GIS-basierte Überprüfung der Baltic Sea Protected Areas im Hinblick auf ausgewählte ökologische Kohärenzkriterien - AGIT 2020

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GIS-basierte Überprüfung der Baltic Sea Protected Areas im
 Hinblick auf ausgewählte ökologische Kohärenzkriterien
                Roland PESCH, Susanne RANFT, Winfried SCHRÖDER,
                     Dieter BOEDEKER und Hanna PAULOMÄKI

     Dieser Beitrag wurde nach Begutachtung durch das Programmkomitee als „reviewed paper“
                                         angenommen.

Zusammenfassung
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die marine Umwelt noch immer erheblichen Belastun-
gen, wie Überfischung, Eintrag eutrophierender und toxischer Stoffe sowie kontinuierlich
zunehmenden Schiffsverkehr ausgesetzt, die Strukturen und Funktionen der marinen Öko-
systeme akut gefährden. Mit Verabschiedung der Meeres-Strategie-Rahmenrichtlinie
(MSRL, 2008/56/EG) durch das Europäische Parlament im Jahr 2008 wird den EU-
Mitgliedsstaaten daher ein Ordnungsrahmen vorgegeben, um in allen europäischen Meeren
einen Guten Umweltzustand bis 2020 zu erreichen und zu erhalten. Der Baltic Sea Action
Plan (BSAP), der im Rahmen der Helsinki Konvention 2007 ins Leben gerufen wurde,
formuliert hierzu konkrete Ziele für die Ostsee. Die Umsetzung des BSAP beruht dabei
u. a. auf einem Netzwerk von ostseeweiten Schutzgebieten, den sog. Baltic Sea Protected
Areas (BSPA). In dem vorliegenden Artikel wird der Status des BSPA Netzwerkes anhand
der räumlichen Strukturen und wichtigsten schutzgebietsrelevanten Merkmale ermittelt.
Zusammen mit flächendeckenden Informationen zu ausgesuchten Habitaten und anthropo-
genen Einflussfaktoren erfolgt ferner eine Überprüfung des Netzwerks auf ökologische
Kohärenz im Hinblick auf die von der Helsinki Kommission (HELCOM) vorgegebenen
Kriterien Angemessenheit, Repräsentanz, Replikation und Konnektivität. Als Ergebnis der
vorliegenden Studie kann festgehalten werden, dass die BSPA bislang noch nicht einem
ökologisch kohärenten Schutzgebietsnetzwerk entsprechen. Eine Verbesserung der ökolo-
gischen Kohärenz wäre aber durch die Ergänzung und Integration weiterer Schutzgebiets-
geometrien zu erwirken. Allerdings bleibt festzuhalten, dass die international formulierten
Kohärenzkriterien im Hinblick auf deren Anwendbarkeit und Aussagekraft diskutiert und
weiterentwickelt werden müssen.

