Maßnahmen ergreifen oder unterstützen, die eine neue
Dynamik schaffen werden. Die auf Initiative der Generaldirektion „Gesundheit
und Verbraucherschutz“ der Europäischen Kommission organisierte Konferenz,
die Anfang Juli 2009 in Brüssel stattfinden wird, sollte die nächste Etappe dieses
Prozesses bilden.

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