GLÜCKSSPIEL IN ÖSTERREICH UND DIE RECHTSPRECHUNG DES EUGH

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Glücksspiel in
                                        Mag. Kathrin Telsnig

                                        Angefertigt am

Österreich und
                                        Institut für
                                        Europarecht

die
                                        Beurteiler
                                        Univ.-Prof. Dr. Franz
                                        Leidenmühler

Rechtsprechung                          04/2022

des EuGH

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER

                                        UNIVERSITÄT LINZ

                                        Altenberger Straße 69

                                        4040 Linz, Österreich
Anmerkung:
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde von einer geschlechterspezifischen
Differenzierung abgesehen. Sämtliche Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für
alle Geschlechter.

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Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................4
1.     Vorwort ..................................................................................................................................5
2.     Überblick über die rechtliche Ausgestaltung des Glücksspiels in Österreich ......................6
2.1. Definition Glücksspiel ...........................................................................................................6
2.2. Das Glücksspielmonopol ......................................................................................................7
2.3. Online Glücksspiel ................................................................................................................8
3.     Ziele der Gesetzgebung .......................................................................................................9
3.1. Spielerschutz ......................................................................................................................10
3.2. Kriminalitätsbekämpfung ....................................................................................................13
4.     Die europäischen Grundfreiheiten ......................................................................................14
4.1. Dienstleistungsfreiheit.........................................................................................................15
4.2. Niederlassungsfreiheit ........................................................................................................17
5.     Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs in Angelegenheiten des Glücksspiels ..19
5.1. Entscheidung Engelmann ...................................................................................................20
5.2. Entscheidung Dickinger und Ömer .....................................................................................21
5.3. Entscheidung Fluctus und Fluentum ..................................................................................23
6.     Bewertung der Monopolregelung durch österreichische Höchstgerichte ..........................26
7.     Conclusio ............................................................................................................................28
Literaturverzeichnis ....................................................................................................................33
Internetquellen ............................................................................................................................34

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Abkürzungsverzeichnis

Abs.                   Absatz
ABGB                   Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
AEUV                   Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Art.                   Artikel
B-VG                   Bundes-Verfassungsgesetz
CASAG                  Casinos Austria AG
EU                     Europäische Union
EuGH                   Europäischer Gerichtshof
f                      folgende
ff                     fortfolgende
gem.                   gemäß
GSpG                   Glücksspielgesetz
Hrsg.                  Herausgeber
iSd.                   im Sinne des
KSGAG                  Gesetz über das Aufstellen und den Betrieb von Spielautomaten
                       und Glücksspielautomaten in Kärnten
lit.                   Buchstabe
lt.                    laut
OGH                    Oberster Gerichtshof
Rs.                    Rechtssache
Rz.                    Randzahl
S.                     Seite
StGB                   Strafgesetzbuch
StGG                   Staatsgrundgesetz
VfGH                   Verfassungsgerichtshof
VwGH                   Verwaltungsgerichtshof
Vgl.                   Vergleiche
Z.                     Ziffer

                                                                                       4
1. Vorwort

   Das österreichische Glücksspielmonopol und seine gesetzliche Ausgestaltung
   beschäftigten inländische Gerichte sowie den Europäischen Gerichtshof seit
   Jahrzehnten. Das Monopol des Staats zur Durchführung von Glücksspielen wird durch
   die Vergabe von Konzessionen ausgeübt, ausgenommen vom Monopol ist das
   sogenannte kleine Glücksspiel, welches aber ebenfalls durch ein streng reglementiertes
   Konzessionssystem gekennzeichnet ist.

   Daraus ergibt sich ein Konzessionssystem, welches je nach Angebot und Bundesland
   unterschiedliche Regelungen für die Betreiber des kleinen Glücksspiels, einheitliche
   hingegen für die Bundeskonzessionäre vorsieht.
  Diese Tatsache führt naturgemäß zu rechtlichen Disputen, da sich privatrechtliche
  Anbieter sowie solche aus dem Ausland in diesem System benachteiligt fühlen und die
  Differenzierung zwischen den Angeboten der Monopolisten und der anderen Anbieter
  nur schwer nachvollziehbar ist. Ebenso sind Anbieter ausgeschlossen, die über
  Lizenzen aus anderen Mitgliedstaaten verfügen, ein grenzüberschreitendes Anbieten
  von Glücksspiel ist somit in Österreich nicht legal möglich.

   Die Rechtsprechung des EuGH und die innerösterreichische Rechtsprechung gehen
   teilweise auseinander, es wird in der Literatur immer wieder Kritik am österreichischen
   System geübt., vor allem das Kohärenzgebot sehen einige Autoren nicht ausreichend
   erfüllt.

   Die vorliegende Arbeit soll die Kritik an der österreichischen Regelung bearbeiten und
   einige Entscheidungen auf nationaler sowie europäischer Ebene näher beleuchten. Es
   wird ein Überblick über die Monopolregelung des Glücksspiels in Österreich gegeben,
   sowie eine Darlegung der europäischen Grundfreiheiten und unter welchen
   Voraussetzungen Eingriffe in diese zulässig sind,

                                                                                         5
2. Überblick über die rechtliche Ausgestaltung des Glücksspiels in Österreich

2.1.        Definition Glücksspiel

Glücksspiele sind lt. dem Glücksspielgesetz definiert als „Spiel, bei dem die Entscheidung
über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt“.1
Somit muss ein „Spiel“ vorliegen, und dies ist der Fall, wenn es sich um einen entgeltlichen
Glücksvertrag handelt. Entscheidend ist das Vorliegen eines aleatorischen Moments,
wodurch sich das Glücksspiel auch von der Wette unterscheidet, die im GSpG nicht
geregelt ist, da man den in Österreich erlaubten Sportwetten eben kein aleatorisches
Moment zuschreibt. Das gewerbsmäßige Anbieten von Sportwetten fällt in die Kompetenz
der Länder und wird von diesen autonom geregelt.2
Das Gesetz zählt demonstrativ einige Spiele auf, wie Roulette, Black Jack aber auch
Glücksspielautomaten sind vom österreichischen Glücksspielgesetz umfasst, eine konkrete
Legaldefinition existiert allerdings nicht, auch keine ergänzende Verordnung iSd. §2 Abs. 1
GSpG.

Die Differenzierung von Glücksspiel und Geschicklichkeitsspiel ist bereits seit dem
Mittelalter ein Thema das Machthaber und Gesetzgeber beschäftigt. Die Geschichte des
Glücksspiels ist geprägt von Ge- und Verboten, ordnungspolitischen Maßnahmen und
moralischen Bedenken. Eines hat sich aber im Lauf der Jahrhunderte wenig verändert, der
finanzielle Nutzen für die jeweiligen Machthaber durch Besteuerung des Glücksspiels.
Daher hielten sich Verbote desselben auch nie lange, wurden sie dennoch ausgesprochen,
blühte das illegale Spiel quer durch alle Gesellschaftsschichten.3

1§1 Bundesgesetz vom 28. November 1989 zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz –
GSpG), über die Änderung des Bundeshaushaltsgesetzes und über die Aufhebung des Bundesgesetzes
betreffend Lebensversicherungen mit Auslosung.
2   Vgl. Mader, Vor einer Neuordnung des Glücksspielwesens in Österreich, Causa Sport 2021, S. 48.
3   Vgl. https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/, abgefragt am 10. Februar 2022.
                                                                                                     6
2.2.       Das Glücksspielmonopol