1     Hintergrund und Ziel
Trotz einiger Erfolge im marinen Umweltschutz sind Meere und Ozeane auch zu Beginn
des 21. Jahrhunderts erheblichen Belastungen durch anthropogene Aktivitäten wie massive
Überfischung, klassische Meeresverschmutzung durch Schadstoffe, übermäßige Einleitung
von Nährstoffen sowie kontinuierlich zunehmenden Schiffsverkehr ausgesetzt. Folglich
sind Struktur und Funktionen der marinen Ökosysteme, auch der Nord- und Ostsee, akut
gefährdet. Mit Verabschiedung der Meeres-Strategie-Rahmenrichtlinie (MSRL, 2008/56/EG)
durch das Europäische Parlament im Jahr 2008 wird den EU-Mitgliedsstaaten daher ein
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Ordnungsrahmen vorgegeben, um in allen europäischen Meeren einen Guten Umweltzu-
stand bis 2020 zu erreichen und zu erhalten. Der 2007 im Rahmen der Helsinki Konvention
(regionales Meeresschutzabkommen der Ostseeanrainerstaaten) geschaffene Baltic Sea
Action Plan (BSAP) formuliert hierzu konkrete Ziele für die Ostsee (HELCOM 2007a).
Der BSAP fußt dabei auf einem ökosystemaren Ansatz und ist auf vier Belastungsschwer-
punkte ausgerichtet: Eutrophierung, Biodiversität, gefährliche Stoffe sowie maritime Akti-
vitäten. Der BSAP formuliert konkrete Umsetzungsvorgaben, die zur Verbesserung von
Gewässerqualität und Artenvielfalt des Meeresökosystems Ostsee ergriffen werden müssen.
Hierzu zählen z. B. die Festlegung maximal zulässiger Eintragsmengen für Nährstoffe und
daraus abgeleitete nationale Nährstoff-Reduktionsziele für alle Ostseeanrainerstaaten sowie
die Etablierung von Langzeit-Management Plänen für bedrohte Arten und Lebensräume.
Besonders der Erhalt und die Verbesserung der Artenvielfalt sind jedoch nur mithilfe eines
flächendeckenden, ökologisch kohärenten Netzwerks von Meeresschutzgebieten zu errei-
chen (ARDRON 2008, VON NORDHEIM et al. 2006). HELCOM (1994) hatte daher bereits
1994 die Einrichtung eines Netzes entsprechender Gebiete, sog. Marine and Coastal Baltic
Sea Protected Areas (BSPA) beschlossen. Weiterführend entschied HELCOM im Juni
2003, dass das BSPA-Netzwerk zusammen mit den Natura 2000 Schutzgebieten (EC BIRDS
DIRECTIVE 1979, EC HABITATS DIRECTIVE 1992) und den Standorten des Emerald Netz-
werks (COUNCIL OF EUROPE 1998) in der Russischen Förderation bis 2010 zu einem ökolo-
gisch kohärenten Schutzgebiets-Netzwerk in der Ostsee ausgebaut werden sollte
(HELCOM/OSPAR 2003).
2004 wurde von HELCOM eine erste Bestandsaufnahme zur Umsetzung des 2010 Ziels
durchgeführt. Hierzu wurde eine umfangreiche MS Access-Datenbank mit Angaben zur
Anzahl, Lage und Größe der BSPA sowie zu den dort geschützten Arten, Habitaten und
Biotopen aufgebaut. Auch wurden Angaben zu nationalen Schutzmaßnahmen und Ma-
nagementplänen dokumentiert (HELCOM 2007b). Die Access-Sachdatenbank wurde im
Folgenden ergänzt durch Geoinformationen zu den BSPA-Schutzgebietsgeometrien sowie
weiteren Geodaten, die für die Beschreibung und Analyse der BSPA wichtig sind (z.B. zu
Schiffsverkehrskarten, zum Eutrophierungsstatus der Ostsee, zu modellierten atmosphäri-
schen Schwermetall- und Gesamtstickstoffdepositionen oder zu benthischen Lebensraum-
karten).
Der vorliegende Artikel fasst einen Teil der Ergebnisse eines vom Bundesamt für Natur-
schutz (BfN) geförderten FuE1-Vorhabens zusammen und widmet sich einer erneuten Be-
standsaufnahme der Umsetzung des 2010 Ziels in allen Vertragsstaaten der Helsinki Kon-
vention. Die Bewertung des Status und der ökologische Kohärenz des BSPA Netzwerks
erfolgt vorrangig über eine Beschreibung der wichtigsten räumlichen und inhaltlichen
Merkmale und einer GIS-basierten Überprüfung der von HELCOM (2007a, b) formulierten
Kohärenzkriterien Angemessenheit (adequacy), Repräsentanz (representativity), Replika-
tion (replicatioin) und Konnektivität (connectivity). Die ökologische Kohärenz der BSPA
wurden u. a. bereits im BSR INTERREG IIIB Projekt BALANCE v. a. unter Verwendung
flächenhaft vorliegender Informationen zu benthischen Lebensräumen überprüft (ANDERS-
SON et al. 2007, PIEKÄINEN & KORPINEN 2008). Demzufolge wurde das BSPA-Netzwerk
bis dato den Anforderungen eines ökologisch kohärenten Schutzgebietsnetzwerks nicht
gerecht. Die Beschreibung der aktuellen räumlichen Ausdehnung des BSPA-Netzwerk

