GLÜCKSSPIEL IN ÖSTERREICH UND DIE RECHTSPRECHUNG DES EUGH
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Eingereicht von Glücksspiel in Mag. Kathrin Telsnig Angefertigt am Österreich und Institut für Europarecht die Beurteiler Univ.-Prof. Dr. Franz Leidenmühler Rechtsprechung 04/2022 des EuGH Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich
Anmerkung: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde von einer geschlechterspezifischen Differenzierung abgesehen. Sämtliche Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter. 2
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................4 1. Vorwort ..................................................................................................................................5 2. Überblick über die rechtliche Ausgestaltung des Glücksspiels in Österreich ......................6 2.1. Definition Glücksspiel ...........................................................................................................6 2.2. Das Glücksspielmonopol ......................................................................................................7 2.3. Online Glücksspiel ................................................................................................................8 3. Ziele der Gesetzgebung .......................................................................................................9 3.1. Spielerschutz ......................................................................................................................10 3.2. Kriminalitätsbekämpfung ....................................................................................................13 4. Die europäischen Grundfreiheiten ......................................................................................14 4.1. Dienstleistungsfreiheit.........................................................................................................15 4.2. Niederlassungsfreiheit ........................................................................................................17 5. Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs in Angelegenheiten des Glücksspiels ..19 5.1. Entscheidung Engelmann ...................................................................................................20 5.2. Entscheidung Dickinger und Ömer .....................................................................................21 5.3. Entscheidung Fluctus und Fluentum ..................................................................................23 6. Bewertung der Monopolregelung durch österreichische Höchstgerichte ..........................26 7. Conclusio ............................................................................................................................28 Literaturverzeichnis ....................................................................................................................33 Internetquellen ............................................................................................................................34 3
Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Art. Artikel B-VG Bundes-Verfassungsgesetz CASAG Casinos Austria AG EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof f folgende ff fortfolgende gem. gemäß GSpG Glücksspielgesetz Hrsg. Herausgeber iSd. im Sinne des KSGAG Gesetz über das Aufstellen und den Betrieb von Spielautomaten und Glücksspielautomaten in Kärnten lit. Buchstabe lt. laut OGH Oberster Gerichtshof Rs. Rechtssache Rz. Randzahl S. Seite StGB Strafgesetzbuch StGG Staatsgrundgesetz VfGH Verfassungsgerichtshof VwGH Verwaltungsgerichtshof Vgl. Vergleiche Z. Ziffer 4
1. Vorwort Das österreichische Glücksspielmonopol und seine gesetzliche Ausgestaltung beschäftigten inländische Gerichte sowie den Europäischen Gerichtshof seit Jahrzehnten. Das Monopol des Staats zur Durchführung von Glücksspielen wird durch die Vergabe von Konzessionen ausgeübt, ausgenommen vom Monopol ist das sogenannte kleine Glücksspiel, welches aber ebenfalls durch ein streng reglementiertes Konzessionssystem gekennzeichnet ist. Daraus ergibt sich ein Konzessionssystem, welches je nach Angebot und Bundesland unterschiedliche Regelungen für die Betreiber des kleinen Glücksspiels, einheitliche hingegen für die Bundeskonzessionäre vorsieht. Diese Tatsache führt naturgemäß zu rechtlichen Disputen, da sich privatrechtliche Anbieter sowie solche aus dem Ausland in diesem System benachteiligt fühlen und die Differenzierung zwischen den Angeboten der Monopolisten und der anderen Anbieter nur schwer nachvollziehbar ist. Ebenso sind Anbieter ausgeschlossen, die über Lizenzen aus anderen Mitgliedstaaten verfügen, ein grenzüberschreitendes Anbieten von Glücksspiel ist somit in Österreich nicht legal möglich. Die Rechtsprechung des EuGH und die innerösterreichische Rechtsprechung gehen teilweise auseinander, es wird in der Literatur immer wieder Kritik am österreichischen System geübt., vor allem das Kohärenzgebot sehen einige Autoren nicht ausreichend erfüllt. Die vorliegende Arbeit soll die Kritik an der österreichischen Regelung bearbeiten und einige Entscheidungen auf nationaler sowie europäischer Ebene näher beleuchten. Es wird ein Überblick über die Monopolregelung des Glücksspiels in Österreich gegeben, sowie eine Darlegung der europäischen Grundfreiheiten und unter welchen Voraussetzungen Eingriffe in diese zulässig sind, 5
2. Überblick über die rechtliche Ausgestaltung des Glücksspiels in Österreich 2.1. Definition Glücksspiel Glücksspiele sind lt. dem Glücksspielgesetz definiert als „Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt“.1 Somit muss ein „Spiel“ vorliegen, und dies ist der Fall, wenn es sich um einen entgeltlichen Glücksvertrag handelt. Entscheidend ist das Vorliegen eines aleatorischen Moments, wodurch sich das Glücksspiel auch von der Wette unterscheidet, die im GSpG nicht geregelt ist, da man den in Österreich erlaubten Sportwetten eben kein aleatorisches Moment zuschreibt. Das gewerbsmäßige Anbieten von Sportwetten fällt in die Kompetenz der Länder und wird von diesen autonom geregelt.2 Das Gesetz zählt demonstrativ einige Spiele auf, wie Roulette, Black Jack aber auch Glücksspielautomaten sind vom österreichischen Glücksspielgesetz umfasst, eine konkrete Legaldefinition existiert allerdings nicht, auch keine ergänzende Verordnung iSd. §2 Abs. 1 GSpG. Die Differenzierung von Glücksspiel und Geschicklichkeitsspiel ist bereits seit dem Mittelalter ein Thema das Machthaber und Gesetzgeber beschäftigt. Die Geschichte des Glücksspiels ist geprägt von Ge- und Verboten, ordnungspolitischen Maßnahmen und moralischen Bedenken. Eines hat sich aber im Lauf der Jahrhunderte wenig verändert, der finanzielle Nutzen für die jeweiligen Machthaber durch Besteuerung des Glücksspiels. Daher hielten sich Verbote desselben auch nie lange, wurden sie dennoch ausgesprochen, blühte das illegale Spiel quer durch alle Gesellschaftsschichten.3 1§1 Bundesgesetz vom 28. November 1989 zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz – GSpG), über die Änderung des Bundeshaushaltsgesetzes und über die Aufhebung des Bundesgesetzes betreffend Lebensversicherungen mit Auslosung. 