Grundsätzlich ist die Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten, dieser hat
also das Monopol auf die Durchführung von Glücksspielen in Österreich. Der Bund selbst
führt allerdings keine Glücksspiele durch, sondern vergibt Konzessionen an Unternehmen.
Ausgenommen             davon       sind   unter    anderem       die    Landesausspielungen              mit
Glücksspielautomaten, welche in die Kompetenz der Bundesländer fallen und zusätzlicher
Regelung in Landesgesetzen bedürfen.4 Zusätzlich unterliegt das kleine Glücksspiel – also
die Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten, einer Begrenzung von Einsatz- und
Gewinnhöhe.5

Die Konzessionsinhaber sind die Österreichische Lotterien GmbH und die Casinos Austria
AG, deren Konzessionen bis September 2027 bzw. Dezember 2030 laufen. Die
Österreichische Lotterien GmbH ist unter anderem Anbieter von „Lotto 6 aus 45“,
„Euromillionen“ und dem einzig legalen online Glücksspielangebot „win2day“. Die Casinos
Austria AG betreibt 12 Spielbanken – sohin die typischen Casinos, in Österreich. Daneben
gibt es noch mehrere Konzessionäre mit der Befugnis, das kleine Glücksspiel, also
Ausspielungen mit Glücksspielautomaten, in einigen Bundesländern auszuüben.

Da      der    Bund das Monopol            nicht   selbst   ausübt,     sondern dieses        durch       ein
Konzessionssystem an Unternehmen vergibt, ist erwähnenswert, dass es beispielsweise
fünfzehn Spielbank Lizenzen gibt, von denen lediglich zwölf vergeben wurden, alle an die
Casinos Austria AG. Ähnlich verhält es sich bei den Lotterien, hier wurde eine Konzession
an die Österreichische Lotterien GmbH vergeben. Daraus ergibt sich für die Österreichische
Lotterien GmbH und die CASAG eine defacto Monopolstellung im Bereich Lotterien, Online
Glücksspiel und Casinobetrieb.6
Spiele, die nicht durch Konzessionsinhaber angeboten werden, sind verbotene Spiele iSd
ABGB, die zugrundeliegenden Verträge absolut nichtig. Spielverluste aus verbotenen
Spielen        können       somit     bereicherungsrechtlich      zurückgefordert       werden.       Das

4   Vgl. § 3ff Glückspielgesetz – GSpG.
5   Vgl. § 5 Abs. 5 GSpG.
6Vgl. Jaeger/Lanser, Das Bundesmonopol für das Online-Glücksspiel: Alles ausjudiziert?, ZfV 2020/26, S.
250.
                                                                                                            7
Glücksspielmonopol zieht sich konsequent durch alle Bereiche vom Automatenglücksspiel
bis hin zu Onlineangeboten.7

2.3.       Online Glücksspiel

Wie oben erwähnt, ist auch das Online Glücksspiel vom Glücksspielmonopol umfasst und
bedarf einer Konzession um legal angeboten werden zu können. Da es in Österreich derzeit
nur einen Konzessionär gibt, sind alle anderen online Glücksspielangebote illegal und
berechtigen nach einer kürzlich ergangenen Entscheidung des OGH, zur Rückforderung
von Spielverlusten.8

Gem. § 879 Abs. 1 ABGB sind Verträge mit nichtkonzessionierten Anbietern nichtig, was
dazu führt, dass sie seitens des Spieler rückabgewickelt werden können. Somit können
Spielverluste resultierend aus illegalem Online Glücksspiel zurückgefordert werden.9
An dieser Rechtsprechung wird allerdings Kritik geübt. Bedenkt man, dass in § 1174 Abs.
1 ABGB normiert ist, dass etwas das wissentlich zur Bewirkung einer unerlaubten Handlung
hingegeben worden ist, nicht zurückgefordert werden kann, mutet es seltsam an, dass
genau diese Norm im Fall der Teilnahme an nicht konzessionierten Online Glücksspielen,
nicht anwendbar sein soll. Der OGH hat die Anwendung des § 1174 ABGB im genannten
Fall ausgeschlossen, da es sich beim Spieleinsatz nicht um ein Entgelt handle, widerspricht
damit aber seiner vorangegangenen Rechtsprechung, die sehr wohl besagte, dass eine
Rückforderung nicht auf die vorsätzliche Teilnahme an einer strafbaren Handlung gestützt
werden könne. Bei historischer Interpretation der Norm ergibt sich das Bild, dass eine
Kondiktion eben dann ausgeschlossen sein soll, wenn dem Leistenden die Unerlaubtheit
seiner Handlung bekannt war. 10
Es ist durchaus kritisch zu sehen, wenn dem Spieler einerseits die Möglichkeit eingeräumt
wird, Spieleinsätze bei ungünstigem Spielausgang zurückzufordern, andererseits Gewinne
aus dem illegalen Spiel zu behalten. Dies widerspricht grundlegend dem Schutzzweck der
Normen des GSpG, auf die im folgenden Kapitel noch näher eingegangen wird.

7Vgl. Peschel/ Göschlberger, Online-Casinos und das österreichische Glücksspielmonopol, ecolex
2021/571ff.
8   Vgl. OGH 24.06.2021, 9Ob20/21p.
9   Vgl. Klever, Online-Glücksspiel in Österreich, VbR 2021/71, S. 128f.
10   Vgl. Klausberger/Riss, Glücksspiel und Kondiktionsausschluss, RdW 2021/542, S. 676ff.
                                                                                                 8
3. Ziele der Gesetzgebung

Die Beschränkungen die mit der gesetzlichen Reglementierung des Glücksspielmarktes in
Österreich einhergehen, bedürfen, wie alle gesetzlichen Regelungen, einer Begründung
und müssen den Anforderungen der österreichischen Verfassungsgesetze entsprechen.
Hinzu treten die Normen der Europäischen Union, welche ebenfalls direkten Einfluss auf
die Gesetzgebung haben.
Besonders relevant in diesem Zusammenhang ist das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit lt.
Art. 6 StGG. Dieses räumt jedem Staatsbürger die Freiheit ein, unter den gesetzlichen
Bedingungen, jeden Erwerbszweig auszuüben. Allerdings steht dieses Grundrecht unter
einem formellen Gesetzesvorbehalt, der Einschränkungen durch den Gesetzgeber
ermöglicht. Diese müssen verhältnismäßig, im öffentlichen Interesse geboten, sachlich
gerechtfertigt und zur Zielerreichung geeignet und adäquat sein.11
Die Erwerbsfreiheit umfasst in ihrem Schutzbereich jede selbständige oder unselbständige
Erwerbstätigkeit.12

Es muss also jene Einschränkung gewählt werden, die am wenigsten invasiv ist, also das
gelindeste Mittel zur Zielerreichung darstellt. Die Adäquanz ergibt sich aus der Abwägung
„zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe“.13

„Den gravierendsten Eingriff in Art. 6 StGG bilden objektive Beschränkungen des
Erwerbsantritts, also Schranken, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen
erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann. Beispiele für derartige Beschränkungen
bilden Monopole oder Konzessionssysteme, nach denen ein bestimmtes Gewerbe nur nach
einer Bedarfsprüfung aufgenommen werden darf.“14

