Seabirds at Sea - Untersuchungen in den deutschen Meeresgebieten
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VOGELWELT 126: 67 – 74 (2005) 67 Seabirds at Sea – Untersuchungen in den deutschen Meeresgebieten Stefan Garthe & Philipp Schwemmer Garthe, S. & P. Schwemmer 2005: Seabirds at Sea – studies in German waters. Vogelwelt 126: 67 – 74. Since the year 2000, several larger and smaller projects could be raised within the framework of the Seabirds at Sea Program. They led to a considerable improvement of the data basis as well as enabled extensive analyses. New surveys provided substantial improvements of our knowledge of large-scale spatial and seasonal distributions of seabirds and coastal birds in German waters. This holds true also for seabirds in the German Baltic Sea in summer which were hardly studied so far. In addition to ship-based transect counts, aerial transect counts from low-flying aircrafts have recently been established within the Seabirds at Sea Program. Two examples shall illustrate the possibilities for analyses. First, the development of the summer distribution of Lesser Black-backed Gulls Larus fuscus in the German Bight (North Sea) from 1992 to 2002 was investigated. Second, data sets from a longer-term study in a well-studied sea area south-east of Helgoland were analysed. Although a permanent establishment of the German Seabirds at Sea Program has not been achieved yet, the current perspectives can be considered to be very good. Key words: Seabirds, North Sea, Baltic Sea, monitoring, conservation. 1. Einleitung 2. Gegenwärtiger Stand des Projekts Bis vor wenigen Jahren war das deutsche Seabirds- Seit Juni 2001 wird das deutsche Seabirds-at-Sea-Pro- at-Sea-Programm ein Untersuchungs- und Monito- gramm von S. GARTHE vom Forschungs- und Techno- ringprogramm, welches nur begrenztes überregiona- logiezentrum (FTZ) Westküste, einer Außenstelle der les Interesse in Deutschland hervorrief (GARTHE & Universität Kiel, koordiniert. Seit dem Jahr 2000 ist es HÜPPOP 1996, 2000). Im Rahmen der umfangreichen gelungen, eine Reihe größerer Projekte einzuwerben, Planungen von Offshore-Windenergieanlagen (z. B. die neben einer wesentlichen Verbesserung der Da- EXO et al. 2002) und EU-Vogelschutzgebieten (z. B. tenlage auch umfangreiche Auswertungen sowie eine GARTHE 2003a) vor allem in der Ausschließlichen wenigstens Teilaspekte berücksichtigende Kontinuität Wirtschaftszone (AWZ) von Nord- und Ostsee sind ermöglicht haben: aber Untersuchungen zu Verbreitung, Bestand und Be- • „See- und Wasservögel in der deutschen Ostsee und deutung von Seevögeln auf See inzwischen von großer ihr Schutz im Rahmen internationaler Vereinba- öffentlicher Relevanz. Die Methode der Erfassungen rungen“ (2000–2002; Bundesamt für Naturschutz; von Seevögeln auf See wird inzwischen auch weit FKZ 800 86 002; Abschlussbericht: GARTHE et al. verbreitet bei Umweltverträglichkeitsstudien (UVS) 2003b), in deutschen Gewässern eingesetzt und ist Bestand- • „Erfassung von Rastvögeln in der deutschen AWZ teil des „Standarduntersuchungskonzepts (StUK) für von Nord- und Ostsee (ERASNO)“ (2002; Bun- die Untersuchung und Überwachung der Auswirkun- desamt für Naturschutz; FKZ 802 85 280; Ab- gen von Offshore Windenergieanlagen (WEA) auf die schlussbericht: http://www.bfn.de/marinehabitate/ Meeresumwelt“ (BSH 2003). de/downloads/berichte/Erfassung_Rastvoegel_ In diesem Artikel soll ein Überblick über den der- Nord_u_Ostsee_2002.pdf bzw. GARTHE 2003a), zeitigen Stand des Seabirds-at-Sea-Programms ge- • „Rastvogelvorkommen und Offshore-Windkraft- geben werden. Dabei sollen neben den Fortschritten nutzung: Analyse des Konfliktpotenzials für die der letzten Jahre auch die aktuellen Fragestellungen deutsche Nord- und Ostsee“ als Teilprojekt 5 des sowie beispielhaft zwei Auswertungen zu Bestands- Verbundvorhabens „Marine Warmblüter in Nord- entwicklungen vorgestellt werden. und Ostsee: Grundlagen zur Bewertung von Wind- kraftanlagen im Offshorebereich (MINOS)“ (2002– 2004; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