2 Vgl. Mader, Vor einer Neuordnung des Glücksspielwesens in Österreich, Causa Sport 2021, S. 48. 3 Vgl. https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/, abgefragt am 10. Februar 2022. 6
2.2. Das Glücksspielmonopol Grundsätzlich ist die Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten, dieser hat also das Monopol auf die Durchführung von Glücksspielen in Österreich. Der Bund selbst führt allerdings keine Glücksspiele durch, sondern vergibt Konzessionen an Unternehmen. Ausgenommen davon sind unter anderem die Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten, welche in die Kompetenz der Bundesländer fallen und zusätzlicher Regelung in Landesgesetzen bedürfen.4 Zusätzlich unterliegt das kleine Glücksspiel – also die Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten, einer Begrenzung von Einsatz- und Gewinnhöhe.5 Die Konzessionsinhaber sind die Österreichische Lotterien GmbH und die Casinos Austria AG, deren Konzessionen bis September 2027 bzw. Dezember 2030 laufen. Die Österreichische Lotterien GmbH ist unter anderem Anbieter von „Lotto 6 aus 45“, „Euromillionen“ und dem einzig legalen online Glücksspielangebot „win2day“. Die Casinos Austria AG betreibt 12 Spielbanken – sohin die typischen Casinos, in Österreich. Daneben gibt es noch mehrere Konzessionäre mit der Befugnis, das kleine Glücksspiel, also Ausspielungen mit Glücksspielautomaten, in einigen Bundesländern auszuüben. Da der Bund das Monopol nicht selbst ausübt, sondern dieses durch ein Konzessionssystem an Unternehmen vergibt, ist erwähnenswert, dass es beispielsweise fünfzehn Spielbank Lizenzen gibt, von denen lediglich zwölf vergeben wurden, alle an die Casinos Austria AG. Ähnlich verhält es sich bei den Lotterien, hier wurde eine Konzession an die Österreichische Lotterien GmbH vergeben. Daraus ergibt sich für die Österreichische Lotterien GmbH und die CASAG eine defacto Monopolstellung im Bereich Lotterien, Online Glücksspiel und Casinobetrieb.6 Spiele, die nicht durch Konzessionsinhaber angeboten werden, sind verbotene Spiele iSd ABGB, die zugrundeliegenden Verträge absolut nichtig. Spielverluste aus verbotenen Spielen können somit bereicherungsrechtlich zurückgefordert werden. Das 4 Vgl. § 3ff Glückspielgesetz – GSpG. 5 Vgl. § 5 Abs. 5 GSpG. 6Vgl. Jaeger/Lanser, Das Bundesmonopol für das Online-Glücksspiel: Alles ausjudiziert?, ZfV 2020/26, S. 250. 7
Glücksspielmonopol zieht sich konsequent durch alle Bereiche vom Automatenglücksspiel bis hin zu Onlineangeboten.7 2.3. Online Glücksspiel Wie oben erwähnt, ist auch das Online Glücksspiel vom Glücksspielmonopol umfasst und bedarf einer Konzession um legal angeboten werden zu können. Da es in Österreich derzeit nur einen Konzessionär gibt, sind alle anderen online Glücksspielangebote illegal und berechtigen nach einer kürzlich ergangenen Entscheidung des OGH, zur Rückforderung von Spielverlusten.8 Gem. § 879 Abs. 1 ABGB sind Verträge mit nichtkonzessionierten Anbietern nichtig, was dazu führt, dass sie seitens des Spieler rückabgewickelt werden können. Somit können Spielverluste resultierend aus illegalem Online Glücksspiel zurückgefordert werden.9 An dieser Rechtsprechung wird allerdings Kritik geübt. Bedenkt man, dass in § 1174 Abs. 1 ABGB normiert ist, dass etwas das wissentlich zur Bewirkung einer unerlaubten Handlung hingegeben worden ist, nicht zurückgefordert werden kann, mutet es seltsam an, dass genau diese Norm im Fall der Teilnahme an nicht konzessionierten Online Glücksspielen, nicht anwendbar sein soll. Der OGH hat die Anwendung des § 1174 ABGB im genannten Fall ausgeschlossen, da es sich beim Spieleinsatz nicht um ein Entgelt handle, widerspricht damit aber seiner vorangegangenen Rechtsprechung, die sehr wohl besagte, dass eine Rückforderung nicht auf die vorsätzliche Teilnahme an einer strafbaren Handlung gestützt werden könne. Bei historischer Interpretation der Norm ergibt sich das Bild, dass eine Kondiktion eben dann ausgeschlossen sein soll, wenn dem Leistenden die Unerlaubtheit seiner Handlung bekannt war. 10 Es ist durchaus kritisch zu sehen, wenn dem Spieler einerseits die Möglichkeit eingeräumt wird, Spieleinsätze bei ungünstigem Spielausgang zurückzufordern, andererseits Gewinne aus dem illegalen Spiel zu behalten. Dies widerspricht grundlegend dem Schutzzweck der Normen des GSpG, auf die im folgenden Kapitel noch näher eingegangen wird. 7Vgl. Peschel/ Göschlberger, Online-Casinos und das österreichische Glücksspielmonopol, ecolex 2021/571ff. 8 Vgl. OGH 24.06.2021, 9Ob20/21p. 9 Vgl. Klever, Online-Glücksspiel in Österreich, VbR 2021/71, S. 128f. 10 Vgl. Klausberger/Riss, Glücksspiel und Kondiktionsausschluss, RdW 2021/542, S. 676ff. 8