Außerdem ist noch der Gleichheitsgrundsatz gem. Art. 7 Abs. 1 B-VG anzuführen. Dieser
normiert ein Verbot von unsachlicher Differenzierung, unsachlicher Privilegierung sowie
Diskriminierung. Der VfGH hat daraus ein „allgemeines Sachlichkeitsgebot“ abgeleitet,
welches er als verletzt sieht, wenn eine gesetzliche Regelung unsachlich ist.15

11   Vgl. Hengstschläger/Leeb, Grundrechte, 2013, S. 154f.
12   Vgl. Grabenwarter/Frank, B-VG Art. 6 StGG, 2020, Rz. 9.
13   Hengstschläger/Leeb, Grundrechte, 2013, S. 158.
14   Grabenwarter/Frank, B-VG Art. 6 StGG, 2020, Rz. 12.
15   Vgl. Hengstschläger/Leeb, Grundrechte, 2013, S. 106f.
                                                                                        9
Auf Grund des Diskriminierungsverbots des Art. 18 AEUV ist der Gleichheitsgrundsatz auch
auf Unionsbürger anzuwenden, eine Differenzierung muss sachlich gerechtfertigt sein, eine
Ungleichbehandlung allein auf Grund der Staatsangehörigkeit ist unzulässig.16

Diese nationalen Grundrechte finden ihre Entsprechungen in den europäischen
Grundfreiheiten, die somit dann für alle Unionsbürger anwendbar sind. Siehe dazu Kapitel
4.

Der Gesetzgeber ist also unter anderem, an diese Grundlagen gebunden und muss sie bei
Regelungen im Glücksspielbereich beachten, da natürlich auch hier für die Betreiber bzw.
potenziellen Betreiber die österreichischen Grundrechte, neben unionsrechtlichen
Grundfreiheiten, Anwendung finden.
Die Begründungen für die Eingriffe durch den Gesetzgeber werden im Folgenden näher
ausgeführt.

3.1.        Spielerschutz

Als vorrangiges Ziel der Beschränkungen am österreichischen Glücksspielmarkt wird
immer wieder der Spielerschutz genannt. Es soll durch ein konzessioniertes, streng
kontrolliertes Angebot an Glücksspiel verhindert werden, dass Menschen in die Spielsucht
abrutschen und ihre Existenz durch die Spielteilnahme gefährden.
Gem. § 1 Abs. 4 GSpG ist eine Stelle für Spielerschutz durch den Finanzminister
einzurichten,       welche sich        um    die   inhaltliche,   wissenschaftliche   und finanzielle
Unterstützung des Spielerschutzes zu kümmern hat.
Weiterhin ist im GSpG die Umsetzung des Spielerschutzes näher geregelt, in Form von
Vorgaben an die Konzessionäre, wobei sich die Schutzmaßnahmen je nach Art des
Angebots unterscheiden.
Bemerkenswert            ist   hier    beispielsweise      die    Unterscheidung      zwischen   den
Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten und der Konzession für elektronische
Lottieren, welche via Video Lotterie Terminals (kurz VLT) angeboten wird. Aber auch für
Spielbanken gelten gesonderte Regelungen.17

16   Vgl. Muzak, B-VG, Art. 2 StGG, 2020, Rz. 2.
17   Vgl. §§5, 12a, 25 und 27 GSpG.
                                                                                                   10
Lt. Definition des § 12a GSpG handelt es sich bei VLT um „Ausspielungen bei denen die
Spielteilnahme unmittelbar durch den Spieler über elektronische Medien erfolgt und die
Entscheidung über das Spielergebnis zentralseitig herbeigeführt wird.“
Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten liegen vor, wenn gem. § 2 Abs. 3 GSpG
„die Entscheidung über das Spielergebnis nicht zentralseitig, sondern durch eine
mechanische oder elektronische Vorrichtung im Glücksspielautomaten selbst erfolgt.“
Das bedeutet also, dass es sich in beiden Fällen um quasi identische Geräte handelt, der
Unterschied liegt lediglich darin, dass die Entscheidung über das Spielergebnis einmal
zentralseitig und einmal direkt am Gerät selbst erfolgt. Für den Spieler ergibt dies in der
Praxis keinen Unterschied, da die Funktion und Nutzung der Geräte identisch sind, weil
beide Arten von Geräten der Verordnung der Bundesministerin für Finanzen über die
technischen Merkmale von Glücksspielautomaten und Video Lotterie Systemen, deren
Anbindung    an      ein     Datenrechenzentrum   sowie   über   die    Aufzeichnungs-   und
Aufbewahrungspflichten (Automatenglücksspielverordnung) entsprechen müssen.
Auf Grund der Ähnlichkeit der angebotenen Glücksspiele soll hier ein kurzer Vergleich über
die Regulatorien und Spielerschutzmaßnahmen der Landes- und Bundeskonzessionäre
angestellt werden:

Betrachtet man die Spielerschutzvorgaben für Landeskonzessionäre, findet man hierzu
sowohl Regelungen im Bundes- als auch in den jeweiligen Landesgesetzen. Als Beispiel
soll hier das Bundesland Kärnten herangezogen werden, da es eine sehr umfassende
gesetzliche Regelung des kleinen Glücksspiels gestaltet hat.
Gem. § 5 Abs. 4 und 5 GSpG sind für Landesausspielungen und VLT unter anderem
folgende Spielerschutzmaßnahmen vorgegeben:
   •   Abkühlphase nach 2 Stunden ununterbrochenem Spiel
   •   Abstandsregeln zu Spielbanken (15km) und anderen Anbietern (100m)
   •   Identifikation der Kunden
   •   Einrichtung         eines   Warnsystems    zur   Erkennung      von   problematischem
       Spielverhalten
   •   Einholung von Bonitätsauskünften und verpflichtende Beratungsgespräche mit
       „auffälligen“ Spielern
   •   Einrichtung eines Zutrittssystems das den Jugendschutz gewährleistet
   •   Anzahl an VLT möglich in ganz Österreich: 5000

                                                                                          11
Vergleicht man nun die Regelungen des Bundesgesetzes mit dem K-SGAG, welches den
Betrieb von Glücksspielautomaten in Kärnten regelt, ergibt sich folgendes Bild:18
       •    Abkühlphase für mind. 15 Minuten19
       •    Zusätzliche         Abstandsvorgaben         zu    Schulen,   Knotenpunkten       öffentlicher
            Verkehrsmittel          (zB.    Eisenbahnstationen,    Autobusbahnhöfen),     Sportplätzen,
            Schülerheimen und Horten, sowie zu Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice
            (100m) 20
       •    Genehmigungsverfahren für jeden Standort mit Abstandsgutachten, Bestellung
            eines Geschäftsleiters, spezielle fachliche Kenntnisse des Geschäftsleiters und der
            verantwortlichen Mitarbeiter 21
       •    Zwingende Verwendung einer personalisierten Spielerkarte
       •    Einrichtung eines Systems das Selbstsperren oder Begrenzung des Spieleinsatzes
            ermöglicht22
       •    Maximale Anzahl von Glücksspielautomaten im Bundesland Kärnten 465
       •    Generell          nur   in     Erlaubnisländern   (Kärnten,   Steiermark,   Oberösterreich,
            Niederösterreich und Burgenland) zulässig

Hier herrschen also deutliche Unterschiede bei der Ausgestaltung der Regelungen. Die
landesgesetzlichen Regelungen gehen über die Regelungen im Bundesgesetz hinaus, der
Spielerschutz           ist     stärker     ausgeprägt   und    genauer    definiert.   Für   VLT    und
Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten gilt auch die Voraussetzung der
Anbindung an das Bundesrechenzentrum, wodurch der Zugriff auf die einzelnen
Spielautomaten durch die Behörden geregelt ist. 23
Landesausspielungen dürfen nur in Erlaubnisländern durchgeführt werden, VLT dürfen im
ganzen Bundesgebiet betrieben werden.