68 S. GARTHE & P. SCHWEMMER: Seabirds at Sea und Reaktorsicherheit; koordiniert vom Landesamt • Brut- und Rastvorkommen, Gefährdung und Schutz für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches von Wasservögeln in der deutschen Ostsee (GARTHE Wattenmeer; FKZ 0327520; Abschlussbericht: et al. 2003b; SONNTAG et al. 2004), http://www.minos-info.de/material/endbericht/ • Aktuelle und ausführliche Methodenbeschrei- MINOS_Endbericht_Projekt_5_Seevoegel.zip bzw. bung für die Seevogel-Erfassung von Schiffen aus GARTHE et al. 2004a), (GARTHE et al. 2002; CAMPHUYSEN & GARTHE • „Erfassung von Meeressäugetieren und Seevögeln 2004), in der AWZ von Ost- und Nordsee (EMSON)“, • Seevogelverbreitung und Offshore-Windenergie- Teilvorhaben Seevögel (2003–2005; Bundesamt nutzung (EXO et al. 2002; HÜPPOP et al. 2002; für Naturschutz; FKZ 802 85 260), GARTHE & HÜPPOP 2004). • „Verbreitung und Häufigkeit von See- und Küsten- Durch die Untersuchungen gab es ganz allgemein er- vögeln in der niedersächsischen 12-Seemeilen-Zone hebliche Verbesserungen der Kenntnislage zur flächen- der Nordsee“ (2002–2003; Niedersächsisches Lan- haften und detaillierteren jahreszeitlichen Verbreitung desamt für Ökologie; Abschlussbericht: GARTHE et von See- und Küstenvögeln in deutschen Gewässern. al. 2004b). Dies gilt erfreulicherweise auch für zuvor nur ansatz- Hinzu kommen noch kleinere Verträge, z. T. im Rahmen weise erforschte Aspekte wie das Seevogelvorkom- größerer Vorhaben mit anders gelagerten Schwerpunk- men in der deutschen Ostsee im Sommerhalbjahr (z. B. ten. Eine Grundfinanzierung des Programms erfolgt SONNTAG et al. 2004). Besonders hervorzuheben sind durch die „Ornithologische Arbeitsgemeinschaft für die grundlegenden Datenerhebungen und -aufbereitun- Schleswig-Holstein und Hamburg e.V.“ Des Weiteren gen, die u. a. zu je einem großen EU-Vogelschutzgebiet ist es durch Unterstützung des Landesamtes für den in der deutschen AWZ der Nordsee und der Ostsee Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer in geführt haben (www.habitatmarenatura2000.de). Tönning und des Staatlichen Umweltamtes in Itzehoe Neben den schiffsgestützten Transektzählungen möglich, das Gewässeraufsichtsschiff „Elbsande“ für sind inzwischen auch Transektzählungen von niedrig Aufgaben im Rahmen des Seabirds-at-Sea-Programms fliegenden Flugzeugen aus eine im Rahmen des Sea- kostenfrei zu nutzen. birds-at-Sea-Programms etablierte Methode; sie wird Im Rahmen der Projekte sowie weiterer Forschungs- tätigkeiten entstanden eine ganze Reihe von Veröffent- lichungen, die u. a. folgen- de Themen zum Inhalt hat- ten: • Monitoring von Seevö- geln auf See (GARTHE et al. 2003a), • Fachvorschläge für EU-Vogelschutzgebie- te in der AWZ (GARTHE 2003a), • Verbreitung, Habitat- wahl und Ernährungs- ökologie von Möwen in der Deutschen Bucht (KUBETZKI & GARTHE 2003), • Nutzung von Fischerei- abfällen durch Seevögel in der Ostsee (GARTHE Abb. 1: Verbreitung der Heringsmöwe in der Deutschen Bucht während der Jahre 1992–1994 (Monate Mai–August). Die schwarzen Dreiecke geben die Größe der He- & SCHERP 2003), ringsmöwenkolonien wieder (nur Kolonien über 50 Brutpaare dargestellt), Brutbestands- • Verbreitung und Bestän- daten nach SÜDBECK & HÄLTERLEIN (1994, 1995). Das Rechteck markiert den intensiv de ausgewählter Seevögel untersuchten Bereich, der zur Bestandsabschätzung genutzt wurde (s. u.). – Distribution in der deutschen Nord- of Lesser Black-backed Gulls in the German Bight 1992–1994 (May to August). Black und Ostsee (GARTHE triangles indicate the size of breeding colonies (only colonies with more than 50 breed- 2003a; DIERSCHKE et ing pairs shown), breeding numbers according to SÜDBECK & HÄLTERLEIN (1994, 1995). al. 2004), The rectangle marks an area used for estimates of bird numbers (see below).
