Giemen muss nicht immer Asthma sein - Swiss Medical Forum

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Giemen muss nicht immer Asthma sein - Swiss Medical Forum
FALLBERICHT                                                                                                                                                                        987

«Asthma Mimics»

Giemen muss nicht immer
Asthma sein
Dr. med. univ. Sieghart Filippiª, Dr. med. Patrick Muggensturm b , PD Dr. med. Daniel Franzenª,
Dr. med. ­T homas Gaisl a,b
a
    Klinik für Pneumologie, UniversitätsSpital Zürich, Zürich
b
    Abteilung für Innere Medizin, Spital Zollikerberg, Zollikerberg

                                Einleitung                                                                         waren numerisch unauffällig, lediglich in der Fluss-­
                                                                                                                   Volumen-Kurve zeigte sich eine inspiratorische und
                   a r tic le

                                Dyspnoe beschreibt ein subjektives Empfinden von                                   weniger ausgeprägt auch eine exspiratorische Atem-
Peer

                                Kurzatmigkeit und stellt eine häufige Ursache für Arzt-                            flusslimitation. Im CT-Befund (Abb. 1) konnte eine iso-
      re
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                                konsultationen dar. Die Abklärung von Dyspnoe stellt                               lierte subglottische Trachealstenose ohne Hinweise auf
                                Ärzte und Patienten zum Teil vor grosse Herausforde-                               eine stenosierende Tumormasse identifiziert werden.
                                rungen. Häufig liegt als Ursache ein Asthma bronchiale                             Die endgültige Diagnosestellung erfolgte über eine
                                zugrunde. Gemäss Definition der Global Initiative for                              dia­gnostische flexible Bronchoskopie, aufgrund derer
                                Asthma (GINA) ist Asthma bronchiale charakterisiert                                eine isolierte, kurzstreckige ca. 70%ige Einengung des
                                durch eine chronische Atemwegsentzündung, die ein-                                 Tracheallumens geschätzt wurde. Die Schleimhaut im
                                hergeht mit Symptomen wie giemender Atmung, Kurz-                                  Bereich der Stenose war intakt, ohne Hinweise auf eine
                                atmigkeit, thorakalem Engegefühl und Husten sowie                                  floride Entzündung oder einen Tumor. Aufgrund feh-
                                einer variablen exspiratorischen Flusslimitation. Die
                                ­                                                                                  lender klinischer Risikofaktoren (keine Intubation,
                                Präsentation der Symptome ist im zeitlichen Verlauf                                keine Operationen, Familienanamnese bland) sowie
                                und in der Intensität typischerweise fluktuierend. Für                             negativen ANCA-Autoantikörpern musste von einer
                                die Diagnosesicherung sind neben einer detaillierten                               idiopathischen subglottischen Trachealstenose aus­
                                Anamnese zumindest eine Spirometrie und ggf. andere                                gegangen werden.
                                technische Hilfsmittel (Bronchoprovokationstest, FeNO,
                                Sputumuntersuchung, Bildgebung) notwendig.
                                Trotz allem können einige Erkrankungen als Asthma
                                bronchiale fehlgedeutet werden. Diese Fallberichte be-
                                schreiben anhand von zwei Beispielen eine behandel-
                                bare und seltene Differenzialdiagnose eines «Asthma
                                Mimics».

                                Fallberichte

                                Patientin 1
                                Die 28-Jährige (BMI 18,8 kg/m2) wurde in ihrem Beruf als
                                Physiotherapeutin seit einigen Wochen wiederholt von
                                Bekannten im Spitalumfeld aufgrund eines auffälligen
                                Atemgeräusches unter Belastung angesprochen. Sub­
                                jektiv empfand die Patientin eine Anstrengungsdyspnoe
                                (MRC 2) sowie ein thorakales Engegefühl, welches durch
                                Husten akzentuiert wurde. Die Patientin war bis anhin
                                gesund und nahm keine Medikamente ein.
                                In der pneumologischen Sprechstunde konnte nach
                                Belastung auf der Treppe über 4 Stockwerke ein deut­                               Abbildung 1: Radiologischer Befund von Patientin 1 mit Nach-
                                                                                                                   weis einer Trachealstenose ca. 4 cm unterhalb der Epiglottis
                                licher und kontinuierlicher in- und exspiratorischer
                                                                                                                   (Einengung durch eine Gewebsbrücke ventral). Darüber und
                                Stridor reproduziert werden. Sowohl die dynamischen                                darunter unauffällige Darstellung der Trachea als auch der
Sieghart Filippi                Lungenvolumina als auch die CO-Diffusionskapazität                                 zentralen Luftwege.

SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM                       2017;17(45):987–990
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Fallbericht                                                                                                                                                                      988

                                Im Rahmen von zwei aufeinanderfolgenden starren                                    Patientin 2
                                Bronchoskopien im Zentrumsspital wurde die segel­                                  Die 48-Jährige (BMI 34,5 kg/m2) beklagte seit längerem
                                artige Stenose mit Hilfe eines elektrischen Messers                                Anstrengungsdyspnoe mit belastungsabhängigem tho-
                                (VIO® 200 D, Erbe Elektromedizin GmbH, Tübingen,                                   rakalem Engegefühl sowie ein ständiges Fremdkörper-
                                Deutschland) unter Schonung des Nervus recurrens                                   gefühl im Hals. Es folgten diverse, zum Teil invasive
                                inzidiert und anschliessend mit dem starren Broncho-                               Abklärungen jeweils ohne richtungsweisende Befunde
                                skop vorsichtig bougiert (für Verlauf siehe Abb. 2 A, C, D;                        (u.a. Koronarangiographie, Angio-CT-Thorax, Echo­
                                für Prozedur [1]). Nach passagerer Besserung der respira-                          kardiographie, Rechtsherzkatheter, Spirometrie). Die
                                torischen Beschwerden kam es ein Jahr nach der Inter-                              Spiroergometrie ergab eine leicht eingeschränkte kör-
                                vention wieder zu einer stridorösen Atmung mit einer                               perliche Leistungsfähigkeit mit leicht eingeschränkter
                                lungenfunktionell objektivierbaren Flusslimitation.                                maximaler Sauerstoffaufnahme ohne ventilatorische
                                Eine erneute bronchoskopische Intervention ist daher                               Limitation oder O2-Desaturation unter Belastung. Letzt-
                                geplant. Eine chirurgische Sanierung (Tracheasegmen-                               lich wurden die Beschwerden im Rahmen einer körper-
                                tresektion) lehnt die Patientin aktuell ab.                                        lichen Dekonditionierung und einer Angststörung

                                Abbildung 2: Bronchoskopischer Direktnachweis einer subglottischen Trachealstenose mit Lumeneinengung bei Patientin 1
                                (ca. 70%) (A) und Patientin 2 (ca. 50%) (B). Unmittelbarer postinterventioneller Zustand (C) bei Patientin 1 und bei der 3-monatigen
                                Verlaufskontrolle (D) mit freier unauffälliger Trachea.

SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM                       2017;17(45):987–990
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Fallbericht                                                                                                                                                                       989