Noch weiter gehen die Unterschiede, wenn man sich die Regelungen für Spielbanken
ansieht, welche als privilegiert gegenüber anderen Angeboten zu bezeichnen sind.

18Vgl. Gesetz über das Aufstellen und den Betrieb von Spielautomaten und Glücksspielautomaten in Kärnten
(Kärntner Spiel- und Glücksspielautomatengesetz – K-SGAG).
19   Vgl. § 17 Abs. 1 lt. b Z 1.
20   Vgl. § 10 Abs. 5 KSGAG.
21   Vgl. § 10 Abs. 10, 11, 12 & 13 KSGAG.
22   Vgl. § 17 Abs. 1 lit. a Z 3.
23   Vgl. § 2 Abs. 3 GSpG.
                                                                                                        12
Gem.     §    25    GSpG      sind    hier     lediglich    eine   Altersprüfung      und        verpflichtende
Beratungsgespräche bzw. das Einholen von Bonitätsauskünften bei auffälligen Spielern
vorgegeben.
Hier ist der Spielerschutz also am wenigsten streng geregelt und ein Betrieb von Casinos
ist im ganzen Bundesgebiet zulässig, auch in Verbotsländern die das kleine Glücksspiel
untersagt haben.

Da gerade der Spielerschutz als vorrangige Begründung für die Einschnitte in die Erwerbs-
und Dienstleistungsfreiheit angeführt wird, mutet diese Differenzierung unsachlich an. Ziel
der Regelungen zum Spielerschutz ist es, eine übermäßige finanzielle Belastung des
Spielteilnehmers zu verhindern, die Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen ist hier
allerdings schwammig und gibt wenige Anhaltspunkte, ab wann ein Spieler als gefährdet
einzustufen ist.

3.2.     Kriminalitätsbekämpfung

Eine weitere Zielsetzung des Gesetzgebers im Hinblick auf die Regulatorien im
Glücksspielbereich ist die Kriminalitätsbekämpfung. Im Zusammenhang mit Glücksspiel
und daraus resultierenden finanziellen Problemen, sollen die Beschaffungskriminalität bzw.
Straftaten in direkter Verbindung zu Glücksspiel verhütet werden.
Studien inwieweit es zu Kriminalität im Zusammenhang mit dem Konsum von Glücksspielen
kommt, sucht man allerdings vergeblich. Lediglich Abhandlungen zu den psychologischen
und psychiatrischen Aspekten im Zusammenhang mit exzessiven Glücksspielkonsum
wurden in Österreich in den letzten Jahren publiziert, diese basieren allerdings auf rein
medizinischen Blickpunkten, nicht auf aktuellen Datenerhebungen.24

         Dem       Glücksspielbericht           des        Finanzministeriums        ist    zum         Thema
         Kriminalitätsbekämpfung             lediglich     zu   entnehmen,       dass       gegen      illegale
         Glücksspielangebote vorgegangen werde, vor allem wegen Steuer- und
         Abgabenhinterziehung. Es gab zum Thema Kriminalität und Glücksspiel nur eine
         Studie im Jahr 2016 die zu dem Ergebnis führte, dass „die Erhebung valider Daten
         zu glücksspielbezogener Kriminalität äußerst schwierig ist und aus den meisten

24 Vgl. Haller, Gutachterliche und kriminologische Aspekte der Spielsucht, Feldkirch, 2018 via
https://www.bmf.gv.at/,. abgefragt am 20. Februar 2022.
                                                                                                             13
Quellen als weder effizient noch effektiv bezeichnet werden kann. Insbesondere von
           der Sammlung von Daten zur Motivlage über das elektronische Einvernahmesystem
           der österreichischen Exekutive sowie über die Analyse von Verurteilungen wird aus
           diesen Gründen abgeraten.“ 25

4. Die europäischen Grundfreiheiten

Die        europäischen         Grundfreiten,       darunter       die     Dienstleistungsfreiheit,   die
Kapitalverkehrsfreiheit, die Personenverkehrsfreiheit und die Warenverkehrsfreiheit dienen
der Harmonisierung des Binnenmarkts in der europäischen Union. Auf Grund der Relevanz
sind alle folgenden Ausführungen auf die Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit
bezogen, da diese im Glücksspielbereich die größte Rolle spielen.

Die Grundfreiheiten sind unmittelbar anwendbar, der Einzelne kann sich dem Mitgliedstaat
gegenüber darauf berufen. Es besteht eine Verpflichtung nationaler Behörden und Gerichte
die Grundfreiheiten zu beachten, nationale Regelungen welche diese beeinträchtigen,
treten zurück und sind nicht anzuwenden, bzw. unionsrechtskonform auszulegen.
Verpflichteter aus den Grundfreiheiten ist also der Mitgliedstaat, aber auch die Union selbst
ist natürlich an die Grundfreiheiten gebunden, ebenso wie Private – Verträge die gegen die
Grundfreiheiten verstoßen, sind in Österreich nichtig bzw. teilnichtig. 26

Träger der Grundfreiheiten sind grundsätzlich natürliche Personen, aber auch juristische
Personen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, aber auch für natürliche und juristische Personen
aus Drittstaaten, sofern sie durch unionsrechtliche Maßnahmen betroffen sind.27

Die Grundfreiheiten dienen der Verhinderung von direkter/indirekter Diskriminierung auf
Grund der Staatsangehörigkeit. Beschränkungen müssen verhältnismäßig sein und dem
Kohärenzgebot entsprechen.

„Daher ist gesondert für jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte
Beschränkung namentlich zu prüfen, ob die Beschränkung geeignet ist, die Verwirklichung

25   Glücksspielbericht 2017 – 2019 via https://www.bmf.gv.at/, abgefragt am 22. Februar 2022.
26   Vgl. Budischowsky in Jaeger/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 57 AEUV, Rz. 17ff.
27   Vgl. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der europäischen Union, 2010, Rz. 175.
                                                                                                       14
des von dem fraglichen Mitgliedstaat geltend gemachten Ziels oder der von ihm geltend
gemachten Ziele zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur
Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist Auf jeden Fall dürfen die
Beschränkungen nicht diskriminierend angewandt werden.“28

4.1.       Dienstleistungsfreiheit

Gem. Art. 56 AEUV sind „Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb
der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als
demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden
Bestimmungen verboten.“

Die Dienstleistungsfreiheit dient als Auffangtatbestand für Erwerbstätigkeiten die nicht unter
die Warenverkehrsfreiheit oder die Niederlassungsfreiheit fallen. Sie ist auf natürliche und
juristische Personen gleichermaßen anwendbar.29

Glücksspiele unterliegen nach der Definition des EUGH dem Dienstleistungsbegriff des Art.
57 AEUV.

Durch die unmittelbare Anwendbarkeit ist eine nationale Umsetzung nicht notwendig,
allerdings muss der sachliche, persönliche und räumliche Anwendungsbereich gegeben
sein.