VOGELWELT 126: 67 – 74 (2005) 69 in drei der oben genannten Projekte neben den Schiffs- Ihre Verbreitung auf See wandelte sich im Laufe dieser zählungen angewandt. Die Methode folgt weitgehend Zeit. 1992–1994 betrug der Brutbestand im Mittel 7143 den Vorschlägen von NOER et al. (2000) und DIEDE- Paare (SÜDBECK & HÄLTERLEIN 1994, 1995). Wäh- RICHS et al. (2002). Die Kombination beider Erfas- rend dieser Jahre trat die Heringsmöwe in der Deut- sungsmethoden unter einem Dach bringt neue Optio- schen Bucht hauptsächlich in küstenfernen Gebieten nen für verschiedenste Ansätze z. B. im Rahmen von auf (Abb. 1). Vor der schleswig-holsteinischen Küste Monitoring-Aufgaben (vgl. GARTHE et al. 2003a). konnten nur wenige Individuen festgestellt werden. Derzeit werden planmäßig keine Daten aus UVS Leicht erhöhte Dichten im Einzugsgebiet der ostfrie- in deutschen Gewässern in die deutsche Seabirds-at- sischen Inseln ließen darauf schließen, dass seinerzeit Sea-Datenbank eingespielt. die Schwerpunkte im Offshore-Bereich wahrscheinlich den niedersächsischen Kolonien zuzuordnen waren. 3. Ausgewählte Ergebnisse und Im Laufe der 1990er Jahre wuchsen mit steigenden Diskussion Brutpaarzahlen auch die auf See festgestellten Dichte- werte (Abb. 2). Darüber hinaus kam es zu einer Umla- Mit Hilfe der langfristigen Datenreihen, die im Rah- gerung von Schwerpunktsgebieten, die, im Gegensatz men des SAS-Programms erhoben worden sind, ist es zum zuvor beschriebenen Zeitraum, nicht mehr so stark nunmehr teilweise möglich, die Bestandsentwicklun- im Offshore-Bereich lokalisiert waren, sondern näher gen von Seevögeln auch auf See nachzuvollziehen und an die Küste wanderten. Der Brutbestand der deut- einige Veränderungen ihrer Verbreitung über längere schen Nordseeküste betrug in den Jahren 1996–1998 Zeiträume hinweg zu dokumentieren. In diesem Artikel im Mittel 17.700 Paare (HÄLTERLEIN & SÜDBECK werden zwei Beispiele vorgestellt. 1998; SÜDBECK & HÄLTERLEIN 1999, 2001). Hierbei Zunächst wird hier die Entwicklung der Sommer- war besonders auffällig, dass gegenüber den Vorjahren verbreitung der Heringsmöwen Larus fuscus in der erheblich höhere Dichten vor der schleswig-holsteini- Zeit von 1992 bis 2002 (Monate Mai bis August) her- schen Küste auftraten, die u. a. höchstwahrscheinlich ausgegriffen. Der Brutbestand der Heringsmöwe steigt auf die stark anwachsende Heringsmöwenkolonie auf seit Anfang der 1990er Jahre an der deutschen Nord- Amrum zurückzuführen sind. Die Veränderung der seeküste exponentiell an (z. B. GARTHE et al. 2000). Dichten wurde mit Hilfe von Rasterfeldern (ICES- Rechtecke) statistisch getes- tet. Sowohl für den Bereich der Dithmarscher Küste als auch für den südlichen Teil Nordfrieslands konnten für die letzten Jahre signifikant höhere Dichten im Küsten- bereich festgestellt werden (K RUSKAL -W ALLIS -Test). Im Offshore-Bereich blieben jedoch gleichzeitig Bereiche vergleichsweise hoher Dich- ten erhalten. In den Jahren 2000–2002 setzte sich der Trend anstei- gender Dichten im Küsten- bereich insbesondere vor der nordfriesischen Küste nahe Amrum fort (Abb. 3). Auch vor der niedersächsischen Küste, vor allem im Einzugs- bereich der stark expandier- ten Heringsmöwenkolonie Abb. 2: Verbreitung der Heringsmöwe in der Deutschen Bucht während