3. Ziele der Gesetzgebung Die Beschränkungen die mit der gesetzlichen Reglementierung des Glücksspielmarktes in Österreich einhergehen, bedürfen, wie alle gesetzlichen Regelungen, einer Begründung und müssen den Anforderungen der österreichischen Verfassungsgesetze entsprechen. Hinzu treten die Normen der Europäischen Union, welche ebenfalls direkten Einfluss auf die Gesetzgebung haben. Besonders relevant in diesem Zusammenhang ist das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit lt. Art. 6 StGG. Dieses räumt jedem Staatsbürger die Freiheit ein, unter den gesetzlichen Bedingungen, jeden Erwerbszweig auszuüben. Allerdings steht dieses Grundrecht unter einem formellen Gesetzesvorbehalt, der Einschränkungen durch den Gesetzgeber ermöglicht. Diese müssen verhältnismäßig, im öffentlichen Interesse geboten, sachlich gerechtfertigt und zur Zielerreichung geeignet und adäquat sein.11 Die Erwerbsfreiheit umfasst in ihrem Schutzbereich jede selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit.12 Es muss also jene Einschränkung gewählt werden, die am wenigsten invasiv ist, also das gelindeste Mittel zur Zielerreichung darstellt. Die Adäquanz ergibt sich aus der Abwägung „zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe“.13 „Den gravierendsten Eingriff in Art. 6 StGG bilden objektive Beschränkungen des Erwerbsantritts, also Schranken, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann. Beispiele für derartige Beschränkungen bilden Monopole oder Konzessionssysteme, nach denen ein bestimmtes Gewerbe nur nach einer Bedarfsprüfung aufgenommen werden darf.“14 Außerdem ist noch der Gleichheitsgrundsatz gem. Art. 7 Abs. 1 B-VG anzuführen. Dieser normiert ein Verbot von unsachlicher Differenzierung, unsachlicher Privilegierung sowie Diskriminierung. Der VfGH hat daraus ein „allgemeines Sachlichkeitsgebot“ abgeleitet, welches er als verletzt sieht, wenn eine gesetzliche Regelung unsachlich ist.15 11 Vgl. Hengstschläger/Leeb, Grundrechte, 2013, S. 154f. 12 Vgl. Grabenwarter/Frank, B-VG Art. 6 StGG, 2020, Rz. 9. 13 Hengstschläger/Leeb, Grundrechte, 2013, S. 158. 14 Grabenwarter/Frank, B-VG Art. 6 StGG, 2020, Rz. 12. 15 Vgl. Hengstschläger/Leeb, Grundrechte, 2013, S. 106f. 9
Auf Grund des Diskriminierungsverbots des Art. 18 AEUV ist der Gleichheitsgrundsatz auch auf Unionsbürger anzuwenden, eine Differenzierung muss sachlich gerechtfertigt sein, eine Ungleichbehandlung allein auf Grund der Staatsangehörigkeit ist unzulässig.16 Diese nationalen Grundrechte finden ihre Entsprechungen in den europäischen Grundfreiheiten, die somit dann für alle Unionsbürger anwendbar sind. Siehe dazu Kapitel 4. Der Gesetzgeber ist also unter anderem, an diese Grundlagen gebunden und muss sie bei Regelungen im Glücksspielbereich beachten, da natürlich auch hier für die Betreiber bzw. potenziellen Betreiber die österreichischen Grundrechte, neben unionsrechtlichen Grundfreiheiten, Anwendung finden. Die Begründungen für die Eingriffe durch den Gesetzgeber werden im Folgenden näher ausgeführt. 3.1. Spielerschutz Als vorrangiges Ziel der Beschränkungen am österreichischen Glücksspielmarkt wird immer wieder der Spielerschutz genannt. Es soll durch ein konzessioniertes, streng kontrolliertes Angebot an Glücksspiel verhindert werden, dass Menschen in die Spielsucht abrutschen und ihre Existenz durch die Spielteilnahme gefährden. Gem. § 1 Abs. 4 GSpG ist eine Stelle für Spielerschutz durch den Finanzminister einzurichten, welche sich um die inhaltliche, wissenschaftliche und finanzielle Unterstützung des Spielerschutzes zu kümmern hat. Weiterhin ist im GSpG die Umsetzung des Spielerschutzes näher geregelt, in Form von Vorgaben an die Konzessionäre, wobei sich die Schutzmaßnahmen je nach Art des Angebots unterscheiden. Bemerkenswert ist hier beispielsweise die Unterscheidung zwischen den Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten und der Konzession für elektronische Lottieren, welche via Video Lotterie Terminals (kurz VLT) angeboten wird. Aber auch für Spielbanken gelten gesonderte Regelungen.17 16 Vgl. Muzak, B-VG, Art. 2 StGG, 2020, Rz. 2. 17 Vgl. §§5, 12a, 25 und 27 GSpG. 10
Lt. Definition des § 12a GSpG handelt es sich bei VLT um „Ausspielungen bei denen die Spielteilnahme unmittelbar durch den Spieler über elektronische Medien erfolgt und die Entscheidung über das Spielergebnis zentralseitig herbeigeführt wird.“ Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten liegen vor, wenn gem. § 2 Abs. 3 GSpG „die Entscheidung über das Spielergebnis nicht zentralseitig, sondern durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung im Glücksspielautomaten selbst erfolgt.“ Das bedeutet also, dass es sich in beiden Fällen um quasi identische Geräte handelt, der Unterschied liegt lediglich darin, dass die Entscheidung über das Spielergebnis einmal zentralseitig und einmal direkt am Gerät selbst erfolgt. Für den Spieler ergibt dies in der Praxis keinen Unterschied, da die Funktion und Nutzung der Geräte identisch sind, weil beide Arten von Geräten der Verordnung der Bundesministerin für Finanzen über die technischen Merkmale von Glücksspielautomaten und Video Lotterie Systemen, deren Anbindung an ein Datenrechenzentrum sowie über die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten (Automatenglücksspielverordnung) entsprechen müssen. Auf Grund der Ähnlichkeit der angebotenen Glücksspiele soll hier ein kurzer Vergleich über die Regulatorien und Spielerschutzmaßnahmen der Landes- und Bundeskonzessionäre angestellt werden: Betrachtet man die Spielerschutzvorgaben für Landeskonzessionäre, findet man hierzu sowohl Regelungen im Bundes- als auch in den jeweiligen Landesgesetzen. Als Beispiel soll hier das Bundesland Kärnten herangezogen werden, da es eine sehr umfassende gesetzliche Regelung des kleinen Glücksspiels gestaltet hat. Gem. § 5 Abs. 4 und 5 GSpG sind für Landesausspielungen und VLT unter anderem folgende Spielerschutzmaßnahmen vorgegeben: • Abkühlphase nach 2 Stunden ununterbrochenem Spiel • Abstandsregeln zu Spielbanken (15km) und anderen Anbietern (100m) • Identifikation der Kunden • Einrichtung eines Warnsystems zur Erkennung von problematischem Spielverhalten • Einholung von Bonitätsauskünften und verpflichtende Beratungsgespräche mit „auffälligen“ Spielern • Einrichtung eines Zutrittssystems das den Jugendschutz gewährleistet • Anzahl an VLT möglich in ganz Österreich: 5000 11
Vergleicht man nun die Regelungen des Bundesgesetzes mit dem K-SGAG, welches den Betrieb von Glücksspielautomaten in Kärnten regelt, ergibt sich folgendes Bild:18 • Abkühlphase für mind. 15 Minuten19 • Zusätzliche Abstandsvorgaben zu Schulen, Knotenpunkten öffentlicher Verkehrsmittel (zB. Eisenbahnstationen, Autobusbahnhöfen), Sportplätzen, Schülerheimen und Horten, sowie zu Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice (100m) 20 • Genehmigungsverfahren für jeden Standort mit Abstandsgutachten, Bestellung eines Geschäftsleiters, spezielle fachliche Kenntnisse des Geschäftsleiters und der verantwortlichen Mitarbeiter 21 • Zwingende Verwendung einer personalisierten Spielerkarte • Einrichtung eines Systems das Selbstsperren oder Begrenzung des Spieleinsatzes ermöglicht22 • Maximale Anzahl von Glücksspielautomaten im Bundesland Kärnten 465 • Generell nur in Erlaubnisländern (Kärnten, Steiermark, Oberösterreich, Niederösterreich und Burgenland) zulässig Hier herrschen also deutliche Unterschiede bei der Ausgestaltung der Regelungen. Die landesgesetzlichen Regelungen gehen über die Regelungen im Bundesgesetz hinaus, der Spielerschutz ist stärker ausgeprägt und genauer definiert. Für VLT und Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten gilt auch die Voraussetzung der Anbindung an das Bundesrechenzentrum, wodurch der Zugriff auf die einzelnen Spielautomaten durch die Behörden geregelt ist. 23 Landesausspielungen dürfen nur in Erlaubnisländern durchgeführt werden, VLT dürfen im ganzen Bundesgebiet betrieben werden. Noch weiter gehen die Unterschiede, wenn man sich die Regelungen für Spielbanken ansieht, welche als privilegiert gegenüber anderen Angeboten zu bezeichnen sind. 18Vgl. Gesetz über das Aufstellen und den Betrieb von Spielautomaten und Glücksspielautomaten in Kärnten (Kärntner Spiel- und Glücksspielautomatengesetz – K-SGAG). 