Grundsätzlich          muss      ein     Sachverhalt       vorliegen,      der     grenzüberschreitende
Anknüpfungspunkte aufweist. Im Fall der Dienstleistungsfreiheit differenziert man die
passive        und     die     aktive     Dienstleistungsfreiheit,      wobei      mit   der   passiven
Dienstleistungsfreiheit gemeint ist, dass sich der Dienstleistungsempfänger in einen
anderen Mitgliedstaat begibt um die Leistung zu konsumieren. Umgekehrt meint die aktive
Dienstleistungsfreiheit, dass der Anbieter der Dienstleistung diese in einem anderen
Mitgliedstaat als seinem Niederlassungsstaat/Wohnsitzstaat erbringt. Weiters ist die

28   EuGH, 06.03.2007, Rs. C-338/04, Placanica.
29   Vgl. Bochardt, Die rechtlichen Grundlagen der europäischen Union, 2010, Rz. 1070.
                                                                                                     15
Dienstleistungsfreiheit, wie die anderen Grundfreiheiten, nur für Unionsbürger anwendbar,
der räumliche Anwendungsbereich umfasst, sofern nicht völkerrechtliche Vereinbarung
anderes besagen, das Unionsgebiet.30

„Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er auf einen Sachverhalt anwendbar ist, in dem
eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft, die nach dem Inkrafttreten von
Rechtsvorschriften in diesem Mitgliedstaat, die festlegen, an welchen Orten das Betreiben
von Glücksspielen erlaubt ist, und die unterschiedslos auf alle Dienstleistungserbringer
anwendbar sind, die ihre Tätigkeit im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ausüben,
unabhängig davon, ob sie Dienstleistungen an Angehörige dieses Mitgliedstaats oder an
Angehörige der anderen Mitgliedstaaten erbringen, die Erlaubnis zum Betreiben von
Glücksspielen verloren hat, wenn ein Teil ihrer Kunden aus einem anderen Mitgliedstaat
als dem ihrer Niederlassung stammt.“31

Aus diesem Urteil ergibt sich, dass sich Glücksspielbetreiber auf die Dienstleistungsfreiheit
berufen können, wenn sie Kunden aus anderen Mitgliedstaaten haben, die Voraussetzung
des grenzüberschreitenden Sachverhalts ist damit erfüllt.

Eine Diskriminierung oder Beschränkung auf Grund der Staatsangehörigkeit ist nicht
zulässig. Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit bedürfen einer Rechtfertigung, der Eingriff
muss gerechtfertigt, geeignet und in „systematischer sowie kohärenter Weise zur
Erreichung der angestrebten Gemeinwohlziele beitragen“ Das Kohärenzgebot besagt
somit, dass ein Bezug zwischen Gesetzgebung und tatsächlicher Umsetzung bestehen
muss, Widersprüche bei der Zielerreichung sind zu vermeiden, eine absolute
Widerspruchsfreiheit ist aber nicht gefordert. Bezogen auf den Glücksspielbereich bedeutet
das, „dass das verfolgte Regelungsziel in demselben und anderen, vergleichbaren
Glücksspielsektoren seinen Niederschlag findet und sich die diesbezüglichen Regelungen
- sektorenimmanent wie intersektoral - nicht als signifikant widersprüchlich oder
inkonsequent erweisen.“32

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass es sich bei der Kohärenz um ein dynamisches
System handelt, Veränderungen und neue Erkenntnisse müssen durch die Gerichte in
Betracht gezogen werden, da eine Regelung im Laufe der Zeit ihre Kohärenz einbüßen
kann. Die nationalen Gerichte haben also die Aufgabe, die Zielsetzung, die Mittel zur

30   Vgl. Budischowsky in Jaeger/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 57 AEUV, Rz. 11ff.
31   EuGH. 03.12.2020, Rs. C-311/19, BONVER WIN, a. s.
32Vgl. Barczak/ Hartmann, Zur Unionsrechtswidrigkeit der Glücksspiel- und Wettregulierung in Österreich, MR
2020, S. 330ff.
                                                                                                         16
Zielerreichung sowie die Hintergründe der Zielsetzung zu überprüfen. Wenn nun das Ziel
des Gesetzgebers eine Verminderung der Anzahl der spielsüchtigen Personen ist, muss
dies auch in Hinblick darauf überprüft werden, ob das Problem vorhanden ist und die
Maßnahmen zielführend sind. Dasselbe gilt für die Zielsetzung der Verhinderung von
Kriminalität       im     Zusammenhang           mit    Glücksspielkonsum.          Da    unterschiedliche
Glücksspielangebote auch ein unterschiedliches Gefahrenpotential in Bezug auf Spielsucht
mit sich bringen, ist eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Sektoren per se zulässig,
allerdings „hat der EuGH diesen Grundsatz eingeschränkt: Zum einen kann die Eignung
eines Monopols zur Verfolgung zwingender Allgemeininteressen wegen mangelnder
Kohärenz entfallen, wenn zugleich Spielformen liberalisiert werden, die ein höheres
Suchtpotenzial aufweisen. Zum anderen kann ein Monopol nicht unter Hinweis auf die
Notwendigkeit beibehalten werden, das Glücksspiel zur Bekämpfung der Spielsucht
einzudämmen, wenn in anderen Bereichen eine Politik verfolgt wird, die eher zur Teilnahme
am Glücksspiel verleitet.33

4.2.       Niederlassungsfreiheit

Die Niederlassungsfreiheit, gem. Art. 49ff AEUV, zählt wie die Dienstleistungsfreiheit zur
Freiheit der Unternehmer. Sie normiert die freie Standortwahl innerhalb der Union zur
Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten, sie ist auf natürliche wie auf juristische Personen
anwendbar. Wie bei der Dienstleistungsfreiheit gibt es eine primäre und eine sekundäre
Variante der Niederlassungsfreiheit, nach der Judikatur des EuGH herrscht nicht nur ein
Diskriminierungsverbot, sondern auch ein weitgehendes Beschränkungsverbot.34

Erfasst von der Niederlassungsfreiheit sind alle Tätigkeiten wirtschaftlicher Art, auch wenn
sie keine Gewinnerzielungsabsicht hegen, sofern sie dem Erwerb von Einkünften dienen,
also freie Berufe und gewerbliche Tätigkeiten.35

33   Vgl. Sauer, Minutiöse Missbrauchskontrolle bei der Begrenzung der Grundfreiheiten, ecolex 2021, S. 486.
34   Vgl. Enzinger in Mayer/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV Art. 49 AEUV, 2016, Rz. 1ff.
35   Vgl. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der europäischen Union, 2010, Rz. 1032.
                                                                                                               17
Die Niederlassungsfreiheit soll also Unternehmer davor schützen, auf Grund ihrer
Staatsangehörigkeit in anderen Mitgliedstaaten benachteiligt bzw. beschränkt zu werden.