der Jah- re 1996–1998 (Monate Mai–August). Die schwarzen Dreiecke geben die Größe der auf der Insel Mellum im Heringsmöwenkolonien wieder (nur Kolonien über 50 Brutpaare dargestellt), Brutbe- Jade-Weser-Ästuar, waren standsdaten nach HÄLTERLEIN & SÜDBECK (1998) und SÜDBECK & HÄLTERLEIN (1999, in diesem Zeitraum hohe 2001). – Distribution of Lesser Black-backed Gulls in the German Bight 1996–1998 Dichten anzutreffen. Dar- (May to August). Black triangles indicate the size of breeding colonies (only colonies über hinaus wurden in den with more than 50 breeding pairs shown), breeding numbers according to HÄLTERLEIN betrachteten Jahren jedoch & SÜDBECK (1998) and SÜDBECK & HÄLTERLEIN (1999, 2001). auch erneut weite Bereiche
70 S. GARTHE & P. SCHWEMMER: Seabirds at Sea Folgezeiträumen erhalten, es traten jedoch verstärkt He- ringsmöwen nahe der Küste (zwischen 0,1 und 20 km Entfernung) auf. Die mitt- lere Heringsmöwendichte innerhalb der einzelnen Ent- fernungsklassen unterschied sich laut χ²-Test zwischen den drei Jahresblöcken si- gnifikant (χ² = 1728,78; df = 10; p < 0,001). Die Stich- probengrößen innerhalb der drei Jahresblöcke lagen zwischen 2375 und 7030 Tieren. Die hohen Werte der Dichten im Offshore-Bereich bei 60,1–80 km Küstenent- fernung (1996–1998) und bei 40,1–60 km Küstenent- Abb. 3: Verbreitung der Heringsmöwe in der Deutschen Bucht während der Jah- fernung (2000–2002) sind re 2000–2002 (Monate Mai–August). Die schwarzen Dreiecke geben die Größe der am ehesten durch Tiere zu Heringsmöwenkolonien wieder (nur Kolonien über 50 Brutpaare dargestellt), Brutbe- erklären, die sich in großen standsdaten von 1999 nach SÜDBECK & HÄLTERLEIN (2001). – Distribution of Lesser Trupps Fischereifahrzeu- Black-backed Gulls in the German Bight 2000–2002 (May to August). Black triangles gen angeschlossen hatten. indicate the size of breeding colonies (only colonies with more than 50 breeding pairs Die sich über die Jahre shown), breeding numbers from 1999 according to SÜDBECK & HÄLTERLEIN (2001). wandelnden Verbreitungs- muster dürften neben dem fernab der Küste mit starken Konzentrationen angetrof- Brutbestandsanstieg auch durch Veränderungen im fen. Ein Schwerpunktbereich, der in Ermangelung von Nahrungsverhalten der Heringsmöwe zu begründen Daten im zuvor behandelten Zeitraum nicht untersucht sein (SCHWEMMER & GARTHE 2005). Durch Doku- werden konnte, befand sich ca. 100 km westlich vor mentation des Verhaltens von Heringsmöwen (geson- Sylt und Amrum. Die jüngste veröffentlichte Zahl des dertes Erfassen von Tieren, die entweder ausschließlich Brutbestands der Heringsmöwe an der deutschen Nord- „natürliche“ Nahrung suchten oder aufnahmen oder seeküste von 1999 beträgt 30.997 Paare (SÜDBECK & lediglich an anthropogener Nahrung interessiert wa- HÄLTERLEIN 2001). Es kann als relativ gesichert gelten, dass der Anstieg der Dichten auf See zum größten Teil 6,5 mittlere Dichte [Individuen/km2] – durch Brutvögel aus dem deutschen Nordsee- mean densitiy [individuals/km2] 4,5 bereich hervorgerufen wurde, da die Brutpaar- 4,0 zahlen in den Niederlanden seit einigen Jahren 3,5 stagnieren. Inwiefern in den Sommermonaten 3,0 niederländische oder dänische Brutvögel auch 2,5 in deutschen Nahrungshabitaten angetroffen 2,0 werden, kann mit letzter Sicherheit nur durch 1,5 Markierung oder Besenderung von Tieren ge- 1,0 klärt werden. 