1
    Forschungs- und Entwicklungsvorhaben.
GIS-basierte Überprüfung der Baltic Sea Protected Areas        653

basiert auf Schutzgebietsgeometrien, die bis Februar 2010 von den Vertragsstaaten geliefert
wurden, während die Überprüfung der ökologische Kohärenz aus Zeitgründen auf derjeni-
gen Datenlage basiert, die bis Juli 2009 vorlag.

2       BSPA-Datenbank und -GIS
Die Überprüfung des Staus und der ökologische Kohärenz des BSPA-Netzwerks erfolgte
auf der Basis von Sach- und Geodaten, die in einem BSPA-GIS abgelegt wurden. Letzteres
besteht aus einer MS Accessdatenbankanwendung, in der Sachdatentabellen im Sinne eines
relationalen Datenmodells miteinander verknüpft sind, sowie verschiedenen ESRI ArcView
3.3 Projekten, in denen u. a. die BSPA-Schutzgebietsgeometrien abgelegt sind. Die An-
wendung bildet das Backend zu einer über die Homepage von HELCOM erreichbaren
Internet-Anwendung, die es ermöglicht die Datenbankinhalte gezielt abzufragen2 und Ein-
träge einzupflegen bzw. Änderungen durchzuführen.
Bis Juli 2009 wurden in der Access-Datenbank Angaben zu 89 ausgewiesenen BSPA in der
gesamten Ostsee gemacht. Diese sind u. a. beschrieben durch generelle Angaben (z.B.
Datum der Ernennung zum BSPA, Name des Gebietes), Auswahl- und Managementkrite-
rien, Gefährdungsaspekte, geschützte Arten, Habitate, Biotope und Biotop-Komplexe. Die
in der Access-Datenbank abgelegten Sachinformationen sind über eine BSPA Identifika-
tionsnummer mit den entsprechenden Netzwerkgeometrien verknüpft. Abbildung 1 zeigt
eine Übersicht dieser 89 BSPA, ergänzt durch weitere Gebietsgeometrien, die bis Februar
2010 gemeldet wurden. Demnach besteht das Netzwerk derzeit aus 159 BSPA, die eine
Gesamtfläche von 48.784 km² umfassen und 10,3 % der Ostsee abdecken.
In Ergänzung zu den GIS-Layer beinhaltet das BSPA-GIS noch weitere Geoinformationen,
so z. B. zu anderen Meeresschutzgebietsnetzwerken und sensiblen Lebensräumen (Ramsar
Wetlands of International Importance, Important Bird Areas – IBAs), zu benthischen Land-
schaftstypen (AL-HAMDANI & REKER 2007), zur Sedimentverteilung und zur Bathymetrie.
Weiterhin wurden Daten zum anthropogenen Nutzungsdruck integriert (z.B. Schiffsver-
kehrsdichtekarten, Karten zur Fischereiintensität und zum Eutrophierungsstatus).

3       Ökologische Kohärenzanalyse
Die Bewertung der ökologischen Kohärenz des BSPA-Netzwerks erfolgt gemäß den bei
HELCOM (2007a, b) dokumentierten Kohärenzkriterien Angemessenheit, Repräsentanz,
Replikation und Konnektivität. Die folgenden Ausführungen bilden einen Auszug aus allen
in dem vom BfN geförderten FuE-Projekt durchgeführten Analysen und konzentrieren sich
auf die bis Juli 2009 designierten BSPA.