Eine Diskriminierung liegt vor, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt in eine
schlechtere Rechtsposition versetzt wird, als ein innerstaatlicher Sachverhalt. Regelungen
die an die Staatsbürgerschaft, die Errichtung einer inländischen Gesellschaft oder ein
Wohnsitzerfordernis anknüpfen, wären somit eine offene Diskriminierung. Eine mittelbare
Diskriminierung läge vor, wenn die Niederlassungswilligen nicht direkt in der
Berufsausübung, sondern in ihrer außerberuflichen Sphäre benachteiligt würden.36

Mit der Rechtssache „Gebhard“, Rs. C-55/94, wurde das Behinderungsverbot vom EuGH
normiert, das Urteil stellte fest, „dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaates, der sich in
einem anderen Mietliedstaat niederlässt, den für Inländer geltenden Berufs- und
Gewerberechtsvorschriften nur insoweit unterworfen werden kann, als diese durch Gründe
des allgemeinen Wohls gerechtfertigt sind.“37

Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit bedürfen also einer Rechtfertigung, auf die die
Gebhard Formel anzuwenden ist. Sie müssen aus Gründen des „ordre public“, aus
zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, gerechtfertigt sein, zur Zielerreichung in
kohärenter und systemischer Weise geeignet sein, sowie erforderlich und verhältnismäßig
in Hinblick auf die Erreichung dieses Ziels sein.38

Somit sind also Zugangsbeschränkungen zum Markt eines Mitgliedstaates nur dann
zulässig, wenn sie oben genannten Kriterien entsprechen, vor allem bei Kriterien, deren
Erfüllung nicht im Machtbereich des Unternehmers liegen, liegt der Verdacht einer
Unionsrechtswidrigkeit also nahe. Bei unionsrechtlich harmonisierten Bereichen übernimmt
der EuGH die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen, bei Bereichen deren
Regelung den Mitgliedstaaten selbst obliegen, beurteilen nationale Gerichte die
Kohärenz.39

36   Vgl. Enzinger in Mayer/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV Art. 49 AEUV, 2016, Rz. 23, 24.
37   Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der europäischen Union, 2010, Rz. 1041.
38   Vgl. Enzinger in Mayer/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV Art. 49 AEUV, Rz. 25ff.
39Vgl. Grof, Die Sicherstellung der Effektivität des Unionsrechts gegenüber mitgliedstaatlichem
Protektionismus in einem System kassatorischer Verwaltungsgerichtsbarkeit - Nichtklärung diesbezüglicher
Kernfragen durch den EuGH (FN), SPWR 2019, 165.
                                                                                                           18
5. Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs in Angelegenheiten des Glücksspiels

Die Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielgesetzes ist häufig
Streitgegenstand vor dem EuGH. Wie im vorherigen Kapitel dargelegt, sind die Grundrechte
der europäischen Union vorrangig zu beachten.

Die gesetzliche Regelung zum Anbieten von Glücksspiel obliegt den Mitgliedstaaten,
innerhalb       der    Schranken     des    Unionsrechts,       selbst.    Die    Beschränkungen       der
Dienstleistungsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit sind hier von Bedeutung. Öffentliche
Ordnung, Sicherheit und Gesundheit sowie „zwingende Allgemeininteressen“ sind die
maßgeblichen Faktoren, die für die Einschränkungen herangezogen werden können. Diese
Einschränkungen           müssen    aber     verhältnismäßig       sein    und    dem      Kohärenzgebot
entsprechen. Der EuGH verlangt außerdem eine Gesamtwürdigung der Umstände, eine
Feststellung wie Regeln umgesetzt und kontrolliert werden und dies auch in dynamischer
Form, da sich die Umstände, auch abgesehen von rechtlichen Rahmenbedingungen,
ändern können.40

Nationale Gerichte sind verpflichtet, rechtliche Bestimmungen die dem Unionsrecht
widersprechen, unangewendet zu lassen, auch wenn anderslautende nationale,
höchstgerichtliche Entscheidungen zum Sachverhalt vorliegen. Das Auslegungsmonopol
des Unionsrechts liegt beim EuGH. Gem. Art. 267 AEUV besteht eine Vorlagepflicht für
nationale Gerichte, sofern die Frage vom EuGH in gleichgelagerten Fällen nicht bereits
beantwortet wurde, eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH vorliegt oder die Auslegung
zweifelsfrei ist.41

Der OGH ist zur Vorlage verpflichtet, wenn sich eine solche Vorfrage zur Auslegung des
Unionsrechts ergibt, untergeordnete Gerichte sind dazu berechtigt.42

Auf Grund der strengen Reglementierung des Bereichs Glücksspiel, kommt es immer
wieder zu Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH, da sich gerade in Bezug auf die

40Vgl. Sauer, Minutiöse Missbrauchskontrolle bei der Begrenzung der Grundfreiheiten, ecolex 2021/320, S.
485f.
41Kletečka, Glücksspielwerbung und Höchstgerichte: Ist in Österreich wirklich alles möglich?, ecolex
2021/132, S. 170f.
42   Vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV.
                                                                                                           19
Grundfreiheiten und deren Einschränkungen immer wieder Streitpunkte ergeben. Einige
wichtige Entscheidungen seien im Folgenden näher ausgeführt um die Rechtsansicht des
EuGH in Bezug auf die Thematik Glücksspiel zu verdeutlichen.

5.1.       Entscheidung Engelmann

Im Jahr 2010 erging die Engelmann Entscheidung, Rs. C-64/08, durch den EuGH. Diese
Entscheidung befasste sich mit der Frage, ob es eine unzulässige Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit sei, wenn die nationale Regelung vorsieht, dass nur eine inländische
Aktiengesellschaft sich um eine Konzession für den Betrieb von Spielcasinos bewerben
könne. Engelmann als deutscher Staatsbürger, betrieb ab dem Jahr 2004 Spielcasinos in
Österreich, jedoch ohne sich um eine Konzession in Österreich zu bewerben oder über eine
Konzession in einem anderen Mitgliedstaat zu verfügen. Er wurde wegen des Anbietens
illegalen Glücksspiels vom BG Linz verurteilt, das LG Linz als 2. Instanz, stellte in weiterer
Folge ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.

Es wurden seitens des LG Linz folgende Fragen aufgeworfen:43

       •   Es seien vor Erlass der Regelung keine Untersuchungen zur Gefahr der Spielsucht
           durchgeführt     worden,      es   sei   also    die   verlangte   Zweckmäßigkeit   und
           Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen nicht belegt.
       •   Eine kohärente und systematische Begrenzung von Glücksspieltätigkeiten sei
           zweifelhaft, da erheblich werbend aufgetreten werde.
       •   Die Beschränkung auf Konzessionsvergabe an inländische Aktiengesellschaften sei
           kritisch zu sehen im Hinblick auf die verfolgten Ziele.
       •   Glücksspiel als Einnahmequelle für den Staat stehe im Widerspruch zum Ziel die
           Teilnahme an Glücksspielen zu vermindern.

       Der EuGH beurteilte die Fragen wie folgt: 44

       •   Die Vorschrift eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Mitgliedstaat zu gründen oder zu
           erreichten, ist gemeinschaftsrechtswidrig, da sie unverhältnismäßig ist und über das

43   Vgl. EuGH 09.09.2010, Rs. C-64/08, ECLI:EU:C:2010:506, Rz. 17ff.
44   Vgl. EuGH 09.09.2010, Rs. C-64/08, ECLI:EU:C:2010:506, Rz. 26ff.
                                                                                                20
Maß hinausgeht, welches zur Zielerreichung, nämlich Kontrolle und Schutz der
         Konsumenten, hinausgeht.
     •   Die lange Dauer und Anzahl der Konzessionen wird als zulässig erachtet, da eine
         ausreichende Zeitspanne für den Konzessionär zur Amortisierung seiner
         Investitionen zur Verfügung stehen müsse und die beschränkte Anzahl der
         Spielbanken dem Spielerschutz diene.
     •   Bei der Vergabe der Konzessionen wurden der Gleichbehandlungsgrundsatz und
         das    Transparenzgebot         missachtet,      potentielle    Bewerber        aus     anderen
         Mitgliedstaaten      wurden      somit    mittelbar     diskriminiert     auf    Grund     ihrer
         Staatsangehörigkeit