19 Vgl. § 17 Abs. 1 lt. b Z 1. 20 Vgl. § 10 Abs. 5 KSGAG. 21 Vgl. § 10 Abs. 10, 11, 12 & 13 KSGAG. 22 Vgl. § 17 Abs. 1 lit. a Z 3. 23 Vgl. § 2 Abs. 3 GSpG. 12
Gem. § 25 GSpG sind hier lediglich eine Altersprüfung und verpflichtende Beratungsgespräche bzw. das Einholen von Bonitätsauskünften bei auffälligen Spielern vorgegeben. Hier ist der Spielerschutz also am wenigsten streng geregelt und ein Betrieb von Casinos ist im ganzen Bundesgebiet zulässig, auch in Verbotsländern die das kleine Glücksspiel untersagt haben. Da gerade der Spielerschutz als vorrangige Begründung für die Einschnitte in die Erwerbs- und Dienstleistungsfreiheit angeführt wird, mutet diese Differenzierung unsachlich an. Ziel der Regelungen zum Spielerschutz ist es, eine übermäßige finanzielle Belastung des Spielteilnehmers zu verhindern, die Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen ist hier allerdings schwammig und gibt wenige Anhaltspunkte, ab wann ein Spieler als gefährdet einzustufen ist. 3.2. Kriminalitätsbekämpfung Eine weitere Zielsetzung des Gesetzgebers im Hinblick auf die Regulatorien im Glücksspielbereich ist die Kriminalitätsbekämpfung. Im Zusammenhang mit Glücksspiel und daraus resultierenden finanziellen Problemen, sollen die Beschaffungskriminalität bzw. Straftaten in direkter Verbindung zu Glücksspiel verhütet werden. Studien inwieweit es zu Kriminalität im Zusammenhang mit dem Konsum von Glücksspielen kommt, sucht man allerdings vergeblich. Lediglich Abhandlungen zu den psychologischen und psychiatrischen Aspekten im Zusammenhang mit exzessiven Glücksspielkonsum wurden in Österreich in den letzten Jahren publiziert, diese basieren allerdings auf rein medizinischen Blickpunkten, nicht auf aktuellen Datenerhebungen.24 Dem Glücksspielbericht des Finanzministeriums ist zum Thema Kriminalitätsbekämpfung lediglich zu entnehmen, dass gegen illegale Glücksspielangebote vorgegangen werde, vor allem wegen Steuer- und Abgabenhinterziehung. Es gab zum Thema Kriminalität und Glücksspiel nur eine Studie im Jahr 2016 die zu dem Ergebnis führte, dass „die Erhebung valider Daten zu glücksspielbezogener Kriminalität äußerst schwierig ist und aus den meisten 24 Vgl. Haller, Gutachterliche und kriminologische Aspekte der Spielsucht, Feldkirch, 2018 via https://www.bmf.gv.at/,. abgefragt am 20. Februar 2022. 13
Quellen als weder effizient noch effektiv bezeichnet werden kann. Insbesondere von der Sammlung von Daten zur Motivlage über das elektronische Einvernahmesystem der österreichischen Exekutive sowie über die Analyse von Verurteilungen wird aus diesen Gründen abgeraten.“ 25 4. Die europäischen Grundfreiheiten Die europäischen Grundfreiten, darunter die Dienstleistungsfreiheit, die Kapitalverkehrsfreiheit, die Personenverkehrsfreiheit und die Warenverkehrsfreiheit dienen der Harmonisierung des Binnenmarkts in der europäischen Union. Auf Grund der Relevanz sind alle folgenden Ausführungen auf die Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit bezogen, da diese im Glücksspielbereich die größte Rolle spielen. Die Grundfreiheiten sind unmittelbar anwendbar, der Einzelne kann sich dem Mitgliedstaat gegenüber darauf berufen. Es besteht eine Verpflichtung nationaler Behörden und Gerichte die Grundfreiheiten zu beachten, nationale Regelungen welche diese beeinträchtigen, treten zurück und sind nicht anzuwenden, bzw. unionsrechtskonform auszulegen. Verpflichteter aus den Grundfreiheiten ist also der Mitgliedstaat, aber auch die Union selbst ist natürlich an die Grundfreiheiten gebunden, ebenso wie Private – Verträge die gegen die Grundfreiheiten verstoßen, sind in Österreich nichtig bzw. teilnichtig. 26 Träger der Grundfreiheiten sind grundsätzlich natürliche Personen, aber auch juristische Personen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, aber auch für natürliche und juristische Personen aus Drittstaaten, sofern sie durch unionsrechtliche Maßnahmen betroffen sind.27 Die Grundfreiheiten dienen der Verhinderung von direkter/indirekter Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit. Beschränkungen müssen verhältnismäßig sein und dem Kohärenzgebot entsprechen. „Daher ist gesondert für jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung namentlich zu prüfen, ob die Beschränkung geeignet ist, die Verwirklichung 25 Glücksspielbericht 2017 – 2019 via https://www.bmf.gv.at/, abgefragt am 22. Februar 2022. 26 Vgl. Budischowsky in Jaeger/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 57 AEUV, Rz. 17ff. 27 Vgl. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der europäischen Union, 2010, Rz. 175. 14
des von dem fraglichen Mitgliedstaat geltend gemachten Ziels oder der von ihm geltend gemachten Ziele zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist Auf jeden Fall dürfen die Beschränkungen nicht diskriminierend angewandt werden.“28 4.1. Dienstleistungsfreiheit Gem. Art. 56 AEUV sind „Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.“ Die Dienstleistungsfreiheit dient als Auffangtatbestand für Erwerbstätigkeiten die nicht unter die Warenverkehrsfreiheit oder die Niederlassungsfreiheit fallen. Sie ist auf natürliche und juristische Personen gleichermaßen anwendbar.29 Glücksspiele unterliegen nach der Definition des EUGH dem Dienstleistungsbegriff des Art. 57 AEUV. Durch die unmittelbare Anwendbarkeit ist eine nationale Umsetzung nicht notwendig, allerdings muss der sachliche, persönliche und räumliche Anwendungsbereich gegeben sein. Grundsätzlich muss ein Sachverhalt vorliegen, der grenzüberschreitende Anknüpfungspunkte aufweist. Im Fall der Dienstleistungsfreiheit differenziert man die passive und die aktive Dienstleistungsfreiheit, wobei mit der passiven Dienstleistungsfreiheit gemeint ist, dass sich der Dienstleistungsempfänger in einen anderen Mitgliedstaat begibt um die Leistung zu konsumieren. Umgekehrt meint die aktive Dienstleistungsfreiheit, dass der Anbieter der Dienstleistung diese in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Niederlassungsstaat/Wohnsitzstaat erbringt. Weiters ist die 28 EuGH, 06.03.2007, Rs. C-338/04, Placanica. 29 Vgl. Bochardt, Die rechtlichen Grundlagen der europäischen Union, 2010, Rz. 1070. 15