3.1 Angemessenheit
Vorgaben und Daten. Das Kohärenzkriterium Angemessenheit zielt vorrangig auf die
Bewertung der Geometrie der einzelnen Schutzgebiete ab. So legt HELCOM die anzustre-
bende Mindestgröße der marinen Schutzgebiete auf 3000 ha fest (HELCOM 1994). Ferner

2
    http://bspa.helcom.fi/
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Abb. 1:   Räumliche Lage der BSPA

gilt ein Schutzgebietsnetzwerk dann als adäquat, wenn bestimmte als besonders schützen-
wert eingestufte Arten und Lebensräume ausreichend repräsentiert sind. Hierzu wurden aus
den in der BSPA-Datenbank gelisteten Angaben 21 Arten und sieben Biotoptypen ausge-
wählt und als Indikatorarten bzw. -biotoptypen für die Analysen zugrunde gelegt. Weiterhin
wurden folgende ostseeweit vorliegenden Geoinformationen zu essentiellen Lebensräumen
in die Bewertung einbezogen: die Important Bird Areas (IBA) des Bird Life International
(als Polygon-Layer), Beobachtungsdaten über Armleuchteralgen (als Punkt-Layer) sowie
zum flächenhaften Auftreten von Seegraswiesen. Letztere lagen als Polygon-Datenlayer mit
Informationen zu Seegrasart und Verbreitungshäufigkeit für ein Raster von 20 × 20 km²
vor.
Zusätzlich beinhaltet das ökologische Kohärenzkriterium Angemessenheit auch, dass das
Schutzgebietsnetzwerk im Hinblick auf anthropogene Stressoren hinreichend unbeeinflusst
ist. Im Rahmen des Projektes wurden hierzu die Aspekte Eutrophierung, Schiffsverkehrs-
dichte und Fischereiintensität einbezogen. Im Hinblick auf die Eutrophierung wurde dabei
auf das HELCOM Eutrophication Assessment Tool (HEAT) zurückgegriffen, das die Eu-
trophierungssituation in der gesamten Ostsee in Form von fünf ordinal skalierten Klassen
flächenhaft abbildet: ‚high’, ‚good’, ‚moderate’, ‚poor’ und ‚bad’ (HELCOM 2009). Infor-
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mationen zur Schiffsverkehrsdichte wurden vom Finnish Meteorological Institut in Form
eines Punkt-Datensatzes zur Verfügung gestellt, der die relative Anzahl von vier verschie-
denen Schiffsarten in einem 8 × 8 km² Raster wiedergibt. Die entsprechenden Schiffszahlen
wurden in den Monaten April, August und September 2008 in einem Intervall von 15 Mi-
nuten mithilfe des HELCOM AIS3 registriert und pro Gridzelle aufsummiert. Die Quantifi-
zierung der Fischereiintensität erfolgte über kommerzielle Fischfangquoten, die auf die
sogenannten ICES4-Rechtecke projiziert wurden.
Methoden und Ergebnisse. Gemäß Vorgaben erfolgte die Überprüfung der Angemessen-
heit des BSPA-Netzwerks im Hinblick auf drei Kernpunkte: (1) Schutzgebietsgeometrie,
(2) Schutzgüter und (3) Schutzgebietsqualität:
(1) Für die Bewertung der BSPA-Schutzgebietsgeometrien wurden in ArcView GIS die
     Polygonflächengrößen der einzelnen Schutzgebiete ermittelt. Hierbei zeigte sich, dass
     die meisten der BSPA (77,5 %) die kritische Marke 3000 ha übersteigen. 16,9 % fallen
     in die Klasse 1000 bis 3000 ha und die restlichen 5,6 % sind kleiner als 1000 ha.
(2) Die Bewertung der im BSPA-Netzwerk geschützten Arten und Lebensräume erfolgte
     in einem ersten Schritt im Hinblick auf die in der BSPA-Datenbank gelisteten 21 Indi-
     katorarten und sieben Indikatorbiotope. Die über SQL-Abfragen extrahierten Daten-
     bankinformationen wurden in Form von Tabellen und Diagrammen aufgearbeitet und
     ausgewertet. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass bis auf zwei alle der geliste-
     ten Indikatorarten in mindestens einem Schutzgebiet des BSPA-Netzwerks geschützt
     werden. Von den sieben Indikatorbiotoptypen werden alle innerhalb von wenigstens
     fünf BSPA als geschützt dokumentiert.
Die Bewertung der BSPA im Hinblick auf die als Vektordaten-Layer vorliegenden IBA
     sowie Verbreitungskarten von Armleuchteralgen und Seegraswiesen erfolgte über
     Punkt-Polygon bzw. Polygon-Polygonverschneidung mit den BSPA-Geometrien.
     Hierbei zeigte sich, dass 28 % der IBA sich mit dem BSPA Netzwerk überschneiden.
     Von den 23 verschiedenen Armleuchteralgen sind 19 Arten im BSPA-Netzwerk ent-
     halten. Bis auf Russland werden diese von allen Anrainerstaaten der Ostsee als ge-
     schützt gelistet. Von allen essentiellen Habitatinformationen zeigt die Verbreitung der
     Seegraswiesen den niedrigsten Schutz im BSPA-Netzwerk, da nur rund ein Fünftel der
     dokumentierten Seegrasvorkommen über entsprechende Schutzgebiete abgedeckt wer-
     den. Von den 28 BSPA, bei den dies der Fall ist, wird nur in einem BSPA die Seegras-
     art Zostera marina als geschützt aufgeführt.
(3) Die Überprüfung der Beeinflussung der BSPA durch die anthropogenen Stressoren
     Eutrophierung, relative Schiffsverkehrsdichte und Fischereiintensität wurde wie bei
     den essentiellen Habitaten über GIS-Verschneidung durchgeführt. Im Folgenden wird
     diesbezüglich nur auf den Stressor Eutrophierung eingegangen. Als Ergebnis der Ver-
     schneidung der BSPA mit der aus HEAT resultierenden Eutrophierungsstatuskarte
     zeigte sich, dass nur 3 % der BSPA als von Eutrophierung unbeeinflusst beschrieben
     werden können. Die restlichen 97 % sind gemäß HEAT zum größten Teil in einem
     schlechten Zustand (Kategorie ‚poor’ oder ‚bad’).