                                interpretiert, obschon ein inadäquater Anstieg des
                                ­                                                                                  trauma) oder langsam progredient aufgrund einer
                                Atemminutenvolumens beschrieben wurde.                                             extraluminalen Kompression (z.B. Struma, Tumor,
                                                                                                                   ­
                                Nach zwei Jahren ohne Besserung der Beschwerden                                    Lymphadenopathie, Gefässanomalien) oder einer intra-
                                ­erfolgte bei Verdacht auf ein Asthma bronchiale eine                              luminalen Einengung auftreten (z.B. Tumor, Stimm-
                                erneute pneumologische Abklärung. Die Spirometrie                                  bandparese, Narben, Entzündung). Das Auftreten von
                                ergab eine deutliche Abflachung der in- und exspirato-                             narbenbedingten Trachealstenosen nach Tracheoto-
                                rischen Fluss-Volumen-Kurve (Abb. 3), so dass der Ver-                             mien oder Intubationen ist eine bekannte Spätkom­
                                dacht auf eine extrathorakale Atemwegsstenose gestellt                             plikation. Die Angaben zur Häufigkeit sind in Ab­
                                wurde. Bronchoskopisch konnte eine subglottische                                   hängigkeit der Definition einer Trachealstenose sehr
                                Trachealstenose mit Einengung des Tra­cheallumens                                  unterschiedlich. Selten liegen Systemerkrankungen
                                um ca. 50% bestätigt werden. Retrospektiv zeigte bereits                           wie eine Granulomatosis mit Polyangiitis (ehemals
                                eine 2 Jahre zuvor durchgeführte Spirometrie einen                                 Morbus Wegener) [5], eine Polychondritis oder eine Sar-
                                analogen Befund, der jedoch nicht als solcher erkannt                              koidose zugrunde. Nach diesen Differentialdiagnosen
                                wurde.                                                                             sollte aktiv gesucht werden.
                                Es erfolgte eine interventionelle Therapie mittels starrer                         Idiopathische subglottische Trachealstenosen sind ty-
                                Bronchoskopie, wobei vor der Dilatation die Lamellen                               pischerweise kurzstreckig mit zirkulärer Einengung
                                der Trachealstenose mit Hilfe eines elektrischen Mes-                              des Lumens. Patienten beklagen in der Regel langsam
                                sers in analoger Weise wie oben beschrieben inzidiert                              progrediente unspezifische klinische Symptome wie
                                wurden. Unmittelbar postinterventionell war die Pa­                                Belastungsdyspnoe oder Husten. Das Vorhandensein
                                tientin beschwerdefrei mit Normalisierung der Fluss-                               eines Stridors deutet auf eine Flusslimitation hin und
                                Volumen-Kurve in der Spirometrie (Abb. 3). Auch ein                                sollte den dringenden Verdacht auf eine zentrale Atem-
                                Jahr nach dem Eingriff war die Patientin komplett be-                              wegsstenose lenken.
                                schwerdefrei.                                                                      In der initialen Abklärung kann bereits die Interpre­
                                                                                                                   tation der Fluss-Volumen-Kurve einer einfachen Spiro-
                                                                                                                   metrie den Verdacht auf eine Atemwegsstenose lenken.
                                Diskussion
                                                                                                                   Hier zeigt sich das typische Bild einer abgeflachten
                                Trachealstenosen treten aufgrund einer Vielzahl unter-                             Fluss-Volumen-Kurve (Abb. 3). Die numerischen Werte
                                schiedlicher benigner und maligner Erkrankungen auf.                               für FEV1, FVC, FEV1/FVC können durchaus normal sein.
                                Nach Ausschluss einer zugrunde liegenden Ätiologie                                 Die Untersuchung ist abhängig von der Kooperation
                                (siehe unten) kann die Diagnose einer idiopathischen                               des Patienten sowie von der korrekten Anleitung durch
                                Trachealstenose gestellt werden. Betroffen sind über-                              das durchführende Personal. Die Abnormalität der
                                wiegend Frauen [2, 3]. Eine familiäre Disposition ist in                           Fluss-Volumen-Kurve muss reproduzierbar sein. Die
                                Einzelfällen beschrieben [4].                                                      Guidelines fordern mindestens drei akzeptable Manö-
                                Zentrale Atemwegsstenosen können akut im Rahmen                                    ver (maximaler in- und exspiratorischer Effort).
                                einer Fremdkörperaspiration, einer Schleimhautschwel-                              Es wird zwischen Obstruktionen der oberen (Mund bis
                                lung (z.B. Quincke-Ödem, Laryngitis, nach Inhalations-                             Larynx) und zentralen Atemwege (Trachea und Haupt-

                                Abbildung 3: Beispiel einer Abflachung der in- und exspiratorischen Fluss-Volumen-Kurve anhand des Befundes von Patientin 2
                                (A), das dem Befund einer subglottischen Trachealstenose entspricht. Erneute Spirometrie von Patientin 2 drei Monate postinter-
                                ventionell (B) bei unauffälligem Befund und beschwerdefreier Patientin.

SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM                       2017;17(45):987–990
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Fallbericht                                                                                                                                                                             990

                                bronchien) unterschieden. Die Obstruktionen können                                 Die Behandlung richtet sich nach der zugrundeliegen-
Korrespondenz:
Dr. med. T. Gaisl               fixiert oder variabel sein. Klassischerweise wird zu-                              den Grundkrankheit. Nach Intervention und seltener
UniversitätsSpital              sätzlich zwischen variabler extra- und intrathorakaler                             auch nach chirurgischer Therapie neigen viele Stenosen
Rämistrasse 100
CH-8006 Zürich
                                Obstruktion unterschieden, die mit variabler in- und                               zu Rezidiven. Die meisten idiopathischen Trachealste-
thomasg284[at]gmail.com         exspiratorischer Flusslimitation einhergehen können.                               nosen können je nach Lokalisation und Ausdehnung
                                Bei fixierten Stenosen – wie in unserem Fall – ist neben                           bronchoskopisch interventionell behandelt werden [2].
                                der inspiratorischen auch die exspiratorische Kurve                                In speziellen Fällen oder bei häufigen Rezidiven kann
                                abgeflacht (sogenannte «box shape»-Kurve).                                         das betroffene Trachealsegment chirurgisch reseziert
                                Eine CT sollte zum Erkennen bzw. Ausschluss einer ex­                              werden.
                                traluminalen Kompression der Atemwege erfolgen (z.B.
                                Struma, Tumor; CAVE: keine Jod-haltigen Kontrastmit-                               Danksagung
                                                                                                                   Die Autoren möchten sich bei den Patientinnen für deren Mitarbeit
                                tel bei möglicher Schilddrüsenpathologie!). Letztlich
                                                                                                                   bedanken sowie bei Dr. med. Stephan A. Meier, Abteilung für Radiologie,
                                kann durch eine flexible Bronchoskopie die Diagnose                                Spital Zollikerberg, für die Bereitstellung der radiologischen Abbildung.
                                gesichert und das Ausmass, die genaue Lokalisation
                                und allenfalls bereits die Ätiologie der Stenose erfasst                           Informed consent
                                werden. Es muss jedoch dringend davon abgeraten wer-                               Die Publikation erfolgt mit dem Einverständnis beider Patientinnen.

                                den, die Stenose mit dem flexiblen Bronchoskop ohne
                                Bereitschaft und Fertigkeiten für eine starre Broncho­                             Disclosure statement
                                                                                                                   Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen
                                skopie zu passieren, da Todesfälle durch Anschwellen                               im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
                                des stenotischen Areales beschrieben sind.

                                                                                                                   Literatur
                                                                                                                   1   Amat B, Esselmann A, Reichle G, et al. The electrosurgical knife
                                                                                                                       in an optimized intermittent cutting mode for the endoscopic
                                                                                                                       treatment of benign web-like tracheobronchial stenosis.
Das Wichtigste für die Praxis                                                                                          Arch Bronconeumol. 2012;48(1):14–21.
                                                                                                                   2   Nouraei SA, Sandhu GS. Outcome of a multimodality approach
• Subglottische Trachealstenosen stellen eine relativ seltene, jedoch wichtige                                         to the management of idiopathic subglottic stenosis. Laryngo-
    Differentialdiagnose der chronischen Dyspnoe dar und werden häufig als                                             scope. 2013;123:2474–84.
                                                                                                                   3   Gelbard A, Donovan DT, Ongkasuwan J. Disease homogeneity
    Asthma bronchiale oder funktionelle Beschwerden fehlinterpretiert.                                                 and treatment heterogeneity in idiopathic subglottic stenosis.
• In einigen Fällen liegen ätiologisch eine vorangegangene invasive Beat-                                              Laryngoscope. 2016;126(6):1390–6.
                                                                                                                   4   Dumoulin E, Stather DR, Gelfand G, et al. Idiopathic subglottic
    mung bzw. Tracheotomie, Tumorkompression oder Systemerkrankung                                                     stenosis: a familial predisposition. Ann Thorac Surg.
    zugrunde.                                                                                                          2013;95(3):1084–6.
                                                                                                                   5   Stone JH. Limited versus severe Wegener’s granulomatosis:
• Unabhängig von den numerischen Werten für FEV1, FVC oder FEV1/FVC                                                    baseline data on patients in the Wegener’s granulomatosis
    lohnt es sich, die Fluss-Volumen-Kurve der Spirometrie zu interpretieren.                                          etanercept trial. Arthritis Rheum. 2003;48(8):2299–309.

SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM                       2017;17(45):987–990
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