Dienstleistungsfreiheit, wie die anderen Grundfreiheiten, nur für Unionsbürger anwendbar, der räumliche Anwendungsbereich umfasst, sofern nicht völkerrechtliche Vereinbarung anderes besagen, das Unionsgebiet.30 „Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er auf einen Sachverhalt anwendbar ist, in dem eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft, die nach dem Inkrafttreten von Rechtsvorschriften in diesem Mitgliedstaat, die festlegen, an welchen Orten das Betreiben von Glücksspielen erlaubt ist, und die unterschiedslos auf alle Dienstleistungserbringer anwendbar sind, die ihre Tätigkeit im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ausüben, unabhängig davon, ob sie Dienstleistungen an Angehörige dieses Mitgliedstaats oder an Angehörige der anderen Mitgliedstaaten erbringen, die Erlaubnis zum Betreiben von Glücksspielen verloren hat, wenn ein Teil ihrer Kunden aus einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Niederlassung stammt.“31 Aus diesem Urteil ergibt sich, dass sich Glücksspielbetreiber auf die Dienstleistungsfreiheit berufen können, wenn sie Kunden aus anderen Mitgliedstaaten haben, die Voraussetzung des grenzüberschreitenden Sachverhalts ist damit erfüllt. Eine Diskriminierung oder Beschränkung auf Grund der Staatsangehörigkeit ist nicht zulässig. Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit bedürfen einer Rechtfertigung, der Eingriff muss gerechtfertigt, geeignet und in „systematischer sowie kohärenter Weise zur Erreichung der angestrebten Gemeinwohlziele beitragen“ Das Kohärenzgebot besagt somit, dass ein Bezug zwischen Gesetzgebung und tatsächlicher Umsetzung bestehen muss, Widersprüche bei der Zielerreichung sind zu vermeiden, eine absolute Widerspruchsfreiheit ist aber nicht gefordert. Bezogen auf den Glücksspielbereich bedeutet das, „dass das verfolgte Regelungsziel in demselben und anderen, vergleichbaren Glücksspielsektoren seinen Niederschlag findet und sich die diesbezüglichen Regelungen - sektorenimmanent wie intersektoral - nicht als signifikant widersprüchlich oder inkonsequent erweisen.“32 Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass es sich bei der Kohärenz um ein dynamisches System handelt, Veränderungen und neue Erkenntnisse müssen durch die Gerichte in Betracht gezogen werden, da eine Regelung im Laufe der Zeit ihre Kohärenz einbüßen kann. Die nationalen Gerichte haben also die Aufgabe, die Zielsetzung, die Mittel zur 30 Vgl. Budischowsky in Jaeger/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 57 AEUV, Rz. 11ff. 31 EuGH. 03.12.2020, Rs. C-311/19, BONVER WIN, a. s. 32Vgl. Barczak/ Hartmann, Zur Unionsrechtswidrigkeit der Glücksspiel- und Wettregulierung in Österreich, MR 2020, S. 330ff. 16
Zielerreichung sowie die Hintergründe der Zielsetzung zu überprüfen. Wenn nun das Ziel des Gesetzgebers eine Verminderung der Anzahl der spielsüchtigen Personen ist, muss dies auch in Hinblick darauf überprüft werden, ob das Problem vorhanden ist und die Maßnahmen zielführend sind. Dasselbe gilt für die Zielsetzung der Verhinderung von Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspielkonsum. Da unterschiedliche Glücksspielangebote auch ein unterschiedliches Gefahrenpotential in Bezug auf Spielsucht mit sich bringen, ist eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Sektoren per se zulässig, allerdings „hat der EuGH diesen Grundsatz eingeschränkt: Zum einen kann die Eignung eines Monopols zur Verfolgung zwingender Allgemeininteressen wegen mangelnder Kohärenz entfallen, wenn zugleich Spielformen liberalisiert werden, die ein höheres Suchtpotenzial aufweisen. Zum anderen kann ein Monopol nicht unter Hinweis auf die Notwendigkeit beibehalten werden, das Glücksspiel zur Bekämpfung der Spielsucht einzudämmen, wenn in anderen Bereichen eine Politik verfolgt wird, die eher zur Teilnahme am Glücksspiel verleitet.33 4.2. Niederlassungsfreiheit Die Niederlassungsfreiheit, gem. Art. 49ff AEUV, zählt wie die Dienstleistungsfreiheit zur Freiheit der Unternehmer. Sie normiert die freie Standortwahl innerhalb der Union zur Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten, sie ist auf natürliche wie auf juristische Personen anwendbar. Wie bei der Dienstleistungsfreiheit gibt es eine primäre und eine sekundäre Variante der Niederlassungsfreiheit, nach der Judikatur des EuGH herrscht nicht nur ein Diskriminierungsverbot, sondern auch ein weitgehendes Beschränkungsverbot.34 Erfasst von der Niederlassungsfreiheit sind alle Tätigkeiten wirtschaftlicher Art, auch wenn sie keine Gewinnerzielungsabsicht hegen, sofern sie dem Erwerb von Einkünften dienen, also freie Berufe und gewerbliche Tätigkeiten.35 33 Vgl. Sauer, Minutiöse Missbrauchskontrolle bei der Begrenzung der Grundfreiheiten, ecolex 2021, S. 486. 34 Vgl. Enzinger in Mayer/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV Art. 49 AEUV, 2016, Rz. 1ff. 35 Vgl. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der europäischen Union, 2010, Rz. 1032. 17