3
    Das HELCOM AIS (Automatic Identification System) ist ein landgestütztes Überwachungssystem,
    dass Schiffe, die mit einem AIS Signaltransmitter ausgestattet sind, in Echtzeit registriert.
4
    International Council for the Exploration of the Sea.
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3.2 Repräsentanz
Vorgaben und Daten. Um einen flächendeckenden Schutz der ökologischen Funktionen
der Ostsee zu sichern, sollte das BSPA-Netzwerk die biogeographischen Regionen sowie
dort vorkommende Arten, Biotope und Habitate optimal repräsentieren. Das Kohärenzkrite-
rium Repräsentanz zielt daher auf die Abdeckung der Spannbreite an vorhandenen Arten,
Biotopen, Habitattypen und ökologischen Prozessen innerhalb der Schutzgebiete ab. Die
Bewertung der Repräsentanz erfolgte vorerst über eine Analyse der in den Schutzgebieten
gemäß BSPA-Datenbank als vorhanden (nicht nur geschützt) aufgeführten Indikatorenarten
und -biotoptypen. Im Hinblick auf die Repräsentanz biogeographischer Regionen wurden
die im Interreg III Projekt BALANCE berechneten benthischen Landschaftstypen als natur-
räumliches Referenzsystem zugrunde gelegt. Die Karte differenziert 60 benthische Land-
schaftsformen, die sich im Hinblick auf die Sedimentverteilung, die photischen Verhältnis-
se und die Salinität signifikant unterscheiden (AL-HAMID & REKER 2007). Weitere Reprä-
sentanzkriterien umfassten die räumliche Lage der BSPA im Hinblick auf Inshore- und
Offshorebereiche. Hierzu wurde mithilfe des Entscheidungsbaumverfahrens Classification
and Regression Trees (CART) aus den flächenhaft vorliegenden Daten zu den photischen
Verhältnissen sowie zur Bathymetrie und zur Küstendistanz ein zehnstufiger Offshore-
Index (1 = optimale Inshore-Verhältnisse, 10 = optimale Offshore-Verhältnisse) abgeleitet.
Methoden und Ergebnisse. Wie bei der Überprüfung des angemessenen Schutzes der
Indikatorarten und Indikatorbiotope erfolgte die Ermittlung der diesbezüglichen Repräsen-
tanz im BSPA-Netzwerk über Datenbankabfragen. Hierbei zeigte sich, dass außer zwei
Indikatorarten sowie alle Indikatorbiotoptypen im BSPA-Netzwerk als vorhanden gelistet
werden. Für die Bewertung der Repräsentanz der benthischen Landschaftstypen wurden in
einem ersten Schritt BSPA-Polygone und Landschaftspolygone im GIS verschnitten und
ermittelt, wie viel Prozent eines jeden Landschaftstyps im BSPA-Netzwerk enthalten ist.
Eine Abdeckung von weniger als 20 % wird dabei als inadäquat, 20 bis 60 % als fragwür-
dig und über 60 % als normal/ angemessen bewertet (PIEKÄINEN & KORPINEN 2008). Als
Ergebnis kann festgehalten werden, dass bis auf drei Fälle alle benthischen Landschaftsty-
pen im BSPA-Netzwerk zwar repräsentiert sind, die meisten von diesen aber als inadäquat
repräsentiert bewertet werden. Im Hinblick auf die Repräsentanz Inshore und Offshore
zeigt sich eine deutliche Überrepräsentanz der BSPA im Inshore Bereich: Zwar weist 69 %
der Fläche der Ostsee einen Offshore-Index von mehr als 5 auf, doch finden sich in diesen
Bereichen nur 49 % der BSPA-Flächen wieder (Abbildung 2).