0,5 2000–2002 Die Verlagerung von Schwerpunktge- 0,0 1996–1998 bieten auf See parallel zum Brutbestandsan- 0,1–20 20,1–40 1992–1994 40,1–60 60,1–80 stieg im Laufe der letzten Jahre wird zudem 80,1–100 > 100 besonders deutlich, wenn man die auf See Entfernung zur Küste [km] – distance to coast [km] ermittelten Heringsmöwendichten in Bezie- hung zur Landentfernung setzt (Abb. 4). Abb. 4: Mittlere Heringsmöwendichte dreier verschiedener Jahres- Die schon in Abb. 1 erkennbare Konzent- blöcke (jeweils die Monate Mai – August) in verschiedenen Entfer- ration hoher Dichten im Offshore-Bereich nungsklassen zur Küste. – Average density of Lesser Black-backed (zwischen 20 und 80 km Küstenentfernung) Gulls (May to August) in relation to distance from the coast in three Anfang der 1990er Jahre blieb zwar in den 3-year-periods.
VOGELWELT 126: 67 – 74 (2005) 71 ren) während SAS-Fahrten im Jahre 2002 0,35 logarithmierte mittlere Dichte (Ind./km²) – konnte aufgedeckt werden, dass ein hoher 0,3 log mean densitiy (ind./km2) Prozentsatz der Tiere in Küstennähe „na- türliche“ Nahrung erbeutet, während die 0,25 Tiere im küstenferneren Bereich vermehrt 0,2 als Schiffsfolger hinter Fischereifahrzeugen auftraten (SCHWEMMER 2003). 0,15 Die „natürliche“ Nahrung im Küsten- 0,1 bereich bestand vor allem aus Schwimm- krabben (Liocarcinus spec.), einer Beuteart, 0,05 welche laut aktuellen Arbeiten zur Ernäh- 0 rungsökologie von Heringsmöwen in den 8 34 47 47 34 7 16 54 16 2 2 18 12 22 letzten Jahren eine immer größere Rolle 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 einzunehmen scheint (vgl. z. B. KUBETZKI Beobachtungstage/Jahr – observation days/year & GARTHE 2003; SCHWEMMER & GARTHE 2005). Dank der Spezialisierung auf diese Abb. 5: Verlauf der mittleren Sturmmöwendichten auf See während der Brutzeit-Monate Mai–Juli in den Jahren 1990–2003 in einem intensiv Beuteart im Küstenbereich sowie der Fähig- untersuchten Gebiet südöstlich von Helgoland. Um annähernd eine keit der Heringsmöwe, auch in der Brutzeit Normalverteilung zu erreichen, wurden die Dichtewerte logarithmiert. zur Nahrungsaufnahme weite Strecken auf Die Zahlen unter den Balken geben die Anzahlen der Beobachtungs- See hinaus zu fliegen (z. B. CAMPHUYSEN tage wieder. – Average density of Common Gulls in the North Sea 1995), verfügt diese Seevogelart über eine southeast of Helgoland (see rectangle in Fig. 1) during the breeding günstige Ernährungssituation, die sicher seasons 1990–2003 (May to July). Log-transformed data were used stark zum Brutbestandsanstieg der letzten in order to get nearly normal distributions. Numbers below the x-axis stand for the number of observation days. Jahre beigetragen hat. logarithmierte mittlere Dichte (Ind./km²) – 0,4 Eine weitere Möglichkeit zur Beschrei- bung von Bestandstrends bestimmter Seevo- 0,35 log mean densitiy (ind./km2) gelarten auf See ist durch die Auswertung 0,3 langjähriger SAS-Daten in intensiv unter- suchten Gebieten auf See gegeben. In einem 0,25 Bereich südöstlich von Helgoland (Rechteck 0,2 in Abb. 1) war es so möglich, trotz einiger 0,15 Jahre mit zu geringer Datenlage, die Ent- wicklung der mittleren Dichten für Sturm-, 0,1 Silber- und