Die Niederlassungsfreiheit soll also Unternehmer davor schützen, auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit in anderen Mitgliedstaaten benachteiligt bzw. beschränkt zu werden. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt in eine schlechtere Rechtsposition versetzt wird, als ein innerstaatlicher Sachverhalt. Regelungen die an die Staatsbürgerschaft, die Errichtung einer inländischen Gesellschaft oder ein Wohnsitzerfordernis anknüpfen, wären somit eine offene Diskriminierung. Eine mittelbare Diskriminierung läge vor, wenn die Niederlassungswilligen nicht direkt in der Berufsausübung, sondern in ihrer außerberuflichen Sphäre benachteiligt würden.36 Mit der Rechtssache „Gebhard“, Rs. C-55/94, wurde das Behinderungsverbot vom EuGH normiert, das Urteil stellte fest, „dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaates, der sich in einem anderen Mietliedstaat niederlässt, den für Inländer geltenden Berufs- und Gewerberechtsvorschriften nur insoweit unterworfen werden kann, als diese durch Gründe des allgemeinen Wohls gerechtfertigt sind.“37 Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit bedürfen also einer Rechtfertigung, auf die die Gebhard Formel anzuwenden ist. Sie müssen aus Gründen des „ordre public“, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, gerechtfertigt sein, zur Zielerreichung in kohärenter und systemischer Weise geeignet sein, sowie erforderlich und verhältnismäßig in Hinblick auf die Erreichung dieses Ziels sein.38 Somit sind also Zugangsbeschränkungen zum Markt eines Mitgliedstaates nur dann zulässig, wenn sie oben genannten Kriterien entsprechen, vor allem bei Kriterien, deren Erfüllung nicht im Machtbereich des Unternehmers liegen, liegt der Verdacht einer Unionsrechtswidrigkeit also nahe. Bei unionsrechtlich harmonisierten Bereichen übernimmt der EuGH die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen, bei Bereichen deren Regelung den Mitgliedstaaten selbst obliegen, beurteilen nationale Gerichte die Kohärenz.39 36 Vgl. Enzinger in Mayer/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV Art. 49 AEUV, 2016, Rz. 23, 24. 37 Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der europäischen Union, 2010, Rz. 1041. 38 Vgl. Enzinger in Mayer/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV Art. 49 AEUV, Rz. 25ff. 39Vgl. Grof, Die Sicherstellung der Effektivität des Unionsrechts gegenüber mitgliedstaatlichem Protektionismus in einem System kassatorischer Verwaltungsgerichtsbarkeit - Nichtklärung diesbezüglicher Kernfragen durch den EuGH (FN), SPWR 2019, 165. 18
5. Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs in Angelegenheiten des Glücksspiels Die Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielgesetzes ist häufig Streitgegenstand vor dem EuGH. Wie im vorherigen Kapitel dargelegt, sind die Grundrechte der europäischen Union vorrangig zu beachten. Die gesetzliche Regelung zum Anbieten von Glücksspiel obliegt den Mitgliedstaaten, innerhalb der Schranken des Unionsrechts, selbst. Die Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit sind hier von Bedeutung. Öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit sowie „zwingende Allgemeininteressen“ sind die maßgeblichen Faktoren, die für die Einschränkungen herangezogen werden können. Diese Einschränkungen müssen aber verhältnismäßig sein und dem Kohärenzgebot entsprechen. Der EuGH verlangt außerdem eine Gesamtwürdigung der Umstände, eine Feststellung wie Regeln umgesetzt und kontrolliert werden und dies auch in dynamischer Form, da sich die Umstände, auch abgesehen von rechtlichen Rahmenbedingungen, ändern können.40 Nationale Gerichte sind verpflichtet, rechtliche Bestimmungen die dem Unionsrecht widersprechen, unangewendet zu lassen, auch wenn anderslautende nationale, höchstgerichtliche Entscheidungen zum Sachverhalt vorliegen. Das Auslegungsmonopol des Unionsrechts liegt beim EuGH. Gem. Art. 267 AEUV besteht eine Vorlagepflicht für nationale Gerichte, sofern die Frage vom EuGH in gleichgelagerten Fällen nicht bereits beantwortet wurde, eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH vorliegt oder die Auslegung zweifelsfrei ist.41 Der OGH ist zur Vorlage verpflichtet, wenn sich eine solche Vorfrage zur Auslegung des Unionsrechts ergibt, untergeordnete Gerichte sind dazu berechtigt.42 Auf Grund der strengen Reglementierung des Bereichs Glücksspiel, kommt es immer wieder zu Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH, da sich gerade in Bezug auf die 40Vgl. Sauer, Minutiöse Missbrauchskontrolle bei der Begrenzung der Grundfreiheiten, ecolex 2021/320, S. 485f. 41Kletečka, Glücksspielwerbung und Höchstgerichte: Ist in Österreich wirklich alles möglich?, ecolex 2021/132, S. 170f. 42 Vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV. 19
Grundfreiheiten und deren Einschränkungen immer wieder Streitpunkte ergeben. Einige wichtige Entscheidungen seien im Folgenden näher ausgeführt um die Rechtsansicht des EuGH in Bezug auf die Thematik Glücksspiel zu verdeutlichen. 5.1. Entscheidung Engelmann Im Jahr 2010 erging die Engelmann Entscheidung, Rs. C-64/08, durch den EuGH. Diese Entscheidung befasste sich mit der Frage, ob es eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sei, wenn die nationale Regelung vorsieht, dass nur eine inländische Aktiengesellschaft sich um eine Konzession für den Betrieb von Spielcasinos bewerben könne. Engelmann als deutscher Staatsbürger, betrieb ab dem Jahr 2004 Spielcasinos in Österreich, jedoch ohne sich um eine Konzession in Österreich zu bewerben oder über eine Konzession in einem anderen Mitgliedstaat zu verfügen. Er wurde wegen des Anbietens illegalen Glücksspiels vom BG Linz verurteilt, das LG Linz als 2. Instanz, stellte in weiterer Folge ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Es wurden seitens des LG Linz folgende Fragen aufgeworfen:43 • Es seien vor Erlass der Regelung keine Untersuchungen zur Gefahr der Spielsucht durchgeführt worden, es sei also die verlangte Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen nicht belegt. • Eine kohärente und systematische Begrenzung von Glücksspieltätigkeiten sei zweifelhaft, da erheblich werbend aufgetreten werde. • Die Beschränkung auf Konzessionsvergabe an inländische Aktiengesellschaften sei kritisch zu sehen im Hinblick auf die verfolgten Ziele. • Glücksspiel als Einnahmequelle für den Staat stehe im Widerspruch zum Ziel die Teilnahme an Glücksspielen zu vermindern. Der EuGH beurteilte die Fragen wie folgt: 44 • Die Vorschrift eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Mitgliedstaat zu gründen oder zu erreichten, ist gemeinschaftsrechtswidrig, da sie unverhältnismäßig ist und über das 43 Vgl. EuGH 09.09.2010, Rs. C-64/08, ECLI:EU:C:2010:506, Rz. 17ff. 44 Vgl. EuGH 09.09.2010, Rs. C-64/08, ECLI:EU:C:2010:506, Rz. 26ff. 20