3.3 Replikation
Vorgaben und Daten. Das Kohärenzkriterium Replikation beschreibt die Häufigkeit des
wiederholten Auftretens ausgewählter Schutzgüter im gesamten BSPA-Netzwerk. Treten
Schutzgüter mehrfach im Schutzgebietsnetzwerk auf, so unterstützt dies eine natürliche
Verbreiterung des Lebensraumtyps bzw. der jeweiligen Art. Ferner können negative Aus-
wirkungen anthropogener Stressoren minimiert werden. Die Replikation wurde im vorlie-
genden Fall auf die oben erwähnten Indikatorarten und -biotoptypen ausgerichtet. Ferner
wurden wie bei der Repräsentanz die im Projekt BALANCE erarbeiteten benthischen Le-
bensraumtypen berücksichtigt. Die Replikation kann innerhalb von Schutzgebieten und
zischen Schutzgebieten gemessen werden. Ersteres beschreibt das wiederholte Auftreten
von Landschaftspolygonen (größer gleich 24 ha) eines Typs innerhalb eines Schutzgebiets,
GIS-basierte Überprüfung der Baltic Sea Protected Areas           657

Abb. 2:   Der mittels der CART Methode entwickelte Offshore-
          Index und BSPA

letzteres zielt auf das wiederholte Auftreten eines Landschaftstyps im direkten Vergleich
der Schutzgebiete ab. Dabei bleibt es unberücksichtigt, ob ein Landschaftstyp mehrfach
innerhalb eines Schutzgebietes abgebildet ist.
Methoden und Ergebnisse. Gemäß der Vorgehensweise im BALANCE Projekt wurde die
Replikation eines Schutzguts von mindestens drei noch als akzeptabel bewertet (ANDERS-
SON et al. 2007). Dementsprechend sind 18 der 21 Indikatorarten adäquat in dem BSPA-
Netzwerk repliziert, wobei zwei der Indikatorarten in der Datenbank als nicht vorhanden
registriert sind. Die sieben Biotoptypen sind im gesamten Netzwerk adäquat repliziert.
Im Hinblick auf die Ermittlung der Replikation der 60 marinen Landschaftstypen wurde die
als Polygon-Layer vorliegende Landschaftsgliederung mit den BSPA im GIS verschnitten.
Anschließend wurden für alle innerhalb der BSPA liegenden Landschaftspolygone die
Flächengrößen ermittelt und nur diejenigen für die Replikationsanalyse herangezogen, die
größer als 24 ha waren. Als Ergebnis konnte festgestellt werden, dass 16 der 60 Land-
schaftstypen im Hinblick auf die Replikation zwischen Schutzgebieten nicht adäquat im
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BSPA-Netzwerk vertreten sind, und fünf weitere entweder nicht im Netzwerk vertreten
oder kleiner als 24 ha sind. Eine adäquate schutzgebietsinterne Replikation liegt für
45 Landschaftstypen vor.