Mantelmöwe (Larus canus, L. 0,05 argentatus, L. marinus) für die Brutzeitmo- 0 nate Mai bis Juli seit 1990 aufzuzeigen. Dazu 8 34 47 47 34 7 16 54 16 2 2 18 12 22 wurden nur Beobachtungstage ausgewählt, 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 an denen mehr als 3 km² Fläche im Gebiet Beobachtungstage/Jahr – observation days/year (53,90–54,15 °N, 7,90–8,30 °E) kartiert Abb. 6: Silbermöwe (wie Abb. 5). – Herring Gull (as Fig. 5). wurden. Die Anzahl dieser Tage schwank- te in den einzelnen Jahren zwischen 2 und 0,35 logarithmierte mittlere Dichte (Ind./km²) – 54. Um die mittleren Dichten zu berechnen, 0,3 wurden für jeden Zeitraum die pro Beobach- log mean densitiy (ind./km2) tungstag erfassten Individuen durch die pro 0,25 Tag erfasste Fläche dividiert. Die Dichten pro Beobachtungstag wurden zuvor logarith- 0,2 miert, um annähernd eine Normalverteilung 0,15 zu erreichen. Innerhalb dieses Gebietes sind Land-See-Gradienten (wie z. B. oben für die 0,1 Heringsmöwe erwähnt) vernachlässigbar. 0,05 Alle drei Möwenarten zeigen unter erheb- ? ? ? lichen Schwankungen signifikant rückläufige 0 8 34 47 47 34 7 16 54 16 2 2 18 12 22 Trends (Abb. 5 bis 7). Während diese Trends 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 bei Sturmmöwe (rs = –0,578, n = 12, p < 0,05) Beobachtungstage/Jahr – observation days/year und Silbermöwe (rs = –0,582, n = 12, p < 0,05) nur geringfügig oberhalb der statisti- Abb. 7: Mantelmöwe (wie Abb. 5). – Great Black-backed Gull (as schen Absicherung liegen, ist die Sachlage Fig. 5).
72 S. GARTHE & P. SCHWEMMER: Seabirds at Sea bei der Mantelmöwe viel deutlicher (rs = –0,799, n = • Erstellung eines Atlas der Seevögel der Deutschen 12, p < 0.01). Für diese Trends gibt es eine Reihe mög- Bucht, licher Gründe. Zum einen ist überraschend, dass bei • Datenaufarbeitung und Konzepte zu Schutzaspek- gleichzeitiger Zunahme der Brutbestände (GARTHE et ten auf See (z. B. Management in den EU-Vogel- al. 2000) die Sturmmöwen-Dichten im Untersuchungs- schutzgebieten in Nord- und Ostsee, Auswirkungen gebiet zurückgehen. Dies kann aber daran liegen, dass von verschiedenen Meeresnutzungen), dieses Gebiet außerhalb der Aktionsradien der Brutvögel • Analyse des Zusammenwirkens von hydrographi- liegt (vgl. GARTHE 1997; KUBETZKI 2002). Deutliche schen Phänomenen, Nahrungsverfügbarkeit und Dichteschwankungen zwischen den Jahren oder auch in- Seevogelverteilungsmustern. nerhalb der Jahre können gerade bei dieser Art durchaus Auch wenn eine dauerhafte Etablierung des Seabirds- durch eine Präferenz für bestimmte Wassermassen und/ at-Sea-Programms noch nicht erzielt werden konnte, so oder Frontensysteme verursacht werden, die wiederum sind die derzeitigen personellen und logistischen Be- durch die großräumigen Wetterlagen wesentlich beein- dingungen als sehr gut einzustufen. Dies ist zum einen flusst werden (GARTHE 1998; MARKONES 2003). Vertei- wegen der mittelfristig abgesicherten Anbindung des lungsmuster der Silber- und Mantelmöwe werden u. a. Programms an das FTZ Büsum der Fall, zum anderen stark durch Fischereiaktivitäten geprägt (z. B. GARTHE wegen der anhaltenden Finanzierung vor allem durch 1999; HÜPPOP & WURM 2000; GARTHE 2003b). Bundesmittel (Bundesamt für Naturschutz, Bundesum- weltministerium). 