Daraus ergibt sich, dass Sanktionen wegen nicht erfüllter Formvorschriften, deren Erfüllung
der Mitgliedstaat unter Verstoß gegen Unionsrecht selbst verhindert hat, nicht zulässig sind.
Solche Bestimmungen sind durch den Mitgliedstaat auch nicht vorübergehend
anzuwenden, was zur Folge hatte, dass zum damaligen Zeitpunkt bis zur Bereinigung des
GSpG, Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten für ihre Tätigkeit nicht bestraft werden
konnten.45

Bis zum heutigen Tag ist die Errichtung eines Sitzes im Inland lt. § 14 GSpG bei
erfolgreicher Bewerbung vorgesehen, es kann jedoch davon abgegangen werden, „wenn
die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare
Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht
unterliegt, die im Sinne des § 19 der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls
Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt
(behördliche Aufsichtskette).“

5.2.     Entscheidung Dickinger und Ömer

In der Rechtssache Rs. C-347/09 Dickinger und Ömer, befasste sich der EuGH bereits im
Jahr 2009 mit dem Thema Werbung im Glücksspielsektor.

45Vgl. Leidenmühler, Das "Engelmann"-Urteil des EuGH - Rien ne va plus für das österreichische
Glücksspielgesetz, MR 2010, S. 249.
                                                                                                       21
Ausgangslage war die Klage des Anbieters bet-at-home.com AG, der mit einer
maltesischen Lizenz in Österreich online Glücksspiele anbot, daneben über einen Sitz einer
Tochtergesellschaft in Österreich verfügte, welche eine Lizenz für das Anbieten von
Sportwetten innehatte. Gegen Dickinger und Ömer wurde ein Strafverfahren eingeleitet,
wegen des Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs. 1 StGB.

Das BG Linz als zuständiges nationales Gericht, brachte ein Vorabentscheidungsersuchen
ein, unter anderem mit folgenden Fragen: 46

       •   Wie ist zu rechtfertigen, dass es Beschränkungen der Wetttätigkeit gibt, wenn die
           Monopolisten exzessiv werben und eine expansionistische Politik betreiben?
       •   Wird bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung beachtet, dass Dienstleister, welche über
           Konzessionen aus anderen Mitgliedstaaten verfügen, dortigen Auflagen und
           Kontrollen unterliegen?
       •   Ist die Niederlassungsfreiheit dahingehend auszulegen, dass die geleisteten
           Sicherheiten und Kontrollen der Anbieter, die in einem anderen Mitgliedstaat über
           eine Konzession verfügen, zu berücksichtigen sind?
       •   Erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass nationale Gerichte eine
           Unterscheidung treffen, zwischen konzessionslosen Anbietern und solchen, die
           über eine Konzession eines anderen Mitgliedstaates verfügen?

Der EuGH sprach sich in seinem Urteil recht klar gegen eine expansionistische Politik der
Monopolisten in Österreich aus, mit der Begründung, dass dies nur sehr schwer mit den
Zielsetzungen des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung vereinbar sei. Das
Verharmlosen des Spiels, das Inaussichtstellen von Gewinnen, die Darstellung eines
positiven Images des Glücksspiels, sowie das Ansprechen von potentiellen Neukunden
widerspreche den genannten Zielen. Eine Expansionspolitik sei nur dann zulässig, wenn
die Problematik der Kriminalität in Zusammenhang mit Glücksspiel, sowie die Thematik der
Spielsucht ein derartiges Problem darstellen, dass nur eine Ausweitung der zugelassenen
Glücksspielangebote dem entgegenwirken könne. Dem Vorlagegericht wurde aufgetragen,
empirische Beweise für die genannte Problematik zu erheben, und eine besonders strenge
Kohärenzprüfung durchzuführen.

Kontrollen denen ein Anbieter in seinem Sitzstaat unterworfen ist, sind nicht zu
berücksichtigen, das Inlandssitzerfordernis (wie schon im Fall Engelmann) ist jedoch
unionsrechtswidrig, die Erbringung eines Mindestkapitals muss verhältnismäßig zur

46   Vgl. EuGH, 15.09.2011, Rs. C-47/09, ECLI:EU:C:2011:582, Rz. 29ff.
                                                                                           22
Zielerreichung sein, strafrechtliche Sanktionen gegen einen Betreiber der gegen die
Monopolregelung verstößt, sind insofern nicht zulässig, als die Regelungen der
Monopolregelung gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt.47

Auch hier muss wieder auf die kohärente und systemische Überprüfung der
Unionsrechtskonformität der Regelungen hingewiesen werden, die erforderlich ist und
durch die Gerichte in Österreich zu erfolgen hat. Das bedeutet, dass eine einmal
festgestellte Kohärenz, nicht automatisch im nächsten, ähnlich gelagerten Fall noch
gegeben ist. Der stetige Wandel in allen Bereichen, gesellschaftlich, technisch und sozial,
muss in die Prüfung einfließen.

5.3.       Entscheidung Fluctus und Fluentum

Eine neuere Entscheidung des EuGH ist der Beschluss in der Rechtssache Rs. C-920/19,
der im Mai 2021 erging. Hauptthema der Entscheidung waren erneut die Werbepraktiken
der Monopolisten in Österreich und die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht
durch das Landesgericht Steiermark. Das Ausgangsverfahren bildete die Beschlagnahme
von Glücksspielautomaten, welche von Fluctus/Fluentum betrieben wurden – ohne die
entsprechende Konzession zu halten. Es wurden Strafen in Höhe von € 480.000, -
ausgesprochen, Fluctus/Fluentum brachten gegen die Beschlagnahmebescheide und die
Straferkenntnisse Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Steiermark ein. Dieses
stellte ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH um folgende Fragen zu klären: 48

       •    Ist Art 56 AEUV dahin gehend auszulegen, dass es bei der Würdigung der vom
           Gerichtshof für den Fall eines staatlichen Glücksspielmonopols in ständiger
           Rechtsprechung           formulierten        unzulässigen          Werbepraktiken             des
           Konzessionsinhabers darauf ankommt, ob es in einer gesamthaften Betrachtung im
           relevanten Zeitraum tatsächlich zu einem Wachstum des Glücksspielmarktes
           gekommen ist oder genügt es schon, dass die Werbung darauf abzielt, zu aktiver
           Teilnahme am Spiel anzuregen, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der
           Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein

47   Vgl. Leidenmühler, EuGH-Urteil Dickinger und Ömer: Neues zum Online-Glücksspiel , MR 2011, 244ff.
48   EuGH 18.05.2021, Rs. C-920/19, ECLI:EU:C:2021:395, Rz. 18.
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positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige
           Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht
           stellen?
       •    Ist Art. 56 AEUV weiters dahin gehend auszulegen, dass Werbepraktiken eines
           Monopolisten        im    Falle    ihres    Vorliegens      jedenfalls     die   Kohärenz   der
           Monopolregelung          ausschließen         oder     kann     im       Falle   entsprechender
           Werbeaktivitäten privater Anbieter von Seiten eines Monopolisten auch zu aktiver
           Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm
           wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende
           Aktivitäten ein positives Ansehen verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch
           zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch
           in Aussicht stellen?
       •   Ist ein staatliches Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit Art. 56 AEUV
           anzuwenden hat, aus eigener Entscheidungsbefugnis gehalten, für die volle
           Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es jede seiner Auffassung nach
           entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt, selbst
           wenn in einem verfassungsrechtlichen Verfahren deren Unionsrechtskonformität
           bestätigt wurde?