Maß hinausgeht, welches zur Zielerreichung, nämlich Kontrolle und Schutz der Konsumenten, hinausgeht. • Die lange Dauer und Anzahl der Konzessionen wird als zulässig erachtet, da eine ausreichende Zeitspanne für den Konzessionär zur Amortisierung seiner Investitionen zur Verfügung stehen müsse und die beschränkte Anzahl der Spielbanken dem Spielerschutz diene. • Bei der Vergabe der Konzessionen wurden der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Transparenzgebot missachtet, potentielle Bewerber aus anderen Mitgliedstaaten wurden somit mittelbar diskriminiert auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit Daraus ergibt sich, dass Sanktionen wegen nicht erfüllter Formvorschriften, deren Erfüllung der Mitgliedstaat unter Verstoß gegen Unionsrecht selbst verhindert hat, nicht zulässig sind. Solche Bestimmungen sind durch den Mitgliedstaat auch nicht vorübergehend anzuwenden, was zur Folge hatte, dass zum damaligen Zeitpunkt bis zur Bereinigung des GSpG, Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten für ihre Tätigkeit nicht bestraft werden konnten.45 Bis zum heutigen Tag ist die Errichtung eines Sitzes im Inland lt. § 14 GSpG bei erfolgreicher Bewerbung vorgesehen, es kann jedoch davon abgegangen werden, „wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt (behördliche Aufsichtskette).“ 5.2. Entscheidung Dickinger und Ömer In der Rechtssache Rs. C-347/09 Dickinger und Ömer, befasste sich der EuGH bereits im Jahr 2009 mit dem Thema Werbung im Glücksspielsektor. 45Vgl. Leidenmühler, Das "Engelmann"-Urteil des EuGH - Rien ne va plus für das österreichische Glücksspielgesetz, MR 2010, S. 249. 21
Ausgangslage war die Klage des Anbieters bet-at-home.com AG, der mit einer maltesischen Lizenz in Österreich online Glücksspiele anbot, daneben über einen Sitz einer Tochtergesellschaft in Österreich verfügte, welche eine Lizenz für das Anbieten von Sportwetten innehatte. Gegen Dickinger und Ömer wurde ein Strafverfahren eingeleitet, wegen des Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs. 1 StGB. Das BG Linz als zuständiges nationales Gericht, brachte ein Vorabentscheidungsersuchen ein, unter anderem mit folgenden Fragen: 46 • Wie ist zu rechtfertigen, dass es Beschränkungen der Wetttätigkeit gibt, wenn die Monopolisten exzessiv werben und eine expansionistische Politik betreiben? • Wird bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung beachtet, dass Dienstleister, welche über Konzessionen aus anderen Mitgliedstaaten verfügen, dortigen Auflagen und Kontrollen unterliegen? • Ist die Niederlassungsfreiheit dahingehend auszulegen, dass die geleisteten Sicherheiten und Kontrollen der Anbieter, die in einem anderen Mitgliedstaat über eine Konzession verfügen, zu berücksichtigen sind? • Erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass nationale Gerichte eine Unterscheidung treffen, zwischen konzessionslosen Anbietern und solchen, die über eine Konzession eines anderen Mitgliedstaates verfügen? Der EuGH sprach sich in seinem Urteil recht klar gegen eine expansionistische Politik der Monopolisten in Österreich aus, mit der Begründung, dass dies nur sehr schwer mit den Zielsetzungen des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung vereinbar sei. Das Verharmlosen des Spiels, das Inaussichtstellen von Gewinnen, die Darstellung eines positiven Images des Glücksspiels, sowie das Ansprechen von potentiellen Neukunden widerspreche den genannten Zielen. Eine Expansionspolitik sei nur dann zulässig, wenn die Problematik der Kriminalität in Zusammenhang mit Glücksspiel, sowie die Thematik der Spielsucht ein derartiges Problem darstellen, dass nur eine Ausweitung der zugelassenen Glücksspielangebote dem entgegenwirken könne. Dem Vorlagegericht wurde aufgetragen, empirische Beweise für die genannte Problematik zu erheben, und eine besonders strenge Kohärenzprüfung durchzuführen. Kontrollen denen ein Anbieter in seinem Sitzstaat unterworfen ist, sind nicht zu berücksichtigen, das Inlandssitzerfordernis (wie schon im Fall Engelmann) ist jedoch unionsrechtswidrig, die Erbringung eines Mindestkapitals muss verhältnismäßig zur 46 Vgl. EuGH, 15.09.2011, Rs. C-47/09, ECLI:EU:C:2011:582, Rz. 29ff. 22
Zielerreichung sein, strafrechtliche Sanktionen gegen einen Betreiber der gegen die Monopolregelung verstößt, sind insofern nicht zulässig, als die Regelungen der Monopolregelung gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt.47 Auch hier muss wieder auf die kohärente und systemische Überprüfung der Unionsrechtskonformität der Regelungen hingewiesen werden, die erforderlich ist und durch die Gerichte in Österreich zu erfolgen hat. Das bedeutet, dass eine einmal festgestellte Kohärenz, nicht automatisch im nächsten, ähnlich gelagerten Fall noch gegeben ist. Der stetige Wandel in allen Bereichen, gesellschaftlich, technisch und sozial, muss in die Prüfung einfließen. 5.3. Entscheidung Fluctus und Fluentum Eine neuere Entscheidung des EuGH ist der Beschluss in der Rechtssache Rs. C-920/19, der im Mai 2021 erging. Hauptthema der Entscheidung waren erneut die Werbepraktiken der Monopolisten in Österreich und die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht durch das Landesgericht Steiermark. Das Ausgangsverfahren bildete die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten, welche von Fluctus/Fluentum betrieben wurden – ohne die entsprechende Konzession zu halten. Es wurden Strafen in Höhe von € 480.000, - ausgesprochen, Fluctus/Fluentum brachten gegen die Beschlagnahmebescheide und die Straferkenntnisse Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Steiermark ein. Dieses stellte ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH um folgende Fragen zu klären: 48 • Ist Art 56 AEUV dahin gehend auszulegen, dass es bei der Würdigung der vom Gerichtshof für den Fall eines staatlichen Glücksspielmonopols in ständiger Rechtsprechung formulierten unzulässigen Werbepraktiken des Konzessionsinhabers darauf ankommt, ob es in einer gesamthaften Betrachtung im relevanten Zeitraum tatsächlich zu einem Wachstum des Glücksspielmarktes gekommen ist oder genügt es schon, dass die Werbung darauf abzielt, zu aktiver Teilnahme am Spiel anzuregen, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein 47 Vgl. Leidenmühler, EuGH-Urteil Dickinger und Ömer: Neues zum Online-Glücksspiel , MR 2011, 244ff. 48 EuGH 18.05.2021, Rs. C-920/19, ECLI:EU:C:2021:395, Rz. 18. 23
positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen? • Ist Art. 56 AEUV weiters dahin gehend auszulegen, dass Werbepraktiken eines Monopolisten im Falle ihres Vorliegens jedenfalls die Kohärenz der Monopolregelung ausschließen oder kann im Falle entsprechender Werbeaktivitäten privater Anbieter von Seiten eines Monopolisten auch zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Ansehen verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen? • Ist ein staatliches Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit Art. 56 AEUV anzuwenden hat, aus eigener Entscheidungsbefugnis gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es jede seiner Auffassung nach entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt, selbst wenn in einem verfassungsrechtlichen Verfahren deren Unionsrechtskonformität bestätigt wurde? Der Vorwurf des Klägers war, dass durch das österreichische Konzessionssystem und die aggressiven Werbepraktiken der Monopolisten, lediglich das Ziel verfolgt werde, die Staatseinnahmen zu erhöhen. Dieser Vorwurf wurde auch schon im Fall Dickinger und Ömer vorgebracht, siehe oben. Der EuGH führt dazu aus, dass sich der Maßstab an die Konzessionäre durch die Tätigkeit der illegalen Anbieter verändert hat und hier nun ein anderer Maßstab anzulegen sei, bei der Beurteilung was als maßvolle Werbung gelte.49 Der EuGH führt weiters dazu aus, dass eine Politik der „gezielten“ Expansion, also eine Erweiterung des Geschäftsfeldes, immer noch im Einklang mit den verfolgten Zielen der Beschränkungen stehen kann, wenn es darum geht, die Glücksspielkonsumenten in den legalen Bereich zu lenken und zu verhindern, dass sie illegale Angebote konsumieren. Vor allem dann, wenn das illegale Angebot von Glücksspielen zunimmt und es gilt, dieses zurückzudrängen. Eine Prüfung der nationalen Gerichte ob die Werbemaßnahmen verhältnismäßig und kohärent sind, hat dynamisch zu erfolgen, die Entwicklung der 49 Vgl. Klever, Online-Glücksspiel in Österreich, VbR 2021/71, S. 131. 24
Umstände und Veränderungen der Rahmenbedingungen müssen beachtet und immer wieder neu evaluiert werden. Nur den Faktor der Werbemaßnahmen zu beachten, ist lt. EuGH zu kurz gegriffen, es ist nötig die Regelungen unter Bedachtnahme auf die gesamte Entwicklung im Bereich Glücksspiel zu beurteilen. Die dritte Frage, nach dem Vorrang des Unionsrechts, wurde dahingehend beantwortet, dass auch höchstgerichtliche Entscheidungen außer Betracht zu lassen sind, sofern sie gegen Unionsrecht verstoßen.50 Die Beurteilung der Rahmenbedingungen obliegt den nationalen Gerichten, es stellt sich allerdings die Frage, worauf sich diese Beurteilung stützt. Wie bereits in den Ausführungen zu den Zielen der Gesetzgebungen dargelegt, existieren keine aktuellen Studien zum Thema Spielsucht und Kriminalität in Zusammenhang mit Spielsucht, bzw. konnte zweiteres bisher nicht nachgewiesen werden, daher stellt sich die Frage, worauf die dynamische Gesamtschau der Umstände also beruht. Der Grundsatz der maßvollen und begrenzten Werbung für Konzessionäre wird aufgeweicht, es soll zwar kein Anreiz zum Spiel geschaffen bzw. das Glücksspiel verharmlost werden, allerdings ist eine Ausweitung der Werbepraktiken zu Lenkungszwecken - eine kontrollierte Expansion zulässig. Angesichts der Werbepraktiken von illegalen Anbietern, ändert sich der Maßstab in Bezug auf maßvolle Werbung der legalen Anbieter – es soll nicht zu einer Überlagerung des legalen Angebots durch aggressive Werbung der konzessionslosen Anbieter kommen.51 Die Entscheidung des EuGH ist dahingehend zu verstehen, dass eine Kanalisierung hin zu legalen Angeboten erfolgen soll, dies auch durch Werbung der Konzessionäre stattfinden kann, aber diese eben maßvoll zu sein hat und nicht zur generellen Expansion des Marktes genutzt werden darf. Eine Animierung im Sinne von „verleiten zum Spiel“ darf nicht stattfinden. Es sollen die Personen erreicht werden, die ohnehin bereits am Markt teilnehmen und in legale Bahnen gelenkt werden.52 Von einigen Autoren wird dieser Auslegung widersprochen, es sei vielmehr zulässig, auch eine expansionistische Geschäftspolitik zu betreiben, wenn man diese in Relation zu den Tätigkeiten der illegalen Anbieter setze. Somit wäre es auch zulässig, neue Kunden zu 50 Vgl. EuGH 18.05.2021, Rs. C-920/19, ECLI:EU:C:2021:395, Rz. 38ff. 51Kletečka, Glücksspielwerbung und Höchstgerichte: Ist in Österreich wirklich alles möglich?, ecolex 2021/132, S. 168f. 52Vgl. Stadler/Pachschwöll in Zillner (Hrsg.), Kommentar zum Glücksspielgesetz und ausgewählte Fragen des Wettenrechts, 2021, § 56 GSpG, Rz. 106f. 25
gewinnen, da ja auch illegale Anbieter ihre Dienstleistung so bewerben, dass sie bisher nicht am Glücksspiel teilnehmende Personen zur Teilnahme animieren.53 6. Bewertung der Monopolregelung durch österreichische Höchstgerichte Die Bestimmung des § 56 Abs. 1 GSpG führte im Verfahren 4Ob 31/16m vor dem OGH dazu, dass dieser die Nichtanwendbarkeit der Monopolregelung für grenzüberschreitende Sachverhalte und daraus resultierend eine Inländerdiskriminierung feststellte. Der OGH stellte einen Normprüfungsantrag an den VfGH, der die Bestimmung in Folge als verfassungswidrig aufheben sollte. Dieser wies den Antrag jedoch als unzulässig zurück, es ergingen allerdings Entscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen, in denen der VfGH feststellte, das Monopol sei kohärent und entspreche dem Unionsrecht. Bemerkenswert ist also, dass diese Entscheidungen dazu führten, dass die zivilgerichtliche und die öffentlichrechtliche Rechtsprechung auseinanderklafften. Schließlich folgte der OGH aber der Rechtsansicht des VfGH.54 Auch im Bereich des Online Glücksspiels und dem Verbot für lizensierte Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten, ihre Dienstleistung in Österreich anzubieten, sieht der VfGH keinen Verstoß gegen Unionsrecht, begründet wird dies mit dem hohen Schutzniveau, dass man in Österreich halten wolle und somit eine ausländische Konzession und Kontrolle nicht ausreichend seien. Durch den Druck der illegalen Anbieter auf den Markt, sei eine vermehrte Werbetätigkeit durch die Konzessionäre gerechtfertigt, die verfolgten Ziele von Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung würden kohärent und systemisch verfolgt. Der VwGH schloss sich dieser Meinung an und hält in seiner ständigen Rechtsprechung daran fest.55 Bemerkenswert ist die Argumentation des VfGH in seiner Entscheidung vom 15.10.2016, dass der Glücksspielmarkt in seiner Gesamtheit nicht wachse, auch wenn die einzelnen 53 Vgl. Klever, Online-Glücksspiel in Österreich, VbR 04/2021, S. 131. 54 Vgl. Talos/Aquilina, Glücksspielrecht und freier Dienstleistungsverkehr, VbR 06/2016, S. 187f. 55 Vgl. OGH 1 Ob 229/20p = ZIIR 2021, S. 447ff. 26
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