3.4 Konnektivität
Vorgaben und Daten. Das Kohärenzkriterium Konnektivität ist auf die räumliche Ver-
knüpfung der Schutzgebiete untereinander bzw. auf deren räumliche Geschlossenheit im
gesamten BSPA-Netzwerk ausgerichtet. Eine räumliche Verknüpfung der Schutzgebiete
begünstigt die Ausbreitung und die Migration der Arten innerhalb und zwischen den ein-
zelnen BSPA. Im vorliegenden Fall wurde die Konnektivität auf Basis ausgewählter benthi-
scher Landschaftstypen durchgeführt. Die Vorgehensweise fußt dabei wiederum auf derje-
nigen Methodik, die im BALANCE-Projekt durchgeführt wurde (ANDERSSON et al. 2007).
Methoden und Ergebnisse. Die Ermittlung der Konnektivität der Schutzgebiete erfolgte
für verschiedene theoretische und artspezifische Konnektivitätsradien und wurde im Hin-
blick auf die 24 ha großen Landschaftspolygone durchgeführt (s. o.). Die theoretischen
Radien von 25 und 50 km sind artenunspezifisch und wurden auf Basis meereswissen-
schaftlicher Überlegungen festgelegt (ANDERSSON et al. 2007). Die Konnektivitätsanalyse
erfolgte dabei für fünf der 60 benthischen Landschaftstypen. Die artspezifischen Konnekti-
vitäten wurden im Hinblick auf die Mobilität von fünf Arten festgesetzt: Macoma baltica
(100 km Radius), Psetta maxima (25 km Radius), Furcellaria lumbricalis, Idotea baltica
(jeweils 25 km Radius) und Fucus vesiculosus (1 km Radius). Jeder dieser Art wurde ein
Set an charakteristischen benthischen Landschaftstypen zugewiesen, in dem das Vorkom-
men der jeweiligen Art wahrscheinlich ist. Für beide Varianten der Konnektivitätsanalyse
wurden zwei verschiedene Vorgehensweisen angewendet. Bei der ersten Methode wurde
für alle Teilpolygone der jeweiligen Landschaftstypen bzw. -kombinationen ermittelt, wie
viele andere Landschaftspolygone desselben Typs bzw. derselben Kombination sich inner-
halb des theoretischen bzw. artspezifischen Konnektivitätsradius befinden. Die daraus re-
sultierenden Ergebnisse wurden anschließend einer häufigkeitsstatistischen Analyse unter-
zogen. Beim zweiten Ansatz erfolgt die Pufferung jedes Teilpolygons mit der Hälfte des
jeweiligen theoretischen bzw. artspezifischen Konnektivitätsradius (Abbildung 3). Je weni-
ger geschlossene Pufferpolygone das aus der GIS-Kalkulation resultierende Polygonlayer
aufweist, desto besser die jeweilige Konnektivität des Netzwerks. Entsteht ein einziges
geschlossenes Pufferpolygon, entspricht dies einer optimalen Konnektivität.
Als Ergebnis kann im Hinblick auf die Konnektivitätsanalyse für die theoretischen Radien
festgehalten werden, dass bei allen fünf ausgewählten benthischen Landschaftstypen nicht
für alle Landschaftspolygone eine ausreichende Konnektivität festgestellt werden konnte.
Im Hinblick auf alle fünf Landschaftstypen liegt der Anteil von Einzelpolygonen ohne
Verbindung zu einem Polygon des jeweils selben Landschaftstyps zwischen 2,4 und 14,3 %
für den 25 km Radius und zwischen 1,4 und 14,3 % für den 50 km Radius. Im Hinblick auf
die zweite Methode wurden für den Konnektivitätsradius von 25 km zwischen sechs und
18 und für den Radius von 50 km zwischen sechs und 13 Pufferpolygone gebildet.
Da bei der Ermittlung der artspezifischen Konnektivität mehrere Landschaftstypen pro Art
berücksichtigt wurden, liegt die Konnektivität hier entsprechend höher: So sind für Maco-
ma baltica alle entsprechenden Landschaftskombinationspolygone miteinander verknüpft,
für Psetta maxima alle bis auf 0,16 %, für Furcellaria lumbricalis bzw. Idotea baltica alle
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Abb. 3:   Konnektivitätsanalyse eines Landschaftstyps anhand der Clustermethode