Der Vorwurf des Klägers war, dass durch das österreichische Konzessionssystem und die
aggressiven Werbepraktiken der Monopolisten, lediglich das Ziel verfolgt werde, die
Staatseinnahmen zu erhöhen. Dieser Vorwurf wurde auch schon im Fall Dickinger und
Ömer vorgebracht, siehe oben.

Der EuGH führt dazu aus, dass sich der Maßstab an die Konzessionäre durch die Tätigkeit
der illegalen Anbieter verändert hat und hier nun ein anderer Maßstab anzulegen sei, bei
der Beurteilung was als maßvolle Werbung gelte.49

Der EuGH führt weiters dazu aus, dass eine Politik der „gezielten“ Expansion, also eine
Erweiterung des Geschäftsfeldes, immer noch im Einklang mit den verfolgten Zielen der
Beschränkungen stehen kann, wenn es darum geht, die Glücksspielkonsumenten in den
legalen Bereich zu lenken und zu verhindern, dass sie illegale Angebote konsumieren. Vor
allem dann, wenn das illegale Angebot von Glücksspielen zunimmt und es gilt, dieses
zurückzudrängen. Eine Prüfung der nationalen Gerichte ob die Werbemaßnahmen
verhältnismäßig und kohärent sind, hat dynamisch zu erfolgen, die Entwicklung der

49   Vgl. Klever, Online-Glücksspiel in Österreich, VbR 2021/71, S. 131.
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Umstände und Veränderungen der Rahmenbedingungen müssen beachtet und immer
wieder neu evaluiert werden. Nur den Faktor der Werbemaßnahmen zu beachten, ist lt.
EuGH zu kurz gegriffen, es ist nötig die Regelungen unter Bedachtnahme auf die gesamte
Entwicklung im Bereich Glücksspiel zu beurteilen. Die dritte Frage, nach dem Vorrang des
Unionsrechts,        wurde      dahingehend        beantwortet,      dass     auch     höchstgerichtliche
Entscheidungen außer Betracht zu lassen sind, sofern sie gegen Unionsrecht verstoßen.50

Die Beurteilung der Rahmenbedingungen obliegt den nationalen Gerichten, es stellt sich
allerdings die Frage, worauf sich diese Beurteilung stützt. Wie bereits in den Ausführungen
zu den Zielen der Gesetzgebungen dargelegt, existieren keine aktuellen Studien zum
Thema Spielsucht und Kriminalität in Zusammenhang mit Spielsucht, bzw. konnte zweiteres
bisher nicht nachgewiesen werden, daher stellt sich die Frage, worauf die dynamische
Gesamtschau der Umstände also beruht.

Der Grundsatz der maßvollen und begrenzten Werbung für Konzessionäre wird
aufgeweicht, es soll zwar kein Anreiz zum Spiel geschaffen bzw. das Glücksspiel
verharmlost        werden,     allerdings    ist   eine    Ausweitung        der     Werbepraktiken     zu
Lenkungszwecken - eine kontrollierte Expansion zulässig. Angesichts der Werbepraktiken
von illegalen Anbietern, ändert sich der Maßstab in Bezug auf maßvolle Werbung der
legalen Anbieter – es soll nicht zu einer Überlagerung des legalen Angebots durch
aggressive Werbung der konzessionslosen Anbieter kommen.51

Die Entscheidung des EuGH ist dahingehend zu verstehen, dass eine Kanalisierung hin zu
legalen Angeboten erfolgen soll, dies auch durch Werbung der Konzessionäre stattfinden
kann, aber diese eben maßvoll zu sein hat und nicht zur generellen Expansion des Marktes
genutzt werden darf. Eine Animierung im Sinne von „verleiten zum Spiel“ darf nicht
stattfinden. Es sollen die Personen erreicht werden, die ohnehin bereits am Markt
teilnehmen und in legale Bahnen gelenkt werden.52

Von einigen Autoren wird dieser Auslegung widersprochen, es sei vielmehr zulässig, auch
eine expansionistische Geschäftspolitik zu betreiben, wenn man diese in Relation zu den
Tätigkeiten der illegalen Anbieter setze. Somit wäre es auch zulässig, neue Kunden zu

50   Vgl. EuGH 18.05.2021, Rs. C-920/19, ECLI:EU:C:2021:395, Rz. 38ff.
51Kletečka, Glücksspielwerbung und Höchstgerichte: Ist in Österreich wirklich alles möglich?, ecolex
2021/132, S. 168f.
52Vgl. Stadler/Pachschwöll in Zillner (Hrsg.), Kommentar zum Glücksspielgesetz und ausgewählte Fragen
des Wettenrechts, 2021, § 56 GSpG, Rz. 106f.
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gewinnen, da ja auch illegale Anbieter ihre Dienstleistung so bewerben, dass sie bisher
nicht am Glücksspiel teilnehmende Personen zur Teilnahme animieren.53

6. Bewertung der Monopolregelung durch österreichische Höchstgerichte

Die Bestimmung des § 56 Abs. 1 GSpG führte im Verfahren 4Ob 31/16m vor dem OGH
dazu, dass dieser die Nichtanwendbarkeit der Monopolregelung für grenzüberschreitende
Sachverhalte und daraus resultierend eine Inländerdiskriminierung feststellte. Der OGH
stellte einen Normprüfungsantrag an den VfGH, der die Bestimmung in Folge als
verfassungswidrig aufheben sollte. Dieser wies den Antrag jedoch als unzulässig zurück,
es ergingen allerdings Entscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen, in denen der VfGH
feststellte, das Monopol sei kohärent und entspreche dem Unionsrecht. Bemerkenswert ist
also, dass diese Entscheidungen dazu führten, dass die zivilgerichtliche und die
öffentlichrechtliche Rechtsprechung auseinanderklafften. Schließlich folgte der OGH aber
der Rechtsansicht des VfGH.54

Auch im Bereich des Online Glücksspiels und dem Verbot für lizensierte Anbieter aus
anderen Mitgliedstaaten, ihre Dienstleistung in Österreich anzubieten, sieht der VfGH
keinen Verstoß gegen Unionsrecht, begründet wird dies mit dem hohen Schutzniveau, dass
man in Österreich halten wolle und somit eine ausländische Konzession und Kontrolle nicht
ausreichend seien. Durch den Druck der illegalen Anbieter auf den Markt, sei eine
vermehrte Werbetätigkeit durch die Konzessionäre gerechtfertigt, die verfolgten Ziele von
Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung würden kohärent und systemisch verfolgt. Der
VwGH schloss sich dieser Meinung an und hält in seiner ständigen Rechtsprechung daran
fest.55

Bemerkenswert ist die Argumentation des VfGH in seiner Entscheidung vom 15.10.2016,
dass der Glücksspielmarkt in seiner Gesamtheit nicht wachse, auch wenn die einzelnen

53   Vgl. Klever, Online-Glücksspiel in Österreich, VbR 04/2021, S. 131.
54   Vgl. Talos/Aquilina, Glücksspielrecht und freier Dienstleistungsverkehr, VbR 06/2016, S. 187f.
55   Vgl. OGH 1 Ob 229/20p = ZIIR 2021, S. 447ff.
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