4. Perspektiven Inhaltlich folgt das Seabirds-at-Sea-Programm weiter- Dank: Den staatlichen und privaten Geldgebern und Koope- hin einer Kombination aus Aspekten der Grundlagen- rationspartnern sei ganz herzlich für die inzwischen mehrere forschung und angewandten Fragestellungen (GARTHE Jahre anhaltende Unterstützung gedankt. Dies gilt auch für et al. 2003c). Vier Themen können für die kommenden die große Zahl ehrenamtlicher und hauptberuflicher Mitar- 2–3 Jahre als prioritär eingestuft werden: beiter in den verschiedenen Forschungsvorhaben und Studi- en sowie die institutsinterne Unterstützung im FTZ Büsum. • Etablierung eines Monitoring von Seevögeln auf V. DIERSCHKE und C. SUDFELDT machten Verbesserungs- See (vgl. GARTHE et al. 2003a), vorschläge zum Manuskript. 5. Zusammenfassung Garthe, S. & P. Schwemmer 2005: Seabirds at Sea – Untersuchungen in den deutschen Meeresgebieten. Vogelwelt 126: 67 – 74. Seit dem Jahr 2000 ist es erfreulicherweise gelungen, eine niedrig fliegenden Flugzeugen aus eine im Rahmen des Sea- Reihe größerer und kleinerer Projekte einzuwerben, die neben birds-at-Sea-Programms etablierte Methode. Als Beispiele für einer wesentlichen Verbesserung der Datenlage auch umfang- die inzwischen möglich gewordene Analysen längerfristiger reiche Auswertungen im Rahmen des Seabirds-at-Sea-Pro- Datenreihen wird zum einen die Entwicklung der Sommer- gramms ermöglicht haben. Durch die Untersuchungen gab es verbreitung der Heringsmöwe Larus fuscus in der Zeit von ganz allgemein erhebliche Verbesserungen der Kenntnislage 1992–2002 in der Deutschen Bucht (Nordsee) herausgegriffen, zur flächenhaften und detaillierteren jahreszeitlichen Verbrei- zum anderen eine Auswertung langjähriger Datenreihen aus tung von See- und Küstenvögeln in deutschen Gewässern. einem besonders intensiv untersuchten Meeresareal südöst- Dies gilt erfreulicherweise auch in zuvor nur ansatzweise lich von Helgoland. Auch wenn eine dauerhafte Etablierung erforschten Aspekten wie dem Seevogelvorkommen in der des Seabirds at Sea-Programmes noch nicht erzielt werden deutschen Ostsee im Sommerhalbjahr. Neben den schiffsge- konnte, so sind die derzeitigen personellen und logistischen stützten Transektzählungen sind inzwischen auch solche von Bedingungen insgesamt als sehr gut einzustufen. 6. Literatur BSH 2003: Standarduntersuchungskonzept (StUK) für die vessels in the breeding season: Competitive scavenging Untersuchung und Überwachung der Auswirkungen von versus effective flying. Ardea 83: 365–380. Offshore Windenergieanlagen (WEA) auf die Meeresum- CAMPHUYSEN, C. J. & S. GARTHE 2004: Recording foraging welt. Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, seabirds at sea. Standardised recording and coding of Hamburg und Rostock. BSH – No. 7003 (http://www. foraging behaviour and multi-species foraging associa- bsh.de/de/Produkte/Buecher/Sonstige%20Publikationen/ tions. Atl. Seabirds 6: 1–32. Standarduntersuchungskonzept/index.jsp) DIEDERICHS, A., G. NEHLS & I. K. PEDERSEN 2002: Flug- CAMPHUYSEN, C. J. 1995: Herring Gull Larus argentatus and zeugzählungen zur großflächigen Erfassung von Seevö- Lesser Black-backed Gull L. fuscus feeding at fishing geln und marinen Säugern als Grundlage für Umwelt-
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