bis auf 0,11 % und für Fucus vesiculosus alle bis auf 4 %. Im Hinblick auf die zweite Me-
thode wurden für Macoma baltica ein, für Psetta maxima 35, für Furcellaria lumbricalis
bzw. Idotea baltica 34 und für Fucus vesiculosus 415 Pufferpolygone gebildet.

4     Schlussfolgerungen und Ausblick
Als Ergebnis der hier vorgestellten Studie kann festgehalten werden, dass die BSPA bislang
noch nicht einem ökologisch kohärenten Schutzgebietsnetzwerk entsprechen. Eine diesbe-
zügliche Verbesserung ist daher durch die Integration weiterer Schutzgebietsflächen anzu-
streben. Allerdings zeigen weitere in dem FuE-Vorhaben durchgeführten Analysen, dass
auch bei einer Zusammenlegung von den BSPA und Natura 2000 Schutzgebieten keine
zufrieden stellenden Ergebnisse erzielt werden konnten. Wie bei dem BSPA-Netzwerk sind
die damit verbundenen Defizite auf allen vier ökologischen Kohärenzebenen zu finden.
Räumlich gesehen liegt dies primär daran, dass die marinen Schutzgebiete v. a. in den Ter-
ritorialgewässern vertreten sind und sich in den Offshore-Bereichen stark unterrepräsentiert
darstellen. Ein anderer Grund für die unzureichende ökologische Kohärenz ist aber auch in
der bislang noch immer nicht komplettierten BSPA-Datenbasis zu sehen. Zwar wurde im
Jahr 2009 eine erneute Befragung der Mitgliedsstaaten durchgeführt, doch wurden nicht für
alle BSPA vollständige Aktualisierungen vorgenommen, so dass sich die dokumentierten
Informationen als z. T. sehr spärlich erwiesen. Ferner wurde die Kohärenzanalyse auf Basis
der Datenlage Juli 2009 durchgeführt. Für einige Länder war zu diesem Zeitpunkt die Aus-
weisung von zusätzlichen BSPA noch nicht abgeschlossen. So wurden bis Februar 2010 70
neue Schutzgebiete gemeldet. Neben der lückenhaften Dokumentation wichtiger Aspekte in
der BSPA-Datenbank fehlt es zusätzlich vor allem an flächendeckenden Geodaten zu der
Verbreitung und dem Vorkommen von Arten und Habitaten, sowie Nutzungs- und Belas-
660             R. Pesch, S. Ranft, W. Schröder, D. Boedeker und H. Paulomäki

tungsdaten. Auch die hier zur Bewertung herangezogenen Geodaten zu essentiellen Habita-
ten und anthropogenen Störfaktoren sind bezüglich ihrer Qualität kritisch zu hinterfragen.
Des Weiteren bleibt festzuhalten, dass die hier angewendeten Kohärenzkriterien im Hin-
blick auf ihre Eignung und Anwendbarkeit auf Schutzgebietsnetzwerke diskutiert und wei-
terentwickelt werden müssen.

Literatur
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